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Eine Hobby-Detektivin mit spitzer Feder und scharfem Verstand: »Die Reporterin und der falsche Mörder« von Helga Beyersdörfer als eBook bei dotbooks. Die Journalistin Margot Thaler kann eigentlich nichts erschüttern. Als sie jedoch einen Anruf von ihrem Chefredakteur erhält, ist sogar die sonst so schlagfertige Margot sprachlos: Er steht unter Mordverdacht! Seine Geliebte, eine berühmte Schriftstellerin, wurde vergiftet – aber ist der charmante Schwerenöter wirklich zu einem Mord fähig? Margot hat Zweifel, beginnt auf eigene Faust zu ermitteln – und ist der Polizei bald mehr als drei Schritte voraus. Doch wer einer ungeliebten Wahrheit zu nahekommt, muss damit rechnen, sich die Finger zu verbrennen … Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der ebenso spannende wie amüsante Krimi »Die Reporterin und der falsche Mörder« von Helga Beyersdörfer. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 149
Über dieses Buch:
Die Journalistin Margot Thaler kann eigentlich nichts erschüttern. Als sie jedoch einen Anruf von ihrem Chefredakteur erhält, ist sogar die sonst so schlagfertige Margot sprachlos: Er steht unter Mordverdacht! Seine Geliebte, eine berühmte Schriftstellerin, wurde vergiftet – aber ist der charmante Schwerenöter wirklich zu einem Mord fähig? Margot hat Zweifel, beginnt auf eigene Faust zu ermitteln – und ist der Polizei bald mehr als drei Schritte voraus. Doch wer einer ungeliebten Wahrheit zu nahekommt, muss damit rechnen, sich die Finger zu verbrennen …
Über die Autorin:
Helga Beyersdörfer studierte Germanistik in Frankfurt am Main und machte danach eine Ausbildung zur Journalistin. Zunächst war sie als freie Autorin u.a. für das ZEIT-Magazin, dann als Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau, STERN und SAT1 tätig. Helga Beyersdörfer lebt in Hamburg und ist Mitglied der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur »Das Syndikat«, sowie der »Hamburger Autorenvereinigung«.
Bei dotbooks erscheinen ihre Kriminalromane »Die Reporterin und der falsche Mörder. Der erste Fall«, »Die Hellseherin. Margot Thalers zweiter Fall«, »Asams Pfeil. Margot Thalers dritter Fall«.
Die Website der Autorin: www.helga-beyersdoerfer.de
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Aktualisierte eBook-Neuausgabe Juli 2020
Dieses Buch erschien bereits 1998 bei Rowohlt und 2015 bei dotbooks unter dem Titel »Mitten im Wort«.
Copyright © der Originalausgabe 1998 Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Copyright © der aktualisierten Neuausgabe 2020 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / seligaa / Igor Tichonow / portmen / Rudy Balasko
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (tw)
ISBN 978-3-95824-309-5
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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags
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Helga Beyersdörfer
Die Reporterin und der falsche Mörder
Der erste Fall
dotbooks.
Als ihr Kopf vornüber auf die Tischkante fiel, war es genau einundzwanzig Uhr neun an einem frühherbstlichen, leicht nebligen Sonntagabend im September.
Die linke Gesichtshälfte der Frau lag auf dem aufgeschlagenen Buch, aus dem sie gerade vorgelesen hatte.
Der Klang ihrer Stimme hallte noch nach in dem Raum mit den hohen Fenstern, in dem sich jetzt schrecksekundenlang nichts und niemand rührte.
Die etwa vierzig Zuhörer saßen auf ihren harten Stühlen mit den verchromten Beinen und schienen darauf zu warten, daß es weiterging. Alle starrten nach vorne. Sahen die schwarze Halogen-Leselampe, die umgekippt war. Sie strahlte jetzt das blasse, leblose Gesicht der Frau an, den vollen Mund, die perfekt geschwungenen schwarzen Augenbrauen, das naturgelockte, dunkle, halblange Haar.
Am nächsten Tag erschien in der lokalen Tagespresse eine dpa-Meldung zu dem tragischen Vorfall.
Unter der Überschrift »Schriftstellerin Bella Sievers tot« erfuhr die Öffentlichkeit, daß die zweiundvierzigjährige Autorin während einer Lesung im Berliner Literaturhaus ohne vorherige Anzeichen von Unwohlsein zusammengebrochen sei.
»Auch der sofort herbeigerufene Notarzt konnte nicht mehr helfen«, hieß es weiter. »Bella Sievers starb eine Stunde später, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben. Die Todesursache ist noch nicht bekannt. Eine Obduktion wird vorgenommen, und die Kriminalpolizei wurde eingeschaltet, da nicht auszuschließen ist, daß es sich um ein Verbrechen handelt.«
Es folgten noch einige Bemerkungen über die literarische Hinterlassenschaft der Verstorbenen. Neben dem Text stand einspaltig das Foto einer strahlend lachenden, schönen Frau. Die Bildunterschrift lautete: »Die Hamburger Autorin Bella Sievers wenige Wochen vor ihrem plötzlichen Tod«.
Am Tag darauf meldeten auch überregionale Zeitungen das Ereignis, die meisten mit dem gleichen Foto, das der Verlag der Toten den Redaktionen zur Verfügung gestellt hatte.
»War es Gift?« fragten die Schlagzeilen jetzt, oder »Wie starb Bella Sievers wirklich?«
***
Margot Thaler las die Meldung mit dem schläfrigen Interesse eines Menschen, der gerade aufgestanden ist und den ersten Becher mit dampfendem Kaffee vor sich stehen hat.
Margot gehörte zu den Menschen, die als Morgenmuffel zu bezeichnen noch untertrieben war. Bevor sie nicht mindestens drei Becher Kaffee getrunken hatte, durfte weder das Radio dudeln noch das Telefon läuten. Sie kam mit sich und der Welt besser zurecht, wenn sie in der ersten Stunde des Tages mit der Morgenzeitung alleine war. Seit sie beschlossen hatte, als freiberufliche Journalistin zu arbeiten, gönnte sie sich diesen Luxus.
Gähnend saß sie am Tresen ihrer offenen Küche, vor sich aufgeschlagen die Hamburger Morgenpost. In der Ecke neben dem Kühlschrank blubberte leise die Kaffeemaschine.
Sie kuschelte sich behaglich in ihren alten gelben Frotteemantel, den Harald einmal abschätzig ihr Viermannzelt genannt hatte. Harald! Wieso zum Kuckuck mußte sie jetzt an ihn denken? Ungehalten zog Margot die Zeitung näher zu sich heran und versuchte, sich auf das Gesicht der Bella Sievers zu konzentrieren. Ein schönes Gesicht, ein perfektes Make-up. Der Typ elegante Schönheit, wie er Harald gefiel. Diese Frau hätte bestimmt den Seiden-Satin-Morgenmantel in Perlmuttweiß getragen, den Harald eines Tages angeschleppt hatte und der seither unbeachtet im Schrank hing. »Du könntest aussehen wie Jane Fonda zu ihrer besten Zeit«, hatte er beleidigt gesagt, »wenn du wenigstens ab und zu mal was anderes als dieses praktische Zeug tragen würdest.«
Margot wollte aber gar nicht aussehen wie jemand anders und so bevorzugte sie weiter ihre bequemen Jeans. Das dichte, kastanienbraune Haar fiel, gerade geschnitten, glatt auf die Schultern, die grünen Augen erhielten keine Unterstützung durch Lidschatten. Lediglich den Mund betonte sie, immerhin, mit ein wenig Gloss.
Zuwenig für Harald. Einer seiner letzten Versuche, sie zu damenhafter Eleganz zu trimmen, war diese sündhaft teure, metallschimmernde Abendtasche, die er ihr eines Tages feierlich überreichte. Sie sah in Margots viereckiger Hand mit den kurzgefeilten Fingernägeln aus wie ein Stück Kernseife. Margot hatte lachen müssen, bis ihr die Tränen liefen, was Harald wiederum sehr ärgerte.
Er hielt ihr dann auch gleich ihre Neigung vor, lange zu schlafen und spät ins Bett zu gehen, deutete mißbilligend auf ihre »Zettelwirtschaft« auf dem Wohnzimmertisch und stolperte demonstrativ über einen Packen Zeitungen neben dem Schreibtisch.
Danach beklagte er noch einige Wochen lang Margots unerträglichen Eigensinn und bescheinigte sich selbst, er habe nun wirklich viel Geduld bewiesen; dann zog er aus.
Das war vor acht Monaten. Seither war Margot wieder einmal Single und mehr denn je davon überzeugt, daß sie nie richtig verstehen würde, was in Männern eigentlich vorging.
Was zum Beispiel war gegen einen gut eingetragenen Morgenmantel zu sagen? Sollte sie den Tag etwa in einer Wolke aus Tüll beginnen? War sie vielleicht eine Marzipantrüffel? Eben.
Sie schenkte ihrem Kaffeebecher ein verschmitztes Grinsen, wandte sich endgültig wieder der Gegenwart und der Zeitung zu und betrachtete sich noch einmal das Foto.
Sie kannte Bella Sievers nicht persönlich, hatte sie aber vor etwa vier Wochen hier in Hamburg in einem Restaurant gesehen in Gesellschaft einer Gruppe von mindestens sechs Leuten. Einer davon war Bert.
Margot erinnerte sich genau: sie hatte sich gerade an ihrem ersten Bissen Lasagne die Zunge verbrannt, als Bert an ihren Tisch kam und sie herzlich wie immer begrüßte. »Bist du mal wieder auf der Pirsch?«, hatte sie ihn leise gefragt und zu der dunkelgelockten Schönheit in dem teuren Designerkostüm hinübergenickt.
»Es ist alles ganz furchtbar«, hatte er zurückgeflüstert und ihr vertraulich zugezwinkert.
Amüsiert konnte sie anschließend von ihrem Nischenplatz aus beobachten, wie Bert und seine Begleiterin unter dem Tisch heimlich Händchen hielten.
Wie hatte er wohl die Nachricht von ihrem Tod aufgenommen? Ob er Genaueres wußte? Bestimmt saß er schon in seinem schicken Chefredakteurssessel und traf bedeutende Entscheidungen. Margot streckte sich und beschloß, ihn anzurufen, sobald ihr Morgenritual beendet war.
Herbert Öttings Schreibtisch stand vor einem großen Fenster mit Blick auf die Außenalster. Ein angemessener Ausblick für den Chefredakteur einer bekannten Hamburger Wochenzeitung.
Herbert Ötting war allerdings augenblicklich nicht in der Stimmung, sich an den Segelbooten zu erfreuen, die an diesem schönen Herbsttag in großer Zahl auf der Alster kreuzten.
Er zündete sich den vierten Zigarillo an diesem Vormittag an und sah über seine halbe Brille hinweg angewidert auf seinen Schreibtisch.
Dort lag, genau vor dem Computer und neben einem braunen Glasaschenbecher mit drei zerdrückten Zigarillos, ein toter Maulwurf. Er lag auf dem Rücken und streckte seine vier kurzen Beinchen mit den nackten, langen Zehen von sich. Er sah aus, als habe er noch in der letzten Minute seines Lebens um Gnade gefleht. Augenscheinlich vergebens. Jemand hatte das arme Tier ganz offensichtlich mit einem kräftigen Schlag vom Leben zum Tod befördert, es anschließend in Zeitungspapier gewickelt und mitten auf diesem Schreibtisch zur vorläufig letzten Ruhe gebettet.
Ötting ließ sich in einen Sessel aus weichem braunem Leder fallen und rückte seine Brille zurecht, die auf der kleinen Nase ständig ins Rutschen kam. Er stützte seinen Kopf in die Hand und holte tief Luft.
Das war ein Tag heute. Erst am Morgen die Nachricht, daß Bella durch Gift ums Leben gekommen war, was unweigerlich Nachfragen, Gerüchte und Klatsch nach sich ziehen würde.
Dann das hier. Ein toter Maulwurf auf seinem Schreibtisch. Was sollte das überhaupt? Welcher Spinner hatte sich das nun wieder ausgedacht und dahinter einen tiefgründigen Witz gesehen?
In einer großen Redaktion gab es immer ein paar Leute, die sich schrill gaben und ständig daran arbeiteten, diesem Ruf gerecht zu werden. Man durfte das nicht überbewerten.
Deshalb hatte er auch nicht die Polizei gerufen. Die hätten doch nur mit den Schultern gezuckt. Er hatte die Haushandwerker angerufen, die »Feuerwehr« für alle unvorhergesehenen Ereignisse, und hatte sie gebeten, das tote Tier wegzuschaffen. Das war vor zehn Minuten. Wo blieben die denn nur?
Ötting stand auf und stellte sich neben den Schreibtisch ans Fenster. Er mußte an Bella denken, und unwillkürlich strich seine Hand über die gelbe Seidenkrawatte mit den zartgrünen Punkten. Bellas letztes Geschenk.
»Sie paßt zu deinen täuschend treuen Rehaugen«, hatte sie gesagt. Er hatte mit beiden Händen in ihre braunen Locken gegriffen, sie zu sich herangezogen und sie zärtlich geküßt.
»Wann sehe ich dich wieder?« hatte sie gefragt.
»Sobald es geht, mein Schatz, ich melde mich.«
Aber er hatte sich nicht gemeldet. Sie war es, die ihn ständig in der Redaktion anrief. Öfter, als ihm lieb war, schließlich war er sehr beschäftigt. Außerdem wollte er Gerede vermeiden. Reni war höllisch eifersüchtig, er mußte vorsichtig sein, sie durfte unter keinen Umständen etwas von dieser Affäre erfahren.
Gut, er war kein Engel. Während seiner zwanzigjährigen Ehe war er immer wieder mal fremdgegangen, aber Reni hatte es nie gewußt. Sie hätte ihn rausgeschmissen, sie war willensstark und konsequent. Sie war sein Hafen, seine Stütze, seine Gewähr für Ordnung, geregelte Finanzen und ein Familienleben, wenn er danach Bedarf hatte. Ein Mann in seinem Alter brauchte eine Ruhezone. Mit seinen zweiundfünfzig Jahren war er eben kein Jüngling mehr, und in ehrlichen Momenten mußte er sich eingestehen, daß immer häufiger die Bequemlichkeit über Sturm und Drang siegte. Nein, nein, an Ehe und Familie war nicht zu rütteln.
All seine heimlichen Freundinnen hatten das verstanden, da konnte er ihnen vertrauen. Manche waren sogar regelrecht gerührt über seine Loyalität der Familie gegenüber.
Bella nicht. Sie war fordernder, ihr fiel das Versteckspielen schwer. Manchmal konnte sie richtig grantig werden, obwohl sie sehr genau wußte, daß er Streit nicht ausstehen konnte. In solchen Situationen verließ er sie einfach wortlos.
Aber meist war es schön mit ihr, weil sie sehr verliebt war und zärtlich und anschmiegsam. Sie schrieb ihm lange, melancholische Briefe in die Redaktion, immer ohne Absender und immer mit dem Vermerk persönlich. Zweimal hatte er sich sogar dazu hinreißen lassen, ihr ebenfalls zu schreiben.
Die Briefe! Mein Gott! Hatte sie die etwa aufgehoben?
Die Erinnerung an diese Briefe schoß durch seinen Kopf wie ein Kugelblitz. Der Schreck traf ihn so unverhofft, daß er sich taumelnd gegen die Fensterscheibe lehnen mußte. Die Briefe waren nicht nur glasklare Beweise für sein Verhältnis mit Bella, sie enthielten auch andere sehr persönliche Details. Er hätte sie niemals schreiben dürfen, dachte er, niemals, nie.
Wenn Bella wirklich an Gift gestorben war, würde die Polizei doch unweigerlich Untersuchungen anstellen. Sie würden seine Briefe finden, Fragen stellen, am Ende gar bei ihm zu Hause nachfragen.
Er sah schon die Schlagzeilen der Konkurrenzblätter vor sich. Bella Sievers heimlicher Geliebter oder Liebesdrama in Chefredaktion. Herbert Ötting nahm die Brille von der Nase und wischte sich über die Augen, während er fieberhaft darüber nachdachte, was er tun konnte. Er mußte sich jemandem anvertrauen, sich mit jemandem besprechen. Margot fiel ihm ein. Margot mit ihrer burschikosen Sachlichkeit und ihrem klaren Verstand. Er mußte sie sprechen, sofort.
Entschlossen stand er auf, sah auf seine Armbanduhr und griff sich seinen Mantel. Noch eineinhalb Stunden bis zur Mittagskonferenz. Das war zu schaffen. Er würde pünktlich zurück sein.
Margot war gerade bei dem krönenden Abschluß ihrer morgendlichen Zeitungslektüre, dem Feuilleton, angekommen, als es laut an ihrer Wohnungstür klopfte.
Sie knallte verärgert ihren Kaffeebecher auf den Tresen, glitt langsam von ihrem Hocker, zog den Gürtel ihres gelben Morgenmantels enger und ging in Kampfstellung.
Es klopfte noch einmal. Margot stapfte zur Tür und sah durch den Spion. »Bert?« Sie schob die Sicherheitskette zurück, öffnete und fauchte: »Ist das ein Überfall oder was?«
Herbert Ötting wischte sich den Schweiß von der Stirn, lief wortlos zur Küche und trank den Kaffee aus Margots Becher aus. »Ich bin von der Redaktion hierhergelaufen wie der Teufel, weil ich wenig Zeit habe, aber dich unbedingt sprechen muß. Was ist mit deiner verdammten Klingel los?«
»Abgestellt, damit ich wenigstens in aller Herrgottsfrühe meine Ruhe habe und mir niemand meinen Kaffee wegsäuft.«
»Herrgottsfrühe! Es ist nach elf. Da, trink.« Ötting hatte einen zweiten Becher aus dem Schrank genommen und goß in beide Becher frischen Kaffee. »Oh, vielen, vielen Dank. Darf ich jetzt vielleicht auch meinen kalt gewordenen Toast zu Ende essen?« Margot schob sich wieder auf den Hocker und stippte eine Brotecke in den Kaffee.
Wie ein beleidigtes Kind, dachte Ötting. Jedesmal wenn er Margot sah, fiel ihm auf, daß sie trotz ihrer neununddreißig Jahre wie ein junges, starrköpfiges Mädchen wirken konnte. Seit zehn Jahren verband sie beide eine unkomplizierte, kollegiale Freundschaft, und sie hatten sich in dieser Zeit schon oft gegenseitig aus der Klemme geholfen. Deshalb war er hier, er brauchte Margots Hilfe.
»Du hast also ein Problem«, sagte Margot, als habe sie in seinen Gedanken gelesen, »also, schieß schon los, ich bin jetzt empfangsklar.«
»Hast du heute schon in die Zeitung gesehen?« fragte Ötting.
»Klar. Du, Bella Sievers ist tot. Ich wollte dich schon anrufen, weil du sie doch gekannt hast. Da scheint nämlich irgendwas nicht zu stimmen.«
»Deshalb bin ich hier, genau deshalb«, antwortete Ötting gedehnt.
»Oh.« Margot betrachtete den Freund schweigend. Er war übernervös, offenbar wahrte er nur mühsam die Fassung. Wieso? Sie entschloß sich zu einem Frontalangriff. »Klingt so geheimnisvoll, als wüßtest du, wer Bella vergiftet hat. Ein Lover vielleicht? Oder Reich-Ranitzki wegen Vergewaltigung der deutschen Sprache? Oder am Ende du?«
»Hör auf, das ist kein Spaß.«
Ötting stützte sich mit den Ellbogen auf den Tresen und vergrub den Kopf in seinen Händen. Margot sah ihn erschrocken an. »Mensch, Bert, hast du denn irgendwas damit zu tun?«
»Natürlich nicht. Aber – wir hatten ein Verhältnis, seit ein paar Monaten schon. Niemand hat was gewußt, wir haben uns auch nicht so oft gesehen. Aber ich habe ihr zwei Briefe geschrieben. Und wenn die Polizei die findet und nicht dichthält, dann weiß es bald alle Welt und vor allem Reni. Du kannst dir vorstellen, was dann los ist«
Margot konnte nicht glauben, was sie da hörte. War das alles, was diesen Mann bewegte beim Tod seiner Geliebten?
Wütend blitzte sie ihn an mit ihren runden grünen Augen, die ihr unter Freunden den Spitznamen Katzenkopf eingebracht hatten. »Herbert Ötting, du bist ein gottverdammter, unverbesserlicher Bock. Aber wenn schon, dann solltest du wenigstens nicht so feige sein. Du trauerst nicht etwa, nein, du hast in erster Linie Angst vor deiner Frau und peinlichen Schlagzeilen. Das finde ich ganz schön mies. Und hör auf zu schlürfen, das bringt mich auf die Palme.«
Sie stand auf und lief am Eßtisch vorbei zu einem breiten, weich gepolsterten Sessel. Am liebsten hätte sie sich darin verkrochen. »Wie kannst du nur ein so herzloser Egoist sein.« Margot kickte die Fernbedienung des Fernsehers vom Sessel und setzte sich. Ötting folgte ihr kleinlaut ins Wohnzimmer und kauerte sich vor sie auf den Teppich.
»Ich bin traurig, glaub mir, sehr traurig, aber wenn meine Familie daran zerbricht, hat niemand etwas davon. Ich bin nun mal kein Held. Laß uns jetzt bitte nicht streiten. Bitte hilf mir. Bitte.«
»Was stellst du dir vor? Soll ich deine verdammten Liebesbriefe aus den Klauen der Polizei befreien?«
Margot stand auf und zog den Gürtel ihres Bademantels enger. Sie ging hinüber zu ihrem Schreibtisch, der vor dem Balkon stand und der Blickfang ihrer Wohnung war. Ein opulentes Erbstück, Eiche natur mit gebogenen Beinen und geschnitzten Rosenmustern an Schubladen und Türrahmen. Margot hing an diesem verschnörkelten Monstrum, das ihr ein Onkel vererbt hatte, als sie noch Schülerin war. An diesem Schreibtisch hatte sie sich aufs Abitur vorbereitet, hatte sie ihre Examensarbeit geschrieben und ihre allererste Reportage.