Die Reporterin und der tote Maler: Margot Thaler ermittelt - Helga Beyersdörfer - E-Book
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Die Reporterin und der tote Maler: Margot Thaler ermittelt E-Book

Helga Beyersdörfer

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Beschreibung

Die Kunst des kreativen Mordens: der fesselnde Kriminalroman »Die Reporterin und der tote Maler« von Helga Beyersdörfer, jetzt als eBook bei dotbooks. Ein Mord erschüttert das Idyll von Ingolstadt – inmitten der Pracht der Asamkirche wird ein Maler tot aufgefunden. Die Tatwaffe: Pfeil und Bogen. Doch trotz der spektakulären Umstände der schrecklichen Tat will niemand etwas gesehen haben! Die scharfsinnige Reporterin Margot Thaler kann der Herausforderung nicht widerstehen und ist gleich vor Ort, um Nachforschungen anzustellen. Wer könnte der Schütze gewesen sein – und welcher Hinweis verbirgt sich im opulenten Deckengemälde? Um die Handschrift des Täters zu deuten, folgt Margot einer heißen Spur in die Hamburger Künstlerszene – und wird dadurch selbst zur Zielscheibe… Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der rasante Krimi »Die Reporterin und der tote Maler« von Helga Beyersdörfer, ein außergewöhnlicher Fall für die gewitzte Amateur-Detektivin Margot Thaler. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 223

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Über dieses Buch:

Ein Mord erschüttert das Idyll von Ingolstadt – inmitten der Pracht der Asamkirche wird ein Maler tot aufgefunden. Die Tatwaffe: Pfeil und Bogen. Doch trotz der spektakulären Umstände der schrecklichen Tat will niemand etwas gesehen haben! Die scharfsinnige Reporterin Margot Thaler kann der Herausforderung nicht widerstehen und ist gleich vor Ort, um Nachforschungen anzustellen. Wer könnte der Schütze gewesen sein – und welcher Hinweis verbirgt sich im opulenten Deckengemälde? Um die Handschrift des Täters zu deuten, folgt Margot einer heißen Spur in die Hamburger Künstlerszene – und wird dadurch selbst zur Zielscheibe …

Über die Autorin:

Helga Beyersdörfer studierte Germanistik in Frankfurt am Main und machte danach eine Ausbildung zur Journalistin. Zunächst war sie als freie Autorin u.a. für das ZEIT-Magazin, dann als Redakteurin bei der Frankfurter Rundschau, STERN und SAT1 tätig. Helga Beyersdörfer lebt in Hamburg und ist Mitglied der Autorengruppe deutschsprachige Kriminalliteratur »Das Syndikat«, sowie der »Hamburger Autorenvereinigung«.

Bei dotbooks erscheinen bereits ihre Kriminalromane »Die Reporterin und der falsche Mörder. Der erste Fall« und »Die Reporterin und der faule Zauber. Der zweite Fall«.

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Überarbeitete eBook-Neuausgabe Januar 2021

Dieses Buch erschien bereits 1999 unter dem Titel »Asams Pfeil« bei Rowohlt und 2016 unter demselben Titel bei dotbooks.

Copyright © der Originalausgabe 1999 Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

Copyright © der überarbeiteten Neuausgabe 2021 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock / seligaa / Boris Stronjko / Sergey Peterman / jakkapan

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (CG)

ISBN 978-3-95824-379-8

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Helga Beyersdörfer

Die Reporterin und der tote Maler

Der dritte Fall

dotbooks.

Kapitel 1

Die Pension am Ring hatte schon bessere Tage gesehen. Unter dem Giebel des ehemals stattlichen Patrizierhauses waren handtellergroße Stücke Putz herausgebrochen, von den Holzrahmen der altmodischen kleinen Sprossenfenster blätterte die Farbe. Erbaut 1847 stand in Schnörkelschrift über der ebenerdigen Eingangstür, deren hölzerner Rahmen sich unter der Last der Jahre nach links neigte. In das Fenster neben der Tür hatte jemand ein Plastikschild gehängt: Zimmer frei. Das Schild hing schief.

Im Inneren des Hauses erwachten die ersten Gäste. Es war sieben Uhr morgens. Der Portier stand hinter seiner Rezeption und studierte die Anmeldeliste. Zwölf der fünfzehn Zimmer waren besetzt, acht Gäste wollten geweckt werden. Den Handelsvertreter aus Bochum hatte er schon angerufen, jetzt kam die junge Frau aus Hamburg dran, die gestern abend angekommen war.

Margot Thaler fuhr hoch, als das altmodische Telefon neben ihrem Ohr klingelte. »Was soll das sein, ein Feueralarm?« schnauzte sie in den Hörer, schob aber schnell ein kleinlautes »Entschuldigung« hinterher. Was konnte schließlich der arme Portier dafür, daß sie unausgeschlafen, übellaunig und gereizt war. Das altersschwache Bett protestierte knarzend, als sie sich wieder von der Seite auf den Rücken drehte. Erleichtert stellte sie fest, daß sie die Nacht überstanden hatte, ohne von einer Sprungfeder durchbohrt worden zu sein. Margots Blick wanderte zur Zimmerdecke, wo sie am Abend zuvor feine Risse entdeckt hatte, die von der Mitte aus wie dünne Flußläufe in alle vier Ecken der Decke strebten und dort in der Stuckumrandung versickerten. Wer immer über mir wohnt, laß ihn bitte nicht das zulässige Gesamtgewicht überschreiten, hatte sie noch gedacht, war dann aber fast sofort in einen tiefen, traumlosen Schlaf gefallen.

Margot richtete sich auf und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, sofern ihr das um sieben Uhr morgens möglich war. Um halb neun sollte sie im Krankenhaus sein, um mit dem Chirurgen zu sprechen, der Ollo operiert hatte. Danach würde sie sich wieder an Ollos Bett setzen, so wie gestern. Sie war froh, daß sie gleich nach ihrer Ankunft in Ingolstadt zu ihm gefahren war. In den kurzen Momenten, in denen er seine Umgebung noch wahrnahm, hatte er sie erkannt und ihre Hand gedrückt, und sie hatte ihm versprochen, am Morgen wiederzukommen.

Ein Blick zur Uhr zeigte Margot, daß es höchste Zeit war, aus dem Bett zu steigen. Sie ging zum Fenster, zog die dunkle Leinengardine zur Seite und rüttelte an dem Fensterknauf, bis der verzogene Holzrahmen endlich nachgab und sich öffnen ließ. Der Ausblick, der sich ihr nun bot, nahm ihr für einen Moment den Atem. Grundgütiger, dachte sie erschrocken, die passende Kulisse zum Anlaß. Sie sah Gräber, endlose gerade Reihen gepflegter Gräber. Dazwischen solche, die frisch aufgeschüttet und mit Kränzen und Blumengebinden bedeckt waren. Margots Augen wanderten die Reihen entlang und blieben an einer ausladenden Trauerweide hängen, an deren Stamm zwei Eichhörnchen entlanghuschten. Das wäre der richtige Platz für Ollo, dachte sie. Oder hatte er schon einen? Sie nahm sich vor, diese Frage so schnell wie möglich zu klären.

Fröstelnd schloß sie das Fenster wieder und zog sich rasch an. Ihr Handy läutete, als sie gerade den Frühstücksraum verlassen wollte.

»Frau Thaler?« fragte eine Frauenstimme. »Ja.«

»Schwester Dorothea. Städtisches Krankenhaus. Ich rufe im Auftrag vom Oberarzt Reindl an. Sie möchten, wenn möglich, erst um zehn zu ihm kommen, weil eine OP dazwischengekommen ist.«

»Na gut, um zehn also. Wie geht es meinem Onkel?«

»Er war heute morgen etwas unruhig. Wir mußten ihm ein starkes Beruhigungsmittel geben. Jetzt schläft er erst mal mindestens drei Stunden.«

»Aber ich kann doch zu ihm, oder?«

»Natürlich, aber vielleicht lieber etwas später.«

»Gut. Versprechen Sie mir, mich anzurufen, sobald sich etwas ändert.«

»Über das Handy?«

»Ja, ich lasse es die ganze Zeit eingeschaltet.«

Margot stopfte das Telefon in ihre prallvolle Umhängetasche. »Dein Seesack«, frotzelten ihre Kollegen gerne, aber die hatten leicht reden. Die hatten ihre festen Gehälter und konnten auch mal ohne finanzielle Einbuße an ihren Redaktionsschreibtischen einschlafen. Sie dagegen mußte sich als freie Journalistin ihre Miete und alles übrige Zeile für Zeile zusammenschreiben. Da war es praktisch, für alle Fälle immer sein halbes Büro dabeizuhaben, Blöcke und Kugelschreiber, Adreßbuch, Terminplaner, Fotoapparat und Handy. Wie bitteschön sollte sie das alles in einem Krokodilledertäschchen mit Goldverschluß unterbringen?

Margot lief vom Frühstückszimmer über einen schmalen Flur zur Rezeption, einem engen Vorraum, von dem aus die Haustüre nach draußen führte. Gegenüber der Tür war ein Holztresen so in die Ecke eingepaßt, daß er möglichst wenig Platz wegnahm. An der Wand dahinter hingen an einem Brett die Zimmerschlüssel. Margot blieb unschlüssig stehen und überlegte, wie sie die unverhofft gewonnenen eineinhalb Stunden nutzen konnte. Sie war das erste Mal in Ingolstadt und wußte nur, daß Audi hier seine Autos produzierte, was augenscheinlich zur Folge hatte, daß es sich für einen anständigen Ingolstädter gehörte, einen Wagen dieses Fabrikates zu fahren. Jedenfalls war ihr das am Abend zuvor während der Taxifahrt von der Klinik hierher so vorgekommen.

»Grüß Gott. Kann ich etwas für Sie tun?« Margot ging hinüber zu der Frau hinter dem Tresen, die offenbar den Nachtportier abgelöst hatte. »Ja, können Sie. Gibt es irgend etwas Sehenswertes, was ich von hier aus zu Fuß erreichen kann?«

»Freilich. Hier, ich zeig's Ihnen.« Die Angestellte breitete beflissen einen Stadtplan vor Margot aus und piekste mit einem spitzen Bleistift mitten hinein. »Sie brauchen nur«, begann sie, wurde aber jäh unterbrochen. Zwischen die Köpfe der beiden Frauen und genau auf die Altstadt von Ingolstadt knallte der Schlüssel von Zimmer sieben. »Wie lange soll ich Ihnen das Ding noch hinhalten?« fragte eine Männerstimme, deren schneidender, arroganter Ton Margot veranlaßte, sich aufzurichten und den Mann genauer zu betrachten. Er war klein, höchstens einen Meter siebzig, und hielt sich deshalb besonders gerade. Margot schätzte ihn auf Ende fünfzig. Wichtigtuerisch und eitel, dachte sie, und entsprechend leicht zu ärgern. »Wir haben Sie nicht bemerkt«, sagte sie deshalb betont langsam und fixierte dabei ihr Gegenüber, »was mich bei näherem Hinsehen auch gar nicht wundert.«

»Au weh«, stöhnte die Angestellte hinter ihrem Tresen und schlug ängstlich eine Hand vor den Mund. »Was unterstehen Sie sich. Wer sind Sie überhaupt?« tönte der Mann, aber seine Stimme klang dünner als zuvor, und Margot registrierte zufrieden, daß er die Fäuste geballt hatte.

»Ich bin jemand, der sich nicht gerne Schlüssel an den Kopf knallen läßt. Auch nicht fast«, antwortete sie, drehte sich um und beugte sich ohne ein weiteres Wort wieder über den Stadtplan. Sie hörte, wie hinter ihrem Rücken die Eingangstür mit einem energischen Ruck geöffnet wurde und kurz darauf mit einem lauten Knall ins Schloß fiel.

»Westentaschenmacho«, lachte Margot, »wo haben Sie den denn eingefangen?«

»Keine Ahnung, er ist kein Stammgast. Ich weiß nur, daß er vorgestern hier angekommen ist. Ich erinnere mich an ihn, weil er nach der Asamkirche gefragt hat. Das hat mich gewundert.«

»Asam? Wer ist denn das nun wieder? Ich dachte, hier sind alle katholisch.«

Margot bemerkte, wie die Frau hinter dem Tresen sie verblüfft musterte mit einem Gesichtsausdruck, der zwischen Mitleid und Belustigung schwankte. Schließlich siegte die Belustigung.

»Mit Kirchen haben Sie es nicht gerade so, oder«, antwortete sie, zog eine Schublade auf und entnahm ihr ein kleines Heft, das sie Margot entgegenhielt. Das Deckblatt zeigte ein prachtvolles Giebelhaus, das in einem kräftigen Terracotta gestrichen und mit weißem Stuck verziert war.

»Maria de Victoria«, las Margot und blätterte ein wenig ratlos weiter, bis sie endlich auf Seite sechs dem Namen Asam begegnete. Dem Deckenfresko des Kirchenmalers Cosmas Damian Asam verdanke das Gebäude seinen Ruhm, stand da, und daß das souveräne Spiel mit Perspektiven, Licht und Farbe nur in Ingolstadt in dieser Vollkommenheit erreicht worden sei. Margot hielt sich in gespielter Demut die Broschüre vors Gesicht. »Ich doofes Nordlicht! Glauben Sie, Meister Asam wird es mir verzeihen, daß ich ihn für einen Guru gehalten habe?«

»Schon. Wo Sie ihn ja jetzt kennen, gell. Mögen Sie sich das Fresko mal anschaun? Von neun bis zwölf ist geöffnet. Ist auch gar nicht weit von hier, höchstens zwanzig Minuten zu Fuß.« Margot sah auf die Uhr und überlegte. Wenn sie jetzt losliefe, wäre sie gegen neun in der Asamkirche und könnte eine gute dreiviertel Stunde dort bleiben. Ein Taxi könnte sie dann gegen zehn direkt von der Kirche in die Klinik bringen.

»Gute Idee«, sagte sie und klemmte sich den Stadtplan unter den Arm. Als sie schon halb aus der Tür war, fiel ihr eine Bemerkung der Frau wieder ein, die sie nicht verstanden hatte.

»Warum hat es Sie gewundert«, fragte sie, »daß dieser unhöfliche Mensch da, Sie wissen schon, der kein Stammgast ist, daß der nach der Asamkirche fragte?«

»Na, weil er nicht gerade ausschaut wie einer, der Kirchen besucht. Schon gar nicht katholische.«

Margot verkniff sich die Frage, wie einer auszusehen hat, der vorzugsweise katholische Kirchen aufsucht. Mit einem kurzen Kopfnicken schloß sie die Tür hinter sich und schlug den Weg zur Friedhofstraße Richtung Kreuztor ein.

Kapitel 2

Der Mesner trug einen abgewetzten Lodenmantel und einen speckigen Lodenhut. »Hier jetzt her«, befahl er der Besuchergruppe, einem Dutzend reiferer Herrschaften, die allesamt ergeben hinter ihm herschlurften, staunend den Blick nach oben gerichtet auf das gigantische Himmelswerk des Cosmas Damian Asam.

Der Mesner wartete ab, bis sie ihn schweigend umringten, schickte zum wiederholten Male einen unwirschen Blick zu der Frau mit der Riesentasche, die sich einfach in eine der leeren Bankreihen gesetzt und ihm mithin die Gefolgschaft versagt hatte, und fuhr fort mit seinem Vortrag.

Margot hörte die monotone Stimme und den gutturalen Klang des Bayerischen, das sie ohnehin kaum verstand, wie aus weiter Ferne. Sie hatte den Kopf nach hinten gebeugt und ließ sich einfangen von dem Zauber eines weiten, blauen Himmels und einer Flut von Lichtstrahlen, die sich von der Mitte des Deckengemäldes aus in alle Richtungen verteilten.

Quell all des Lichtes war eine Figur, die von betenden Engeln umschwebt wurde. Gottvater persönlich, nahm Margot an, deren Bibelfestigkeit erhebliche Defizite aufwies. Falls Du es bist, lieber Gott, dachte sie und blinzelte nach oben, dann bitte richte es so ein, daß Ollo einen sanften Tod ohne Qualen hat. »Maria im Allerheiligsten des Tempels«, hörte sie den Mesner mit erhobener Stimme sagen, und ihre Augen folgten seiner ausgestreckten Hand, die auf die Säulen eines prachtvollen Tempels zeigte, in dessen Mitte eine Frau kniete. Aus einem Brunnen davor quoll Wasser, und die Darstellung war so plastisch, daß Margot sich einen Moment lang wunderte, wieso es nicht von der Decke regnete.

Sie lehnte den Kopf wieder nach hinten und genoß es, in Asams Welt spazierenzugehen. Da war zum Beispiel der schwarze Bogenschütze direkt über ihrem Kopf, der hinter einem Stein hervorlugte und die Spitze seines Pfeils auf ihre Stirn zu richten schien. Links von ihm grinste sie ein Elefant an oder das, was der Maler Cosmas Asam sich vor mehr als zweihundert Jahren unter einem Elefanten vorgestellt hatte. Der lange Körper und die kurzen Dachsbeinchen ließen ihn eher aussehen wie ein Gürteltier. Aber immerhin, einen Rüssel hatte er. Margot stand auf, um sich Elefanten und Bogenschützen genauer anzusehen und machte dabei eine frappierende Entdeckung. Während sie ihre Bankreihe entlanglief, folgte ihr der Blick des Elefanten ebenso wie der Pfeil des Schützen. Hatte sie sich zu lange in die himmlischen Sphären hineinphantasiert? Begann sie zu halluzinieren?

»Das ist alles eine optische Täuschung«, sagte eine Stimme neben ihr, »die gesamten vierzig Meter eine einzige optische Täuschung. Er war ein Meister der Perspektiven, der Asam. Ein unerreichter Meister.« Die alte Frau kreuzte andächtig ihre Hände ineinander und sah lächelnd zu Margot hoch. »Ich habe Sie doch nicht erschreckt? Wissen Sie, ich bin gerade da durch den Eingang gekommen und habe Ihren Gesichtsausdruck gesehen. Das hat mir gefallen. Sie mögen seine Kunst, sowas merke ich sofort.

»Klingt, als wären Sie öfter hier«, antwortete Margot. Die Frau rückte ihre Samtkappe zurecht, die sie tief in die Stirn bis zu den Augen gezogen hatte, was ihre markante Nase noch markanter erscheinen ließ. »Wir sehen hier nach dem Rechten, mein Mann und ich«, sagte sie und deutete hinüber zu dem Mesner, der noch immer mit seiner Gruppe beschäftigt war. »Wollen Sie keine Führung?«

»Ich wollte diese ganze Pracht einfach auf mich wirken lassen. Namen kann ich mir sowieso nicht merken. Wie viele Figuren sind das wohl da oben?«

»Fast einhundert. Und beinahe alle bewegen sich mit Ihnen mit, wenn Sie sich bewegen. Sie haben es ja beim Erdteil Afrika gerade selbst bemerkt.« Sie deutete hinauf zu dem Elefanten und wies dann auf die gegenüberliegende Ecke des Freskos. »Das da zeigt den Erdteil Amerika mit Columbus, der von Indianern begrüßt wird. Und vorne rechts über dem Altar, das ist Asien mit der Königin von Saba. Und jetzt schaun Sie sich Europa an mit dem bayerischen Kurfürsten. Kommen Sie, kommen Sie.« Sie nahm Margot am Arm und zog sie den Gang entlang. »Schaun Sie, der Kurfürst gleich links über dem Altar, der kniet, gell.« Margot nickte gehorsam und verkniff sich höflich die Frage, was der bayerische Kurfürst im Zentrum Europas verloren hatte. »Lassen Sie ihn nicht aus den Augen und passen Sie auf, was er jetzt macht«, sagte die alte Frau und ließ mit einem stolzen »Na!« Margots Arm los. Sie waren nun unmittelbar vor dem Altar angekommen, und Margot betrachtete sprachlos die dürren Beinchen des Kurfürsten, die nunmehr vollkommen gerade waren. Keine Frage, er kniete nicht mehr, er stand.

»Ich fasse es nicht, wie geht das?« rief Margot.

»Ja, das hat der Asam keinem nicht verraten. Er hat sein Geheimnis mit ins Grab genommen«, sagte die alte Frau und zupfte ihre Samtkappe noch ein Stück weiter in die Stirn. »Das macht dann zweifünfzig Eintritt«, fügte sie mit einem schnellen Blick zu ihrem Mann hinzu.

Der Mesner war gerade damit beschäftigt, Geld einzusammeln. Die Führung war augenscheinlich beendet. »Ich muß jetzt gehen«, sagte die Frau hastig, lief mit kleinen Schritten ihrem Mann entgegen und verließ zwei Minuten später mit ihm zusammen den Kirchenraum.

Margot war alleine. Sie setzte sich in die vorderste Bank und schloß die Augen. Fünf Minuten Ruhe noch, dann wurde es Zeit für sie, sich ein Taxi zu suchen und in die Klinik zu fahren.

Ein Knacken unterbrach die Stille und ließ sie aufhorchen. Sie drehte sich um, der Raum war leer. Im gleichen Augenblick hörte sie ein Schaben und dann ein Plopp, als sei eine Vase umgefallen. Margot war sich sicher, daß das Geräusch von der Orgelempore kam. Sie sah hinauf, konnte aber hinter der hölzernen, geschnitzten Brüstung keine Bewegung wahrnehmen. »Hallo«, rief sie, »ist da jemand?« Die nachfolgende Stille wurde Margot unheimlich. Sie hatte das Gefühl, als hielte irgendwer da oben den Atem an. »Sollten Sie die Orgel klauen wollen, dann lassen Sie das lieber bleiben«, rief sie tapfer, lief aber gleichzeitig, den Blick unverwandt auf die Empore gerichtet, zielstrebig auf den Ausgang zu. Erleichtert sprang sie die drei Steinstufen hinunter auf die Straße und sah zu ihrer Freude, daß in diesem Moment ein Taxi anhielt. Sie lief auf den Wagen zu und prallte fast mit dem Fahrgast zusammen, der eben ausgestiegen war und den sie vom Morgen noch in schlechter Erinnerung hatte – es war der Mann, der Zimmer sieben in ihrer Pension bewohnte. Er lief grußlos an ihr vorbei, geradewegs auf die Asamkirche zu. »Achten Sie auf den Elefanten hinten links«, rief Margot ihm nach, »der kann etwas, was Sie nicht können. Lächeln.«

Kapitel 3

Ollo schlief. Sein Atem ging ruhig und gleichmäßig, sein Gesicht wirkte entspannt. Es sah aus, als lächelte er im Schlaf. »Sie sehen, er hat keine Schmerzen«, sagte die Schwester und zog das Laken über Ollos magerem Körper glatt, wobei sie vorsichtig seinen rechten Arm anhob, der über eine Kanüle mit einer Infusionsflasche verbunden war, die an einem Gestänge neben dem Bett hing. »Ollo«, sagte Margot leise, »ich habe jetzt eine Verabredung mit deinem Arzt. Ich komme gleich wieder. Lauf mir nicht weg bis dahin.«

Es war kurz nach zehn, als sie an eine Tür mit der Aufschrift Sekretariat Chirurgie klopfte.

»Könnte es sein, daß Sie zu mir wollen?« Margot sah überrascht auf. Sie hatte den Mann im weißen Kittel nicht bemerkt, der jetzt schräg hinter ihr stand und sie fragend ansah. »Wenn Sie der Oberarzt sind, bei dem ich angemeldet bin, dann ja«, antwortete sie und versuchte, den Namen auf dem Schild zu entziffern, das er am Revers seines Kittels trug. Gleichzeitig tastete ihre Hand in der Jackentasche nach der Lesebrille, die ihr der Optiker erst kürzlich aufgeschwatzt hatte, obwohl sie doch erst neununddreißig war. »Ich sag's ja immer, die Schilder sind zu klein für Menschen mit Altersleseschwäche«, sagte der Arzt amüsiert, »mein Name ist Reindl ohne e.«

»Mein Name ist Thaler mit h«, entgegnete Margot, die inzwischen ihre neue Brille aus der Tasche genestelt und aufgesetzt hatte. »Und sprechen Sie bitte laut und deutlich, in meinem hohen Alter hört man auch nicht mehr so gut.« Sie sah die Lachfältchen in seinen Augenwinkeln, als er sie sachte durch die Tür ins Sekretariat und von dort aus in ein kleines Büro dirigierte. Margot nahm einen leichten Geruch von Talkumpuder wahr, als er an ihr vorbeiging. Sie schätzte ihn auf Anfang vierzig. Sein Name und sein Tonfall ließen keinen Zweifel daran, daß er Bayer war, und Margot fand, daß er auch genauso aussah, wie eine Hamburgerin sich einen Bayern vorstellt. Braune, glatte Haare, braune Augen mit Lachfältchen, eine untersetzte Figur und eine maskuline Ausstrahlung. Margot, ermahnte sie sich, du bist hier nicht im Biergarten, hier geht es um Ollo und um sonst nichts.

Dr. Reindl machte ihr ein Zeichen, sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch zu setzen, er selbst setzte sich auf einen Drehstuhl dahinter. »Wenn Sie Frau Thaler sind, dann sind wir in der Tat verabredet«, sagte er, jetzt wieder ganz sachlich. »Sie sind die Tochter von Lothar Thaler, nehme ich an?«

»Nein, er ist mein Onkel, der ältere Bruder meines Vaters. Ich nenne ihn von klein an Ollo, weil ich Lothar damals nicht aussprechen konnte.« Margot machte eine Pause. Ihr wurde mit einemmal bewußt, daß mit Ollos Tod die Verbindung zu ihrer Kindheit gekappt wäre. Denn ihre Eltern waren schon lange tot, und sonst gab es niemanden mehr. »Wie sind seine Chancen?« fragte sie bedrückt.

Der Arzt zögerte einen Moment, bevor er antwortete. »Ihr Onkel wird sterben, Frau Thaler. Aber wir hoffen, ihm ein friedliches Sterben ohne Schmerzen ermöglichen zu können.«

»Wozu haben Sie ihn dann noch operiert?«

»Eben deshalb.« Er zog die Augenbrauen zusammen und stand mit einem Ruck auf. Offenbar hatte ihn die Frage verärgert. »Wir haben ihn operiert, weil sein Krebstumor zu einem Darmverschluß geführt hat. Das sind elende Schmerzen. Er wäre unter großen Qualen daran gestorben. Das wollten wir ihm ersparen. Leider mußten wir feststellen, daß sein Körper voller Metastasen ist. Das einzige, womit wir ihm jetzt noch helfen können, sind Opiate, die ihn in einem Dämmerschlaf halten. Seltsamerweise reagieren viele Laien pikiert, wenn sie hören, daß Achtzigjährige operiert werden. So, als seien wir Messerwerfer, die vor nichts und niemandem halt machen.«

»Das Temperament dafür hätten Sie jedenfalls«, sagte Margot trocken.

»Vor der nächsten Frage werde ich wohl besser den Brieföffner konfiszieren.«

»Tut mir leid, ich hatte da bei Ihnen einen Unterton rausgehört, gegen den ich mich einfach immer wieder wehren muß. Ich kann nicht anders.« Dr. Reindl hatte sich inzwischen wieder gesetzt. »Fragen Sie, was Sie wissen wollen, es ist Ihr gutes Recht.«

»Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte Margot. »Eigentlich müßte ich so bald wie möglich nach Hamburg zurückfahren, andererseits möchte ich Ollo nicht alleine lassen. Aber ich kann nicht Tage und Wochen neben seinem Bett sitzen, ich muß meine Brötchen verdienen.«

»Ihr Onkel bekommt hochdosierte Schmerzmittel, er wird allmählich hinübergleiten und dabei nicht mehr viel wahrnehmen. Niemand kann allerdings vorhersagen, wie lange es noch dauern wird. Nehmen Sie Abschied von ihm und fahren Sie nach Hause. Er ist nicht alleine, er ist versorgt.«

»Aber wenn er doch noch einmal zu sich kommt?«

»Dann informieren wir Sie, und Sie können entscheiden, ob Sie den nächsten Flieger nach München nehmen. Im übrigen können Sie mich jederzeit anrufen.« Er öffnete einen kleinen Lederkasten und entnahm ihm eine Visitenkarte. »Hier ist die Telefonnummer. Und wenn ich nicht erreichbar bin, dann lassen Sie sich den Stationsarzt geben.«

Er stand auf und gab Margot die Hand. »Gehen Sie jetzt wieder Messer werfen?« fragte sie und versuchte ein Lächeln. »Hatte ich eigentlich nicht vor, aber wenn ich es recht bedenke«, antwortete der Arzt und senkte dabei bedeutungsvoll die Stimme, »so ein Hamburger Blinddarm vor dem Mittagessen, das wäre nicht schlecht.«

»Bin schon weg«, rief Margot, »tschüß.« Sie schulterte ihre Tasche und lief den Flur zurück zur Station, auf der Ollo lag. Dabei las sie die Visitenkarte, die sie noch immer in der Hand hielt. Dr. Richard Reindl, Facharzt für Chirurgie, Städtisches Krankenhaus Ingolstadt. Darunter die Nummer des Dienstapparates. »Richard«, murmelte Margot, »na, wenigstens nicht Leopold oder Ludwig.«

Als sie das Krankenzimmer betrat, lag Ollo noch genauso regungslos unter seiner glattgezogenen Bettdecke wie eine Stunde zuvor. Sie nahm seine Hand und begann, ihm Geschichten aus ihrer Kindheit zu erzählen, Geschichten, an denen er beteiligt gewesen war und über die sie auch später noch oft gesprochen und gelacht hatten. »Im Herbst brachtest du mir immer herrliche, rote Äpfel mit, die du selbst gepflückt hattest. Einmal kamst du gerade dazu, als ich mit meiner Mutter lesen übte, weißt du noch?« Margot beobachtete Ollos altes Gesicht. Vielleicht hörte er sie ja doch, vielleicht machte er ja doch die Augen auf und sagte: Na klar, erinnere ich mich, ich bin doch nicht verkalkt. Aber Ollo rührte sich nicht. »Du hast einen saftigen Apfel vor mich hingelegt, aber als ich danach greifen wollte, hat meine Mutter ihn weggenommen. Ich sollte erst die Seite fehlerfrei lesen. Aber ich dachte nur noch an diesen Apfel und stotterte und weinte und leckte mir die Lippen, bis du auf den Tisch gehauen hast. Schluß, hast du gerufen, das Kind ißt jetzt seinen Apfel, basta. Weißt du noch, Ollo? Ich habe es nie vergessen.« Margot machte erneut eine Pause. Rühr dich doch, dachte sie, rühr dich doch.

Sie blieb noch viele Stunden bei ihm sitzen. Als es zu dämmern begann, nahm Margot Abschied von Ollo.

Kapitel 4

Die Kneipe war eng und stickig. Der schmale, schlauchartige Raum bot gerade mal Platz für eine Theke und ein paar Bistrotische. Die Gäste kauerten auf harten Holzstühlen, deren Rückenlehnen in der Mitte der Wirbelsäule Druckstellen hinterließen.

Ganz am Ende des Raumes, da, wo der Zigarettenqualm an die Wand stieß, nicht weiterkam und wie ein Schwimmer, der sich am Beckenrand abstößt, eine Kehrtwende machte und wieder zurückwaberte, da also saß an einem Ecktisch Dr. Richard Reindl und rührte in seinem Cappuccino. Er hatte es sich angewöhnt, nach der Klinik nicht sofort nach Hause zu fahren, sondern einen Abstecher hierher zu machen, wo die Leute gesund und guter Stimmung waren, wo es nach Bier, Zigaretten und warmem Leberkäse roch und nicht nach Pfefferminztee und Desinfektionsmitteln. Er steckte sich einen Zigarillo an und beobachtete die überwiegend jugendlichen Gäste.

Als er allerdings die brünette Frau erkannte, die gerade hereinkam, straffte sich sein Körper. Sie trug das gleiche blaue Jackett wie am Vormittag, dazu einen Rollkragenpullover und Jeans, und über ihrer Schulter hing diese übergroße, ausgebeulte Tasche. Dr. Reindl entgingen nicht die Blicke der Männer, die über Biergläser hinweg die Frau taxierten. Er überlegte, ob er aufstehen und sie an seinen Tisch holen sollte, entschied sich aber dann abzuwarten, ob sie von sich aus auf ihn zukommen würde.

Margot sah sich unterdessen unentschlossen um. Die vorderen Tische waren alle besetzt, und auch an der Bar war kein Platz mehr frei. Sollte sie sich durch den engen Gang weiter nach hinten wühlen oder doch lieber wieder gehen? Aber wohin? Sie kannte sich nicht aus in Ingolstadt, und in ihre miefige Pension zog es sie nicht. Nein, sie würde hier einen Schlummertrunk nehmen, sich so gut es ging ablenken von ihren trüben Gedanken und morgen schon vor sieben Uhr mit dem Zug nach Hamburg starten.