Die Richtigen - Wolfgang Schmidbauer - E-Book

Die Richtigen E-Book

Wolfgang Schmidbauer

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Beschreibung

"Seit die Zeit der arrangierten Ehen vorbei ist, sind unsere Liebesbeziehungen voller Überlegungen, ob ein Partner der Richtige ist", schreibt der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer. Nur was soll dieses Richtige sein, wofür ein Mensch der oder die Richtige sein muss? Schmidbauers Beitrag in Kursbuch 174 macht deutlich: Solche Überlegungen sind wenig aussichtsreich, denn in erfolgreichen Beziehungen konstituiert sich "das Richtige" immer wieder prozessual neu.

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Seitenzahl: 36

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Wolfgang Schmidbauer

Die Richtigen

Wie Mann Frau und Frau Mann wählt

Im ersten Akt von Mozarts Oper erklärt Don Giovannis Diener Leporello dem Publikum eine Marotte seines Herrn. Dieser sammelt Frauen, genauer: Eroberungen. Er verführt seine Opfer, schläft mit ihnen und lässt sie in ein Verzeichnis aufnehmen, in dem neben einigen Hundert Französinnen, Deutschen und Italienerinnen sowie einigen Dutzend Exoten (etwa aus Persien) 1003 Spanierinnen verzeichnet sind. Voll zynischem Spott soll die Arie Leporellos eine hartnäckige Exgeliebte entmutigen. Donna Elvira besteht darauf, dass Liebesschwüre erfüllt werden. Am Ende der Oper fährt der Wüstling zur Hölle, Leporello geht ins Wirtshaus, um einen neuen Herrn zu finden, Donna Elvira sucht Zuflucht im Kloster.

Wer sich unter Don Giovanni einen Mann vorgestellt hat, der das Leben und den Sex genießt, gerät angesichts des Registers ins Zweifeln. Dieser Weiberheld genießt die Liebe nicht, er genießt die Trophäe. Seine Buchführung kündet davon, dass das feudale Zeitalter zu Ende geht und der Kapitalismus der Banker und Buchhalter den Narzissmus der Edelleute aufgefressen hat, ohne dass diese es bemerkten.

Don Giovanni sang unter dem Fenster seiner Angebeteten, er werde sterben, wenn sie ihn nicht erhöre. Heute erinnern wir uns an Bob Dylan, der von oben herunter der ihn anbetenden Frau das Gegenlied sang: »Geh weg von meinem Fenster, geh, so schnell du kannst, ich bin nicht der, den du haben möchtest, nicht der, den du brauchst!«

Der näheängstliche Sänger fürchtet sich vor Forderungen, die auf ihn zukommen: Stärke zeigen, Halt geben, Opfer bringen. Liebe ist zur Leistung geworden, Partner investieren in eine Beziehung und klagen darüber, wenn sie einer Person ihr Kapital anvertraut haben, die sich am Ende als bankrott erweist. Sie wollen sich absichern, scheuen das Risiko der festen Bindung, wollen die Liebe optimieren, ehe sie sich auf sie einlassen.

Die aktuelle Variante des Leporello-Albums ist die Excel-Tabelle, mit deren Hilfe Mitglieder der Internet-Partnerbörsen die verfügbaren Liebhaber und Liebhaberinnen erfassen. Vorzüge und Nachteile lassen sich mit diesem längst vertrauten Instrument jeder Kalkulation und Statistik auf einen Blick erkennen. Die Ethnologin Julia Dombrowski vom Hamburger Völkerkundemuseum hat in dieser postindustriellen Kultur geforscht und das Liebeswahlinstrument der Tabelle in seiner Ambivalenz beschrieben. Wer sich ewig bindet, muss prüfen. Wer prüfen will, muss vergleichen. Warum nicht das tägliche Bürohandwerk auf das Chaos der Liebe projizieren? Nachträglich werden dann die Beziehungen re-romantisiert: »Gerade wollte ich mich ausloggen, da kam deine Mail!«

In den virtuellen Kontaktbörsen sind allein in Deutschland täglich mehrere Millionen Menschen unterwegs. Verglichen mit den Bekanntschaftsanzeigen einer analogen Vergangenheit sind die Partnerbörsen digitaler Welt schneller, hektischer und viel effektiver. So effektiv, dass die Suchenden in Not geraten: so viele, zu viele Angebote, wie die Verwirrung ordnen? In den Werbespots der Partneragenturen erscheinen Paare, denen romantische Verbundenheit aus den Augen leuchtet. In der Realität steigert sich der Entscheidungsstress. Soll ich, nachdem ich aus meinem Single-Elend in eine Beziehung gefunden habe, mich schon zufriedengeben? Soll ich die Gebühren verfallen lassen? Oder weitersuchen?

Papagenos frivoles Paradox aus der Zauberflöte wird Alltag: »Ich will dich ewig lieben (beiseite) … bis ich eine Schönere finde!« Papageno ist oberflächlich. Als ob Schönheit das Einzige wäre, das zählt! Die Excel-Tabelle ordnet die Vielschichtigkeit der Ansprüche an den richtigen Partner. Sympathie, räumliche Nähe, sexuelle Performance, wirtschaftliche Sicherheit, vergleichbarer akademischer Status und viele andere Variablen sind doch wichtig! Daraus erwächst ein kleines, jedoch hartnäckiges Problem: Wann die Suche beenden? Wann sich zufriedengeben mit dem Angebot, das unter Lebenspartner.xlsx abgespeichert und durch ein Passwort (»Leporello«?) geschützt ist?

Eine Gruppe von Singles beider Geschlechter kann diese Suche nicht mehr beenden. Sie gleichen Prüfungskandidaten, die über der Materialsammlung für ihre Abschlussarbeit gar nicht mehr dazu kommen, diese auch zu schreiben. Für die Entscheidung fehlt der Mut; an seine Stelle tritt die Vorbereitung als Selbstzweck. Aber so wenig sich aus einer riesigen Sammlung von Skizzen ein Kunstwerk erzeugen kann, so wenig wird aus der Suche nach dem oder der Richtigen eine Partnerschaft fürs Leben.

Drum prüfe, wer sich ewig bindet…

Ob das korrekte Gen sich findet? Angesichts der Partnerqual steht »Wissenschaft« hoch im Kurs. Kaum eine Partnerbörse, die nicht den Anspruch erhebt, wissenschaftliche