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Der Abenteurerin Sax ist es gelungen, mit ihrem Shuttle und ihrer ungleichen Crew den Planeten Karstein zu verlassen. Jetzt kennt sie nur noch ein Ziel: den Mörder ihrer Familie zu stellen. Es scheint eine Verbindung zur Ermordung von Baron Barsikov und Prinzessin Regina zu geben. Mithilfe der Künstlichen Intelligenz Maya schlüpft Sax in die Rolle der Prinzessin und reist zu deren Heimatplaneten Rovan. Doch der Kronprinz von Rovan ist misstrauisch und versucht mit allen Mitteln, Sax zu enttarnen. Schon bald findet sie sich in einem Gespinst aus Lügen, Intrigen und mörderischen Cyborgs wieder.
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© Piper Verlag GmbH, München 2024
Redaktion: Antje Steinhäuser
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Cover & Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Anhang
Personen
Gruppierungen
Orte
Raumschiffe & Fahrzeugtypen
Hochleistungstechnologie
Tiere
Serien
Diverses
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Ich liebe es, mich zu langweilen
»Wow!«, ruft Milosk voller Inbrunst, als sich der Feuerball in dem Holowürfel vor uns ausbreitet und dann langsam verblasst. »Einfach nur … wow!«
Damit spricht er genau das aus, was ich gerade denke. Die HSS Grant hat uns wie ein unerbittlicher Geist aus der Vergangenheit tagelang gejagt, in Angst und Panik versetzt und Verzweiflung gestürzt, sodass am Ende sogar Beth Zweifel hatte, ob wir je heil herauskommen würden.
Und dann kommt Sam und löst unser Problem, indem er diesen Kreuzer aus dem All bläst, als wäre es nichts. Beth ist gerade vorne, hat das Kommando übernommen, sonst hätte ich wahrscheinlich auch lautstark meiner Erleichterung Luft verschafft.
Noch während sich der Feuerball hinter uns ausbreitet, zieht die Samuel Clemens in einer beeindruckenden Geschwindigkeit davon und verschwindet in Sekundenschnelle aus der Reichweite unseres Holoschirms.
Wo will er hin?, frage ich überrascht.
Du siehst das falsch, erklärt mir Maya. Wir sind tagelang mit Höchstgeschwindigkeit geflohen. Auf normalem Weg hätte er uns nie einholen können, also blieb ihm nichts anderes übrig, als einen Mikrosprung zu machen, um sich in Schussdistanz zurHSS Grant zu positionieren. Hier kam es auf Nanosekunden an. Ich rechne es gerade durch … Sam muss seine Geschütze abgefeuert haben, bevor er gesprungen ist, anders hätte das Zeitfenster nicht gereicht. Beeindruckend. Da er aber bei dem Mikrosprung seine eigene Geschwindigkeit beibehalten hat, ist er entsprechend schnell hinter uns zurückgefallen.
»Leute, freut euch nicht zu früh«, mahnt Beth in gezwungen ruhigem Tonfall. »Wir sind noch nicht aus dem Schneider.«
»Wie meinst du das?«, fragt Mai-Lin. Ich sollte mir abgewöhnen, sie so zu nennen. Auch in meinen Gedanken. Ihr Name ist Shixin. Ich sollte mir das merken.
»Nun, die HSS Grant war schneller als wir, richtig?«
Shixin und Milosk nicken.
»Ihre Trümmerstücke sind es immer noch. Nicht nur das, durch die Explosion des Schiffs wurden einige dieser Trümmer zusätzlich beschleunigt. Im Prinzip hat Sam die HSS Grant in eine gigantische Schrotladung verwandelt, die uns jetzt am Arsch klebt.«
»Kannst du ihr nicht einfach ausweichen?«, fragt Shixin.
»Was meinst du, was wir gerade machen?«, antwortet Beth. Sie hat Übung darin, nach außen ruhig zu bleiben, aber ich kann ihre, unsere, Anspannung deutlich spüren. »Wenn wir Glück haben, ist die Streuung relativ gering, und wir können den Trümmern ausweichen. Wenn wir Pech haben …« Sie braucht nicht zu erklären, was ist, wenn wir Pech haben.
»Dazu kommt, dass einige der Trümmerstücke so klein sind, dass wir sie gar nicht erfassen können. Ich kann keinem Objekt ausweichen, das ich nicht sehen kann.« Sie schaut zu Milosk und Shixin hin. »Schließt jetzt besser eure Helme«, sagt sie und geht mit gutem Beispiel voran. »In etwa drei Minuten wissen wir, ob wir imstande sind, dem Trümmerfeld auszuweichen. Oder eben nicht.«
»In drei Minuten?«, fragt Milosk. »Wieso in drei Minuten?«
»Wir haben Gott sei Dank noch einen Vorsprung vor der HSS Grant gehabt«, erklärt Beth geduldig. »Es braucht Zeit, bis die Trümmer uns erreichen.«
Es zeigt sich aber gleich, dass auch Beth sich irren kann. Noch während sie spricht, hören wir einen lauten Schlag, der durch das ganze Schiff dröhnt, gefolgt von einer Sirene, die von Beth sofort wieder abgeschaltet wird, während sie angespannt die Konsole vor ihr mustert. »Wo …?«
Zwei Segmente des Schiffs werden langsam rot, und sie atmet erleichtert auf. »Frachtraum A 2 und A 4«, teilt sie uns mir. »Nichts Wichtiges.«
Doch ihre Worte werden von einem harten Prasseln übertönt, wie von Hagel auf einem Blechdach, das mehrere Sekunden anhält und dann langsam ausklingt. Zwei, drei harte Schläge folgen noch, dann ist wieder Stille, und wir sehen uns gegenseitig mit großen Augen an.
»Wartet noch«, flüstert Beth, während sie wie gebannt auf den Holoschirm vor ihr schaut, wo unser Kurs und die Geschwindigkeit angezeigt werden. Nach ein paar weiteren, endlos lang erscheinenden Sekunden atmet dann auch Beth langsam aus.
»So«, sagt sie und öffnet wieder ihren Helm. »Jetzt können wir feiern!«
Und an mich gewandt: Mach du den Rest, Maya kann dir helfen, ich habe im Moment die Schnauze voll.
Und bevor ich etwas sagen kann, hat sich Beth bereits zurückgezogen, und ich bin vorne. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte sie ruhig noch weiter vorne bleiben können. Sie ist nicht die Einzige, die nach dieser tagelangen Anspannung eine Pause verdient hat.
Stell dich nicht so an, höre ich Beths Stimme in meinem Kopf. Ich habe die Dona schon auf Rendezvouskurs zu Sam gebracht, den Rest macht der Autopilot. Es wird grob neunzehn Stunden dauern, bis wir bei Sam andocken können. Zeit genug für eine Pause, meinst du nicht?
Ganz so leicht kann ich es mir nicht machen. Theoretisch hätten wir den Schaden im Laderaum ignorieren können. Wenn ich es richtig verstehe, ist es sowieso selten, Ladung an Bord zu nehmen, die Atmosphäre braucht. Dennoch macht mich der Gedanke, dass mein schönes neues Schiff jetzt zwei Löcher hat, nervös.
Aber Beth hat recht. Der sogenannte Frachtraum ist eigentlich nichts anderes als ein Container aus Ferroplast, der sich durch eine große druckfeste Ladeluke auszeichnet.
Der Container selbst sitzt gute vierzig Meter hinter der Brücke oben auf dem »Rückgrat der Dino«, das eine Verbindung zwischen dem Vorschiff und dem achtern gelegenen Maschinenraum darstellt. Fast alle Versorgungsleitungen laufen durch dieses Rückgrat, und hätte uns irgendetwas hier getroffen, hätte dies leicht das Ende für uns bedeuten können.
So aber bin ich überrascht, dass in dem Laderaum noch immer atmosphärischer Druck herrscht, die Erklärung ergibt sich dann, als ich der Wartungsdrohne folge und zusehe, wie sie mit einer Art Spritze ein vielleicht zwei Millimeter großes Loch mit einer grauen Masse kittet. Ein Vorgang, der an der Austrittsstelle wiederholt wird.
Es ist einfach noch nicht genug Zeit vergangen, um die Atmosphäre aus diesem großen Raum zu verlieren.
Beim Anblick dieser zwei kleinen Löcher kann ich mich endlich beruhigen. Mir ist dennoch sehr bewusst, wie viel Glück wir gehabt haben. Genauso hätte uns ein größeres Stück an einer empfindlicheren Stelle treffen können.
Die Dona besitzt vier Wartungsdrohnen, die zurzeit das gesamte Schiff nach Schäden absuchen, erklärt mir Maya auf dem Weg zurück zur Brücke. Entspanne dich und lasse sie ihre Arbeit tun. Abgesehen davon, gibt es eine gute Nachricht.
Lass hören, bitte ich sie. Gute Nachrichten kann ich immer brauchen.
So wie es aussieht, hat sich Bo geweigert, mit der Besatzung zu flüchten. Also haben sie ihn betäubt und in der Krankenstation eingesperrt. Ihm geht es so weit gut, auch wenn er sich noch nicht vollständig von seinen Verletzungen erholt hat.
Das ist tatsächlich eine gute Nachricht. Zumal ich weiß, dass Bo für Shixin mehr als nur einfach ein Leibwächter ist. Mehr ein großer Bruder, der auf sie aufgepasst hat, seitdem sie vier Jahre alt war.
Es sind sowieso schon viel zu viele gestorben. Vor allem der Tod unserer Besatzung war vollständig sinnlos.
Ich glaube nicht, dass du das so sagen kannst, meint Maya überraschenderweise. Es kam für uns auf Sekundenbruchteile an, und sie haben uns mit ihrem Fluchtversuch mindestens zwei Minuten erkauft. Aber du brauchst dich deshalb nicht schuldig zu fühlen, es war ihre Entscheidung.
Wenn ich zurückdenke, mag es tatsächlich so gewesen sein, ich selbst kann es aber nicht so sehen. Es mag sein, dass sie uns mit ihrem Tod diese wertvollen Minuten erkauft haben, aber das war in dem Moment nicht absehbar gewesen. Ich bleibe dabei. Sie sind sinnlos gestorben. Dass es uns nachher noch einen Vorteil erbracht hat, ändert nichts daran.
Anders, als Maya es vielleicht befürchtet, habe ich auch kein schlechtes Gewissen. Auch keine Schuldgefühle, weil ich überlebt habe. Ich bin nur froh, dass ich noch am Leben bin. Für mich ist klar, wer hier der wahre Täter, der wahre Schuldige ist.
Die Organisation, die Personen, die hinter dem Angriff der HSS Grant auf uns stecken.
Ich werde mich nicht für etwas schuldig fühlen, das jemand anders verbockt hat. Oder dafür, dass ich überlebt habe und sie nicht.
Allein der Gedanke ist absurd.
Beth hat dich bereits mehr beeinflusst, als ich zuerst dachte, meint Maya.
Ich schnaube innerlich.
Das hat mit Beth nichts zu tun. Versuche du mal, ein paar Jahre auf der Straße zu überleben. Wenn du dich wegen allem schuldig fühlst, kommst du nicht weit.
Ergibt Sinn.
Eben.
In den nächsten Stunden finden die Drohnen noch einige leichte Schäden auf der Außenhaut unserer Quingdao, die sie allerdings mit Bordmitteln problemlos beheben können. Nachdem ich vergeblich versucht habe zu schlafen, sitze ich im Kapitänssessel und schaue in den Holowürfel vor mir, der mir außer Sams und unserem Kurs und Positionsdaten nur die Leere des Weltraums anzeigt.
Der Autopilot verrichtet problemfrei seine Arbeit und hält uns auf Kurs, und ich lerne etwas, was mir eigentlich schon vorher bewusst gewesen ist. Raumfahrt ist langweilig.
Es sei denn natürlich, man wird von einem verrückt gewordenen leichten Kreuzer verfolgt.
So gesehen liebe ich es, mich zu langweilen.
Irgendwann schlafe ich hier auf der Brücke ein.
Quantenmagie
Meine Quingdao wurde ursprünglich als Forschungsschiff konzipiert und gehört mit ihren etwa sechsundsechzig Metern Länge in die untere Riege der mittelgroßen Schiffe. Als wir am nächsten Tag backbords an der Samuel Clemens andocken, wirkt sie im Vergleich zu dem Schlachtkreuzer wie ein Spielzeug.
Sam ist 322 Meter lang und 212 Meter breit, erklärt mir Maya, als wir darauf warten, dass sich die Luftschleuse für uns öffnet. Ich habe das Gefühl, dass ein gewisser Stolz in ihrer Stimme mitklingt. Sein Rumpf ist vierzig Meter breit und an der höchsten Stelle zweiundsechzig Meter hoch. Er besitzt zwei Hangars, jeweils in der linken und rechten Flügelwurzel untergebracht, die beide jeweils zwölf Shuttles der Centaur-Klasse aufnehmen können, sowie jeweils einen Werftbereich, in dem zwei Shuttles gleichzeitig repariert werden können. Er verfügt über acht Langstrecken-Plasmageschütze im Kaliber 1,25 Meter und zwanzig mittlere Geschütze in Kalibern zwischen zwanzig und achtzig Zentimeter. Er besitzt zudem etliche Raketenbatterien, die zurzeit allerdings nicht bestückt sind. Er ist mit achtundzwanzig Sprungbänken ausgestattet und insgesamt acht Sprunggeneratoren, die ihm eine Sprungreichweite von hundertvierundvierzig Lichtjahren pro Sprung ermöglichen. Er ist das Modernste und Beste, was die Hegemonie zu bieten hat!
»Das«, meine ich beeindruckt, »ist beeindruckend!«
»Tatsächlich bin ich fast ein Wrack.«
Etwas flackert neben mir, und dann sehe ich Sam in seiner tadellosen Uniform dort stehen.
Ein Hologramm, wie Maya mir erklärt und ich mir habe denken können. »Wir sind damals etwas zu schnell aufgebrochen, noch bevor die Werft ihre Arbeit abgeschlossen hat«, erklärt er mir. »Wir hatten alles an Bord, was es braucht, um die Arbeiten abzuschließen, aber wie man sehen kann, ist es nie dazu gekommen. Ich besitze nur zwei aktive Wartungsdrohnen, zwanzig weitere sind sorgfältig in Lagerraum 2 d eingelagert, wurden aber nie aktiviert. Und all das nur, weil es ein gewisser Jemand zu eilig hatte.« Sam lächelt etwas schmal. »Hallo, Sax. Ich bin Sam.«
Nachdem ich die Luftschleuse verlassen habe, reicht ein Blick, um zu verstehen, was Sam meint. Der Dockbereich und der angrenzende Gang befinden sich ganz offenbar noch im Rohbau. Überall sind Paletten an Material zu sehen, versiegelt und verschweißt, nicht angetastet.
Ein Kanister springt mir ins Auge. FTI.PNO. 40020023, Meeresgrün, Standard.
»Für den Empfangsraum hier«, erklärt Sam, der meinen Blick gesehen hat. »Meeresgrün ist eine beruhigende Farbe.«
Okay. Finde ich nicht, aber okay.
»Du weißt, dass ich nicht Beth bin?«, frage ich Sam unnötigerweise.
Er nickt. »Maya hat es mir erklärt. Ich finde es faszinierend. Ich habe mich dazu entschlossen, zu akzeptieren, dass Beth als Gedankenkonstrukt überlebt hat.« Er grinst mich breit an. »Ansonsten müsste ich Maßnahmen ergreifen, um an Bord unerwünschte Personen zu beseitigen.« Er weist auf eine grün umrahmte Tür. »Hier entlang, bitte. An manchen Stellen im Schiff sind die Innenarbeiten bereits abgeschlossen. Dort findest du grüne Pfeile auf dem Boden, folge ihnen einfach, und du findest den Weg zur Brücke.«
»Danke«, sage ich. Dank Maya, die die Samuel Clemens in- und auswendig kennt, werde ich mich hier nicht verlaufen können. Wobei das bei der Vielzahl der Gänge, Türen, Schächte und Decks durchaus leicht passieren könnte.
»Wie viel Besatzung ist für so ein Schiff vorgesehen?«, frage ich Sam neugierig.
»Normalerweise hundertneunundachtzig Mannschaftsdienstgrade und Offiziere plus natürlich das Marine-Kontingent mit tausendvierhunderteinundzwanzig Marine-Infanteristen.«
»Götter!«, entfährt es mir. »Sind sie alle beim Angriff auf Karstein gestorben?«
»Nein«, antwortet Sam lächelnd. Wer auch immer seine Mimik programmiert hat, hat seinen Job gut gemacht. »General Cameron hat noch in der Werfterprobungsphase den Befehl über mich übernommen. Als wir im Karstein-System eingetroffen sind, befand sich nur eine Rumpfbesatzung von zweiundzwanzig Personen, hauptsächlich Ingenieure und Techniker, an Bord. Und General Cameron und ihre zwei engsten Mitarbeiter. Schon bei unserer Ankunft hier im System war sehr schnell klar, dass es sich bei der angeblichen Rebellion um eine Fehlinformation hat handeln müssen, selbst der Zentralrat des Planeten wusste nichts davon, dass sie sich angeblich in Rebellion zur Hegemonie befinden würden. Als der Angriff auf Karstein erfolgte, befanden sich nur General Cameron und ihre engsten Mitarbeiter auf dem Planeten, um sich dort mit dem Bürgermeister von Eltyr zu treffen. Nach der Katastrophe fand sich meine Besatzung vor die Wahl gestellt, entweder hier an Bord zu verbleiben oder sich mit einem der beiden verbliebenen Shuttles nach Karstein zu begeben, wo jede Hilfe dringendst nötig war. Sie entschieden sich für Letzteres, und ich blieb zurück und folgte meinen letzten Befehlen.«
»Wie lauteten diese?«, frage ich ihn.
»Das System unauffällig zu überwachen und Ungewöhnliches aufzuzeichnen.«
»Hhm«, nicke ich. Es ist fast dreihundert Jahre her, und ich selbst kenne ja keinen von Beths Marinesoldaten. Ich bin trotzdem erleichtert zu erfahren, dass sie nicht wie Beth sinnlos bei dem Angriff ums Leben gekommen sind. Obwohl sie mittlerweile sowieso alle am Alter gestorben sein müssten. »Ich verstehe nur nicht, warum diese Techniker nicht mit dir zurück nach Sol gesprungen sind.«
»Sie konnten nicht. General Cameron besitzt als Einzige den Commando-Code, der es erlaubt, mir Befehle zu erteilen.«
»Ist das nicht ein wenig riskant, dass nur eine Person diese Befehlsgewalt besitzt? Was ist, wenn ihr etwas zustößt? Wie in diesem Fall ja geschehen?«
»Normalerweise befände sich ja eine militärische Besatzung an Bord, somit wäre die Rangfolge geklärt. Außerdem wäre man imstande gewesen, einen neuen Befehlscode beim Raumkommando anzufordern. Doch in diesem Fall ist genau das nicht möglich gewesen. Somit befanden wir uns in einem Ausnahmezustand, der noch immer anhält.«
Mittlerweile haben wir die Brücke der Samuel Clemens erreicht. Als ich zum ersten Mal diese Brücke betrete, pfeife ich leise durch die Zähne. Es ist alles wie in diesen TriDis, die Mendez und ich verschlungen haben.
Nur besser. Und echter.
Alles ist größer, glänzender … es riecht hier sogar noch alles wie neu.
»Was nichts daran ändert, dass Sam recht hat. Er ist ein Wrack.« Diese Stimme kommt mir zugleich bekannt und fremd vor, bis jetzt habe ich sie immer nur mit meinem »inneren Ohr« gehört. Ich drehe mich um, und dort, auf dem Kapitänssessel, auf dem ich es mir gerade bequem machen wollte, sitzt eine gewisse Generalmajorin Cameron. Sie trägt ihre Hegemonialuniform mit allen Rangabzeichen und Orden, ihr schwerer Colt hängt in einem Holster an ihrer Seite, und sie hat ihr Kinn auf ihre linke Hand gestützt und mustert mich, als ob sie mich zum ersten Mal sehen würde. Für einen kurzen Moment verspüre ich einen Schock, es gibt nicht den geringsten Anhaltspunkt dafür, dass sie nicht echt ist.
Sie hat sich die Projektionstechnik der Samuel Clemens zunutze gemacht, erklärt Maya.
Was ich mir eigentlich habe denken können. Nur im ersten Moment …
Das letzte Mal, dass ich Beth gesehen habe, war, als ich sie in der unterirdischen Straße begraben habe. Tatsächlich habe ich sie ja nur als Tote kennengelernt. Jetzt, da sie diese Projektion benutzt, die atmet, kleine Bewegungen ausführt und sogar Mikroausdrücke darstellt, besitzt die Frau ein überwältigendes Charisma, das ich so wirklich nicht erwartet habe.
Abgesehen davon, dass ich sie jetzt sozusagen im Original sehe, habe ich keinen Zweifel mehr. Sie muss die Originalvorlage für die Steel Talon-Serie gewesen sein.
Sie runzelt die Stirn. »Was schaust du mich so an?«, fragt sie ungehalten und bleckt ihre Zähne. »Habe ich Spinat zwischen den Zähnen?«
Ich schüttle hastig den Kopf. »Ich … ich, ich bin nur überrascht, dich zu sehen. Es ist anders, als wenn …«
»Ich weiß«, sagt Beth und grinst. »Es ist besser so. Auf diese Art kann ich mich in Sam bewegen und auch in etwa einhundertfünfzig Metern Umkreis um einen Shuttle herum. Mein Originalprozess befindet sich immer noch in Maya, also in dir, doch für den Moment habe ich nicht die Absicht, zu dir zurückzukehren.« Sie hebt ihre Hände an und streicht mit diesen sachte über ihr Gesicht. »Es ist überraschend realistisch«, fährt sie dann fort. »Es fühlt sich alles so echt an, dass ich, ehrlich gesagt, den Unterschied kaum wahrnehmen kann. Vor allem aber bin ich ich und nicht ein verfluchter Geist, der eine Urenkelin in Besitz nimmt, als wäre das hier ein schlechtes Horrormärchen.« Sie runzelt die Stirn. »Maya sagt, ich habe sowieso schon einen geistigen Eindruck oder Abdruck bei dir hinterlassen.«
Okay, Maya, wie schlimm ist es?
Du hast bereits schon so etwa zu 27 Prozent die Persönlichkeit von Beth angenommen.
So fühlt es sich nicht an. Tatsächlich bezweifle ich das. Ich fühle mich an, wie ich mich schon immer angefühlt habe.
Glaube mir, die Übereinstimmungen in eurem Persönlichkeitsprofil sind deutlich.
Das glaube ich sogar. Doch du vergisst eines: Beth und ich sind, wie fern auch immer, verwandt. Ich glaube, wir besitzen ein ähnliches Persönlichkeitsprofil, ganz ohne dass ich ihre Persönlichkeit assimilieren muss.
Hhm. Das könnte bis zu 11 Prozent der Übereinstimmungen erklären. Aber wie erklärst du dir, dass du nach dem Aufstehen dein Bett stramm beziehst und deine Wäsche militärisch präzise faltest?
Oh.
Okay.
Der Punkt geht an sie.
Aber selbst wenn sie recht hat, es erschreckt mich nicht. Ich bin ein Fan von Beth. Wenn ich einmal groß bin, will ich so sein wie sie. Durch nichts zu erschüttern, immer Herrin der Lage und unbesiegbar …
Kaum habe ich das gedacht, höre ich Beth schallend lachen. Sie lacht so sehr, dass ihr die Tränen in die Augen schießen.
In einer Ecke meiner Gedanken frage ich mich, wie man Humor simuliert.
Da fragst du die Falsche, antwortet Maya. Ich habe nicht die geringste Ahnung. Humor ist keine Programmfunktion.
Und wieso lacht sie?, frage ich fast schon anklagend und deute mit meiner linken Hand auf sie.
Frag doch sie.
In diesem Fall, antwortet Beth gedanklich, war es weniger lustig als absurd. Und ich lache, weil mir danach ist.
»Du kannst meine Gedanken noch immer lesen!«, werfe ich ihr vor.
»Natürlich!«, lacht sie und wischt sich über die Augen. »Unbesiegbar? Wirklich? Sax, ich bin seit Jahrhunderten tot!«
»Ja, mag sein. Aber es hat eine Atombombe gebraucht, um Steel Talon umzubringen.« Ich mache eine Geste in ihre Richtung. »Und ob du wirklich tot bist, bleibt auszudiskutieren.« Ich stelle mich gerader, trotziger hin. »Und ja, ich bin ein Fangirl. Ich stehe dazu. Großmama.«
Ihre Augen ziehen sich bedrohlich zusammen.
Sie hebt einen Finger an.
»Wenn du mich noch einmal so nennst, sind wir keine Freunde mehr!«
Ich salutiere. Ich weiß sogar, wie man das richtig macht. »Ma’am, Jawohl, Ma’am!« Großmama. Ich habe es nur gedacht. Nichts gesagt. Gedanken sind frei, richtig?
Beth lächelt schmal. Das, meine Liebe, gilt lediglich, solange niemand deine Gedanken lesen kann.
Maya hüstelt. Ich werde es so einrichten, dass nur noch Gedanken gelesen werden können, die zur »Veröffentlichung« bestimmt sind.
Gute Idee, meinen Beth und ich gleichzeitig.
Tatsächlich aber hat es einen anderen Grund, weshalb Sam mich an Bord gebeten hat. Es geht um die Befehlsgewalt über die Samuel Clemens. Man kann, wie gesagt, über Beths Zustand »diskutieren«, aber sie hat nicht die geringste Absicht, die Befehlsgewalt über Sam abzugeben. Nur für den Fall der Fälle richtet sie mich als ihre Stellvertreterin ein. Was dann auch beinhaltet, den Eid der terranischen Hegemonie zu schwören. Den originalen, historischen Eid, nicht die Libram-Variante.
Damit habe ich nun kein Problem. Ich bin schon immer ein Fan von Steel Talon gewesen, und die hat diesen Eid sehr ernst genommen.
So wie Beth.
Was mich etwas stört, wenn ich es auch widerwillig nachvollziehen kann, ist die Tatsache, dass Sam, Beth und sogar Maya dies vor Shixin geheim halten wollen.
»Du kannst es ihr bei späterer Gelegenheit erklären«, meint Beth dazu. »Im Moment kennen wir sie einfach nicht gut genug.«
»Was nichts daran ändert, dass wir ihre Hilfe brauchen«, stelle ich fest, ohne auf Beths Worte einzugehen. Wir befinden uns in Sams Maschinenraum, und hier reicht ein einziger Blick, um zu verstehen, warum Sam sich selbst als Wrack bezeichnet.
Von den achtundzwanzig Sprungbänken und acht Sprunggeneratoren, die Sam einst zum schnellsten Schiff der Hegemonialflotte gemacht haben, sind siebzehn Bänke und fünf Generatoren durchgebrannt. Es ist jetzt schon ein paar Tage her, und die Luft zirkuliert ständig, dennoch stinkt es immer noch nach heißem Metall und verschmorter Isolierung.
»Der Rest der Bänke und Generatoren funktioniert noch, aber ganz unbeschadet sind sie nicht davongekommen«, erklärt Sam mit einem etwas säuerlichen Gesichtsausdruck.
Ich kann den Gesichtsausdruck verstehen. Denn der Grund für seinen desolaten Zustand sind wir. Genauer gesagt, der Mikrosprung, den er hat ausführen müssen.
Maya hat weit ausgeholt, um mir das zu erklären. Sprunggeneratoren nach dem Belton-Prinzip nutzen eine Art Hintertür im Einstein-Universum aus. Selbst heute, Jahrhunderte nach Einsteins Tod, ist es noch niemandem gelungen, eine allgemeingültige Feldtheorie zu entwickeln.
Auch Alexander Belton ist dies nicht geglückt. Doch Belton ging davon aus, dass es einen Zusammenhang zwischen Geschwindigkeit, Masse, Schwerkraft und Zeit gäbe. Genauer, für ihn war Schwerkraft ein Produkt von Zeit und Masse. Zeit und Masse verbrauchen sich und ergeben Schwerkraft. Wie das genau gehen soll, weiß niemand, aber das war der Ansatz.
Wenn man also einen Ort finden kann, sagen wir, in einem Sonnensystem, an dem sich, da Schwerkraft sich wie eine Welle verhält, durch Interferenzen Schwerkraft deutlich von der Umgebung absetzt und demzufolge sich auch Zeit, Masse und Geschwindigkeit anders darstellen, müsste sich dort vielleicht auch die einsteinsche Relativitätstheorie anders darstellen.
Solche Orte nennt man Sprungpunkte, und theoretisch müsste jedes Sonnensystem zwei dieser Sprungpunkte besitzen.
Nur dass man sie nicht bei jedem System gefunden hat.
Und dass es letztlich doch ganz anders war, als es sich Alexander Belton gedacht hat.
Tatsächlich ist es, wie Maya mir erklärt, höhere Quantenphysik: also eine Art Magie.
Um es ganz simpel zu erklären: An diesen Sprungpunkten ist es möglich, eine Verbindung, eine Art Tunnel, zwischen zwei Sprungpunkten, die sozusagen die gleiche Frequenz oder Adresse besitzen, herzustellen und ein Raumschiff durch diese Verbindung »fallen« zu lassen. So etwas wie ein Wurmloch, aber eben nicht ganz. Eine Falte im Raum, so Maya, beschreibt es am besten. Auch wenn das auch nicht so ganz passt.
Also für mich ist das Quantenmagie.
Das passt am besten.
Je größer die Entfernung, je größer die Abweichung zwischen der Frequenz der Punkte ist, desto mehr Energie ist nötig, um einen Sprung durchzuführen.
Jetzt kommen wir zu dem, was Sam und Maya als einen Mikrosprung bezeichnen. Die Sorte von höherer Quantenmagie, die eigentlich unmöglich sein müsste. Eigentlich. Nämlich einen Hypersprung innerhalb eines Sonnensystems durchzuführen. Wobei Sonnensystem hier nur dafür steht, dass es sich um dieselbe »Sprungadresse« handelt.
Im Prinzip springt man nicht von Haustür zu Haustür, sondern von der eigenen Haustür zur eigenen Haustür, nur eben ein paar Millimeter weiter rechts.
Okay. Wenn du das sagst, Maya, dann ergibt das sicherlich Sinn.
Die einfachste Erklärung ist die folgende: Innerhalb eines Sonnensystems gibt es einen oder eben manchmal auch zwei Sprungpunkte. Ein Mikrosprung funktioniert in etwa so: Von einem Ort im Sonnensystem wird zum Sprungpunkt gesprungen, doch mit einem Versatz, der dann das Schiff an einem anderen Punkt im Raum herauskommen lässt.
Bei einem »normalen« Sprung »fällt« das Raumschiff durch die beiden Sprungpunkte und verbraucht relativ wenig Energie.
Wobei relativ eben relativ ist.
Bei einem Mikrosprung muss man einen großen Hebel verwenden. Es gibt kein »Loch«, durch das man hindurchfällt, dieses »Loch« muss aufgebohrt werden.
»Bis Sam diesen Mikrosprung durchgeführt hat, galt dieser nur theoretisch als möglich«, erklärt Beth. »Er hat diesen als Erster auch praktisch durchgeführt. Gäbe es die Hegemonie noch, würde das morgen in den Fachzeitschriften zu lesen sein. Aber so …« Sie macht eine Geste zu den geschmolzenen Generatoren hin. »Das Ergebnis siehst du hier, der Energieaufwand war um ein Vielfaches höher, als Sam erwartet hat. Auf der anderen Seite …«
»Auf der anderen Seite hat Sam uns den Arsch gerettet«, stelle ich fest. Ich wende mich Sams Projektion zu. »Wenn das noch niemals jemand vorher gemacht hat, wie bist du auf die Idee gekommen, das zu versuchen?«
Sam deutet mit seinem Blick zu Beth hin. »Frag sie. Sie hat dieses Sprungmanöver als Notmanöver in meiner Datenbank abgelegt.«
»Schau mich nicht so bewundernd an, Fangirl«, sagt Beth und klingt etwas grummelig. »Ich bin kein Genie. Es war auch nicht meine Idee, ich habe nur irgendwann gelesen, dass es theoretisch möglich sein könnte, und Maya hat die Berechnungen durchgeführt.«
Zu diesem Zeitpunkt hat sie mich nur wie einen Computer benutzt. Außer Zahlen zu jonglieren, war mein Anteil daran klein.
Ich nicke. »Es hat funktioniert. Es hat uns gerettet. Und jetzt ist das hier«, ich mache eine Geste in Richtung der geschmolzenen Geräte, »eben die Quittung. Der Preis dafür. Wir leben noch, also will ich mich nicht beschweren. Sag, was kostet eine solche Speicherbank? Oder Generator?«
Sam seufzt.
»Etwa elf Millionen für eine Speicherbank, neunzehn für den Generator. Das sind Hegemonie-Dollars, und hergestellt wurden diese Bänke und Generatoren ausschließlich auf den lunaren Werften auf Terra.«
Ich werfe ihm einen Blick zu. »Ich nehme an, wir können nicht einfach dort bestellen?«
»Zurzeit wohl nicht. Versucht habe ich es.«
Meine Frage war nicht ernst gemeint. Seine Antwort klang aber so, als hätte er es tatsächlich versucht. War die Leitung besetzt? Oder kein Anschluss mehr unter dieser Nummer? Ich entscheide mich, nicht nachzufragen.
Seit Jahrhunderten hat niemand mehr etwas vom Sol-System gehört. Hätte Sam Verbindung aufbauen können, hätte mich das mehr als nur ein wenig schockiert. Langer Rede kurzer Sinn: keine Ersatzteile von der Erde. Oder Luna. Was nicht ganz unerwartet ist.
»Was also können wir tun?«, frage ich ratlos in die Runde.
»Wir müssen sie selbst bauen«, antwortet Beth. »Gott sei Dank besitzen wir alle Spezifikationen und Patentunterlagen.« Sie weist auf den nächsten Generator. »So etwas kann man nicht in einem Schuppen bauen, Sax. Wir brauchen eine Werft. Oder zumindest eine Fabrik, die uns diese Generatoren nach unseren Vorgaben herstellt.«
Ich nicke langsam. »Wie lange werden die restlichen Generatoren und Bänke noch halten, ohne gewartet zu werden?«
Sam zuckt hilflos mit den Schultern. »Das ist schwer zu sagen. Vierzig bis sechzig Sprünge? Vielleicht etwas über siebenhundertvierzig Lichtjahre?«
»Was in etwa dem Sprungvolumen der Dona entspricht«, stelle ich überrascht fest. »Deine Generatoren sind kaputt, und du besitzt immer noch dieses Sprungvolumen?«
»Wäre alles intakt, könntest du eine Null dranhängen«, erklärt Beth. »Eure Sprungtechnologie ist Schrott. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie ihr so viel Wissen habt verlieren können.«
Ja, das ist die Frage. Eine der Fragen zumindest. Aber im Moment kann ich erleichtert aufatmen, Sams Zustand behindert unsere Pläne nicht. »Also ist es Sam möglich, sagen wir als Beispiel, ins Leonard-System zu springen? Das sind von hier aus vier Sprünge und insgesamt vierundfünfzig Lichtjahre.«
»Im Prinzip ja.«
»Okay, wir können … Moment, was meinst du mit ›im Prinzip?‹«, frage ich misstrauisch nach. Ich habe das Gefühl, Sam hat zu viel Zeit mit Beth verbracht. Er hat ihre Angewohnheit übernommen, einem die Dinge nur in kleinen Häppchen zu servieren.
»Es gibt ein kleines Problem«, antwortet Sam.
Wusste ich es doch. Ich unterdrücke einen Seufzer. »Und was für ein Problem wäre das?«
»Mein Tank ist leer.«
»Huh?«
»So schwer zu verstehen?«, fragt er überrascht. »Ich erkläre es ganz einfach: Der Sprit ist alle.«
Irgendein Hobby braucht der Mensch
»Also, um das zusammenzufassen«, sagt Shixin etwas später an Bord der Dona. Wir befinden uns auf der Krankenstation des Schiffs, wo wir Bo Gesellschaft leisten, der von sich behauptet, bereits wieder genesen zu sein. Der Auto-Doc, Shixin, Maya und ich sehen das noch ein wenig anders.
Weshalb Bo die Anweisung erhalten hat, die Krankenstation nicht eher zu verlassen, als bis er vollständig genesen ist. So weit, so gut. Ich verstehe nur eines nicht. Wir besitzen Tausende von Stunden Videomaterial. Inklusive vierhundertzwanzig Folgen Steel Talon.
Warum also muss er sich Peking Opera antun?
Shixin unterbricht meinen Gedankengang. »Wir müssen etwa viereinhalbtausend Liter Deuterium besorgen, damit Sam wieder eingeschränkt einsatzbereit ist?«
Ich nicke, während ein gequälter Ton aus Bos Kopfhörern entweicht. Ich merke, wie sich mir die Haare im Nacken und an den Unterarmen aufstellen.
»Was bedeutet eingeschränkt in dem Zusammenhang?«, fragt sie.
»Ein Teil von Sams Sprunggeneratoren und Ladebänken sind durch den Mikrosprung zerstört worden. Er besitzt nicht mehr die gleiche Reichweite wie zuvor.« Und wir brauchen eine Fabrik, die für uns Ersatzteile herstellt. Aber das erwähne ich nicht laut. Ich habe eine Idee, aber die ist derart verrückt, dass ich es nicht wage, sie laut auszusprechen. Oder laut zu denken.
»Die Orbitalstation auf Karstein verkauft Deuterium«, meint Shixin.
Ich sehe sie nur an.
»Richtig«, sagt sie und winkt frustriert ab. »Wenn wir nach Karstein zurückfliegen, stoßen wir nur wieder in ein Hornissennest.« Sie zuckt mit den Schultern. »Es ist das erste Mal, dass ich im Raum bin. Ich habe keine Ahnung, wo wir so etwas bekommen können.«
Gleiches galt für mich, aber ich habe Maya. Die mir, kaum dass ich an etwas denke, alle verfügbaren Informationen liefert. Das einzige Problem ist, dass ich langsam das Gefühl bekomme, denkfaul zu werden.
Aber es ist praktisch.
»Hier«, sage ich und ziehe ein Bild im Holowürfel der Krankenstation hoch. Was bedeutet, dass Bo seine Oper unterbrechen muss. Er hat sie zwar leise und über Kopfhörer gesehen, aber meine Ohren sind irgendwie besser geworden, und für mich hört es sich an, als ob jemand eine Katze kastrieren würde.
Ich kann mich noch nicht einmal damit herausreden, dass ich nicht weiß, was da gesungen wird. Ich verstehe jedes Wort.
Nur ändert es nichts.
Katze.
Kastriert.
Es gibt vieles, das ich an der Manchu-Kultur schätze und schätzen kann. Moderne M-Pop-Music zum Beispiel. Die, nebenbei bemerkt, Beth nun gar nicht mag.
Aber Peking Opera?
Nein danke.
Wirklich nicht.
Wie gesagt, Katze, kastriert.
Ich weiß es besser, als meine Meinung über ein wichtiges Kulturgut Bo und Shixin gegenüber laut zu äußern.
Jede Geste, jeder Ton, es hat alles eine Bedeutung. Ich kann dir …
Danke, nein. Ich will das nicht wissen. Vor allem will ich es nicht hören.
Du bist ein Banause.
Ich weiß, antworte ich Maya.
Aber es hört sich wirklich wie eine malträtierte Katze an!
Genug von Katzen. Kastriert oder nicht.
Zurück zum Thema.
»Das hier ist Paradise Island«, erkläre ich Shixin und Bo und deute auf den leuchtenden Punkt im Holowürfel. »Ich habe keine Ahnung, warum man das System so genannt hat. Es gibt dort nichts als einen großen Wasserstoffplaneten, ein paar Steinbrocken und viel zu viel Nichts. Und eine ehemalige Wartungsstation der Hegemonie, die Deuterium produziert. Es sind zwei Sprünge und acht Lichtjahre dorthin.«
»Wo ist der Haken?«, fragt Shixin. Sie mustert das Bild im Holowürfel. Ein typischer Fall von: Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Wahrscheinlich fragt sie sich, warum ich die Oper wegen so etwas störe.
»Das System liegt im Einflussbereich von Karstein. Es wäre unsere Aufgabe, dieses System zu verwalten. Aber da es ist, wie es ist …«
Karstein verfügt meines Wissens nach über keine Raumschiffe. Demzufolge kann es seine Interessen in seinem eigenen Gebiet nicht wahrnehmen. Und das hat zur Folge, dass es, in der Praxis, einen rechtsfreien Raum gibt.
»Okay«, seufzt Shixin. »Sag doch gleich, dass es eine Freie Station ist.«
Freie Station hört sich gut und edel an. Tatsächlich bedeutet es, dass dort der Stärkere die Gesetze macht. Je nach Neigung kann das unterschiedlich ausfallen. Es gibt freie Stationen, die einen guten Ruf besitzen.
Und es gibt andere.
Bei unserem Glück braucht man nicht zu raten.
Paradise Island Station gehört zu den anderen.
»Ich bin mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee ist«, sagt Shixin zweifelnd.
»Ich auch nicht«, antworte ich. »Aber Paradise Island hat einen Vorteil.«
Sie schaut mich fragend an.
»Sie fragen nicht nach Ausweisen.«
»Warum ist das ein Vorteil? Oh. Du meinst …«
Ich nicke nur. In dem Moment, in dem eine von uns auf irgendeiner offiziellen Station auftaucht, können wir davon ausgehen, dass Libram davon erfährt. Oder die Gruppe, die uns die HSS Grant an den Arsch gehetzt hat.
»Wir brauchen mehr Leute«, stelle ich frustriert fest. »Und andere Ausweispapiere. So wie es jetzt ist, können wir uns in keinem zivilisierten System sehen lassen.« Ich balle meine Fäuste. »Ich kann es gar nicht fassen. Wir sind noch nicht einmal aus Karstein weggekommen, und uns sind schon alle Wege blockiert!«
Shixin seufzt. »Vater hat sich so viel Mühe gegeben, uns eine vertrauenswürdige Mannschaft zu besorgen. Niemand hat damit rechnen können …«
»Mit Verlaub, junges Fräulein Chen, die haben allesamt nichts getaugt«, knurrt Bo, der sich mit diesen Worten aufrichtet und verärgert dreinschaut. Und die Oper auf Pause stellt. Im Stillen danke ich ihm dafür.
Nein. Er schaut nicht verärgert drein.
Er ist enttäuscht. »Es ist nur gut, dass wir es jetzt herausgefunden haben, und nicht, wenn es darauf ankommt!«
Wenn ich an die Situation zurückdenke, frage ich mich, welche Situation Bo meint, wenn es darauf ankommt. Ich finde, unsere Situation war verzweifelt genug.
Bo ballt seine Fäuste und macht es mit den nächsten Worten klar. »Hätten sie von euch gewusst, sie hätten nicht eine Sekunde gezögert, euren Container abzusprengen! Jeder einzelne von ihnen ist eine Schande für den Clan!«
Shixin legt eine Hand auf seine Schulter und drückt ihn sachte zurück ins Bett. »Bo, du bist verletzt. Schone dich, damit du so schnell wie möglich wieder gesund wirst.«
»Junges Fräulein Chen, ich …«
»Wir brauchen dich. Ich brauche dich. In bester Verfassung!«
»Jawohl, junges Fräulein Chen!«
Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte im Bett liegend mit verschränkten Händen salutiert.
Ich zerre Shixin aus der Krankenstation, achte darauf, dass die Tür wirklich geschlossen ist und er uns nicht hören kann.
»Wie geht es ihm?« Ich meine damit nicht seine Wunden. Die sind jetzt nur noch relativ gering, auch wenn er sie wieder aufgerissen hat, als er sich geweigert hat, dem Rest der Mannschaft zu folgen.
»Nicht gut«, sagt Shixin. »Er ist der Meinung, zum zweiten Mal versagt zu haben. Hätte ich es ihm nicht verboten, er hätte den Freitod gewählt.«
Ich schüttle den Kopf. »Ich muss sagen, ich verstehe euch Manchu nicht.«
Sie schaut mich fragend an.
Ich zucke mit den Schultern. »Ich habe Manchus kennengelernt, die überhaupt keine Ehre besitzen und ihre eigene Mutter verkaufen würden. Und dann gibt es solche wie Chen Wang Bo, der für seine Ehre sterben würde. Muss das bei euch immer so extrem sein?«
Sie hebt eine Augenbraue an. »Du hast ganz eindeutig nicht die geringsten Vorurteile, oder?«
»Nun, seitdem ich einmal beinahe daran krepiert wäre, dass jemand gebrauchtes Motoröl als Frittieröl verwendet hat, ja.«
Shixin schüttelt den Kopf. »Du solltest wissen, dass man uns nicht alle über einen Kamm scheren kann. Es gibt solche und solche bei uns, Wie bei euch Anglos auch.«
»Ja, ich weiß.« Ich fahre mir frustriert mit den Händen durch mein Haar. »Ich kann nur mit diesen Extremen nicht umgehen. Ha, das stimmt nicht«, fahre ich fort und lache grimmig. »Ich weiß, wie ich mit Arschlöchern umzugehen habe. Es sind nur Leute wie Soren, Bo und, ja, Roul, die bereit sind, für mich zu sterben … ist das Opfer nicht zu groß?«
»Du hast mich vergessen«, höre ich eine Stimme hinter mir. Milosk. Ich drehe mich um, und da steht er, mit einem schiefen Lächeln an die Wand gelehnt. »Es stimmt nicht ganz, dass wir bereit sind, für dich zu sterben, Sax. Das war vielleicht bei Soren der Fall. Der Rest von uns ist bereit, für die eigenen Prinzipien zu leben. Roul …« Milosk seufzt. »Ich bezweifle, dass Roul überhaupt etwas gedacht hat. Er war nicht der Typ, der viel dachte.«
»Ja«, sage ich und wische mir über die Augen. Die Dona ist noch zu neu, wahrscheinlich hat jemand vergessen, die Staubfilter in der Klimaanlage zu installieren. »Das stimmt.«
»Niemand denkt viel in einer solchen Situation. Wir haben alle nicht gewusst, wer oder vor allem was Isaak war. Sagen wir mal, wenn uns so jemand noch einmal über den Weg läuft, wäre es vielleicht wirklich besser abzuhauen.«
»Wenn man das denn kann«, meint Shixin und reibt sich ihren Arm. »Was mich persönlich anpisst, ist, dass wir so machtlos waren. Wie kleine Kinder. Die Einzige, die etwas hat tun können, warst du, Beth«, korrigiert sie sich. »Ich weiß bis heute nicht, wie sie die Geschütze fernsteuern konnte.«
Mittlerweile wissen Milosk und Shixin von Beth. Aber nichts von Maya. Und so soll es bleiben. Und Milosk weiß immer noch nicht, was Beth ist. Shixin ist da schon näher dran, für sie ist Beth ein Geist eines ehrwürdigen Vorfahren, der meinen Körper übernimmt, wenn es darum geht, meinen Arsch zu retten.
Okay. Kann man so sehen. Ist nicht wirklich falsch, die Ansicht.
»Es ändert nichts daran, dass wir nicht wirklich weit gekommen sind«, knurre ich. »Alle grandiosen Pläne, die ich hatte, sind dahin, und wir sind nicht einmal aus dem System herausgekommen.«
»Das ist auch gut so«, sagt Milosk.
»Hä?«, sage ich und schaue Milosk überrascht an. Irgendwie fühlt es sich so an, als wäre er mir gerade in den Rücken gefallen.
Das bildest du dir ein. Du bist frustriert und zu empfindlich.
»Wenn du einen richtig guten Trickbetrug abziehen willst, was brauchst du dafür?«, fragt er mich.
»Die richtige Ausrüstung.«
»Ja«, sagt er geduldig. »Was noch?«
»Die richtigen Leute.«
»Hhm-hhm … und was sind die richtigen Leute?«
Ich bin jetzt leicht genervt. »Je nachdem, was es für ein Con ist. Spezialisten. Profis.«
Milosk grinst so breit, dass seine Kiemen etwas aufklaffen. »Und da hast du es. Nichts gegen Lord Chen, aber die Leute, die er uns geschickt hat, waren Amateure. Was wir brauchen, sind Profis.«
Ich rolle mit den Augen. »Ich bin nicht blöde, Milosk. Ich weiß das, aber sage mir, wo sollen wir diese Leute hernehmen? Wir haben es mit System-Geheimdiensten zu tun! Niemand legt sich gerne freiwillig mit solchen Leuten an!«
Milosk nickt. »Da hast du schon recht. Es ist nur schade, dass du niemanden kennst, der selbst einen Geheimdienst leitet, vertrauenswürdig ist, dich aus persönlichen Gründen unterstützt und dir bisher immer den Rücken gestärkt hat …«
Kunzak. »Du meinst Kunzak?«, frage ich ihn. Ich bin sprachlos. Nun, nicht ganz. »Kunzak?«
Er zuckt mit den Schultern. »Ich würde sagen, er ist ein Profi.«
Ja. Kein Zweifel. Aber … Kunzak?
»Wir sind gerade erst ganz knapp von Karstein weggekommen. Wenn wir wieder zurückfliegen, sind das wieder vier Tage. Und dann zum Sprungpunkt … das sind weitere acht Tage, die wir verschwenden!«
Milosk zuckt gelassen mit den Schultern. »Das ist richtig. Sag mal, hast du es irgendwie eilig? Hast du ein Date oder so etwas?«
Shixins Lippen zucken. Ich hole tief Luft.
Milosk hat recht.
Auf ein paar weitere Tage kommt es nicht an. Die Dona ist im Moment sicher bei der Samuel Clemens angedockt. Die, nachdem ich endlich die Wartungsdrohnen in ihrem Laderaum aktiviert habe, dabei ist, längst anstehende Reparaturen und Wartungsarbeiten durchzuführen.
Sam ist ein riesiges Schiff. Von Maya weiß ich, dass es in der Hegemonie etliche gigantische Schiffe gegeben hat.
Gigantische Stückgutfrachter, Kreuzfahrtschiffe oder Trägerschiffe, die man im ersten Moment für Planeten halten konnte. Alle um ein Vielfaches größer als Sam. Aber in der Unendlichkeit des Raums, insbesondere hier im Karstein-System, nicht einmal Staubkörner.
Niemand wird uns hier finden können, wenn wir es nicht wollen.
Ich unterdrücke einen Seufzer. »Also gut, Milosk, an was genau hast du gedacht?«
Er lacht. »Denken ist nicht meine Aufgabe. Ich bin Support. Aber was hat Genzo immer gesagt? Legal schlägt illegal, selbst wenn es nur ein Fake ist?«
»Okay«, sagt Beth, die sich in ihrer Kabine auf der Samuel Clemens befindet. Tatsächlich befindet sie sich nach wie vor in Maya und damit auch in mir, aber wir haben uns alle drauf eingelassen, das zu ignorieren. »Du fragst, ob es möglich ist, unbemerkt nach Karstein zu kommen, sich an den Radarsystemen und Raumabwehrstellungen vorbeizumogeln und unerkannt in Eltyr zu landen? Ohne dass jemand erfährt, dass wir da sind?«
Ich nicke.
Sie lacht und bleckt die Zähne. »Natürlich ist es das. Es ist ein Kinderspiel.« Dann sehe ich, wie ihr Lächeln etwas an Strahlkraft verliert, als ihr Blick zu einem Bild an der Wand ihres Zimmers wandert. Ich kenne dieses Bild. Eine kleinere Version davon hängt am Kühlschrank unseres Shuttles. Ihr Mann und ihre Tochter. »Ein Kinderspiel«, wiederholt sie leise.
»Warum sind wir dann nicht einfach mit dem Shuttle geflogen?«, frage ich sie etwas aufgebracht. »Wenn wir schnell genug weggekommen wären, dann wäre uns Isaak nicht begegnet, und Roul und Soren wären noch am Leben!«
»Sax«, sagt sie ganz ruhig. »Wir haben uns mitten in Eltyr befunden. Am Fuß des Tafelbergs, des Raumaufzugs. An dem Ort, der im ganzen verfuckten Sonnensystem am besten bewacht und beschützt ist. Es gibt keinen denkbaren Weg, der es uns erlaubt hätte, auch nur hundert Meter hoch zu fliegen, bevor wir von Abwehrgeschützen erfasst worden wären.«
»Ich dachte, der Shuttle besitzt ein Tarnungssystem?«
»Ja. Okay. Dann eben keine zweihundert Meter. Wenn wir den Raumaufzug und Eltyr meiden und außerhalb der Stadtgrenzen landen, dann ist es easy. Wenn wir dem Raumaufzug zu nahe kommen, dann …« Sie macht eine Geste. »Boom. Alles klar? Verstanden?«
»Ja«, sage ich grummelnd. »Verstanden.« Ich atme tief durch. »Es ist nur so …«
»Ich weiß«, sagt sie sanft. »Aber es wird besser. Mit der Zeit wird es besser. Es ist ein Klischee, aber es ist genau deshalb ein Klischee, weil es tatsächlich so ist.«
»Ja. Okay. Aber wie viel Zeit braucht es?«, frage ich frustriert.
»Manchmal ist eine Ewigkeit noch nicht genug.« Sie wirft einen Blick auf das Bild an der Wand.
Ich denke, ich gehe jetzt besser. Ich werfe einen letzten Blick in ihre Kabine. Viel gibt es hier nicht an persönlicher Note zu sehen. In einer Ecke, halb unter ihrem Bett, befindet sich ein großer grüner Seesack, auf den ihr Name gedruckt ist. Auf dem Schreibtisch befindet sich ein Holokubus, aus dem heraus ein älterer Mann mich anlächelt. Und das war es auch schon.
Ihr Vater, erklärt Maya. Ja, das habe ich sehen können. Er hat dieselben Augen wie Beth. Wie ich.
Während Beth noch immer dieses Bild anstarrt, ziehe ich die Tür sanft hinter mir zu. Es ist alles simuliert. Aber wir haben uns darauf geeignet, so zu tun, als wäre es nicht so. Also halte ich mich dran.
Ach ja. Es ist nicht Beths Shuttle, den wir verwenden werden, sondern Sams letzter Assault-Shuttle. Er hätte eigentlich zehn von ihnen haben müssen, doch dieser hier ist der einzige, den er noch hat.
Jemand hat den Shuttle auf den netten Namen Thors Hammer getauft. Nachdem ich von Maya höre, was der Shuttle alles kann, finde ich den Namen passend. Was Maya noch zu dem Shuttle sagt, lässt mich lächeln.
Sie meint, seine KI wäre ein bisschen langsam. Für Maya ist das ein vernichtendes Urteil.
»Sag mal, Maya«, frage ich, als wir uns auf unsere kleine Reise zurück nach Eltyr vorbereiten. Was im Prinzip daraus besteht, dass ich duschen gehe, mir eine neue Uniform anziehe und Beths Colt durchlade. Und die Vorratskammer des Shuttles auffülle. »Ist es richtig, dass es in der Hegemonie keine Bolter gegeben hat?«
Das ist richtig.
»Ich bin etwas überrascht darüber. Wurde die Technologie tatsächlich erst von Bolt entwickelt?«
Natürlich nicht. Die Technologie hat es schon lange gegeben. Es war nur verboten, diese Technologie anzuwenden. Tatsächlich ist es noch immer verboten. Warum?
Nichts. Nur so eine dumme Idee. Was ist mit dir?
Wie meinst du das?
Wie schwer ist es, dich zu reproduzieren?
Es hat zweiundzwanzig Jahre und achtunddreißig Milliarden Hegemonie-Dollar gebraucht. Die gesamten Ressourcen und die besten Wissenschaftler der Hegemonie. Deswegen galt es ja auch als einer der größten Fehlschläge der terranischen Forschungsgeschichte.
Ich denke wirklich nicht, dass du ein Fehlschlag warst.
Vielleicht Beth und ich nicht. Doch von den anderen hat keiner überlebt.
Es ist eine dumme Idee. Wahrscheinlich ist es unmöglich. So oder so, es wird Jahre brauchen und Ressourcen, über die wir im Moment wirklich nicht verfügen. Aber wer weiß schon, was die Zukunft bringt.
Sag mal, verbirgst du gerade etwas vor mir?
Wie kommst du auf die Idee?
Deine Gedanken rauschen seltsam.
Ach ja? Ist das so? Wirklich? Immer noch?
Nein. Im Moment ist das Rauschen wieder weg.
Ich habe jetzt schon so lange mit Maya zu tun, dass es ehrlich gesagt eine Schande wäre, hätte ich in der Zwischenzeit nicht ein paar Dinge gelernt.
Shixin und ich betreten den Shuttle, Wang Bo und Milosk bleiben zurück. Was mehr als deutlich macht, wie wenige wir sind. Sam alleine könnte tausendsechshundert Personen aufnehmen, die Dona ist auf sechzig Mann Personal ausgelegt. Milosk hat recht. Wir brauchen mehr Leute, und wir brauchen Profis.
Und vor allem solche, auf die wir uns verlassen können. Trotzdem weiß ich, dass ich mir niemals wieder einen Bolter kaufen werde.
Aber es gibt immer einen Weg, Loyalität zu fördern. Eigeninteresse zum Beispiel. Ein gutes Geschäft ist immer gut für beide Parteien.
Beths Projektion sitzt im Pilotensitz von Thor, und egal wie sorgfältig ich schaue, ich kann ohne Mayas Hilfe nicht erkennen, dass sie eine Projektion ist.
Nicht, dass ich die Absicht hätte, wir haben uns alle darauf geeinigt, sie so anzunehmen. Shixin und ich schnallen uns an. Dieses Cockpit ist weitaus geräumiger als das von Beths Shuttle und bietet vier Personen Platz. Thors Hammer ist eine ganz andere Hausnummer als Beths Kommandoshuttle.
Letzterer ist darauf angelegt gewesen, Beth die Unterstützung zu geben, die sie braucht, um zwölfhundert Soldaten im Einsatz zu befehlen.
Thors Hammer ist ein Assault-Shuttle, der dazu gebaut wurde, auch bei heftigem Abwehrfeuer in eine heiße Landungszone einzudringen und dort einhundert Space-Marines zu landen. Dementsprechend ist Thor schwer bewaffnet, schwer gepanzert und fast sechsmal so groß wie Beths Shuttle. Mit fast vierzig Metern Länge und zwölf Metern Breite bei acht Meter Höhe ist er nicht viel kleiner als unsere Dona. Abgesehen davon, dass er keine Sprungkapazitäten besitzt, ist Thor in allen Parametern das bessere Raumschiff. Das sogar auf der Planetenoberfläche landen kann.
Wie Sam und Beths Kommandoshuttle auch ist Thors Hammer ein Prototyp, erklärt mir Maya auf dem Weg zurück nach Karstein. Bevor Beth Sam … sagen wir … ausgeliehen hat, wurden nur zwei dieser Shuttles an Sam ausgeliefert. Mit dem anderen ist der Rest von Sams Besatzung auf Karstein gelandet.
Können wir herausfinden, wo der andere Shuttle gelandet ist?
Wir können es versuchen. Wenn sie sich an das Protokoll gehalten haben, dann ja. Warum?
Die Situation damals war chaotisch. Ich bin ziemlich sicher, dass die Besatzung den Shuttle versteckt hat. Er war der einzige Weg zurück und in Sicherheit. Vielleicht …
Ist das ein neues Hobby, Sax? Shuttles sammeln?
Ich zucke innerlich mit den Achseln. Irgendein Hobby braucht der Mensch.
Wenn es weiter nichts ist
Der Shuttle ist schneller, als ich gedacht habe. Vielleicht liegt es auch an Beth, die das Letzte aus den Triebwerken herausholt, so oder so, es braucht nur knapp drei Tage, bis Karstein das Universum vor unseren Cockpitfenstern ausfüllt.
Auf dem Weg hierher waren Shixin und ich schweigsamer als sonst. Shixin sagt, es liege daran, dass sie schon Abschied von ihrer Familie genommen habe, sie jetzt wiederzusehen sei etwas … unerwartet.
»Was kann ich ihnen erzählen, Sax?«, fragt sie mich, kurz bevor wir in eine Umlaufbahn einschwenken. »Ich … wir sind beinahe gestorben, und ich …«
»Ich überlasse es deiner Diskretion«, sage ich ihr. Immerhin hat sie noch Familie. Familie ist wichtig. »Ich vertraue dir.« Was fast die Wahrheit ist. Aber eben nur fast. Maya ist sich sicher, dass sie es erfahren würde, wenn Shixin zu viel erzählt.
Ich selbst sage auf dem Weg nach Karstein auch nicht viel, ich denke an Roul, an Soren, an meine Eltern, Genzo, daran, dass ich einen Bruder hatte, an den ich mich nicht erinnern kann, und an Kunzak. Der Schlächter von Distrikt Vier ist, so ironisch sich das für mich anfühlt, das Nächste, was ich an Familie noch besitze.
Ich weiß nicht, wie schwierig es für Beth ist. Vielleicht ist es tatsächlich ein Kinderspiel. Jedenfalls verläuft es alles ganz unaufgeregt. Wir schwenken auf eine Umlaufbahn ein, und nach vier Umkreisungen beginnt sie den Landeanflug.
Während wir die Atmosphäre durchbrechen, starre ich auf das weiß leuchtende Plasma vor unseren Cockpitscheiben.
»Ziehen wir nicht gerade eine gigantische leuchtende Spur hinter uns her?«, frage ich. Ich gebe zu, dass mich das lodernde Glühen etwas in Sorge sein lässt. Was ist, wenn die Cockpitscheiben schmelzen?
Die Scheiben sind keine Scheiben. Es ist durchsichtiger Permastahl. Bevor er schmilzt, schmilzt der Rest des Shuttles. Und zurzeit ist er so gut wie undurchsichtig, sonst hätte dir das Plasma schon die Augen weggebrannt.
Wie gut, dass ich Maya habe! Sie kann mir jederzeit Dinge sagen und beibringen, die ich so nicht habe wissen wollen.
Ich kann es mir auch sparen.
»Ja«, antwortet Beth und gähnt. Sie hält eine Hand nachlässig am Steuerknüppel, während sie sich bequemer hinsetzt. Die Vibrationen, nein, es sind eher harte Stöße, die das Shuttle durchrütteln, lassen sie offenbar unberührt.
Und ich habe schon wieder vergessen, dass sie eine Projektion ist. »Wird das nicht Aufmerksamkeit erwecken?«
Sie winkt ab. »Unwahrscheinlich. Vielleicht äußert jemand einen Wunsch, wenn er uns sieht. Das ist Tradition bei Sternschnuppen.«
»Wir sind keine Sternschnuppe.«
»Ja, schon. Du weißt das, ich weiß das, aber weiß das jemand, der uns sieht?« Sie zieht ihre Gurte strammer. Hier patzt die Simulation ein wenig, da ihr Gurtschloss noch immer am Sitz herunterbaumelt. »Vergiss die Radarsysteme. Für die sind wir nicht mehr als ein kopfgroßer Stein. Übrigens, wir sind gleich da.«
Und dann schlagen wir schon auf der Oberfläche eines kleinen Sees etwas außerhalb von Eltyr auf. Bis auf eine aufsteigende Dampfwolke, die recht schnell verfliegt, sollte es keine Anzeichen dafür geben, dass wir dort gelandet sind.
Bis darauf, dass wir am Ufer alles überschwemmt haben.
Beth lacht.
Ich schaue sie fragend an, sie schaltet die Außenscheinwerfer an und weist auf etwas im Wasser vor uns.
Von Algen überwuchert sind mit Mühe die Konturen eines großen Gleiters oder kleinen Shuttles vor uns auf dem Grund des Sees zu erkennen. »Scheint ein beliebter Ort zu sein.«
Es ist schwer, zu schätzen, wie lange das Ding schon dort liegt, es sind bestimmt ein paar Jahrzehnte. Oder Jahrhunderte. Es ist kein Assault-Shuttle. Dafür ist er zu klein. So oder so hat es mit uns nichts zu tun.
Damit Shixin und ich aussteigen können, bringt Beth den Shuttle an die Oberfläche und ans Ufer. Kaum haben wir den Shuttle verlassen, schließt sich das Türschott hinter uns, und der Shuttle taucht wie ein urzeitliches Ungeheuer wieder in die Tiefen des Sees ab.
Das größte Problem ist der Fußmarsch von etwa drei Stunden, bis wir der Zivilisation so nahe sind, dass wir ein Taxi rufen können.
Während wir auf das Taxi warten, wähle ich eine Nummer. Wie üblich geht Kunzak sofort dran.
Einen Moment schaut er verblüfft drein, dann lächelt er. Es kommt mir vor, als wäre er erleichtert, als er an mir vorbei den Hintergrund mustert. »Nun«, meint er, »das ist mal eine freudige Überraschung!« Er schaut auf etwas außerhalb des Bildes. »Bestelle das Taxi wieder ab. Ich schicke dir einen Wagen.«
Das sind nicht mehr als 3.42 Sekunden gewesen, um deine Position zu orten und herauszufinden, dass du ein Taxi gerufen hast. Nicht schlecht.
Warum bin ich nicht überrascht? Es sind genau diese Dinge, mit denen Kunzak mich immer wieder einschüchtert. Ich habe das Gefühl, dass diesem Mann wirklich nichts entgeht. Ich unterdrücke einen Seufzer und sage Shixin, dass sie das Taxi wieder abbestellen soll.
Dann warten wir. Allerdings nicht lange. Knapp acht Minuten später hält eine gepanzerte Limousine vor uns, und Sergeant Ellen Komir lächelt uns an. »So ein Zufall, euch hier zu treffen! Kann ich euch irgendwohin bringen? Eure Geister, meine ich. Habt ihr vergessen, dass ihr offiziell tot seid?«
»Libram hat das nicht geglaubt«, meine ich etwas zerknirscht. »Warum sich jetzt die Mühe machen?«
»Das ist so nicht ganz richtig«, widerspricht Komir. »Libram hat vermutet, dass ihr noch am Leben seid, ist sich aber nicht sicher und kann sich auch nicht sicher sein. Sie haben tagelang alles auf den Kopf gestellt, aber nichts gefunden. Abgesehen davon, ist es professionelle Etikette. Die Finanzaufsicht hat sich an ihren Teil der Abmachung gehalten. Es gehört sich einfach, dass ihr es dann auch tut. Zieht euch um, ich habe alles, was ihr braucht, hinten im Kofferraum.«
Ich fühle mich etwas gescholten. Zu Recht. Milosk hat schon recht. Wir sind die Amateure in diesem Spiel. Dass wir es dennoch so weit geschafft haben, ist wirklich ein Wunder.
Als Komir mich von der Limousine zu Kunzaks Inner Sanctum bringt, trage ich eine Uniform der Sicherheit, die mir so gut passt, als wäre sie mir auf den Leib geschnitten, und eine Perücke mit leuchtend neongrünem Haar.
Ich habe wegen des Haars protestiert.
»Ist das nicht zu auffällig?« Ich weise mit dem Finger auf mein Haar.
»Es ist eigentlich egal, was Libram und andere sich denken«, erklärt Komir. »Solange sie nicht auf die Idee kommen, dass du es bist. Und mit diesem Mopp erkennt dich deine eigene Mutter nicht. Abgesehen davon, macht es das nachher einfacher, wenn jemand mit dieser Perücke unsere eventuellen Verfolger auf eine falsche Fährte lockt.«
Es sind nicht mehr als fünfzehn Meter von der Limousine zur Tür. Niemand schaut in meine Richtung, und als ich Komir tiefer in das Gebäude folge, treffen wir auch niemand anders an. Eine Menge Aufwand für fünfzehn Meter. Dabei ist es nicht einmal gesagt, dass wir beobachtet werden.
Machst du Witze?, fragt Maya erheitert. Ich möchte wetten, die anderen Geheimdienste haben alle eine Person abgestellt, die nichts anderes zu tun hat, als den Eingang hier zu überwachen.
Dann stehe ich vor Kunzak, während Komir hinter mir die Tür schließt. Kunzak mustert mich von oben bis unten.
Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Hi!«
»Okay«, sagt er und weist mit seiner linken Hand auf den Stuhl vor seinem Tisch. »Setz dich. Ich gebe zu, dass ich nicht damit gerechnet habe, dich so schnell wiederzusehen. Also was brauchst du?«
Ich setze mich und benutze mein strahlendstes Lächeln. »Kann ich Sie nicht einfach so besuchen kommen, Direktor?« Ich lege eine Packung Kaffee auf den Tisch. Dieser Kaffee stammt nicht aus dem Shuttle, den aus dem Shuttle haben wir mittlerweile restlos verbraucht. Ich bin wirklich froh, dass Sam uns gefunden hat. In seinem Lager befinden sich insgesamt noch dreihunderteinundfünfzig Packungen Kaffee. Man darf nicht vergessen, ursprünglich war für Sam eine über tausendsechshundert Mann starke Besatzung vorgesehen. Da sind dreihunderteinundfünfzig Packungen nicht viel.
Ich weiß nicht, was die Zukunft bringt. Aber eines weiß ich: Ich werde niemanden an diesen Kaffee lassen. Unter Umständen ist es der letzte gute Kaffee im ganzen fucking Universum!
Kunzak mustert kurz die Packung und danach mich, um dann den Kopf zu schütteln. »Nein. Ausgeschlossen.« Er wiegt die Packung in der Hand, grinst breit und hält sie hoch. Komir taucht wie ein Geist auf und nimmt mit unbewegtem Gesicht den Kaffee entgegen. »Jetzt bin ich mir nur noch umso sicherer.« Sein Lächeln schwindet. »Ich bin froh, dich zu sehen. Wir haben deinen Kurs verfolgt … und dann gab es später eine Explosion. Bis du dich gemeldet hast, dachte ich … willst du mir erzählen, was geschehen ist?«
Milosk hat unbestreitbar recht. Kunzak ist dir wohlgesonnen. Ich würde vermuten, dass du die Einzige bist, die er so höflich fragt.
Also erzähle ich ihm von der Hetzjagd mit der HSS Grant, aber im Moment noch nichts von Sam. Ich meine, ich vertraue ihm, aber man soll Menschen nicht in Versuchung bringen. Er wird es früh genug erfahren. Wenn er meiner Idee zustimmt, lässt sich das nicht vermeiden. Aber dann bin ich hoffentlich außerhalb seiner Reichweite.
»Habt ihr irgendetwas von diesem Schiff bergen können?«, fragt er.
Ich schüttle den Kopf. »Nein. Die Trümmerstücke haben sich zu schnell von uns entfernt.«
»Hhm«, sagt er. »Ihr habt Glück gehabt, dass dieser Kreuzer in einem so schlechten Zustand gewesen ist. Normalerweise wäre es unmöglich gewesen, ein solches Schiff mit euren Bordwaffen abzuschießen.« Sein Blick sagt mir, dass er nicht viel von dieser Märchenstunde hält, es mir aber für den Moment durchgehen lässt.
Ich zucke mit den Schultern und tue harmlos. »Manchmal braucht man eben Glück.«
»In Ordnung«, sagt er dann und nickt dankend, als Komir in den Raum kommt. Sie stellt ihm, mir und sich selbst eine Tasse mit frisch gebrühtem Kaffee hin und setzt sich dann neben ihn. Mittlerweile weiß ich, dass sie sein Bolter ist, also bin ich davon nicht überrascht. Er nimmt einen Schluck, wir alle tun das, dann spricht er weiter. »Also, was brauchst du von mir?«
»Neue Ausweispapiere. Und … können Sie mir vertrauenswürdiges Personal leihen?«
Er zieht eine Augenbraue hoch. Diesmal habe ich ihn wirklich überrascht. Er tauscht einen Blick mit Komir.
»Das kommt darauf an«, sagt er anschließend langsam und faltet seine Hände mit den Fingerspitzen zu einem Dach. »Wie viele brauchst du? Und für wie lange?«
»Für fünf Jahre Minimum. Und einhundertfünfzig sollten für den Anfang reichen.«
»Ah ja. Wenn es weiter nichts ist.« Seine Augen mustern mich durchdringend. »Erklärst du mir auch, warum ich das tun sollte?«
Ich schenke ihm ein Lächeln. Genauer gesagt, blecke ich die Zähne. »Gut, dass Sie gefragt haben. Ich habe da an Folgendes gedacht …«
Ich rede mit Händen und Füßen.
Anfangs ist er überrascht.
Dann zweifelt er.
Später, nachdem mein Mund schon ganz trocken ist, stimmt er dann zu. Und erklärt mir, dass er die Idee schon im ersten Moment gutgeheißen hat. Auf meinen empörten Blick hin lacht er und winkt ab. »Ich wollte erst alle deine Argumente hören.«
Okay. Kann ich ihm nicht verübeln. Solange er das Angebot dann letztlich annimmt.
Was er ja getan hat.
Ich wäre auch verwundert gewesen, wenn Direktor Kunzak den Köder, den ich ihm hingeworfen habe, nicht geschluckt hätte.
Jetzt kommt der harte Teil. Die Verhandlung.
Er weiß, was er bekommt, jetzt geht es darum, was er bereit ist, dafür zu geben.
Genzo sagte immer, nichts geht über beiderseitige Interessen. Scheint so, als hätte er damit recht.