Die Rückführung - Rainer Keip - E-Book

Die Rückführung E-Book

Rainer Keip

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Beschreibung

Diana Lenz ist eine Agentin des Militärischen Abwehrdienstes. Während einer routinemäßigen psychologischen Sitzung wird ihr Geist weit in die Vergangenheit geschleudert. Sie erwacht in der Nähe eines Dorfes und erfährt, dass sie sich in der Herrschaftszeit Konstantin des Großen befindet. Schon bald wird sie in die Intrigen am Hof des Kaisers verwickelt und gerät zwischen die Fronten eines erbarmungslosen Krieges.

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Seitenzahl: 396

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Rainer Keip, der Autor dieses Buches, Jahrgang 1957, lebt in Düsseldorf und dies ist sein erstes Werk.

Aus seinem Interesse an der römischen Geschichte, insbesondere der Periode der späten Kaiserzeit und Regentschaft Konstantin des Großen entstand der Gedanke, diese Buch zu schreiben.

Neben den historischen Ereignissen aus dieser Zeit verknüpft der Autor Elemente aus dem Übernatürlichen zu einem Abenteuer, das die Protagonistin des Buches, Diana Lenz, eine Agentin des MAD, im Rahmen einer Rückführung erlebt und am Feldzug Konstantins gegen seinen Mitkaiser Maxentius teilnehmen lässt.

Aber ist es tatsächlich die Realität oder aber nur ein gigantisches Traumbild, das sie während ihrer Bewusstlosigkeit erfährt? Getrieben von diesem Gedanken gerät sie in die Intrigen des Kaiserhofes und zwischen die Fronten eines erbarmungslosen Krieges, der ihr schon bald all ihre Fähigkeiten abverlangt.

„In diesem Zeichen wirst du siegen!“

Für Kasia & Jeannette

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 2

Kapitel 3

Expergici

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Trevororum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Profectionem

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Completionem

Kapitel 1

Kapitel 2

Phönix

Kapitel 1

Kapitel 2

PROLOG

Afghanistan, Provinz Blach, Gegenwart

Aufgeregt klingende arabische Wortfetzen drangen an Dianas Ohr. Offensichtlich hatte man die Leiche des Kommandanten der Taliban, Amir Bakhtari entdeckt, den Diana kurz zuvor mit zwei Kopfschüssen getötet hatte.

Hinter ihr kauerten sich zwei völlig verstörte Frauen in eine Ecke und drückten sich an die Wand der Höhle.

Ihre Heckler & Koch im Anschlag schaute sie vorsichtig um die Ecke und sah zwei, mit Sturmgewehren bewaffnete Mudschaheddin in ihre Richtung kommen.

„Keinen Ton!“, sagte sie leise zu den beiden verängstigten Frauen, deren Panik in ihren Augen nicht zu übersehen war. Geräuschlos legte sie die leichte Maschinenpistole zur Seite und zog ein Messer mit einer langen Klinge, welches in einem Futteral an ihrem Gürtel steckte. Diana nahm einen kleinen Spiegel und beobachtete, wie sich die beiden Kämpfer ihrer Position näherten. Als die Taliban sie fast erreicht hatten, schnellte sie hoch und stieß einem der Männer ihr Messer tief in den Hals. Der zweite schaute sie überrascht an und brachte sein Gewehr in Anschlag aber Diana war schneller und durchtrennte ihm mit einem tiefen Schnitt die Kehle. Röchelnd brach der Talibankämpfer zusammen und Diana zog ihre Leichen in den Seitengang.

„Vorwärts, wir müssen von hier verschwinden“, raunte sie den beiden Frauen zu, die mit entsetztem Gesichtsausdruck stocksteif dasaßen und sich nicht rührten.

Diana verpasste jeder von beiden eine leichte Ohrfeige und sie erwachten aus ihrer Starre.

„Ich habe keine Lust, dass ihr beide mir meine Mission versaut“, sprach sie sie mit scharfem Ton an und setzte sich in Bewegung. Die Frauen waren aus ihrer Lethargie erwacht und folgten Diana auf dem Fuße.

Viola Steffen und Nadia Förster waren Angehörige einer internationalen Organisation von Ärzten, die sich in Krisengebieten um die Opfer der Kriegshandlungen kümmerten.

Als sie zusammen mit einem Afghanischen Führer und zwei bewaffneten Begleitpersonen von Masar i Scharif nach Aybak unterwegs gewesen waren, wurden sie von einer Gruppe Taliban überfallen. Mit ihren Begleitern hatten die Mudschaheddin kurzen Prozess gemacht und die beiden Frauen waren von den Taliban verschleppt worden. Die deutsche Kommandantur in Masar i Scharif befand sich in einem Dilemma. Zwar war die Bundeswehr dort stationiert, durfte aber selbstständig keinerlei Aktivitäten ausüben, die über ihre direkte Selbstverteidigung hinausgingen obwohl der Kommandant der Truppe, Oberst Görlitz, über den genauen Standort informiert war, wo sich die beiden entführten Frauen aufhielten. Diese Information hatte er von einem Mittelsmann erhalten, den die Regierung in Kabul bei den Taliban eingeschleust hatte. Er gab diese Information an den, für die Auslandseinsätze der Bundeswehr zuständigen MAD, dem Militärischen Abwehrdienst weiter, und als er drei Tage später seine Kommandantur betrat bemerkte er eine ihm unbekannte Frau in seinem Vorzimmer, die ihn freundlich anlächelte.

„Oberst Görlitz wie ich annehme?“

„Ja. Und sie sind?“, fragte er zurück.

„Mein Name spielt zunächst keine Rolle“, entgegnete sie und warf einen kurzen Blick auf seine Sekretärin, welche die Frau über ihren Brillenrand neugierig musterte.

„Wir wollen nicht gestört werden“, sagte die Unbekannte in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete und ging an dem verblüfft dreinschauenden Oberst vorbei in dessen Amtszimmer. Sofort eilte Görlitz hinter ihr her und wollte sie zur Rede stellen.

Doch sie bedeutete ihm lediglich, dass er die Türe schließen sollte.

„Mein Name ist Diana Lenz und ich soll ihnen bei der Beseitigung eines Problems behilflich sein“, sagte sie in ruhigem Ton und reichte Görlitz ihren Ausweis über den Tisch.

Er sah ihn sich an und machte ein verblüfftes Gesicht.

„Sie sind für den MAD tätig? Und bei welchem Problem wollen sie mir helfen?“

„Sie vermissen zwei Ärztinnen, die von den Mudschaheddin entführt worden sind, wenn ich recht unterrichtet wurde.“

„Und man schickt mir eine, verzeihen sie, Frau, die das Problem lösen soll?“

Görlitz betrachtete Diana nun genauer. Er schätzte ihr Alter auf Mitte vierzig. Sie war recht groß, gertenschlank und besaß blondes, kurzes Haar. Aus ihren hellen, fast wasserblauen Augen schaute sie Görlitz offen, fast sezierend an. Die Frau nahm ihren Ausweis wieder an sich und steckte ihn zurück in ihre Tasche.

„Ich benötige von ihnen alle Informationen über den genauen Aufenthaltsort der Vermissten und, wenn es möglich ist, einen genauen Lageplan. Ich nehme an, dass ihr Kontaktmann ihnen diesen besorgt hat?“, fuhr Diana ungerührt fort.

„Ja. Wir wissen genau wo sich die beiden Ärztinnen befinden, aber uns sind für ihre Befreiung die Hände gebunden.“

„Dafür bin ich ja hier“, lächelte sie.

„Wie groß ist ihr Team?“

„Welches Team? Ich arbeite immer alleine“, erklärte sie mit einem süffisanten Grinsen.

„Sie wollen alleine....?“

„Das lassen sie mal meine Sorge sein. Alles was ich von ihnen verlange ist, dass sie mich dort einschleusen und da sie ja über einen Kontaktmann verfügen, dürfte sich dieser Umstand als nicht allzu schwierig gestalten.“

„Aber als Frau haben sie keine Chance dorthin zu gelangen“, wandte Görlitz ein.

„Auch das ist kein Problem. Beschaffen sie mir den Kontakt und alles Weitere überlassen sie bitte mir.“

Diana schaute in den Spiegel und war über das Ergebnis zufrieden. Ihre blauen Augen hatte sie mit ein paar dunkelbraunen Kontaktlinsen kaschiert und ihr blickte ein jugendlich aussehender Araber entgegen, welcher keinerlei weibliche Züge aufwies. In einer halben Stunde sollte sie ihren Kontaktmann treffen, der sie mit einer Gruppe von Kämpfern in das Zielgebiet bringen sollte. Sie hatte lediglich telefonischen Kontakt zu ihm aufgenommen und ein Codewort vereinbart.

Diana überprüfte ein letztes mal ihre HK MP5SD in der Kurzversion und rüstete sich zusätzlich zu ihrer Glock 17 mit einem KA Bar Kampfmesser aus, welches sie direkt an ihrem Körper trug. Dann verließ sie ihre Unterkunft in der Altstadt von Masar i Sharif, um sich mit ihrem Kontaktmann zu treffen.

Er hatte mit ihr vereinbart, dass er einen schwarzen Fleck an der rechten Seite in Hüfthöhe seiner Galabija trug und so machte sie ihn rasch ausfindig. Sie raunte ihm im vorbeigehen das Codewort zu und bemerkte seinen überraschten Gesichtsausdruck.

„Ich wusste nicht, dass ich die Verantwortung für ein halbes Kind tragen würde“, flüsterte er mit geringschätziger Miene Diana zu.

„Und ich mag es nicht, wenn man meine Kompetenz unterschätzt“, raunte sie in fließenden Arabisch zurück.

„Und das, was sie an ihrer Hüfte spüren, ist nicht etwa eine Nadel, sondern die Spitze meines Messers.

Unterschätzen sie nie jemanden nur aufgrund seines Äußeren. Das könnte tödlich sein“, lächelte sie den Araber nun an.

Nach einer Weile bestiegen die beiden einen Toyota Pick Up und fuhren, zusammen mit einigen weiteren Personen, auf einer staubigen Piste in Richtung Aybak.

2.

Etwa zwanzig Kilometer vor Aybak verließ der Pick Up die Schotterpiste und fuhr auf einem unbefestigten Weg in die Richtung eines Höhenzuges, der zirka fünf Kilometer vor ihnen aufragte. Keine Menschenseele war zu sehen doch Diana war sich darüber im Klaren, dass jede Bewegung im Gelände von unsichtbaren Augen wahrgenommen wurde. Der Jeep verschwand in einem Gewirr von Felsschluchten und plötzlich tauchten vor ihnen ein paar bewaffnete Kämpfer der Taliban auf, die den Fahrer dazu veranlassten, sein Gefährt zu stoppen.

„Neue Kämpfer wie ich sehe“, sagte ein Mann, der sich mit der Waffe im Anschlag der Pritsche des Geländewagens näherte.

„Frisch aus Masar“, rief Dianas Begleiter und winkte dem Mann zu.

Dieser lachte und ließ den SUV passieren. Nach einem weiteren Kilometer erblickte sie den Eingang einer großen Höhle, vor dem sich zwei Wachen postiert hatten.

„Ab hier sind sie auf sich alleine gestellt. Die beiden Frauen befinden sich im Privatquartier von Amir Bakhtari, dem Kommandanten dieser Taliban Einheit“, flüsterte ihr Begleiter.

Sie nickte ihm kurz zu und sprang von der Pritsche des Fahrzeuges. Zusammen mit den anderen Männern betrat sie das ausgedehnte Höhlensystem, das den Widerstandskämpfern Schutz und Unterschlupf bot.

In einem geeigneten Moment entfernte sie sich unauffällig von der Gruppe der Neuankömmlinge und bewegte sich tiefer in das Labyrinth hinein. Von ihrem Informanten hatte sie erfahren, dass sich momentan nicht viele Kämpfer hier aufhielten. Die meisten waren mit ein paar Kommandounternehmen unterwegs und es gab nur wenige Wachen. Als sie sich dem Quartier des Kommandanten näherte, sah sie zwei Männer, die mit Sturmgewehren bewaffnet vor der Türe auf Posten standen. Sie zog ihr Halstuch weit nach oben, so dass ihr Gesicht von der Nase abwärts bedeckt war und näherte sich langsamen Schrittes den beiden Wachen.

„Sind die beiden Khuffar Frauen bei Bakhtari?“,fragte sie einen der beiden Wachen.

Die beiden Männer waren sich ihrer Lage so sicher, dass ihnen die fremde Person gar nicht weiter auffiel. Der von Diana angesprochene Afghane grinste sie an.

„Ja, er zeigt ihnen gerade was ein echter afghanischer Schwanz ist“, erwiderte er und quittierte seinen Spruch zusammen mit seinem Kameraden mit lautem Gelächter.

„Mehr wollte ich nicht wissen“, murmelte Diana und zog mit fließender Bewegung ihre schallgedämpfte Glock. Die beiden Männer schauten sie mit entsetzten Augen an und im nächsten Moment hatten beide ein Loch in ihrer Nasenwurzel. Dumpf fielen ihre Körper zu Boden und Diana betätigte leise die Türklinke. Als sie die Türe halb geöffnet hatte, hörte sie ein leises Wimmern, das aus dem Inneren des Raumes kam.

Vorsichtig öffnete sie die Türe und sah eine männliche Person, die auf einer nackten Frau lag, von der sie das Wimmern vernommen hatte. Auf einer zweiten Pritsche lag ebenfalls eine unbekleidete Frau, die teilnahmslos und mit leeren Augen zu ihr herüberschaute. Mit zwei schnellen Schritten näherte sich Diana dem vor Lust stöhnenden Mann und jagte ihm ihr Messer in den Nacken.

„Keine Fragen! Ich bringe sie hier heraus und in Sicherheit“, sprach sie die beiden Frauen nun auf Deutsch an, die völlig konsterniert auf den Leichnam ihres Peinigers starrten.

Diana warf den beiden einen Umhang zu, den sie hektisch über ihren nackten Körper warfen und hastig schlüpften sie in ein paar Sandalen. Zusammen mit den Geiseln verließ Diana die Kommandozentrale, wobei sie genau wusste, dass sie den Mudschaheddin noch nicht entkommen war.

Die beiden Ärztinnen folgten Diana auf dem Fuße.

Mittlerweile hatten die beiden ihren Überlebenswillen zurückerhalten und sie schlichen zusammen durch die Gänge der unterirdischen Höhle.

„Wer sind sie?“, fragte eine der beiden Diana schüchtern.

„Derjenige der sie hier herausschafft und in Sicherheit bringt. Aber das schwerste Stück steht uns noch bevor.

Das ist der Teil, um von hier weg zu kommen. Machen sie sich auf einen längeren Fußmarsch gefasst.“

Dianas Informant hatte recht behalten und die kleine Gruppe traf auf keinerlei Wachen mehr. Anscheinend rechnet niemand damit, dass es jemand wagen würde, eines der Hauptquartiere der örtlichen Taliban zu infiltrieren und schon gar nicht einen Befreiungsversuch zu starten.

Als sie um eine Biegung kamen, sah Diana von weitem den Eingang des Höhlensystems. Dort standen immer noch, wie bei ihrer Ankunft, die beiden Wachen und richteten ihre Blicke zu ihrem Glück in die andere Richtung. Diana schlich mit den beiden Frauen weiter und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, dass sie sich in eine Nische der Wand kauern sollten. Sie zog ihr Messer und schlich sich geräuschlos von hinten an die beiden Posten an. Blitzschnell rammte sie einem der beiden ihr Messer in seinen Rücken und mit einer fließenden Bewegung durchschnitt sie dem anderen die Kehle. Hinter sich hörte sie einen leichten Aufschrei und sofort lief Diana zu den beiden Ärztinnen zurück, die sie mit entsetztem Blick anstarrten.

„Ich konnte sie leider nicht höflich bitten uns den Weg frei zu machen“, sagte sie mit leicht ironischem Unterton und forderte die beiden auf ihr zu folgen.

Diana hatte sich vor ihrem Einsatz das Gelände genau eingeprägt. Ihr Ziel war die Straße nach Aybak, die ungefähr fünf Kilometer Luftlinie entfernt war. Unter Berücksichtigung des unwegsamen Geländes schätzte sie, dass sie für den Fußmarsch mindestens zwei Stunden benötigten. Zudem musste sie davon ausgehen, dass das Verschwinden der beiden Frauen nicht unbemerkt bleiben würde und daher nahm sie sofort nach Verlassen der Höhle Kontakt mit Görlitz auf.

„Die Zielpersonen sind in Sicherheit; vorerst. Aber ich brauche Luftunterstützung, da wir damit rechnen müssen verfolgt zu werden.“

„Ich schicke ihnen eine bewaffnete Drohne. Ihre GPS Koordinaten habe ich ja. Halten sie durch. Und viel Glück“, meldete sich Görlitz aus Masar.

So rasch wie sie nur konnten rannten die Drei durch das unwegsame Gelände, wobei Diana darauf achtete, dass sie jederzeit Deckung hatten. Das kostete zwar Zeit, war aber für ihre Sicherheit vonnöten. Schon bald hörten sie das aufgeregte Schreien einiger Männerstimmen. Ihre Flucht war bemerkt worden und die Drei liefen um ihr Leben.

Derartige Missionen stellten immer ein gewisses Risiko dar. Wäre Diana alleine unterwegs gewesen, hätte sie wenig Probleme gehabt, sich von ihren Verfolgern abzusetzen. Aber hier hatte sie die Verantwortung für zwei Geiseln zu tragen, die sich zwar alle Mühe gaben mit ihr Schritt zu halten, jedoch durch ihren zwangsweisen Aufenthalt derart geschwächt waren, dass Diana sich ihrem Rhythmus anpassen musste. Die ersten Kugeln, abgefeuert aus den Sturmgewehren der Rebellen, flogen ihnen um die Ohren und Dianas Blick ging sehnsüchtig gen Himmel, wo sie das Auftauchen der Drohne erwartete, die Görlitz ihr avisiert hatte. Die Verfolger kamen ihnen immer näher und die Flüchtenden verbargen sich hinter einem großen Felsen.

„Ich werde versuchen, sie auf Distanz zu halten“, raunte sie ihren Schützlingen zu, die sich in die äußerste Ecke des Felsens drückten.

Mit dem kleinen Spiegel schaute sie um die Ecke und erkannte drei Mudschaheddin, die in ihre Richtung stürmten. Als sie auf Schussweite herangekommen waren, feuert Diana eine Salve aus ihrer HK in ihre Richtung und erwischte zwei der Angreifer mitten in die Brust, während der Dritte sich in Deckung warf.

„Wo bleibt die verdammte Drohne?“, dachte Diana, als sie ein leises Summen hörte, das sich ihrem Standort näherte. Diana warf einen Blick nach oben und es knackte in ihrem Ohrlautsprecher.

„Wir haben drei ihrer Verfolger im Visier. Insgesamt sehen wir von hier aus acht Männer, die ihnen gefolgt sind“, drang Görlitz Stimme an ihr Ohr.

„Dann habe ich ja nur noch fünf Mann zu erledigen“, folgte ihre Antwort in sarkastischem Ton.

„Die sind weiter zurück. Versuchen sie sich zur Straße durchzuschlagen. Dort erwartet sie ein gepanzerter „Fuchs“, der sie und die beiden Geiseln aufnehmen wird.“

Im selben Augenblick feuerte die MQ-1 Predator Drohne eine Hellfire Rakete ab, die fünfzig Meter von Dianas Standort einschlug und das Gebiet in ein Inferno verwandelte.

„Das zum Thema, die Bundeswehr hat nur Aufklärungsdrohnen in ihrer Ausrüstung“, nuschelte sie in das Mikro.

„Sie wurde uns leihweise von unseren amerikanischen Freunden zur Verfügung gestellt“, hörte sie Görlitz Stimme und konnte sein Grinsen am anderen Ende der Leitung förmlich spüren.

„Wir sind unterwegs“, gab sie zurück und die Drei machten sich weiter auf den Weg. Niemand befand sich nun unmittelbar hinter ihnen und nach einer Stunde strammen Marsches sahen sie in der Ferne ein großes Fahrzeug, das auf der Straße nach Aybak stand und offensichtlich auf sie wartete.

„Wir haben es gleich geschafft“, rief sie den beiden Ärztinnen zu, die am Ende ihrer Kräfte waren. Sie mobilisierten ihre letzten Reserven, da ihre Verfolger sich ihnen auf Schussdistanz genähert hatten und rannten zu dem gepanzerten Fahrzeug. Eine Luke wurde geöffnet und die Drei sprangen ins Innere des Fahrzeuges. Unmittelbar danach hörten sie die Kugeln, die von der Außenhülle des “Fuchses“ abprallten und der Panzerwagen startete sofort durch. Zwei Sanitäter kümmerten sich sofort um die beiden Geiseln während Diana sich von ihrer Maske befreite.

„Ich komme um unter dem ganzen Latex“, stöhnte sie und entfernte die restlichen Fetzen des gummiartigen Gewebes aus ihrem Gesicht. Eine der beiden Frauen schaute mit offenem Mund zu ihr herüber als sie sich demaskierte.

„Sie sind kein Araber. Sie sind eine Frau“, flüsterte sie erstaunt.

„Das kann ich nicht verleugnen“, lächelte Diana ihr zu und setzte sich neben ihr auf die Pritsche. „Es tut mir leid, dass ich ihr Martyrium nicht schon früher habe beenden können“, flüsterte sie ihr leise zu.

Diana bemerkte, wie die Tränen in die Augen der Ärztin schossen.

„Uns ist schon bewusst in welche Gefahr wir uns begeben wenn wir hier vor Ort tätig sind, aber das verdrängt man so gut wie es geht, bis man selbst davon betroffen wird. Aber es ändert nichts an unserer Einstellung und ich denke, dass Nadia derselben Ansicht ist. Hier geschieht soviel Leid und wir werden schon darüber hinwegkommen“, sagte sie leise.

Viola lächelte ihr zu und ergriff Dianas Hand.

„Vielen Dank dafür, dass sie ihr Leben für uns aufs Spiel gesetzt haben.“

„Das ist mein Job, genau wie sie den Ihren haben. Und den führe ich so professionell wie möglich durch, so wie sie ihre Arbeit hier machen. Dafür bewundere ich sie.“

Mittlerweile waren sie in die Außenbezirke von Masar i Sharif angelangt und Diana bedeutete dem Fahrer, dass er sie herauslassen sollte. Sie verabschiedete sich von den beiden Ärztinnen und begab sich in ihr Quartier.

Dort packte sie rasch ihre Sachen zusammen und verließ es nach ein paar Minuten in Richtung des Flughafens, wo eine Transportmaschine der Luftwaffe auf sie wartete.

3.

„Saubere Arbeit, wie immer eigentlich“, lächelte Generalmajor Werner Blankenstein seine Besucherin an, die in einem beigen Chanelkostüm sein Büro betreten hatte.

„Es lief eigentlich einfacher ab als ich mir es vorgestellt hatte. Nur bei unserem Rückzug hatten wir ein paar Probleme“, lächelte Diana zurück, setzte sich in einen schweren Ledersessel und steckte sich eine Davidoff an. Blankenstein war selbst starker Raucher und hier in diesem Büro galten die strengen Vorschriften über das Rauchen in Gebäuden nicht, jedenfalls nicht offiziell.

„Nun gut, im Moment liegt eigentlich nichts mehr an, so dass sie sich ein paar Tage frei nehmen können.

Allerdings steht bei ihnen noch die psychologische Betreuung an.“

Diana verzog ihr Gesicht.

„Muss das sein?“, sagte sie mit einem schiefen Grinsen.

„Zweimal haben sie schon geschwänzt und sie wissen genau, dass darauf großer Wert gelegt wird. Ich habe schon einen Termin mit Dr. Rech für sie vereinbart damit ich auch sicher sein kann, dass sie ihn wahrnehmen“, grinste er sie an.

Diana stöhnte auf.

„Sie lassen aber auch nichts unversucht mir die gute Laune zu verderben“, entgegnete sie scheinbar ärgerlich, aber mit einem Anflug von einem Lächeln auf ihren Lippen. „Wann ist der Termin?“

„Morgen früh um zehn. Aber er wird sich noch mit ihnen in Verbindung setzen.

Dr. Rech hat von einer neuen Methode gesprochen, die er gerne mit ihnen ausprobieren möchte.“

„Als Versuchskaninchen bin ich ja gerade die Richtige“, seufzte Diana „Aber na schön. Wenn ich ihn damit glücklich machen kann.“

Blankenstein ließ sich von ihr noch ein paar Einzelheiten des Einsatzes schildern und nach ihrem Gespräch fuhr Diana in ihre Penthousewohnung im Süden von München.

Als sie ihre großzügig geschnittene Wohnung betrat, deaktivierte sie die Alarmanlage, ging ins Wohnzimmer und goss sich einen Gin Fizz ein.

Ein Blick auf ihren Anrufbeantworter zeigte ihr, dass niemand während ihrer Abwesenheit angerufen hatte.

Wer sollte sie auch schon kontaktieren. Diana Lenz lebte allein, hatte keine engen Freunde und auch keine Verwandten, die ihr besonders nahestanden.

Das Erstere ergab sich aus ihrem Job, den sie nun schon seit fast zwanzig Jahren ausführte und der sie überall auf der Welt hinführte. Den einzigen Verwandten den sie hatte war ihr Bruder Georg, aber auch zu ihm hatte sie schon lange keinen Kontakt mehr gehabt. Er wusste, dass seine Schwester oft in der Weltgeschichte unterwegs war, aber von ihrer eigentlichen Tätigkeit hatte er keinen blassen Schimmer.

Er dachte, dass sie für einen großen Pharmakonzern tätig war, da Dianas Legende darauf aufgebaut war.

Im Alter von achtzehn Jahren hatte sie ein Studium für Modedesign begonnen, welches sie aber bereits nach fünf Semestern abbrach. Danach war sie in den Polizeidienst eingetreten und nach ein paar Jahren praktischer Erfahrung hatte sie die Chance, die man ihr bot genutzt, um zum MAD zu wechseln. Natürlich war sie verpflichtet gewesen, absolutes Stillschweigen darüber zu bewahren und so baute sie die Legende der Pharmareferentin auf, die sie dann später ganz in ihr Leben übernahm. Anfangs im Innendienst beschäftigt glänzte sie durch hervorragende Ergebnisse am Schießstand und nach und nach wechselte sie in den aktiven Auslandsdienst. Selbst ihren Ausbildern jagte sie manches mal einen Schauer über den Rücken, mit welcher Kaltblütigkeit sie ihre Eignungstests erledigte, und im Nahkampf mit dem Messer erwies sie sich als nahezu unschlagbar. Diana war die ideale Besetzung für heikle Aufgaben. Keine Familie, die Existenz ihres Bruders hatte sie schlichtweg einfach unterschlagen, und wenige private Bindungen prädestinierte sie für ihre zukünftige Tätigkeit innerhalb des MAD. Mit der Zeit sprach sie mehrere Sprachen, die ihr bei ihren Einsätzen von Nutzen waren. Neben Englisch und Französisch, die sie fließend beherrschte, sprach sie Arabisch und Chinesisch und leidlich Russisch.

Im Grunde genommen war Diana fast ein klassischer Soziopath, allerdings trennte sie sehr genau das Dienstliche von ihrem Privatleben. Und gleichzeitig besaß sie trotzdem eine Emphatische Ader. Zu ihren Gegnern gnadenlos; jedoch gleichzeitig mit einem ausgeprägten Beschützerinstinkt ausgerüstet und mit einem großen Gerechtigkeitssinn ausgestattet.

Diana legte eine Klassik CD in den Player und genoss auf ihrer Couch liegend die warme Musik von Bedrich Smetanas “Moldau“. Sie war eine Liebhaberin der alten klassischen Werke und wann immer ihr es möglich war, besuchte sie die großen Theater der Welt, um die Aufführung klassischer Stücke zu genießen.

Zufrieden mit sich selbst schaute sie sich in ihrem Wohnzimmer um und betrachtete die antiken Stücke, die sie auf ihren Reisen rund um die Welt erstanden hatte. Sie als übermäßig Vermögend zu bezeichnen wäre übertrieben gewesen aber es reichte, um sich einen gewissen Wohlstand zu gönnen.

Ein Grummeln in ihrem Magen erinnerte sie daran, dass sie seit dem Frühstück im Flugzeug nichts mehr gegessen hatte. Sie schnappte sich ihr I Phon, als sie im selben Moment einen Anruf bekam.

„Guten Abend Frau Lenz“, hörte sie die Stimme von Dr. Rech und sie verzog ihren Mundwinkel. „Ich störe sie doch nicht zu dieser Stunde?“

„Guten Abend Doc. Nein, sie stören keineswegs. Sie rufen wegen des morgigen Termins an?“

„Ja. General Blankenstein hat mich darum gebeten sie heute noch zu kontaktieren und er kann sehr eindringlich sein wie sie wissen.“

„So kennen wir ihn“, lachte Diana. „Ich bin also um zehn Uhr bei ihnen. Sie wollen mich also als Versuchskaninchen missbrauchen?“

„Natürlich nicht. Die Methode der Rückführung existiert schon lange und ich habe mir gedacht, dass ich ein paar Spannungen aus ihrem Unterbewusstsein zum Vorschein bringen und lösen kann.“

„Sie sind der Fachmann, Doc. Wenn sie davon überzeugt sind, bitte, ich habe nichts dagegen.“

„Also dann morgen in meiner Praxis um zehn.“

„Ich werde pünktlich sein“, erwiderte Diana und wünschte Dr. Rech eine gute Nacht.

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, bestellte sie sich bei ihrem Stammitaliener ein Kalbsrisotto und eine Flasche Barolo. Dann legte sie sich wieder auf ihre Couch und genoss den Schlussakkord der Symphonie.

Am nächsten Morgen war Diana pünktlich zu ihrem Termin bei Dr. Rech erschienen.

Sie mochte die ruhige und ausgeglichene Art des großgewachsenen Arztes, der sie mit einem spöttischen Lächeln auf den Lippen begrüßte.

„Guten Morgen Frau Lenz. Ich freue mich, dass sie den Weg in meine Praxis gefunden haben“, sagte er.

„Wenn ich ehrlich bin hätte ich mich am liebsten davor gedrückt, aber sie kennen ja Blankenstein“, schmunzelte sie.

„Wie ich ihnen bereits am Telefon gesagt habe, möchte ich gerne mit ihnen eine Rückführung durchführen. Es handelt sich dabei nicht um eine Hypnose sondern mehr um eine Tiefenentspannung des Geistes durch Atemtechnik. Sie werden alles bewusst wahrnehmen und doch werden sich wahrscheinlich einige Schubladen in ihrem Gedächtnis öffnen. Ich verspreche mir davon, dass diese zu ihrer seelischen Entspannung beiträgt.“

„Ich vertraue ihnen voll und ganz, dass wissen sie doch Doc.“

„Dann lassen wir uns gleich beginnen.“

Diana legte sich auf die Liege und lauschte auf Dr.Rechs beruhigende Stimme.

„Bitte versuchen sie sich zu entspannen und über ihr Zwerchfell ihre Atmung zu kontrollieren. Atmen sie ruhig und gleichmäßig aus und wieder ein, aus und wieder ein, aus und wieder ein.“

Diana spürte, wie sich ihr Körper entspannte und befolgte die Anweisungen des Arztes.

„Gehen wir fünf Jahre zurück. Was sehen sie?“

Ein Lächeln umspielte Dianas Lippen.

„Ich liege am Strand von Miami und lasse es mir gutgehen. Herrliches Wetter und die Drinks schmecken prima“, sagte sie mit leiser Stimme.

„Gehen wir wieder fünf Jahre zurück.“

Dianas Gesichtsausdruck wurde ernster.

„Ich bin im Hafenviertel von Schanghai und verberge mich hinter einem Stapel Kisten. Wir beobachten zusammen mit den chinesischen Zollbehörden einen Waffenschmuggel der Triaden. Es kommt zum Gefecht.

Wir überwältigen die Gangmitglieder. Alles ist gut.“

Ihr Gesichtsausdruck entspannte sich etwas.

„Wieder fünf Jahre zurück“, hörte sie Dr. Rechs Stimme.

„Ich bin in einem großen Gebäude, einer Villa. Es ist heiß und ich bewege mich langsam durch die Räume des Hauses. Dort ist ein langer Korridor und meine Zielperson befindet sich im vorletzten Zimmer. Ich bewege mich noch langsamer und halte meine HK im Anschlag. Es ist still, zu still. Eine Tür geht auf und eine Gestalt kommt aus einem der Zimmer. Sie hat mich entdeckt. Ich muss reagieren. Ich werfe ein Messer, das ihn in die Brust trifft. Die Gestalt geht zu Boden; ich schaue in sein Gesicht....es ist noch ein Kind.....mein Gott, was habe ich....“

Dr. Rech sah, wie sich Dianas Körper in konvulsivischen Zuckungen wand und griff hinter sich, um ihr ein Beruhigungsmittel zu verabreichen. Gleichzeitig rief er seine Helferin da er Mühe hatte, die tobende Diana zu fixieren.

„Was ist passiert Herr Doktor?“, fragte ihn Monika, seine Angestellte, in panischem Ton.

„Ich habe so etwas noch nie erlebt“, murmelte er, während Dianas Körper langsam zur Ruhe kam, da das verabreichte Beruhigungsmittel wirkte. Ihr Körper bäumte sich noch einmal auf und fiel dann erschlafft zurück. Dr. Rech legte sein Stethoskop auf ihr Herz und hörte ihre verlangsamten, aber ruhigen Herztöne.

„Wir müssen sie sofort in ein Krankenhaus schaffen.

Bitte verlassen sie den Raum“, wandte er sich an seine Gehilfin. „Ich muss ein vertrauliches Gespräch führen.“

Monika war nicht besonders über das Verhalten ihres Chefs erstaunt. Sie war schon lange Jahre bei ihm beschäftigt und wusste über die speziellen Patienten des Arztes Bescheid.

„General Blankenstein, hier spricht Dr. Rech. Wir haben ein Problem“, meldete er sich bei Dianas Vorgesetztem und schilderte ihm die Lage. Fünf Minuten später erschien ein Krankenwagen der Bundeswehr und Dianas scheinbar lebloser Körper wurde per Helikopter in das Bundeswehrkrankenhaus in Ulm transportiert.

„Können sie mir das erklären, Doc?“, fragte Blankenstein an die Adresse von Dr. Rech, der ziemlich ratlos am Bett von Diana stand und die medizinischen Geräte beobachtete.

„Nicht wirklich. Ausgelöst wurde der Schock wohl durch ihre Erinnerung an ein Ereignis, welches Frau Lenz tief in ihrem Innersten verdrängt hatte.“

Er schilderte Blankenstein von ihrer letzten Erinnerung und der General nickte.

„Ich kann mich an den Einsatz erinnern aber davon, dass sie ein Kind getötet hat, hat mir Diana nie erzählt.

Allerdings war sie nach dem Einsatz ungewöhnlich einsilbig und in sich gekehrt gewesen. Den Grund dafür kennen wir jetzt. Wie lange dauert so ein Zustand an und ist er lebensbedrohlich?“

„Lebensbedrohlich wohl nicht, da es nichts Körperliches ist und wir über ihren Zustand wachen.

Aber wie lange es dauert, dass sie wieder aus dem katatonischen Zustand erwacht kann ich nicht sagen.

Hier heißt es nur abwarten.“

Betroffen schaute Blankenstein noch einmal auf Dianas leblosen Körper, wandte sich ab, und verließ leise den Raum.

Expergici

1.

Diana schlug ihre Augen auf und das Erste was sie wahrnahm, war der kühle Luftzug, der über ihren Körper strich und sie leicht frösteln ließ. Langsam richtete sie sich auf und tat einen tiefen Atemzug. Fast augenblicklich bemerkte sie die ungewohnt reine Luft, die durch ihre Lungen strömte. Sie blickte an sich herunter und stellte fest, dass sie nackt war. Ein weiterer Umstand verwunderte und erschreckte sie zugleich.

Ihr Körper war nicht der einer fünfundvierzigjährigen Frau. Sie schaute auf ihren Busen, der immer noch klein aber nun fester wirkte, so wie der Rest ihres Körpers. Diana ging in die Hocke und schaute sich ihre Umgebung an. Sie befand sich auf einer Wiese, deren Bewuchs hoch genug war um sich darin zu verbergen.

In unmittelbarer Entfernung sah sie einen dichten Wald, der aus lauter Eichen bestand und sie hörte das Gezwitscher der Vögel, welche die Äste der mächtigen Bäume bevölkerten.

“Das muss ein surrealer Traum sein aus dem sie sicher gleich erwachen werde“, dachte sie und blieb erst einmal in ihrer Position. Aber sie wachte nicht auf; im Gegenteil.

Ihre Sinne nahmen die Umwelt, in der sie sich befand, auf. Es herrschte absolute Stille und sie vernahm keinerlei Zivilisationsgeräusche. Die Gerüche die sie wahrnahm waren ihr völlig unbekannt, so rein und klar wie die Luft, die sie mit jedem Atemzug aufsaugte.

Allmählich begann ihr scharfer, analytischer Verstand zu arbeiten.

Was war passiert? Was war mit ihr passiert? Diana nahm eine Yogastellung ein und ihr Geist begann sich zu entspannen. Auf diese Weise konzentriert versuchte sie, die surreale Situation zu analysieren. Ihre Gedanken schweiften zu dem zurück, was sie bewusst als letztes wahrgenommen hatte.

Die Geschehnisse in Venedig hatte sie vollkommen aus ihrem Gewissen verdrängt und anscheinend in die unterste Schublade ihres Unterbewusstseins geschoben.

Durch die Rückführung und die Halbtrance war sie förmlich von den Ereignissen von damals überrollt worden. Irgendetwas war mit ihr geschehen, das sie sich nicht erklären konnte. Zweifellos befand sie sich nicht in der Praxis von Dr. Rech, nein, noch nicht einmal in deren Nähe, wenn sie sich die Umgebung betrachtete in der sie aufgewacht war.

Und warum war sie nackt? Und welche Transformation hatte ihr Körper erfahren?

Sie blickte wieder ungläubig an sich herunter und sah den Körper einer jüngeren Frau. Langsam setzte sie sich in Bewegung und schlich in der Deckung des hohen Grases in die Richtung einer Senke. Nach kurzer Zeit erblickte sie einen Fluss, dessen klares Wasser langsam dahinfloss. Vorsichtig näherte sie sich der Uferböschung und schaute auf die Oberfläche des kristallklaren Wassers, das von der hochstehenden Sonne beschienen wurde und auf dessen Oberfläche sich ihr Antlitz spiegelte. Es traf Diana wie ein Schock als sie ihr Gesicht betrachtete. Sie sah das Gesicht einer etwa dreißigjährigen Frau... ihr Gesicht. Diana wurde schwindelig und sie setzte sich an den Rand des von Gras umsäumten Ufers. Irritiert beugte sie sich vor und erkannte, dass sie keiner Halluzination zum Opfer gefallen war. Plötzlich vernahm sie, nicht weit entfernt, Stimmen. Irgendwo in der Nähe waren Menschen und sie folgte der Unterhaltung, die immer deutlicher zu hören war.

Es waren hohe Frauenstimmen, die zuweilen von einem Kichern unterbrochen wurden. Die Sprache hörte sich fremdartig aber doch irgendwie bekannt an. Allerdings konnte Diana noch kein Wort von dem verstehen, was die Frauen plapperten. Vorsichtig spähte sie aus der Deckung eines Strauches und sah drei junge Frauen, die am Ufer des Flusses auf ein paar Steinen ihre Wäsche walkten und dazu bis zu ihren Waden im klaren Wasser standen. Diana schaute ihnen zu und musterte deren Äußeres.

Ihre Kleidung bestand aus einer Art Tunika, die einfarbig grau, wohl aus grober Wolle, gefertigt war. Ihr Haar trugen die Frauen offen und an keiner von ihnen konnte sie ein Schuhwerk erkennen. Diana schloss aus ihrer Anwesenheit, dass zumindest ein Dorf in der Nähe sein musste. Gleichzeitig wurde ihr schlagartig klar, dass sie sich nicht in ihrer Zeit befand. Niemand trug im 21.Jhd. solche Kleidung und diese Befürchtung hatte sie schon unmittelbar nach ihrem Aufwachen gehabt, als sie die reine Luft eingeatmet und die fehlenden Zivilisationsgeräusche vermisst hatte. Diana wog ihr weiteres Vorgehen ab. Zunächst einmal benötigte sie dringend Kleidung und diese wollte sie sich von den Frauen besorgen. Sie glitt in das kalte Wasser des Flusses und bewegte sich in Richtung der Wäscherinnen. Dann tauchte sie unter, schwamm in deren Richtung und kam unmittelbar vor ihnen an die Wasseroberfläche. Langsam schob sie sich aus dem Wasser und schritt auf die kleine Gruppe zu. Eine der Frauen bemerkte die Bewegung an der Wasseroberfläche, hob den Kopf und ein schriller Schrei entfuhr ihrer Kehle, wobei sie mit ihrem Arm auf Diana zeigte, die nackt aus dem nassen Element schritt. Nun nahmen auch die beiden anderen Frauen ihre Erscheinung wahr und kreischend liefen sie davon.

Trotz ihrer prekären Lage konnte sich Diana ein Schmunzeln nicht verkneifen. Den Frauen musste sie wie eine Wassernymphe vorgekommen sein, die den Fluten des Flusses entstiegen war. Rasch nahm sie eine der frisch gewaschenen Tuniken auf und mit ihrer Beute schwamm sie auf die andere Seite des Flusses.

Dort zog sie sich das Gewand über und verbarg sich in der Uferböschung. Mit Sicherheit würde in Kürze das gegenüberliegende Ufer von Menschen bevölkert sein, welche die seltsame Erscheinung ebenfalls betrachten wollten.

Es dauerte nicht lange und die Frauen kamen mit der Unterstützung einiger Männer zurück, die mit Äxten und Stangen bewaffnet waren und auf die Fluten des Flusses starrten. Diana vernahm aufgeregte Stimmen sowie lautes Rufen und zu ihrer Überraschung konnte sie die Worte relativ gut verstehen. Es war Latein und da sie das große Latinum besaß, war ihr diese Sprache halbwegs geläufig. Jedoch unterschied sich die Aussprache der Wörter erheblich von der, wie sie gelehrt wurde. Latein war eine tote Sprache und niemand in der für sie gültigen Gegenwart wusste, wie man sie richtig artikulierte.

Diana bemerkte, dass die anfänglich aufgeregte Stimmung sich langsam wandelte und hörte vereinzelt ein lautes Lachen, das ein paar der Männer ausstießen.

Um so aufgeregter wurden die drei Frauen, die sich wortstark wehrten. Es hörte sich so an, als ob die Männer sich über sie lustig machten und unter eifrigem Geschnatter der Weiber kehrten sie dem Ort des Geschehens den Rücken und gingen zurück in die Richtung aus der sie gekommen waren. Diana konnte dies nur recht sein und nachdem die Dorfgemeinschaft verschwunden war, kam sie aus ihrer Deckung und schwamm wieder über den Fluss. In der Ferne sah sie die Menschen und folgte ihnen langsam. Das Aufblitzen eines kleinen Gegenstandes, der sich im Sonnenlicht spiegelte, erregte ihre Aufmerksamkeit.

Diana bückte sich und nahm eine kleine Bronzemünze auf, die wohl einer der Dorfbewohner verloren hatte.

Sie blickte auf das Konterfei einer männlichen Person, dessen Kopf mit einer Art Perlenkranz umsäumt war.

Sie las die Umschrift und es wurde ihr fast schwarz vor den Augen. Sie sank auf ihre Knie und schaute ungläubig auf die Schrift.

CONSTANTINUS AUG

Diana schloss die Augen und sie hyperventilierte leicht. Verzweiflung machte sich in ihr breit. Sie war in einer Zeit gestrandet, die so unendlich weit von der Ihren entfernt war wie die Sterne der Milchstraße. Im Grunde genommen befand sie sich auf einem fernen, fremden Planeten. Diana setzte sich in den Lotossitz und meditierte. Allmählich beruhigten sich ihr Geist und ihr Körper und ihr nüchternes Kalkül setzte wieder ein. Sie war es gewohnt, mit außergewöhnlichen Umständen umzugehen während andere Menschen in ihrer Lage Gefahr liefen, den Verstand zu verlieren.

Diana fasste ein nüchternes Fazit:

So Mädchen, du bist also fast zweitausend Jahre in der Vergangenheit gelandet.

Aber das ist nur eine astrale Erscheinung. Dein Körper befindet sich nach wie vor im 21.Jahrhundert. Trotzdem brauchst du einen Plan, um hier zu überleben. Du hast alle Fähigkeiten dazu und bist vielen Menschen hier grenzenlos überlegen. Es wird einen Ausweg geben und du wirst in deine Zeit zurückkehren.

Diana stand auf und sah, dass die Bauern am Horizont verschwunden waren. Unwillkürlich blickte sie auf ihr linkes Handgelenk und musste im gleichen Augenblick darüber schmunzeln. Muss ich mich eben auf den Stand der Sonne verlassen, dachte sie amüsiert. Sie schaute nach oben und schätzte die Zeit auf den frühen Nachmittag.

Du musst etwas zu essen finden, erinnerte sie ihr Magen. Diana ging in die Richtung, in der sie das Dorf vermutete, zu dem die Leute am Fluss gehörten und bald sah sie in der Ferne ein paar Hütten auftauchen.

„Na dann, auf ins Abenteuer“, murmelte sie zu sich selbst und näherte sich den ersten Behausungen.

Es waren einfache, kleine, mit Stroh gedeckte Holzhäuser die, den Ausmaßen nach, höchstens über zwei Räume verfügen konnten. Hühner liefen gackernd über den Weg, der die Hütten miteinander verband.

An einigen Häusern standen die hölzernen Fensterbeschläge offen und sie hörte Stimmen aus den dahinter liegenden Räumen.

Als sie die erste Hütte erreichte schaute der Kopf eines Kindes aus dem Fenster und rief etwas in den Raum hinter ihm. Sofort erschien eine Frau in der Fensterluke, die sie aus der Entfernung misstrauisch musterte. Das Kind wurde zurückgezogen und der Laden wurde hastig geschlossen. Langsam ging Diana weiter und hörte am Ende des Dorfes ein metallisches Hämmern.

Sieh an, eine Schmiede, dachte Diana und folgte dem Klang. Als sie an den anderen Häusern vorbeikam erfuhr sie jedes mal dieselbe Reaktion. Anscheinend waren die Männer auf dem Feld beschäftigt und als sie die letzten Häuser der kleinen Siedlung passiert hatte, sah sie die Schmiede, wo sie einen großen, rothaarigen Mann erblickte, der mit einem Hammer ein Metallstück bearbeitete. Neugierig schaute Diana sich um. Die Schmiede war ziemlich einfach und der Mann entfachte immer wieder die Glut mit einem Blasebalg. Dabei bearbeitete er das Werkstück mit seinem Hammer und tauchte das glühende Metall regelmäßig in einen neben ihm stehenden hölzernen Wasserbottich.

Diana sah im eine Weile zu, bis der Mann auf sie aufmerksam wurde. Er stutzte, musterte sie von oben nach unten und sprach sie an.

„Wer bist du? Ich hab dich hier noch nie gesehen.“

Er sprach, wie sie es erwartet hatte, Latein und Diana kramt ihre lateinischen Sprachkenntnisse zusammen.

„Ich bin auf dem Weg zu meinen Verwandten und schon etliche Tagesreisen unterwegs. Das ist das erste Dorf, das ich seit gestern zu Gesicht bekomme“, radebrechte sie.

„Du sprichst auch nicht wie eine, die von hier kommt.

Kommst du aus Germanien von den Usipetern?“

„Ja“, antwortete sie geistesgegenwärtig, obwohl sie keine Ahnung hatte, wer oder was die Usipeter waren.

Aber es musste sich um einen germanischen Stamm handeln, wie der Schmied gesagt hatte. Ergo musste sie sich im heutigen Deutschland, beziehungsweise in Gallien befinden.

„Ihr Germanen werdet auch noch richtiges Latein lernen“, lachte er und legte den Hammer zur Seite.

Er schritt auf Diana zu und reichte ihr seine schwielige Hand.

„Ich bin Tullius, der Schmied des Dorfes.“

„Hätte ich nicht vermutet“, grinste Diana ihn an und reichte ihm ebenfalls ihre Hand.

„Mein Name ist Diana“, sagte sie und biss sich fast auf die Zunge, da sie nicht wusste, ob ihr Name in dieser Zeit überhaupt geläufig war.

Der Schmied stutzte und stieß ein lautes Lachen aus.

„Du gefällst mir“, grinste er. „Wo hast du dein Bündel?“

„Hat man mir geklaut. Ich habe nur das, was ich am Leib trage.“

„Das ist ja nicht gerade viel“, meinte er, als sein Blick auf ihre bloße Tunika fiel.

„Hast du Hunger?“

„Und wie. Ich habe ja nichts mehr bis auf diese Münze.“

Diana zeigte Tullius die kleine Kupfermünze, welche sie auf der Wiese gefunden hatte.

„Dafür bekommst du noch nicht mal ein Ei“, grinste er.

„Aber wenn du willst, kannst du heute Nacht im Stall schlafen. Und ein Teller Puls haben wir auch für dich.“

Diana bedankte sich bei Tullius für das angebotene Essen, was immer auch “Puls“ war, und für die Übernachtungsmöglichkeit.

„Meine Frau wird sich auch über etwas weibliche Gesellschaft freuen. Hier kommt selten jemand vorbei und wir sind neugierig, was sich so außerhalb des Dorfes tut.“

“Dafür bin ich ja genau die Richtige“, seufzte Diana innerlich, aber andererseits kam sie so an nützliche Informationen heran, die sie dringend benötigte.

Tullius ging wieder zu seiner Schmiede und Diana folgte ihm. Sie sah sich um und entdeckte neben geschmiedeten Arbeitsgeräten auch einige kleine Blankwaffen, die an einer Seite der Schmiede hingen.

„Schneide dich nicht“, sagte Tullius, als sie die Klinge eines Messers mit breitem Blatt wiegend in ihrer Hand hielt.

„Keine Sorge. Mit so etwas kenne ich mich ein bisschen aus“, antwortete sie gedankenverloren. Es war ein Pugio, der Dolch der römischen Legionäre.

„Du stellst auch Waffen her?“

„Natürlich nicht“, grinste Tullius sie an. „Das ist doch streng verboten und kann mich den Kopf kosten.“

„Dann benutzt du den Pugio wohl zum Schneiden von Leder“, sagte Diana mit einem Anfall von Spott in ihrer Stimme.

„Die Zeiten sind alles andere als sicher. Konstantins Legionen sichern zwar so gut es geht die Grenze, aber es kommen immer wieder Barbaren über den Rhenus und plündern die Dörfer. Erst neulich haben sie ein Dorf eine Tagesreise von hier zerstört und die Einwohner massakriert.“

„Deshalb habe ich fast niemanden gesehen, als ich in dein Dorf kam.“

„Aber sie haben dich gesehen, glaube mir. Die Leute haben Angst vor jedem Fremden.“

„Du aber anscheinend nicht.“

Tullius sah sie mitleidig an.

„Wieso sollte ich vor dir Angst haben. Du bist doch nur eine Frau und dazu auch noch ziemlich mager. Was könntest du mir schon anhaben?“

„Der Schein trügt manchmal“, antwortete Diana lauernd.

„Was meinst du damit?“

„Nichts Besonderes. Aber man sollte niemanden nur nach seinem Äußeren beurteilen, dass meinte ich damit.“

„Willst du etwa sagen, dass du mir gewachsen wärst?“

„So in etwa“, sagte Diana beiläufig und schaute lauernd auf den Dolch.

Tullius bemerkte ihren Blick. Er lachte laut auf.

„Dann beweise es. Wenn ich dich zu Boden werfe, hilfst du mir einen Tag in der Schmiede und wenn du es schaffst mich niederzuringen, bekommst du den Dolch, auf den du anscheinend besonders scharf bist.“

Diana hatte Tullius genau da wo sie ihn haben wollte.

„Abgemacht. Ich werde dir zeigen, wozu eine scheinbar wehrlose Frau fähig ist“, grinste sie ihn fast hinterhältig an.

Ihr Wortgeplänkel hatte eine junge blonde Frau angelockt.

„Führt er wieder große Sprüche?“ lächelte sie und trat nun näher. „Ich bin Julia und die Frau dieses großen Kindes hier.“

Ein warmes Lächeln umspielte Tullius Miene und er nahm seine Frau in seine großen Arme.

„Das ist Diana und sie kommt von den Usipetern. Man hat sie bestohlen und ich habe ihr für heute Nacht den Stall angeboten.“

Julia trat zu Diana und reichte ihr die Hand.

„Das sieht ihm ähnlich dir den Stall anzubieten. Natürlich schläfst du im Haus. Ich lasse doch keinen Reisenden im Stall schlafen wo wir doch genug Platz haben.

Aber worüber habt ihr euch gerade unterhalten?“

„Diana meint doch tatsächlich, sie könnte mich zu Boden werfen“, lachte Tullius.

Julia schaute skeptisch zu Diana und auf ihre schlanke Gestalt.

„Da haben sich ja die zwei Richtigen getroffen. Du bist aber keine von den germanischen Kriegerinnen, von denen man erzählt?“

„Sehe ich so aus? Nein, das bin ich nicht, aber ich bin nicht so wehrlos wie ich aussehe.“

„Genug geschwätzt“, sagte Tullius. „Kommen wir zur Sache.“

Er stellte sich Diana gegenüber und ging sofort zum Angriff über. Tullius stürmte auf Diana zu um sie einfach zu Boden zu reißen. Mühelos wich sie dem Angriff aus, packte ihn an seiner Tunika und warf ihn mit einem Schulterwurf zu Boden. Unter dem lauten Gelächter seiner Frau rappelte er sich wieder auf und schaute Diana fassungslos an.

„Wie zum Teufel hast du das gemacht?“, fragte er und schaute sie mit großen Augen an.

„Mit Schnelligkeit und natürlich auch mit viel Übung.“

„Und das lernt man bei den Usipetern?“

„Nein“, lachte Diana. „Das lernt man in einem fernen Land von hier.“

„Kannst du noch mehr solche Sachen?“, fragte er staunend.

„Viel mehr. Ich sagte ja, gehe niemals vom Äußeren eines Menschen aus.“

Tullius Gesicht verzog sich zu einem Grinsen.

„Den Dolch hast du dir verdient“, sagte er und übergab die Waffe an Diana.

„Kommt, lasst uns zu Abend essen“, kam es von Julia, die zu Diana ging und sich bei ihr unterhakte. Die drei gingen zu einer Hütte die sich neben der Schmiede befand und Julia bat Diana einzutreten. Sie musste sich zuerst an das dämmerige Licht im Innern der kleinen Behausung gewöhnen und schaute sich neugierig um.

Die Wände bestanden aus festgestampften Lehm, in dem zwei kleine Fenster eingelassen waren. In einer Ecke des Raumes sah sie ein paar Säcke, die wohl mit Stroh gefüllt waren. Auf dem Boden erkannte sie eine Lage frischer Binsen, die den Teppich ersetzten. Ein Tisch, eine Truhe, zwei primitive Stühle und ein Regal mit ein paar Keramiken vervollständigten das spärliche Mobiliar.

„Du kannst hier in der Ecke schlafen“, sagte Julia und wies auf eine kleine Nische.

Aus der Truhe nahm sie eine grob gewebte Decke und überreichte sie ihr.

„Hinter dem Haus ist eine Wassertonne in der du dich waschen kannst. Komm, lass uns den Puls kochen.“

Sie nahm Diana in den Arm und führte sie nach draußen, wo sie eine kleine Kochstelle erblickte. Etwas misstrauisch schaute Diana auf die breiige Masse, die sich in einem Kupfertopf befand und den Julia zur Feuerstelle brachte, aber was Essen betraf war sie hartgesotten.

„Ich habe sogar noch etwas Ziegenkäse übrig“, zwinkerte sie Diana mit dem Auge zu. Anscheinend stellte für diese Menschen Käse etwas ganz Besonderes dar. Julia entfachte die Feuerstelle und bald darauf brodelte die Speise im Topf. Tullius hatte in der Zwischenzeit den Tisch und die zwei Stühle nach draußen geschafft. Einen weiteren Stuhl hatte er sich bei seinem Nachbarn geborgt, der ihm, zusammen mit seiner Frau, neugierig gefolgt war, um den seltsamen Gast zu beäugen. Julia bat Diana am Tisch Platz zu nehmen und füllte ihren Teller mit der merkwürdigen Mahlzeit. Zusätzlich kam ein Gefäß auf den Tisch, das mit einer rötlichen Soße gefüllt war und fürchterlich roch. Julia hielt es nicht für nötig den Inhalt zu erklären und Diana wusste sofort, was dort auf den Tisch kam.

Es war Garum, dass Standardgewürz der Antike ähnlich der Sojasauce aus ihrer Zeit, dessen Grundkonsistenz aus fermentiertem Fisch bestand und zu jeder Mahlzeit serviert wurde. Sie hatte eine ähnliche Sauce bereits einmal in Vietnam probiert und war daher gewarnt. Das Puls war nichts anderes als ein Getreidegericht und schmeckte im Grunde genommen nach gar nichts, da die Gewürze völlig fehlten. Es musste aber sehr nahrhaft sein. Diana blickte sich um und sah, dass die gesamte Dorfgemeinschaft vor ihren Hütten saß und ihr Abendessen zu sich nahm. Nachdem sie ihr Mahl beendet hatten, kamen alle Dorfbewohner zu Tullius Hütte und jeder hatte eine Sitzgelegenheit bei sich.

„Alle sind neugierig auf dich“, grinste Tullius Diana an.

„Ich glaube, heute ist ein kleines Fest fällig.“

Diana zählte sechsundzwanzig Personen, die sich, nachdem Julia den Tisch wieder abgeräumt hatte, mit ihren Hockern um die Hütte versammelt hatten und bald kreisten die ersten Becher, die mit Met und verdünntem Wein gefüllt waren. Als die Dämmerung hereinbrach wurde ein Feuer entfacht und natürlich war Diana der Mittelpunkt der Gespräche.

„Was ist die nächst größere Stadt in der Umgebung?“,fragte sie Tullius, der neben Julia und ihr saß und reichlich dem Wein frönte.

„Augusta Treverorum“, antwortete er und zeigt mit seinem Arm in südlicher Richtung.

„Ist eine Tagesreise entfernt. Und du willst nach?“