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Pandion und sein Sklave Drestes ziehen durch Griechenland um dem einfachen Volk von Pandions Reise in den Hades zu erzählen. Dabei muss Pandion sich gegen die Bevölkerung stellen und beweisen, dass er kein Lügner ist. Seine Geschichten über die Schlacht, die nach wie vor im Hades tobt, raubt allen den Atem. Er erzählt, wie die Krieger Griechenlands nach wie vor die schöne Helena verteidigen. Der Kampf zwischen Troja und Sparta hat für sie nie geendet. Am Höhepunkt seiner Geschichte wird Pandion von Schaustellern unterbrochen, zu denen seine Ex-Geliebte gehört. Wird es ihm gelingen sie und das Publikum für sich zu gewinnen oder wird seine Geschichte als wahnwitzige Vorstellung abgetan und die Kunst der Schausteller über seine gestellt werden?-
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Seitenzahl: 43
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Heinrich Mann
Saga
Die Rückkehr vom Hades
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1911, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726894202
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
www.sagaegmont.com
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Pandion trat, hinter sich seinen Sklaven Orestes, aus der Weinlaube der Herberge. Die Arme gekreuzt im Obergewand, schritt er die Gasse hinab. Die weissen, kleinen Häuser reihten sich festgeschlossen, ganz kahl, und die schrägen Strahlen zerstäubten rosig darauf. Eine Herme stand vor jedem. Pandion küsste eine, die ein schönes Kind war; und die Kinder, deren nackte Sohlen noch der heisse Pflasterstein wärmte, lachten ihn aus. In der offenen Halle der Schenke, hinter den bauchig vom Boden aufragenden Ölkrügen, schwenkten bekränzte junge Leute die Schalen, dass Wein umherspritzte; sie riefen dem Fremden zu, er möge eintreten. Aber Pandion verneigte sich, die Hand auf der Brust.
„Verzeiht“, sagte er mit seiner geübten, tönenden Stimme. ,,Nicht Wein soll mich berauschen, der ich im Herzen den Rausch so grosser Gesichte bewahre. Denn wie ihr mich seht, kehre ich zurück vom Hades.“
Da sie laut auflachten, lächelte auch er.
„Ich weiss wohl: was ich zu berichten habe, taugt nicht für eure Herrlichkeiten. Drum lade ich euch auch nicht ein, mir vor das Tor zu folgen, wo ich um mich das gemeine Volk sammeln will. Lebt wohl.“
Sie riefen ihm nach:
„Schatten, der du von den Granatkörnern der Unterwelt gegessen hast und ihr dennoch entronnen bist, lass dich vollends zum Leben erwecken mit diesem Syrakuser!“
Bei dem Namen des Weines schien der Sklave Orestes aufzuwachen. Er zog die Zimbeln hervor, schlug sie dröhnend aneinander und rief:
,,Achäer! Eilt herbei, den grossen Pandion zu sehen. Er kommt von den Stätten, wo eure Väter, die Helden, wohnen. Er kommt vom Hades.“
Aber Pandion winkte ihm, zu schweigen und rascher zu folgen, und er sagte:
„Diese Herren, mein Freund, können unmöglich glauben, dass ich vom Hades komme: glauben sie doch an keinen Hades. Wo sollten ihnen Helden, Ungeheuer und Götter wohnen, da sie in ihrer Brust nicht wohnen? Denn sie sind keine zornigen Kämpfer, wie die Helden, beileibe nicht von der Bosheit der Ungeheuer und unvergleichlich feiner als die Götter. Ich will zum gemeinen Volk gehn.“
„Wie du befiehlst, Herr“, sagte Orestes. Da betraten sie das dunkle Gewölbe des Tores.
„Der Wind“, sagte Pandion und bewegte die Hand von Osten nach Süden, „kommt nicht mehr schleichend über die Sümpfe herbei: er braust, und er riecht nach dem Meer. Die Herzen werden freier sein, und gern werden sie mir zuhören.“
Mächtig strahlte, tief dort unten, das grosse Blau durch die Scharen der Ölbäume. Sie krochen knorrig über den Acker, standen gebückt wie arme Bauern und hielten doch so reiche Kronen silbernen Laubes leicht, leicht in den götterhellen Himmel. Männer mit Hacken, Frauen, den Korb auf dem Kopf, stiegen die Erdstufen herauf. Orestes trat ihnen entgegen, er rührte die Zimbeln.
,,Steht, Hellenen!“ rief Pandion selbst. „Denn seltene Runde soll euer Ohr treffen. Ich, Pandion, lebe, und dennoch sah ich den Hades. Diese Füsse, die nun sich in euren Staub abdrücken, sie beschritten noch gestern den ehernen Boden des Tartaros.“
„Was denn,“ sagte einer, der aus der Stadt kam:
„Wie willst du so schnell gereist sein. Hast du doch den Tag verschlafen, in der Herberge des Itys.“
„Mir lieh seine Sandalen Hermes selbst, weil ich der Helena beistand, die von Trojas Mannen noch einmal geraubt war. Denn wisst, Achäer, dass die Kämpfe eurer Väter unsterblich sind. Noch immer verblutet Patroklos, die Schiffe brennen noch immer, und rasend um die Mauern verfolgt den Schatten Hektors Achill, der Schatten. Die Schwerter schmettern in die Leiber, wie Äxte in den Baum. Zu mir! ruft Ajax und wütet. Er ist allein, den Rücken an einer Eiche, und um tausend vermehrt die Feinde ein tückischer Gott. Die Helden wanken, wehe, sie sinken; — aber das Gras, das sie empfängt, belebt sie wieder. Durst brennt sie, nieder knieen sie am Strand des Lethe, sie trinken; — und vergessen sind ihnen ihre Taten, unbekannt ihr Ruhm; noch einmal ist Troja zu erobern, noch einmal heissts weinend sterben. Da entspriessen dem rinnenden Blut der Schatten, auf der Wiese, die ihr Kampf zerwühlte, neue Blumen.“
Pandion breitete, zum Boden geneigt, die Arme aus. Eine blonde Frau sprang zurück und beugte sich rasch über eine Blume im Gras, die funkelte, wie vom Blut der Schatten. Die Hirten in den Ziegenfellen drängten sich enger im Kreis; ihre Augen glänzten rund; und indes hinter ihnen die Böcke sich stiessen, fassten die Männer, rauh aufgurgelnd, die Knittel an, wenn in Pandions Geste ein Held fiel, und sie lachten, nun Achill sie rächte.
Aus dem Stadttor sprang lärmend ein Haufe Buben. Sie glitten durch die Beine der Grossen: plötzlich lauschten sie lautlos. Matronen hielten den Schritt an und setzten die Last hin. Handwerker in braunen Kitteln traten herzu.