Die Rückkehr vom Hades - Heinrich Mann - E-Book

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Heinrich Mann

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Beschreibung

Die Rückkehr vom Hades ist ein spannender Kurzroman von Heinrich Mann. Pandion erzählt in Griechenland seine Geschichte, erzählt vom Hades und dem Krieg der dort tobt. Ein einzigartiges Werk!

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Die Rückkehr vom Hades

Die Rückkehr vom Hades - Kapitel 1Die Rückkehr vom Hades - Kapitel 2Die Rückkehr vom Hades - Kapitel 3AnmerkungenImpressum

Die Rückkehr vom Hades - Kapitel 1

Pandion trat, hinter sich seinen Sklaven Orestes, aus der Weinlaube der Herberge. Die Arme gekreuzt im Obergewand, schritt er die Gasse hinab. Die weißen, kleinen Häuser reihten sich festgeschlossen, ganz kahl, und die schrägen Strahlen zerstäubten rosig darauf. Eine Herme stand vor jedem. Pandion küßte eine, die ein schönes Kind war; und die Kinder, deren nackte Sohlen noch der heiße Pflasterstein wärmte, lachten ihn aus. In der offenen Halle der Schenke, hinter den bauchig vom Boden aufragenden Ölkrügen, schwenkten bekränzte junge Leute die Schalen, daß Wein umherspritzte; sie riefen dem Fremden zu, er möge eintreten. Aber Pandion verneigte sich, die Hand auf der Brust.

»Verzeiht«, sagte er mit seiner geübten, tönenden Stimme. »Nicht Wein soll mich berauschen, der ich im Herzen den Rausch so großer Gesichte bewahre. Denn wie ihr mich seht, kehre ich zurück vom Hades.«

Da sie laut auflachten, lächelte auch er.

»Ich weiß wohl: was ich zu berichten habe, taugt nicht für eure Herrlichkeiten. Drum lade ich euch auch nicht ein, mir vor das Tor zu folgen, wo ich um mich das gemeine Volk sammeln will. Lebt wohl.«

Sie riefen ihm nach:

»Schatten, der du von den Granatkörnern der Unterwelt gegessen hast und ihr dennoch entronnen bist, laß dich vollends zum Leben erwecken mit diesem Syrakuser!«

Bei dem Namen des Weines schien der Sklave Orestes aufzuwachen. Er zog die Zimbeln hervor, schlug sie dröhnend aneinander und rief:

»Achäer! Eilt herbei, den großen Pandion zu sehen. Er kommt von den Stätten, wo eure Väter, die Helden, wohnen. Er kommt vom Hades.«

Aber Pandion winkte ihm, zu schweigen und rascher zu folgen, und er sagte:

»Diese Herren, mein Freund, können unmöglich glauben, daß ich vom Hades komme: glauben sie doch an keinen Hades. Wo sollten ihnen Helden, Ungeheuer und Götter wohnen, da sie in ihrer Brust nicht wohnen? Denn sie sind keine zornigen Kämpfer, wie die Helden, beileibe nicht von der Bosheit der Ungeheuer und unvergleichlich feiner als die Götter. Ich will zum gemeinen Volk gehn.«

»Wie du befiehlst, Herr«, sagte Orestes. Da betraten sie das dunkle Gewölbe des Tores.

»Der Wind«, sagte Pandion und bewegte die Hand von Osten nach Süden, »kommt nicht mehr schleichend über die Sümpfe herbei: er braust, und er riecht nach dem Meer. Die Herzen werden freier sein, und gern werden sie mir zuhören.«

Mächtig strahlte, tief dort unten, das große Blau durch die Scharen der Ölbäume. Sie krochen knorrig über den Acker, standen gebückt wie arme Bauern und hielten doch so reiche Kronen silbernen Laubes leicht in den götterhellen Himmel. Männer mit Hacken, Frauen, den Korb auf dem Kopf, stiegen die Erdstufen herauf. Orestes trat ihnen entgegen, er rührte die Zimbeln.

»Steht, Hellenen!« rief Pandion selbst. »Denn seltene Kunde soll euer Ohr treffen. Ich, Pandion, lebe, und dennoch sah ich den Hades. Diese Füße, die nun sich in eurem Staub abdrücken, sie beschritten noch gestern den ehernen Boden des Tartaros.«

»Was denn«, sagte einer, der aus der Stadt kam: »Wie willst du so schnell gereist sein. Hast du doch den Tag verschlafen, in der Herberge des Itys.«

»Mir lieh seine Sandalen Hermes selbst, weil ich der Helena beistand, die von Trojas Mannen noch einmal geraubt war. Denn wißt, Achäer, daß die Kämpfe eurer Väter unsterblich sind. Noch immer verblutet Patroklos, die Schiffe brennen noch immer, und rasend um die Mauern verfolgt den Schatten Hektors Achill, der Schatten. Die Schwerter schmettern in die Leiber, wie Äxte in den Baum. Zu mir! ruft Ajax und wütet. Er ist allein, den Rücken an einer Eiche, und um tausend vermehrt die Feinde ein tückischer Gott. Die Helden wanken, wehe, sie sinken – aber das Gras, das sie empfängt, belebt sie wieder. Durst brennt sie, niederknien sie am Strand des Lethe, sie trinken – und vergessen sind ihnen ihre Taten, unbekannt ihr Ruhm; noch einmal ist Troja zu erobern, noch einmal heißt's weinend sterben. Da entsprießen dem rinnenden Blut der Schatten, auf der Wiese, die ihr Kampf zerwühlte, neue Blumen.«

Pandion breitete, zum Boden geneigt, die Arme aus. Eine blonde Frau sprang zurück und beugte sich rasch über eine Blume im Gras, die funkelte, wie vom Blut der Schatten. Die Hirten in den Ziegenfellen drängten sich enger im Kreis; ihre Augen glänzten rund; und indes hinter ihnen die Böcke sich stießen, faßten die Männer, rauh aufgurgelnd, die Knittel an, wenn in Pandions Geste ein Held fiel, und sie lachten, nun Achill sie rächte.

Aus dem Stadttor sprang lärmend ein Haufe Buben. Sie glitten durch die Beine der Großen: plötzlich lauschten sie lautlos. Matronen hielten den Schritt an und setzten die Last hin. Handwerker in braunen Kitteln traten herzu.

»Willkommen!« rief Pandion und grüßte sie mit den Handflächen. »Willkommen ihr Griechen, Retter Helenas! Auch euch sah ich, auf den Feldern Elysions eure Züge an manchem Schatten, der wohl Vater oder Bruder war eines unter euch, und der sein teures Blut über die Erde Griechenlands gegossen oder das Leben im mütterlichen Meer gelassen hatte, da beim Ansturm der Feinde unsere Triremen zerbrachen. Glaubt nicht, ihr seiet den Helden unbekannt. Ich war dabei, wie der ehrwürdige Nestor Männern euresgleichen die Wange küßte und sie zum Schmause ins Zelt führte.«

Sie sahen sich an und murmelten beifällig. Aber ein kleiner, schmutziger Alter mit unruhigen Augen wühlte umher, und jetzt stieß er den Arm vor und rief kreischend:

»So sage denn nun, du Herverschlagener, wie du in den Hades gelangtest, in dessen schwarzer Luft doch die Lebenden ersticken. Denn wisse, daß alle mich kennen: Ktesippos, der ich, gleich dem großen Odysseus, den ganzen bewohnten Erdkreis bereist habe.«

Er beschwor, unter fliegenden Grimassen, die Menge mit den Händen.

»Habe ich euch nicht tausendmal, o Mitbürger, mit diesem Stock alle Länder in den Sand gezeichnet? Habe ich euch nicht belehrt? Euch Staunen und Furcht gemacht? Da seht, dies ist das Land der Pferde, wo ich im Joch laufen mußte, und dies das Land der dreibeinigen Riesen, durch das ich unter der Erde gereist bin, so furchtbar sind sie. Hier aber beginnt das Land der Kimmerier, denen man stehlen kann, was man will, denn sie sind blind.«

»Freilich hast du nichts mitgebracht«, sagte jemand; und ein anderer:

»Ktesippos ist sicherlich ein schlauer Mensch, und er ist unser Mitbürger. Woher aber kommt jener?«

Orestes schlug die Zimbeln aufeinander, um alles zu übertönen, aber Pandion gebot ihm Ruhe.

»Laß den Ktesippos reden!« rief er schallend: »Dann hört mich selbst und entscheidet, wer der bessere Mann ist!«

Alle verstummten, und der schmutzige Alte machte Bücklinge ringsherum.