Die Schlacht Bei Agincourt - Johann Baier - E-Book

Die Schlacht Bei Agincourt E-Book

Johann Baier

4,9

Beschreibung

Agincourt der 25. Oktober 1415: Ein kleines, erschöpftes und von Hunger und Ruhr geplagtes englisches Heer steht einer sechsfachen französischen Übermacht gegenüber. Und erringt einen überragenden Sieg. Wie kam es zu dieser Schlacht? Wer waren die Männer, die König Henry V. nach Frankreich führte? Wie konnte es ihnen gelingen, die Blüte des französischen Rittertums, bestens ausgerüstet und hervorragend ausgebildet, vernichtend zu schlagen? Welchen Anteil hatten die Bogenschützen daran, und was berichtet uns Shakespeare darüber? Dieses Buch stellt den Leser zwischen die Männer, die sich in dieser Schlacht gegenüberstanden, lässt ihn miterleben, was sie fühlten und erdulden mussten. Und er erfährt, wie aus den ursprünglich missachteten bäuerlichen Bogenschützen eine hoch angesehene Waffengattung wurde. Hier wird den historischen Fakten Farbe und Leben geben, denn seit Shakespeare ist über diese berühmte Schlacht nicht mehr so lebendig und anschaulich geschrieben worden.

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Die Schlacht bei Agincourt
von Dr. Johann Baier
Mit Illustrationen von Dr. Johann Baier und Volker Alles
Alle Rechte vorbehalten. Ohne vorherige schriftliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus in irgendeiner Form zu reproduzieren oder zu verbreiten.
© 2014 ebook
ISBN: 978-3-938921-35-7
Verlag Angelika Hörnig
Siebenpfeifferstr. 18
D-67071 Ludwigshafen am Rhein
www.bogenschiessen.de
Ich danke meiner Verlegerin Angelika Hörnig und ihrem Team dafür, dass sie dieses Buch haben Wirklichkeit werden lassen.
Vor allem möchte ich mich auch bei meinen Freunden Mag. Walter Hornik, bei Sigrid Schreckentaler und Dieter Senk und bei Bela Kromer bedanken, die meine Manuskripte gelesen, kritisiert und korrigiert haben.
Besonders möchte ich meiner Frau Luise danken, ohne deren Rat und Kritik die Fotos und Zeichnungen nicht ihr jetziges Aussehen hätten.
Dieses Buch ist all jenen gewidmet, die spüren, dass ihre Hand immer schon den Bogen gehalten hat.

Inhalt

Prolog: Sankt Crispianustag
1. Kapitel: Kein König Englands ohne Frankreichs Thron!
2. Kapitel: Ein beglücktes Häuflein Brüder
3. Kapitel: Prinzen, rüstet stark euch
4. Kapitel: Auf Connétable, und ihr Prinzen all!
5. Kapitel: Heiß sie mich erst bezwingen
6. Kapitel: Oh, Gott der Schlachten! Stähle meine Krieger
7. Kapitel: God for Harry, England, and Saint George!
8. Kapitel: Ordne Gott, den Tag, wie dirs gefällt!
9. Kapitel: So töte jeder seinen Kriegsgefangenen
10. Kapitel: Groß in seiner Kraft schien Englands Stern
Zum Schluss: Warum Shakespeare?
Prolog
Sankt Crispianustag
Der Morgen ist kalt. Nebelschwaden ziehen durch den Wald und über das frisch gepflügte Feld. Es hat die ganze Nacht über geregnet.
Die Männer drängen sich zusammen. Sie sind müde, hungrig und verzweifelt. Die meisten von ihnen haben die Nacht durchwacht. Die Unsicherheit und die Angst vor dem, was der beginnende Tag bringen wird, hat sich ebenso in ihren Gedärmen festgesetzt wie die Ruhr, die viele von ihnen befallen hat.
Der Regen hat ihre Schuhe und Stiefel aufgeweicht. Ihre Kleidung, ihre aus Stofflagen gefertigten Panzer und ihre gesamte Ausrüstung sind vollgesogen mit Feuchtigkeit, kalt und klamm. Tropfen bedecken die Rüstungen der Ritter und die Helme der Soldaten. Längst haben sie aufgehört, das Wasser wegzuwischen.
Auf der anderen Seite des frisch gepflügten Feldes, mit seiner vom tagelangen Regen vollkommen durchtränkten, schlammigen und aufgerissenen Erde, wartet die Armee der Feinde.
Die Feinde sind begierig auf die Schlacht. Sie sind siegesgewiss. Sie sind satt und ausgeruht. In der Nacht haben ihre Adeligen um die Lösegelder für die gefangenen Gegner gespielt, die sie zu nehmen gedenken.
Die Anführer dieses Heeres – der Dauphin, Thronfolger Frankreichs, der Duc d’Orléans und Charles d’Albret, der Connétable von Frankreich – wissen um ihre Übermacht. Ihr Heer ist dem anderen an Zahl sechsmal überlegen; zählt man auch das übrige Fußvolk hinzu, so können sie wohl eine zehnfache Übermacht aufbieten.
Alleine der Tross und die herumlungernden Bauern könnten das Feld vor ihnen von diesem jämmerlichen Bettelheer säubern, glauben sie.
So gering schätzen die Franzosen ihre hungrigen und zerlumpten Gegner ein.
Auf der anderen Seite des Feldes steht das englische Heer und erwartet den Angriff. Unsicher schauen die Männer über den Acker und beobachten, wie sich die Franzosen zur Schlacht formieren. Links und rechts wird die gepflügte Fläche von Wäldern begrenzt. Über den Bäumen, links voraus, können sie den Turm einer Burg erkennen.
Der englische König blickt auf seine Männer und weiß, dass dieser Tag über ihr Schicksal entscheiden wird. Er weiß, dass er ihnen die Unsicherheit und die Angst nehmen muss, dass er sie dazu bringen muss, dem zahlenmäßig weit überlegenen Gegner standzuhalten.
Seine Rede reißt die Ritter und Soldaten aus ihrem dumpfen Brüten, gibt ihnen Zuversicht und Kraft, lässt Hoffnung aufkeimen. Der König nennt sie Brüder.
»Denn welcher heut sein Blut mit mir vergießt, Der wird mein Bruder, sei er noch so niedrig, Der heutge Tag wird adeln seinen Stand« 1
Er sagt ihnen, dass man sich an sie, an ihre Namen und an ihre Taten erinnern wird. Dass Edelleute, die jetzt in England im Bett liegen, verfluchen werden, an diesem Tag nicht bei diesen Wenigen gewesen zu sein, bei diesem Häuflein beglückter Brüder.
Der König, der zu seinem Heer spricht, ist Heinrich V., achtundzwanzig Jahre alt, ein Kriegerkönig wie seine Vorfahren Edward I. und Edward III.
Es ist der 25. Oktober 1415, der Tag des Heiligen Crispianus.
Der Name der Burg neben dem Feld ist Agincourt.
►So hat der englische Bühnenautor William Shakespeare, dessen Werk uns in diesem Buch immer wieder in Form von kursiv geschriebenen Zitaten begegnen wird, die letzten Minuten vor der schicksalhaften Schlacht bei Agincourt in seinem großartigen Epos „Henry V.“ dargestellt. Das heldenhafte englische Heer, geführt von seinem tapferen, ritterlichen König, stellt sich der gewaltigen Übermacht der siegessicheren Franzosen an diesem Sankt Crispianustag.
1. Kapitel
Kein König Englands ohne Frankreichs Thron!
Als der Morgen des 25. Oktober 1415 herandämmert, kommt Bewegung in das Heer der Engländer, das die Nacht über im Dorf Maisoncelle gelagert hat. Während die Ritter und ihre engsten Begleiter in der Nacht in den Hütten geschlafen haben, haben die einfachen Soldaten im Freien nächtigen müssen. Der König und sein unmittelbares Gefolge haben die Nacht in der kleinen Kirche des Ortes verbracht.
Es hat in der Nacht ebenso strömend geregnet wie in den letzten Tagen. Alles ist nass und kalt. Das Wasser trieft von den Dächern, den Ästen der Bäume, sammelt sich in jeder Vertiefung und bildet Pfützen und Schlammseen, wo der Boden von den Schuhen der Männer und den Hufen der Pferde aufgewühlt ist.
Obwohl die Männer versucht haben, sich unter Bäumen und Hecken, an die Mauern der Häuser und die Pferde der Ritter gedrängt, vor dem Regen zu schützen, ist es ihnen kaum gelungen, ihre Kleider und ihre Ausrüstung trocken zu halten. Ihr Schuhwerk ist ruiniert vom Marschieren über die schlammigen Straßen Frankreichs. Jede Faser an den Körpern der Männer ist feucht. Jedes einzelne Kleidungsstück, das sie tragen ist mit Wasser vollgesogen, ist schwer und klamm.
Die Männer haben es irgendwann aufgegeben, ihre Helme und ihre Waffen zu trocknen. Es ist angesichts der vom Himmel strömenden Fluten sinnlos geworden. Mit viel Aufwand und Mühe schaffen es die Pagen gerade, die Rüstungen ihrer Herren trocken und sauber zu halten. Auch die Federn der Pfeile leiden, aber sie sind in ihren Leinensäcken und unter Decken und Tüchern dem Regen wenigstens nicht unmittelbar ausgesetzt.
Vom Frühstück können die meisten nur träumen. Seit Tagen sind die Vorräte aufgebraucht. Während des Marsches hatten die Männer Beeren und Nüsse gesammelt, um wenigstens den ärgsten Hunger zu stillen.
Alle, ob Adelige oder einfache Soldaten, sind erschöpft und müde. Es ist der siebzehnte Tag des Marsches.
Wenige haben diese Nacht durchgeschlafen. Allen war schon am Vortag klar, dass der heutige Tag eine Schlacht bringen werde. Die Übermacht der Feinde, die bloß eine Meile weit entfernt stehen, ist erdrückend. Die Angst sitzt den Männern im Nacken. Die meisten sind überzeugt, dass ihr letzter Tag angebrochen ist. Es gibt kaum einen, der in der Nacht nicht gebetet hat. Viele haben gebeichtet und ihren Frieden mit Gott gemacht.
Im englischen Lager war es sehr leise gewesen. Der König hatte absolute Ruhe befohlen. Allen die laut geworden wären, hatten strenge Strafen gedroht. Ein Adeliger hätte Pferd und Rüstung eingebüßt, ein Gemeiner ein Ohr.
Der Lärm des feindlichen Lagers war die ganze Nacht über durch den Regen zu den Engländern gedrungen. Die Franzosen hatten ihr Lager buchstäblich auf der Straße nach Calais errichtet. Die prachtvollen Zelte der Adeligen sind umgeben von Wagen, von Unterständen und kleineren Zelten für die Gefolgsleute und die Soldaten. Die Zeltstadt wird von einem Heer von Müßiggängern, von Schaulustigen und von solchen, die hoffen, Geschäfte oder Beute zu machen, umlagert.
Die französischen Anführer sind sich ihrer Beute sicher. Quer über den Weg, den die Engländer nehmen müssen, hatten sie riesige Wachfeuer entzünden und die ganze Nacht über brennen lassen. Wachen waren aufgestellt worden, die verhindern sollten, dass das feindliche Heer in Nacht und Regen ungesehen entkomme.
Das französische Lager war die ganze Nacht hindurch hell beleuchtet gewesen. Man hätte glauben können, ein Volksfest sei im Gange. Die englischen Chronisten berichten, dass der Lärm, den die vielen Diener und Pferdeknechte verursachten, während der ganzen Nacht zu hören war.
Die Franzosen hatten gefeiert, gegessen und viel, wahrscheinlich sehr viel getrunken. Die hohen Herren hatten gewürfelt, um sich die Zeit zu vertreiben. Ihre Einsätze waren die Lösegelder für die feindlichen Adeligen gewesen, deren sie sich schon ganz sicher waren. Gewaltige Summen, die erst erkämpft werden wollten, hatten in dieser Nacht in den bunten Zelten die Besitzer gewechselt. Die französischen Soldaten hatten sogar einen Wagen bemalt und geschmückt, auf dem sie den englischen König gefangen durch die Straßen von Rouen führen wollen.
Der englische König hört die Messe. Manche Chronisten berichten, dass er drei Messen hintereinander lesen ließ. Henry V. war ein sehr gläubiger Mann. Wir wissen nicht, worum er an diesem Morgen gebetet hat. War es die Krone Frankreichs, von der er sicher war, dass sie ihm rechtens zustand, war es der Sieg über den weit überlegenen Feind oder war es nur das bloße Leben, um das der König Gott bat?
*
►In vieler Hinsicht kam König Henry V. dem Ideal des mittelalterlich-christlichen Königs näher als alle anderen Monarchen seiner Zeit. Er galt als gerecht und war als gläubiger Christ der Kirche zugetan. Körperlich war der König ein athletischer Mann, von frühester Jugend an in den Disziplinen des Rittertums erzogen und trainiert. Er war ein tapferer, ritterlicher Kämpfer, der begierig war auf dem Schlachtfeld Ruhm und Ehre zu gewinnen. Als Sohn von Henry IV. und Enkel John of Gaunts war er der Spross einer ganzen Reihe von Männern, deren Ruhm auf den Schlachtfeldern Inhalt von Geschichten und Liedern war. Vieles an Henry erinnerte an seinen Urgroßvater Edward III. und dessen Großvater Edward I., die beide große Kriegerkönige gewesen waren.
Gleich zu Beginn seines Dramas lässt Shakespeare den Erzbischof von Canterbury und den Bischof von Ely ein Loblied auf die Tugenden des jungen Königs singen:
„Hört ihn nur über Gottsgelahrtheit reden, Und, ganz Bewundrung, werdet Ihr den Wunsch Im Innern tun, der König wär Prälat; Hört ihn verhandeln über Staatsgeschäfte, So glaubt Ihr, dass er einzig das studiert; Horcht auf sein Kriegsgespräch, und grause Schlachten Vernehmt Ihr vorgetragen in Musik. Bringt ihn auf einen Fall der Politik, Er wird desselben Gordschen Knoten lösen, …“2
►Henrys Jugend verlief allerdings ganz anders als Shakespeare sie darstellt. Henry war der Sohn Henry Bollingbrokes und Mary de Bohuns und wurde am 16. September 1387 auf Monmouth-Castle im Süden von Wales geboren. Er wuchs unter der Obhut seines Onkels Henry Beaufort auf. Henry Bollingbroke, der Sohn John of Gaunts aus dessen Ehe mit Blanche of Lancaster, wurde, nachdem er seinen Cousin Richard II. abgesetzt hatte, im Jahr 1399 als Henry IV. König von England. Im selben Jahr war sein zwölfjähriger Sohn Henry von Richard II., der zu diesem Zeitpunkt noch König gewesen war, zum Ritter geschlagen worden. Der junge Henry hatte Richard II. als Geisel für das Wohlverhalten seines Vaters, der vom König ins Exil geschickt worden war, auf einem Feldzug in Irland begleiten müssen. Nach der gelungenen Machtübernahme schlug ihn sein Vater am Tag vor seiner Krönung ein zweites Mal zum Ritter.
Für den Ritterschlag war Henry im Alter von zwölf Jahren ungewöhnlich jung. Den zweiten Ritterschlag erhielt er wohl aus rein politischen Gründen. Wie auch immer Henry Bollingbroke die Absetzung des Königs, dem bestimmt vieles vorzuwerfen war, rechtfertigen konnte – er hatte gegen die Gesetze Gottes und der Menschen verstoßen. Die spätere heimliche Ermordung Richards vertiefte diese Schuld nur umso mehr. Für Henry IV. war es daher notwendig, Zeichen der Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft zu setzten.
Shakespeare schildert den jungen Prince of Wales – Falstaff nennt ihn „Prinz Hal“ – als Tunichtgut, der mit seinen Saufkumpanen eher zweifelhafte Streiche, ja sogar Verbrechen verübt. Im wirklichen Leben wäre Prinz Henry wohl kaum Zeit für derartige Umtriebe geblieben. Seine Jugend war eine einzige Abfolge von Feldzügen. Bereits im Jahr 1400 kämpfte er gegen die Schotten. Zwei Jahre später, im Alter von Fünfzehn war er nomineller Befehlshaber des Heeres, das den Aufstand Owen Glendowers in Wales niederschlagen sollte. Owen Glendower – Owain Glyn Dwr in seiner walisischen Muttersprache – beanspruchte für sich ebenfalls den Titel „Prince of Wales“. Dieser Feldzug lehrte Henry die Härten des Krieges. Nacht für Nacht verbrachte das Heer im Freien, in Nässe und Kälte, hungrig, auf der Verfolgung eines Feindes, dessen Strategie der überraschenden Überfälle und schnellen Rückzüge kaum beizukommen war. Henry, der auf die Hilfe der mächtigen „Marcher-Lords“, die in dieser Region die wahre Macht ausübten, angewiesen war, lernte schnell.
►Im Jahr 1403 wechselte das Haus Percy, das bisher den König gegen Glendower unterstützt hatte, die Seiten. Die Percys hatten Henry IV. auf den Thron geholfen, aber jetzt wollten sie die ganze Macht. Sie verbündeten sich mit Owen Glendower, und ihre Streitkräfte zogen im Sommer 1403 los, um sich ihm anzuschließen. König Henry IV. führte ihnen sein Heer in Eilmärschen entgegen um sie abzufangen, bevor ihnen die Vereinigung mit den Walisern gelang. Am 21. Juli 1403 standen sich die beiden Heere bei Shrewsbury, knapp vor der Grenze zu Wales, gegenüber. Die Königlichen mussten den Hügel stürmen, auf dem die Truppen des Hauses Percy Stellung bezogen hatten. Sie mussten sich durch einen Pfeilhagel bergauf arbeiten. Der sechzehnjährige Prinz Henry, der den linken Flügel befehligte, wurde dabei von einem Pfeil im Gesicht getroffen und verletzt. Er wich nicht zurück und ertrug den Schmerz, bis der Sieg errungen war.
►Diese Schlacht stellte eine echte Feuertaufe für Henry dar. Nicht nur, dass er seinen Mut in einer offenen Schlacht unter Beweis stellen konnte, hatte er auch am eigenen Leib die Wirkung des Langbogens erfahren, jener schlachtfeldbeherrschenden Waffe, die er später selbst so erfolgreich gegen die Franzosen einsetzten sollte. Darüber hinaus machte ihn die Erfahrung dieser Schlacht zu einem der wenigen Befehlshaber im Hundertjährigen Krieg, der an einer offenen Feldschlacht teilgenommen hatte, da zu jener Zeit die Kriege hauptsächlich in Form von kleinen Scharmützeln und langen Belagerungen ausgefochten wurden.
Die nächsten Jahre brachten weitere Feldzüge. Die Allianz zwischen Owen Glendower und den Percys war noch lange nicht geschlagen. Prinz Henry entwickelte sich in diesen Jahren – trotz seines jugendlichen Alters – zum erfahrenen Feldherrn.
Vom Jänner 1410 an war er Mitglied des Kronrates, der wegen des schlechten Gesundheitszustandes Henrys IV. die Regierungsgeschäfte übernehmen musste. Er dominierte diesen gemeinsam mit seinen beiden Onkeln, Henry Beaufort, dem Bischof von Winchester und Thomas Beaufort, dem Herzog von Exeter, und übte so bereits weitreichende Regierungsgewalt in England aus. Da es hinsichtlich der Außenpolitk zu Meinungsverschiedenheiten kam – Henry wollte die Partei der Burgunder in Frankreich unterstützen, während sein Vater die Armangnacs bevorzugte – entließ ihn dieser im November 1411 aus dem Rat.
Die Königreiche England und Frankreich vor dem Feldzug.
►Als Prinz Henry nach dem Tod seines Vaters am 20. März 1413 den Thron als Henry V. bestieg, war das Land durch viele Jahre des Krieges und der Fehden zwischen den Adelshäusern zerrissen. Die Bevölkerung war der dauernden Auseinandersetzungen müde. Der junge König musste eine Möglichkeit finden, die Kämpfe zu beenden und das Land wieder zu einen.
Die Ritter dieser Zeit entsprachen kaum dem romantischen Bild des edlen, gerechten und uneigennützigen Kämpfers für Recht und Ordnung, das wir aus Heldensagen und Hollywoodfilmen kennen. Für unsere Begriffe waren sie eher gewalttätige Raufbolde, die ständig Streit suchten und unentwegt miteinander in Fehden um Land und Besitz lagen. Trotz der Gesetzte des Königs und der Kirche war Blutrache an der Tagesordnung.
Henry fand ein Ventil für den Druck, unter dem er bei seinem Regierungsbeginn stand: Er erneuerte seinen Anspruch auf den französischen Thron – von dessen Rechtmäßigkeit er übrigens felsenfest überzeugt war. Mit einem Feldzug gegen den traditionellen Feind Frankreich konnte er dem ganzen Land ein gemeinsames Ziel geben und die streitsüchtigen Adeligen beschäftigen. Ein Erfolg auf den Schlachtfeldern Frankreichs würde darüber hinaus auch die Herrschaft des Hauses Lancaster, die nach wie vor nicht unumstritten war, festigen.
►Nach den politischen Spielregeln seiner Zeit konnte Henry jedoch nicht einfach in Frankreich einfallen und Charles VI. die Herrschaft entreißen. Er brauchte einen Vorwand. Er konstruierte einen, indem er dem französischen König Forderungen stellte, die für diesen unannehmbar waren. Sie beinhalteten nicht weniger als die Krone Frankreichs, das gesamte frühere Angevinische Reich, welches im wesentlichen den ganzen Südwesten Frankreichs umfasst hatte, weitere riesige Gebiete im Norden des Landes, das nie bezahlte Lösegeld für den von den Engländern in der Schlacht bei Poitiers im Jahr 1356 gefangengenommenen König Jean II und die Hand der Tochter Charles VI. mitsamt einer gewaltigen Mitgift.
*
Nach der Messe legt der König, unterstützt von den geübten Händen seiner Pagen und Diener, die Rüstung an. Darüber zieht er seinen Tabard, sein Wappenhemd. Dann tritt er in den kalten, regnerischen Morgen hinaus, um sein Heer in die Schlacht zu führen.