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Die über Sion thronenden Schlösser Valeria und Tourbillon sind ein so mächtiges städtisches Wahrzeichen, dass man sich den Walliser Hauptort ohne sie kaum vorzustellen vermag. Die beiden Schlösser, Majoria, das Viztum und einige weitere Gebäude verkörpern auf eindrucksvolle Weise die gesamte mittelalterliche Stadtgeschichte und zeugen von Zeiten, als der Bischof und das Domkapitel die Geschicke dieses alpinen Gebiets bestimmten, das dem Grossen Sankt Bernhard und dem Simplon wegen so gut wie unumgänglich war. Erleben Sie die noch deutlich spürbare mittelalterliche Atmosphäre und entdecken Sie eine Vielfalt an Kulturgütern, wie sie sich an nur ganz wenigen anderen Orten erhalten konnte.
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Seitenzahl: 50
Veröffentlichungsjahr: 2019
Patrick Elsig
Die Schlösser von Sion
Kanton Wallis
Symbolkräftige Repräsentationsbauten
Ein reiches mittelalterliches Erbe
Zwei Hügel, zwei Mächte
Eine wehrhafte Stadt
Schloss Valeria
Schloss oder befestigtes Dorf?
Eine 1000-jährige Baugeschichte in drei Phasen
Aufbau und Befestigung (11.–14. Jahrhundert)
Funktionale und ästhetische Optimierung (15.–18. Jahrhundert)
Das Baudenkmal (19.–21. Jahrhundert)
Spaziergang durch Valeria
Wehrelemente
Wohngebäude und Gemeinschaftsräume
Besichtigung der Basilika
Langhaus mit Orgel, Raronkapelle und Lettner
Liturgischer Chor
Seitenschiffe und Querarme
Kirchenschatz
Allerheiligenkapelle
Schloss Tourbillon
Symbol der bischöflichen Macht
Schlossrundgang
Wohnturm und Palas
Kapelle
Der bischöfliche Gebäudekomplex Majoria
Viztum
Majoria
Sion: Eine mittelalterliche Kulturstätte erster Güte
Anhang
Die Schweizerischen Kunstführer sind ein Produkt aus dem vielfältigen Angebot an Publikationen und Veranstaltungen der Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK. Die GSK dokumentiert, erforscht und vermittelt seit 1880 das baugeschichtliche Kulturerbe der Schweiz und trägt zu dessen langfristiger Erhaltung bei. Die Non-Profit-Organisation arbeitet in drei Landessprachen und ist Herausgeberin verschiedener Publikationen sowie von k+a, einer Fachzeitschrift zu Architektur und dekorativer Kunst.
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Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK
Pavillonweg 2, 3012 BernTel.: +41 (0)31 308 38 38Fax: +41 (0)31 301 69 [email protected], www.gsk.ch
Dieser Kunstführer ist in Zusammenarbeit mit La Société des Amis de Valère entstanden. Erschienen ist er dank der Unterstützung der folgenden Partner: Loterie Romande, Walliser Kantonsmuseen, Ville de Sion, Dienststelle für Hochbau, Denkmalpflege und Archäologie des Kantons Wallis, Fondation Château de Tourbillon, Bourgeoisie de Sion, Sedunum Nostrum.
Umschlagseite vornBlick auf die Stadt Sion.
Umschlagseite hintenSion um 1860, Gouache, Bleuler-Werkstatt in Schaffhausen.
Umschlag innen hintenRomanische Kapitelle von Valeria. Das natürliche Licht bringt ihre Qualität besonders zur Geltung.
RedaktionValérie Clerc, MA, GSK Stephanie Ehrsam, MA, GSK
ÜbersetzungSandra Wyss, Winterthur
GestaltungPierre de Senarclens, visum design, Bern
AbonnementJahresabonnement CHF 98.00 für 15 bis 20 Hefte
© Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Bern 2019
ISBN 978-3-03797-585-5
ISSN 2235-0632
Serie 105, Nr. 1041–1042
Die Altstadt von Sion. Auf dem rechten Hügel lassen sich das Schloss Valeria, einstige Residenz des Domkapitels, und etwas unterhalb davon die sogenannte Jesuitenkirche erkennen. Auf dem linken Hügel befinden sich das Schloss Tourbillon und – in absteigender Reihenfolge auf dem Tourbillongrat – der kleine Hundeturm, der Turm von Majoria und das ausladende Viztumsgebäude.
Sion (dt. Sitten) wurde seit dem Neolithikum (5200–2200 v. Chr.) fast ununterbrochen besiedelt. Die berühmte Begräbnisstätte von Le Petit-Chasseur mit ihren gravierten anthropomorphen Stelen ist ein eindrückliches Zeugnis dieser frühen Besiedlung. Bei der nahen Don-Bosco-Fundstelle wurden wiederum erst vor Kurzem prächtige Hügelgräber (Tumuli) aus der ausgehenden Bronzezeit (1000–800 v. Chr.) und der frühen Eisenzeit (800–450 v. Chr.) entdeckt. Auch das römische Sedunum gibt sich nur Stück für Stück zu erkennen: Bei Bauarbeiten kommen immer wieder einmal eine Therme oder eine Stadtrandvilla zum Vorschein, doch der Umfang der heute weitgehend überbauten römischen Siedlung lässt sich nach wie vor nur schwer bestimmen. Dem aufmerksamen Beobachter fällt hingegen sofort auf, dass die Struktur der Sittener Altstadt noch heute deutlich vom Mittelalter geprägt ist. Mittelalterlichen Ursprungs sind auch die Schlösser Valeria und Tourbillon: Die Wahrzeichen der Stadt thronen auf den beiden Felshügeln, die zwei Wächtern gleich aus der Ebene ragen. Da Sion in all den Jahrhunderten ein vergleichsweise geringes Wachstum verzeichnete, blieb ein beträchtlicher Teil der mittelalterlichen Bausubstanz erhalten, und die relative Armut der Bevölkerung hatte zur Folge, dass alles aufbewahrt wurde, was von irgendeinem Nutzen schien. So konnte sich ein Kulturerbe aus Handschriften, Archiven, Mobiliar, alten Waffen u. a. m. erhalten, wie man es nur an ganz wenigen anderen Orten findet, man denke zum Beispiel an die Orgel von Valeria als älteste spielbare Orgel überhaupt.
Die beiden Burghügel sind zugleich Symbole für die zwei Mächte, die im Mittelalter die Region beherrschten. Als König Rudolf III. von Burgund im Jahr 999 dem Bistum Sitten die Grafschaft Wallis schenkte, erlangten die Bischöfe dadurch zusätzlich zur kirchlichen auch noch die weltliche Macht über das Land. Dies bedeutete aber auch, dass sie sich von da an eigenständig behaupten mussten: Nicht nur gegen ihre Anrainer – allen voran das Haus Savoyen, das sich schon bald den Grossen Sankt Bernhard aneignete – sondern auch gegen die Forderungen des Adels und später der Lokalbevölkerung. Ab dem 17. Jahrhundert musste der Bischof zudem seine Macht mit gewählten Volksvertretern teilen.
Im Mittelalter wurden bestimmte bischöfliche Verwaltungsaufgaben an die Kanoniker des Domkapitels (die sogenannten Domherren) delegiert. Die Institution des Domkapitels war vermutlich bereits in karolingischer Zeit für die Pflege des Chorgebets und der Liturgie der Kathedrale gegründet worden und erlangte rasch eine gewisse Unabhängigkeit. Während des gesamten Mittelalters hatte das Domkapitel die Funktion eines «Ministerrats» inne, der sich zeitweilig hinter den Bischof stellte, aber noch viel öfter als Gegengewicht fungierte, was sich in den beiden Schlössern spiegeln sollte: Während das Domkapitel auf dem südlichen Burghügel Valeria residierte, befand sich der Bischofssitz auf dem nördlichen und höheren Burghügel Tourbillon. Diese Machtteilung eröffnet sich einem noch viel deutlicher, wenn man bedenkt, dass Bischöfe bestimmte Aufgaben wie zum Beispiel die niedere Gerichtsbarkeit an lokale Lehensleute wie den Meier (maior) oder Viztum (vicedominus) delegierten, um nur die bekanntesten Ämter zu nennen. In Sion erinnern noch heute mehrere Wehrtürme daran, wobei sich die Türme des Meiers und des Viztums (auch «Seneschall») beide auf dem unteren Tourbillongrat befanden. Als der Bischof im 14. Jahrhundert den Meierturm zurückerlangte, erwarb er damit gleichzeitig den Grossteil des Tourbillongrats gegenüber Valeria: zwei Hügel, zwei Mächte.