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Durch eine schicksalhafte Begegnung gerät eine strahlend schöne junge Dame in die besten Kreise und bezaubert dort die Herzen im Sturm. Doch was als zuckriger Gesellschaftsroman beginnt, wird nach einer anonymen Anzeige sehr rasch zum spannenden Kriminalfall! Ein Berliner Kommissar müht sich im Wettlauf mit der Zeit, gerade noch das Allerschlimmste zu verhindern.
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Seitenzahl: 119
Die schöne Blonde
Hans Hyan
Jean Louis „Hans“ Hyan war ein deutscher Kabarettist, Gerichtsreporter und Schriftsteller. Er verfasste vor allem Kriminalromane, aber auch Drehbücher
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Seit Tagen lag über der Stadt die Schwüle des Gewitters. Am Tage war der Himmel wie ein ungeheueres Brennglas voll bläulich weißer Hitze. Und der Abend floß wie giftig brennender Schwefel und violette Lavaströme in der Schwärze des Horizontes zusammen. Der Asphalt der Straßen wurde weich bei der abnormen Temperatur und ließ die Radspuren der Gefährte erkennen. Selbst in der Nacht glühte dies Labyrinth von Stein und Eisen und spie die aufgesogenen Gluten aus, die die neue Sonne doppelt über die grauen Schieferdächer hingoß … Der Morgen kam ohne Frische, und das Leben wachte mutlos auf. Die Straßenbäume, diese Stiefkinder des unfruchtbaren Pflasters, ließen ihre bestaubten Blätter hängen, und zwischen ihnen rollten die pferdelosen Sprengwagenungetüme auf den breiten Straßen dahin, die ihr Wasser verspritzten, das schon in der heißen, atembeklemmenden Luft verdunstete.
Frau Henriette von Lehnemark hätte ihre Villa in der Margaretenstraße heute sicher nicht verlassen, wäre ihr durch den Geburtstag einer Freundin deren Besuch nicht zu einer unabwendigen Pflicht geworden … Die alte Dame trat eben aus dem Hause, im Süden der Stadt, und dachte, ein Auto sollte sie schnell aus dieser Glut heimbringen. Aber nicht einmal eine Pferdedroschke war hier zu haben … So stieg Frau von Lehnemark recht matt in die elektrische Straßenbahn.
Gleich nach ihr betrat ein hellgekleidetes, auffallend schönes, junges Mädchen die Elektrische und setzte sich dicht neben Frau v. Lehnemark, die in ihrem apartgemachten Kleide aus brauner Rohseide mit dem gleichfarbigen Kapothütchen distinguiert aussah …
Für einen Moment blickten beide Damen auf den Herrn, der dem Fräulein auf dem Fuße gefolgt war und sich jetzt ihnen gegenüber niederließ … Im Gesicht des schönen, hochblonden Mädchens war jene kühle, etwas gereizte Abwehr, durch die anständige Frauen es bewußt und vielleicht auch ganz instinktiv bemerklich machen, daß ihnen die Bewunderung eines Mannes aufdringlich erscheint und lästig fällt …
Frau Henriette von Lehnemark, der dies stumme Spiel nicht entging und die mit ihrer ganzen Sympathie sofort auf seiten des schönen Mädchens stand, führte absichtlich ihr goldenes Lorgnon an die Augen und blickte auf den vielleicht in den Dreißigern stehenden Herrn, der seine Taktlosigkeit so weit trieb, diese stumme Zurechtweisung der alten Dame mit einem höhnischen Lächeln zu quittieren, und der nach wie vor mit seinen halbgeschlossenen, dreisten, schwarzen Augen die junge Schönheit fixierte.
Dieser Mensch war selber gar nicht häßlich. Sein schwarzer, wohlgepflegter Schnurrbart, die brennende Glut des Blicks unter langen Wimpern und der harte, doch nicht unedle Schnitt des brünetten Kopfes konnten ihn einer Frau wohl interessant und sogar anziehend erscheinen lassen. Aber wenn man ihn länger ansah, störten der Mund mit seinem zynisch überheblichen Lächeln und der kalte, ja grausame Zug um die an sich so leidenschaftlichen Augen … Er schien gar keine Furcht zu empfinden, daß man ihn etwa zur Rede stellen könne, seines unschönen Benehmens wegen. Er mochte wohl auch dem jungen Mädchen schon längere Zeit gefolgt und dieses nur, um seine unerwünschte Begleitung los zu werden, auf die elektrische Bahn gestiegen sein …
Frau von Lehnemark tupfte sich empört mit ihrem Spitzentuch die Stirn und sah dann ihre Nachbarin mit einem ermutigenden Lächeln an, als wollte sie sagen: „Fürchte dich nicht, mein Kind; solange du in meiner Gegenwart bist, kann dir nicht Böses geschehn!“ … Und wie das freundliche und trotz ihrer sechzig Jahre noch so lebensfrische Gesicht der alten Dame und die junge Schönheit einander anblickten, da war es, als schwände die Angst aus den hellen Zügen der Blonden und als vertraue sie sich in beredtem Schweigen ganz dem Schutz der älteren Geschlechtsgenossin an …
Und wie jetzt Frau von Lehnemark den feuchten Glanz einer heimlichen Träne im großen, tiefblauen Auge der jüngeren sah – da war die Seele dieser alten Frau, die trotz aller Geselligkeit allein und innerlich einsam lebte, gefangen. Und der Wunsch, das beinahe schmerzliche Verlangen stieg in ihr auf, so ein schönes, liebreizendes Bild zu jeder Stunde um sich zu haben; auf diese runden, jugendkräftigen Schultern ein wenig von der Last des Lebens, das ihr selbst schon schwer ward, abzuwälzen und so, allmählich vielleicht, im Alter noch die junge Tochter zu gewinnen, die sie sich so oft vergeblich gewünscht hatte … Daß dieses Begehren sich erfüllen könnte, daran dachte Frau Hety wohl kaum. Nach der ganzen Erscheinung der schönen Blonden, die mit geschmackvoller Sauberkeit, dabei aber außerordentlich einfach angezogen war, konnte die alte Dame nur annehmen, daß ein junges Mädchen aus einem guten, wohlbestellten Bürgerhause neben ihr sitze.
Da schob der übrigens sehr elegant gekleidete Herr ihr gegenüber, zweifellos ganz absichtlich, den schmalen Lackstiefel vor und berührte den Fuß der jungen Dame, die mit einem Laut des Erschreckens und mit einer krampfhaft hastigen Bewegung ihre Füße bis ganz an die Bank des Wagens zurückzog …
Frau von Lehnemark wollte, bebend vor Entrüstung, eben für ihre Nachbarin eintreten, als sie eine leise Berührung am Arme spürte. Zur Seite blickend, das Wort der schärfsten Rüge schon auf den Lippen, sah sie das Fräulein mit dem Kopf, auf dem sich der helle Florentiner verschob, gegen die Glasscheibe fallen und in einer tiefen Ohnmacht zurücksinken.
Frau von Lehnemark umschlang und hielt die Besinnungslose. Die übrigen Fahrgäste, von der Dumpfheit und Lethargie dieses glühenden Tages in Bann gehalten, erhoben sich beim Anblick der Ohnmächtigen erschreckt und mitleidig von ihren Sitzen. Eine Dame bot ihr Riechsalz, und damit gelang es, die Lebensgeister des jungen Mädchens wieder zu erwecken …
Der Urheber des peinlichen Vorfalles, dem dieser Ausgang seiner Unarten doch wohl etwas überraschend gekommen war, wollte sich, wie es schien, aus dem Staube machen. Wenigstens verließ er mit einigen unverständlich gemurmelten Worten, den Zylinder leicht vom Kopf hebend, den Wagen – allerdings nur, um draußen von der Plattform aus den Hergang der Szene weiter zu beobachten …
Frau von Lehnemark sah ihm wohl mit einer flammenden Verachtung nach; aber sie war zu sehr Dame, um noch ein Wort an einen derartigen Menschen zu verschwenden. Ihre ganze Teilnahme wandte sich diesem bemitleidenswerten Wesen zu, das eben die Augen aufschlug und in denen die schlimme Nervenspannung sich jetzt in Weinen löste …
„Grämen Sie sich doch nicht mehr“, tröstete die Ältere, „oder fürchten Sie sich, jetzt allein nach Hause zu gehen? Dann will ich Sie gern zu Ihren Eltern begleiten!“ …
„Ich habe ja niemand hier, ich bin fremd … das ist ja gerade das Schreckliche! … ich hätte das nie geglaubt … man tut doch keinem Menschen etwas … und“ … sie schluchzte noch heftiger, die schöne Blonde, und bedeckte ihr Gesicht mit den Händen, deren rosige Finger aus den hellen Handschuhen hervorlugten.
Alle Passagiere, auch die den Hergang nicht beobachtet und sich erst nachträglich erkundigt hatten, blickten jetzt voller Unwillen nach draußen; ein Herr erhob sich; seiner entschlossenen Bewegung merkte man die Absicht an, den Zudringlichen, der noch immer auf der Plattform stand, zur Rede zu stellen. In diesem Augenblick aber sah man den Menschen durch die offene Wagentür nochmals hereinschauen und dann eiligst von dem in voller Fahrt befindlichen Wagen abspringen.
Gleich darauf hielt die Bahn und, einer raschen Eingebung folgend, sagte Frau von Lehnemark zu der Blonden, die ihre Tränen trocknete:
„Ich steige hier aus, liebes Kind … wenn Sie es nicht gar eilig haben, so begleiten Sie mich ein bißchen und erholen sich bei mir, in meinem Hause von Ihrem Schrecken!“
„Ach, ich“ … sagte die Kleine, sichtlich überrascht von diesem gutmütigen Anerbieten, „ich … ich weiß ja nicht … ob die gnädige Frau“ … ihre Tränen flossen von neuem, sie schien ganz fassungslos.
„Kommen Sie nur! Kommen Sie!“ Frau von Lehnemark strich sanft über die leichte Seide, die die zarte Haut der Schulter des jungen Geschöpfes hindurchschimmern ließ. Und da die Bahn inzwischen wieder weiterfuhr und sie so noch auf ihrem Platze bleiben mußte, redete sie leise der Blonden zu, die mit einem kindlichen Aufblick ihrer unter hohen, edel geschwungenen Bögen strahlenden Augen dieser liebevollen Sprache wie einer süßen Musik lauschte.
Frau von Lehnemark war jetzt selbst ein wenig befangen. Die gerührte, fast begeisterte Zustimmung auf den Gesichtern der Damen um sie her, die sich auch in Worten äußerte, war ihr nicht angenehm; ja sie schien ihr fast wie eine Herabminderung ihrer guten, so gar nicht nach Beifall haschenden Absichten! Und dann dachte die alte Dame an ihren Sohn, was der wohl zu dem ganzen Vorgang gesagt haben würde. Sie kannte seine Abneigung gegen jedes öffentliche Aufsehen; und obwohl er fern von ihr war, sah sie doch sein schmales Gesicht mit dem langen, schwarzen Vollbart sardonisch lächeln. Das machte sie unsicher, und sie war recht froh, daß der Wagen nun von neuem stillstand, den sie, ohne rechts und links zu schauen, mit ihrem Schützling verließ. Draußen auf der Straße hatte sie das Glück, sofort ein Automobil zu treffen, dessen Lenker, vom Kondukteur der Elektrischen aufmerksam gemacht, anhielt.
Aufatmend lehnte sich die alte Dame in die Kissen des Gefährts, das sie und ihre Begleiterin rasch davonführte. Und nun schien auch das blonde Mädchen seinen Mut, seine Sicherheit wiederzugewinnen.
„Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll, gnädige Frau“, sie atmete tief, ihr hübscher Busen hob sich, wie von schwerer Angst befreit, „ich war schon ganz verzweifelt … ich wußte ja gar nicht mehr, was ich anfangen sollte, seit einer ganzen Stunde hat mich dieser … Mensch schon verfolgt“ … Und ehe Frau von Lehnemark ein beruhigendes Wort sagen konnte, fuhr die schöne Blonde rasch, wie aus gepreßtem, schon fast verzagtem Herzen heraus fort:
„Und dazu das Unglück … das Unglück mit der Stellung!“
„Was denn? … Erzählen Sie mir doch, bitte … oder werden Sie erst einmal ganz ruhig und denken Sie, daß jetzt, wo ich Sie in meine Obhut genommen habe, daß Ihnen da nichts Unangenehmes mehr passieren kann!“
Um die süßen Lippen zuckte es wieder verräterisch, und die Blonde gab sich, das sah man, die größte Mühe, nicht mehr zu weinen. Aber ihre melodische Stimme klang doch verschleiert und tiefbedrückt, wie sie der alten Dame jetzt mitteilte: sie sei nach Paris engagiert gewesen, als Gesellschafterin, habe aber ihre Stellung dort schon besetzt gefunden und trotzdem nicht die geringste Entschädigung dafür, daß sie dort hingereist wäre, bekommen. Nun sei sie nach Berlin gefahren, denn … ihre Mutter, die in Großborstel bei Hamburg lebe … die Verhältnisse seien zu Hause nicht so … da versagte ihr schon wieder die Stimme und die Worte verloren sich in erneutem Schluchzen.
Frau Henriette von Lehnemark aber war bei all ihrem Mitgefühl im innersten Herzen doch sehr glücklich. Da sandte ihr der Himmel ja das, wonach sie so lange schon und stets so vergeblich suchte! Einen schönen, liebenswürdigen und gewiß auch klugen Menschen, ein Weib, fast Kind noch, und doch welch eine angenehme Gefährtin! Oh, sie würde es schon verstehen, diesen Schatz festzuhalten und ihr Leben damit zu schmücken! …
* * *
„Nein, das ist zu lieb von dir, daß du gekommen bist, Eberhard, jetzt noch vor meiner Abreise! Ich hatte gar nicht mehr damit gerechnet! Du weißt doch, in deinem letzten Briefe schriebst du ausdrücklich“ …
„Ja, Mutter, ja!“ unterbrach der hochgewachsene Mann, dessen schwarze Kleidung seine Schlankheit noch mehr hervorkommen ließ, die alte Frau mit einem Lächeln. „Es ist ja auch nur ein großer Zufall, daß ich noch vor den Ferien, daß heißt, vor meinen Ferien, daß ich da noch bei dir sein kann!“
Herr von Lehnemark, der mit seinen hervorragenden Fähigkeiten eine ungewöhnliche Karriere gemacht hatte, war mit vierzig Jahren bereits ordentlicher Professor an der Universität in Kiel und hatte, als Psychiater und bekannter Gerichtssachverständiger, den Titel eines Geheimen Medizinalrates. Vielleicht war es dieses schnelle Emporsteigen, das seiner in der Tat vorhandenen geistigen Überlegenheit auch den äußeren Anstrich gab: eine gewisse Ironie in der Beurteilung der andern, vor der sich auch die eigene Mutter, diese herzenswarme, dem Leben ganz einfach gegenüberstehende Frau nicht sicher fühlte.
So sah sie ihm in das von dunklen, ein wenig schwermütigen Augen belebte Gesicht, dessen langen, glänzendschwarzen Vollbart er gern spitz zusammendrehte. Heut schien es ihr, als verberge sich etwas in diesem ernsten, schon von mancher Lebensfurche durchgezogenen Gesicht, etwas, das sie nicht wissen sollte. Sie fragte danach; aber der Sohn lachte sein stilles, nur die schmalen Nasflügel ein wenig blähendes Lachen und schüttelte den Kopf.
„Wann reist du denn, liebe Mutter? Ist der Tag schon festgesetzt, ja?“
Die alte Dame, die trotz ihrer weißen Haare, die sie in hübschen Puffen an den Schläfen aufgesteckt trug, in ihrem Wesen jugendlicher schien als der Sohn, nahm in ihrer lebhaften und doch auch wieder so mutterzärtlichen Art seine Hand, streichelte die mageren Finger, die nicht den kleinsten Goldreif trugen, und sagte:
„Ja, Eberhard, gottlob! … Jetzt kann ich fort! Jetzt habe ich endlich jemand, der es mir möglich macht, zu reisen!“
„Du meinst doch das Fräulein, die Gesellschafterin, die du in deinen Briefen allerdings erwähnt hast.“
Die sonst so klare Stirn der alten Dame verdüsterte sich. Vor der kühlen, skeptischen Art ihres Sohnes schwand nicht etwa die Begeisterung für die, von der die Rede war; nur die Hoffnung, auch in ihm, ihrem Sohn, gleich einen ebenso rückhaltlosen Bewunderer ihrer Erna zu finden, sank etwas.
So wurden auch Frau von Lehnemarks Mienen gleich wieder gut und fröhlich:
„Du mußt sie erst sehen und kennen lernen, lieber Eberhard. Sieh mal, ich brauche jemand … ich fange an, alt zu werden … Du lachst! Nu’ sage mal, hat man etwa mit sechzig Jahren noch kein Recht, vom Alter zu sprechen? Nein, ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, daß ich sie gefunden habe, meine Erna!“
„Fräulein von Lauchenfels?“
„Ja, Erna! Ich nenne sie so, weil sie wirklich wie ein Kind, wie eine liebe Tochter für mich ist.“ …
Die alte Dame, die auch heute ihre Lieblingsfarbe, ein Kleid aus glänzendem, tiefbraunem Seidenstoff trug, legte die kleine, noch so zarte und mit edlen Steinen geschmückte Hand auf das Spitzenfichu, das den Busen bedeckte, und sah bewegt vor sich nieder. Sie stand gewiß sehr unter der Macht ihrer Stimmungen und Eindrücke.
„Mein Lebelang habe ich mir ja eine Tochter gewünscht und jede Mutter, ich weiß nicht wie sehr, beneidet, die ein kleines Mädchen an ihrer Hand hatte … weißt du, so auf der Straße, wenn ich sie mit den kleinen, süßen, geputzten Dingerchen vorbeigehen sah … und nun, als alte Frau, wo ich längst jede Hoffnung aufgegeben habe, nun schickt mir der Himmel so ein liebes, geliebtes Geschöpf! Ach, Eberhard, du glaubst nicht! Nun, du wirst sie bald sehn! … Ich erwarte sie nämlich jede Minute, sie ist nur zu Herzog und nach der Bank.“ …
Frau von Lehnemark hatte ihre kleine, mit Perlen besetzte Uhr aus dem Gürtel gezogen, und während sie deren Zeit mit der Stunde verglich, die die auf dem Kaminsims tickende Sèvres-Uhr zeigte, beobachtete der Professor seine Mutter mit heimlichem Interesse. Er ließ auch eine ganze Weile vergehn, ehe er sagte:
„Du schriebst mir, du hast die junge Dame auf merkwürdige Weise kennen gelernt, Mutter?“
Rasch den feinen Kopf mit den etwas unruhigen Augen emporhebend, sagte sie:
„Ja … das befremdet dich doch nicht? Du bist natürlich immer noch der alte. Dein Vater war genau ebenso, von dem hast du das nur … dieses Mißtrauen!“
Er blieb ganz ruhig; er lächelte sogar.
„Ich könnte dir erwidern, Mutter, daß du dich auch nicht geändert hast in deinem guten Herzen und in der Art, wie du die Menschen trotz mancher Enttäuschungen gleich in die Arme schließest.“
Frau von Lehnemark wollte einen Einwurf machen, aber sie hielt das Wort auf den Lippen und ließ den Professor weitersprechen:
„Ich sage ja auch vorläufig gar nichts gegen diese neueste Akquisition … im Gegenteil, ich bin froh, liebe Mutter, wenn du jemand gefunden hast, der dir gefällt.“