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Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon. Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur. Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK. Aus Angst vor einer Zwangsheirat mit ihren Cousins sind die fünfzig Töchter des Danaos aus Ägypten geflohen. Von den Abgewiesenen verfolgt, bitten sie König Pelasgos in Argos um Asyl. Aufgrund ihrer argeischen Abstammung muss er es ihnen gewähren, doch dadurch gerät er in einen schweren ethischen Konflikt: Soll er seiner moralischen Pflicht gehorchen und so einen Krieg mit den mächtigen Ägyptern riskieren? Ist das nicht politisch unklug? Kann er es wirklich verantworten, dass sein Volk in diese große Gefahr gerät? Er beschließt, seine Untertanen zu befragen. Die Töchter des Danaos warten in verzweifelter Spannung …
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Seitenzahl: 55
Aischylos
Die Schutzflehenden
Aus dem Altgriechischen von Johann Gustav Droysen
Fischer e-books
Mit dem Werkbeitrag aus Kindlers Literatur Lexikon.
Mit dem Autorenporträt aus dem Metzler Lexikon Weltliteratur.
Mit Daten zu Leben und Werk, exklusiv verfasst von der Redaktion der Zeitschrift für Literatur TEXT + KRITIK.
CHOR DER DANAIDEN
DANAOS
PELASGOS, KÖNIG DER ARGEIER
HEROLD
Ufergegend zwischen der See und der Stadt Argos. Der Chor der flüchtigen Danaiden mit den Mägden zieht ein; unter ihnen der greise Danaos
CHORFÜHRERIN
Zeus, Flüchtlingshort,
Schau gnädig herab auf unseren Zug,
Der zu Meer von des Nilstroms Mündungen her,
Von den feinsandigen,
Aufbrach; und verlassend die heilge
Heimat, die an Syria grenzt, flohn wir,
Um Blutschuld nicht ins Elend zu gehn,
Vom Gerichte des Volkes verurteilt;
Den verwandten, den bräutigamsflüchtigen Bund,
Mit Aigyptos’ Söhnen die Hochzeit flohn
Voll Abscheu wir; und Danaos selbst,
Mein Vater und Rater und Führer zur Tat,
Er ersann, er gebot
Uns dies’ glorwürdigste Trübsal:
Rastlos zu entfliehn durch die wogende See
Und zu landen am Argosstrande, woher
Ja unser Geschlecht von der schweifenden Kuh,
Vom Berühren, vom leis anwehenden Hauch
Des Kroniden sich rühmt zu entstammen.
Drum welch Land wohl, liebreicher denn dies,
Könnten betreten wir,
Dies bittende, wollenumwundne Gezweig
Schutzflehender fromm in den Händen?
O droben ihr Himmlischen, deren die Stadt
Und das Land und die leuchtenden Wasser, und ihr
Schwerstrafenden drunten im Hades,
Und Zeus, Heiland, der das Haus, das Geschlecht
Du der Frommen bewahrst,
Aufnehmet der Fraun schutzflehenden Zug;
Doch den männergedrängt frechtrotzenden Schwarm,
Des Aigyptos’ Geschlecht,
Eh ihr Fuß dies sandige Ufer betritt,
So verschlagt sie in jagenden Barken hinaus
In die offene See,
Wo die wettergegeißelte Sturmnacht sie,
Wo sie Donner und Blitz,
Wo des regengepeitschten Orkanes Gewalt
In der brausenden See sie vernichte,
Eh das Bett, das Themis ja ihnen versagt,
Eh mit ringender Hand das erzwungene Bett
Der bewältigten Muhmen sie schänden.
Erste Strophe
Flehend gewendet zu dir,
Sohn des Zeus, du der jenseitigen Heimat Hort, von der blumen weidenden Kuh,
Unserer Ahnin, gezeuget von Zeus’ Hauch –
Denn, der sie rührte, der Hauch, ihn erfüllte im Namen das ewge Verhängnis,
Als sie Epaphos’ Kraft gebar, glorreich.
Erste Gegenstrophe
Flehend zu dir denn gewandt,
Will ich jetzt, in den grasreichen Aun der hehren Mutter einstige Qual
Feiernd, ein unwiderlegliches Zeugnis
Sagen, von welchem verschieden und nimmer erwartet sich alles an uns zeigt;
Doch begreift mit der Zeit man einst dies auch.
Zweite Strophe
Stünd in der Näh einer der Einheimischen jetzt
Zu Vogelfang und hörte diese Klage,
Würd er meinen, in wehklagendem Gram sei es der Tereïschen Gattinnen Gesang,
Der falkgejagten Nachtigall,
Zweite Gegenstrophe
Die von des Bachs Ufern, den Waldbüschen verscheucht,
Wehklagt im Gram verlorner Heimat,
Hinzusinget des Lieblinges Geschick, welchen sie selbst schlug mit der mordblutigen Hand,
Unmütterlichen Zorns verwirrt.
Dritte Strophe
Ebenso schmerzenbefreundet im Gram iaonischer Klagen,
Reiß ich wund mir die nilblühende, weiche Wange,
Mein tränenunkundig Herz wund,
Des Kummers Blume pflück ich mir,
Vor den Meinen in Angst, ob mir der Flucht aus dem umnebelten Land
Irgendwer noch denken mag.
Dritte Gegenstrophe
Höret, o Götter ihr unsres Geschlechtes, ihr kennt das Gerechte,
Nur nicht ganz wider Gebühr laßt es an uns zu End gehn;
Nur hasset treu allen Frevel,
So wahrt ihr wohl der Ehe Recht.
Kampfesermüdeten auch wird ein Altar, auch den Entflohnen der Schlacht
Rettend Heil der Götter Furcht.
Vierte Strophe
Möcht ein Gott es uns lassen gedeihn. Ja, der Gedanke des Zeus, schwer ist der zu erjagen;
Dennoch flammet er rings
Auch in Nacht dem Menschen her aus dunklem Gewölk des Unheils.
Vierte Gegenstrophe
Vorstürzt siegend und nicht in den Staub, wenn sie gereift in Zeus’ Haupt, die Tat der Vollendung;
Denn hinzieht sich versteckt
Seines Willens Pfad, rings schattendicht, zu erschaun unmöglich.
Fünfte Strophe
Hinabstürzt hoch von hochgetürmten Hoffnungen er Menschenwahn.
Gewalt wappnet nimmer niemand
Ungestraft den Ewigen hoch
Droben; ein Gedanke schon, ein Blick
Dort von den heiligen Thronen kann alles zumal vernichten.
Fünfte Gegenstrophe
Herabsieh auf den Frevelmut, wie jetzt dieser Stamm dichtgezweigt
Ausschlägt meiner Ehe lüstern,
Frech in unheilratendem Mut,
Der, vom eignen listgewandten Wahn
Heftig gepeitscht, betrogen einst traurigstes Los bereun wird.
Sechste Strophe
Dies harte Los, wir sagen, wir klagen es laut.
Dies bittre, gellende, tränenentquellende Weh,
Ach weh uns, weh!
Im heißen Wehruf jammerlaut!
Lebend bejammr ich selbst mich!
Flehend zu dir, apischer Holm, ruf ich!
Barbarensprache, ja du keimst sie!
Und mit geschwinder Hand,
Sieh, zerfetz ich das Linnenkleid, sieh, das Sidonerstirntuch!
Sechste Gegenstrophe
Denn Göttern weiht sich der Glücklichen heiliger Dank,
Wenn fern dem Tod, der sie lauernd umdräut, entflohn sie.
Ach weh uns, weh!
O schwerenträtselt Wehgeschick!
Welle, wohin noch treibst du?
Flehend zu dir, apischer Holm, rufe ich!
Barbarensprache, ja du kennst sie!
Und mit geschwinder Hand,
Sieh, zerfetz ich das Linnenkleid, sieh, das Sidonerstirntuch!
Siebente Strophe
Das Ruder trug, des Kieles lein’gebundenes wellensichres Haus,
Mich trug es rettend her mit frischem Wind;
Nicht beklag ich’s, doch den Ausgang wolle mir einst,
Allschaunder Allvater,
Gnadenreich gewähren.
Wollest der vielheiligen Ahnin Kinder
Der Ehe, wehe!
Unvermählt, unbezwungen lassen fliehn!
Siebente Gegenstrophe
So schaue froh dann auf mich Frohe wieder die reine Tochter des Zeus,
Der heilig pranget unsres Tempels Bau.
Mir vor aller Macht und Not nie Wankenden sei,
Jungfrau, mir Jungfrau sei
Retterin und hilfreich.
Wollest der vielheiligen Ahnin Kinder
Der Ehe, wehe!
Unvermählt, unbezwungen lassen fliehn!
Achte Strophe
Willst du nicht – wir dunkle,
Sonnenglutgewohnte Schar,
Wir kehren dann
Ein zum erdumnachteten,
Ein zum allaufnehmenden
Todes-Zeus mit flehendem Zweig,
Stumm in Schlingen sterbend,
Unerhört euch, ihr Götter droben!
O Zeus, Ios Gericht geißelt uns auch gottverhängt;
Das Unheil deines olympmächtgen Gemahls kenn ich; ein grauser Haß
Weht mir diesen Sturm zu.
Achte Gegenstrophe
Dann mit böser Rede
Wird man dein gedenken, Zeus,
Wenn du der Kuh
Knäbelein mißehretest,
Das du selbst dir einst gezeugt,
Wenn du von uns kehretest
Trotz unsres Flehns dein Antlitz!
Droben, Zeus! Hör in Gnaden unser Flehn!
[O Zeus, los Gericht geißelt uns auch gottverhängt!
Das Unheil deines olympmächtgen Gemahls kenn ich; ein grauser Haß
Weht mir diesen Sturm zu.]
DANAOS
Verständig, Kinder! Denn mit mir verständigem
Kamt ihr, dem meerfahrtkundgen, treuen Vater her.
Jetzt auf dem Land auch Schutz zu finden, rat ich euch,
Seid voller Vorsicht, meiner Worte wohlgedenk.
Ich seh des Heers lautlosen Boten schon, den Staub;
Auch schweigt der Naben achsentreibend Eilen nicht;
Und eine lanzentragende, schildbewehrte Schar
Seh ich mit Roß und Wagen prunkvoll schon sich nahn.
Die Fürsten dieses Landes werden wohl, gelockt