Die Sehnsucht der Krähentochter - Oliver Becker - E-Book + Hörbuch

Die Sehnsucht der Krähentochter E-Book und Hörbuch

Oliver Becker

4,9

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Beschreibung

Teichdorf im Schwarzwald um 1640. Nach drei ruhigen Jahren kehrt der Krieg zurück nach Baden. Doch noch schlimmer als das heranrückende französische Heer ist für die Teichdorfer Dorfbewohner die Bedrohung durch einen spanischen Söldnertrupp und die Heilige Inquisition. Selbst vor Hexenverbrennungen schreckt man nicht mehr zurück. Bernina, die Besitzerin des Petersthal-Hofes, ist in großer Sorge um ihre Mutter, die „Krähenfrau“, die aufgrund ihrer besonderen Heilkräfte ins Visier der Inquisitoren gerät. Als dann noch ihr Mann Anselmo verschwindet nehmen die schrecklichen Ereignisse ihren Lauf…

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Seitenzahl: 562

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Zeit:15 Std. 39 min

Sprecher:Petra Bechtler
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Oliver Becker

Die Sehnsucht der Krähentochter

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Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Julia Franze

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung des Bildes »Schlafendes Mädchen«

In Erinnerung an meinen Vater:

Kapitel 1Die Rückkehr der blauen Krähen

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, und sofort war Bernina hellwach. Aus dem Dunkel um sie herum stachen zwei helle Punkte: die blauen Augen ihres Mannes.

»Was ist los, Anselmo?«

Offenbar war das Kaminfeuer heruntergebrannt. Das Haus war schon wieder erfüllt von der kalten Luft eines überraschend bitteren, unfreundlichen Frühlings.

Die Hand löste sich von Berninas Schulter.

»Es geht um deine Mutter, Bernina.«

Die junge Frau schob die Wolldecke von ihrem Körper und glitt aus dem Bett. Ihre Augen hatten sich an die Finsternis gewöhnt. Die Umrisse von Anselmos hochgewachsenem, schlankem Körper sah sie ganz nahe vor sich. Ihre Hand ertastete das Kleid, das über der Stuhllehne hing. Mit einer raschen fließenden Bewegung warf sie es sich über das Unterkleid, in dem sie sich bald nach Einbruch der Dunkelheit schlafen gelegt hatte.

Erst als sie und Anselmo das Hauptgebäude des Petersthal-Hofes verließen, stellte Bernina Fragen.

»Was ist passiert? Was ist mit Mutter?«

Ihre Stimme hing etwas verloren in der klaren Nachtluft, deren Kälte sie sofort umschlang.

»Genaues weiß ich nicht. Aber ich befürchte, etwas wirklich Böses bahnt sich an. Morgen ist die Kirchenweihfeier.« Anselmo schien die nächsten Worte förmlich auszuspucken. »Das große Fest soll anscheinend mit Blut begonnen werden.«

»Und Mutter?«, fragte Bernina noch einmal. »Sie hat sich seit Tagen nicht mehr blicken lassen.«

»Angeblich hat man noch am frühen Abend mehrere Leute in Gewahrsam genommen. Vor allem Frauen, nur zwei oder drei Männer. Ich habe wirklich keine Ahnung, ob deine Mutter dabei ist. Allerdings würde es mich nicht wundern.«

Sie liefen schneller, und die Kälte um sie herum verlor sich ein wenig. Bernina fühlte erste Schweißtropfen auf ihrem Nacken. Ihr langes blondes Haar fiel bei jedem Schritt auf Schultern und Rücken.

»Wie hast du davon erfahren, Anselmo?«

»Baldus hat vorhin ans Küchenfenster geklopft und mir davon berichtet«, erklärte er im Laufen. »Ich hatte ihn am Mittag nach Teichdorf geschickt, damit er mir noch mehr von den großen Nägeln besorgt. Das letzte Unwetter hat dem Zaun schlimmer mitgespielt, als ich zuerst annahm.«

»Wann war Baldus bei dir?«

»Vorhin erst. Er hatte sich noch ein wenig im Gasthaus umgehört. Ich habe dich dann gleich geweckt.«

Baldus war ein Knecht, der seit einigen Monaten auf dem Hof aushalf. Er neigte nicht zu Übertreibungen, und für gewöhnlich war auf sein Wort Verlass. Weiterhin mit schnellem Schritt ließen Bernina und Anselmo das kleine abgelegene Tal hinter sich, in dem der Hof lag. Die schwarze Wand des Waldes schluckte sie. Holz knisterte, unter ihren Sohlen gab der weiche, von vielen Regenfällen getränkte Boden nach.

»Wie lange habe ich geschlafen, Anselmo?«

»Schon einige Zeit. Mitternacht ist gewiss nicht mehr fern.«

Berninas Blick schweifte kurz zwischen den Wipfeln hindurch zum Himmel. Davor klebten noch immer die Wolken der vergangenen Tage und nahmen die Sicht auf die Sterne. Nur die Sichel des Mondes ließ die Dunkelheit ein wenig splittern.

»Du warst sehr lange auf den Beinen«, sagte Bernina zu Anselmo, obwohl sie mit den Gedanken bei ihrer Mutter war.

»Ja, ich war überhaupt nicht müde. Und als ich mich dann doch hinlegen wollte, tauchte Baldus auf einmal auf.« In Anselmos Stimme lag etwas Ausweichendes, etwas, das Bernina fremd vorkam.

Bis nach Teichdorf war es nicht allzu weit. Der direkte Weg führte durch diesen Wald, doch bei Nacht war es fast unmöglich, schnell voranzukommen. Das Unterholz wurde mit jedem Schritt dichter.

»War das vorhin dein Ernst?«, fragte Bernina voller Sorge. »Du weißt schon: deine Bemerkung mit dem Blut.«

Das grimmige Nicken Anselmos fühlte sie mehr, als dass sie es wirklich sehen konnte. »Und ob. Egidius Blum will Blut sehen, darauf wette ich. Morgen kommt ein Kardinal, der die Kirche weihen soll. Und Blum wird ihm zeigen, dass Teichdorf ein Ort ist, der es Wert ist, von Gott beachtet zu werden. Da bietet es sich geradezu an, ein paar arme Seelen zu opfern.« Erneut war es, als würde er jede Silbe ausspucken.

»Vielleicht ist Blum gar nicht so furchtbar, wie du glaubst.«

»Vielleicht ist er aber auch noch viel schlimmer.« Anselmo glitt geschickt zwischen zwei Sträuchern hindurch. »Ich will dich nicht in noch größere Sorge versetzen, doch zurzeit ist es am besten, auf alles gefasst zu sein.«

Bernina erwiderte nichts darauf. Innerlich jedoch musste sie ihm recht geben. Ein Geräusch ließ sie zusammenzucken, ein lang gezogener Laut, der unter ihre Haut kroch und ihre Wirbelsäule entlang rieselte.

Einen Augenblick hielten sie beide inne. Anselmo legte beruhigend seine Hand auf ihre, nur ganz kurz, dann hasteten sie weiter.

»Das war ein Wolf«, zischte er, ohne die Lippen zu bewegen, begleitet von angestrengtem Atmen.

Wie zur Bestätigung erneut ein hohes, scheinbar nicht mehr enden wollendes Geheul. Irgendwo in ihrer Nähe, irgendwo in dem stockdunkel um sie wuchernden Wald.

»Es werden immer mehr«, flüsterte Bernina, einfach nur, um die eigene Stimme zu hören.

»Ja«, antwortete Anselmo rasch. »Die Wölfe trauen sich sogar bis nach Ippenheim. Ich habe gehört, dass sie jetzt schon Menschen angefallen haben.«

»Sie werden nicht nur zahlreicher. Sie werden auch immer gefährlicher, immer furchtloser.«

»Angeblich kommt demnächst ein Wolfsjäger nach Teichdorf, ein Mann, der sich auskennt mit den Biestern.«

»Hoffen wir es.«

Noch einmal beschleunigten sie ihren Schritt. Bernina lauschte angestrengt in den Wald. Ihr Körper spannte sich an. Etwas in ihr wartete fast schon darauf, jeden Moment von einem Wolf angesprungen zu werden. Doch trotz der Gefahr flirrten ihre Gedanken zurück zu ihrer Mutter. Zurück zur Krähenfrau. So wurde Adelheid von Falkenberg schon seit unzähligen Jahren in der ganzen Gegend genannt. Eine Frau, die man bei hartnäckigen Krankheiten gern wegen ihrer erfolgreichen Heilmethoden und Kräuterhilfen aufsuchte. Und die hinter vorgehaltener Hand allerdings auch als Wesen der Nacht, als Satansmagd, als Hexe bezeichnet wurde.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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