Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Dieses eBook: "Die Sklavin" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Ludwig Fulda begann seine schriftstellerische Laufbahn bereits während seines Studiums der Germanistik und Philosophie als Mitarbeiter einer historisch-kritischen Dichterausgabe, nachdem er zunächst eine kaufmännische Ausbildung abgebrochen hatte. Nach dem Abschluss seines Studiums an den Universitäten von Berlin, Leipzig und Heidelberg promovierte er 1883. Danach stellten sich die ersten Erfolge auf dem Theater ein, so dass er ab 1884 als freier Schriftsteller in München lebte (später zeitweise auch in Berlin). Mit Anbruch des Naturalismus näherte er sich dem sozialen Drama - "Die Sklavin". Er starb im Alter von 76 Jahren in Berlin durch Suizid. Aus dem Buch: "Waldeck. So? Kommt die schon wieder? Und wahrscheinlich ihr Vater auch? So viel sag' ich dir gleich: den ganzen Nachmittag will ich die Sippschaft nicht auf dem Hals haben. Eugenie. Das Mädchen hat keine Mutter mehr, und ich - ich habe kein Kind mehr. Da ist es doch sehr natürlich . . . Und Frau Lukas war meine Jugendfreundin. Waldeck. Den Menschen - den Lukas, den kann ich nicht ausstehen. Ein affektierter Kerl - mit seinem ewigen Trauerflor; wer ihm das wohl glaubt? Und was der sich einbildet - weil er Baumeister ist! Da ist er auch was Rechtes! - Nicht einmal seinen Wein kauft er von mir: dann braucht er ihn auch nicht an meinem Tisch zu trinken. In meinem Haus will ich nur Leute sehen, die mir angenehm sind; das ist doch das Wenigste, was ich verlangen kann. - (In anderm Ton.) Es ist kalt; leg noch ein bißchen nach im Ofen! (Während Eugenie sich dazu anschickt, klopft es.) Herein!"
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 143
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Schauspiel in vier Aufzügen
Inhaltsverzeichnis
Rudolf Waldeck, Weinhändler.
Eugenie, seine Frau.
Ihre Eltern: Kolb, Oberpostsekretär a. D. Frau Kolb
Friedrich Lukas, Baumeister.
Käthe, seine Tochter.
Theodor Steffens, Hotelier.
Susanne, seine Frau.
Dr. Viktor Ebeling, Rechtsanwalt.
Lina, Dienstmädchen bei Waldeck.
Ort der Handlung: Berlin.
Inhaltsverzeichnis
Speisezimmer bei Waldeck.
(Das Zimmer ist ein sogenanntes Berliner Zimmer. Es hat nur ein einziges großes Fenster, welches die linke, schräg abgestumpfte Ecke des Hintergrundes einnimmt, und durch welches man auf den Hof sieht. In der Hinterwand rechts ist die schmale Thür zum Flur [allgemeiner Auftritt]. In der rechten Seitenwand Thür zu den vorderen, in der linken Seitenwand Thür zu den hinteren Räumen der Wohnung. Die Einrichtung ist gut bürgerlich; ziemlich neu aussehende Dutzend-Möbel. Zwischen Fenster und Flurthür inmitten der Hinterwand ein großes Büffet; in der Mitte der Bühne ein runder Speisetisch; um denselben ein paar Rohrstühle; darüber mehrarmige Gaskrone. Rechts vorn ein Sofa und ein rundes Ziertischchen; links vorn ein Spieltisch. An den Wänden einige Photographien nach Gemälden und Oeldruckbilder. Hinter der rechten Seitenthür an der Wand großer Ofen. Vorn rechts eine kleine Wanduhr.)
Inhaltsverzeichnis
Waldeck (liegt auf dem Sofa in Schlafrock und Pantoffeln und schläft). Eugenie (ist mit) Lina (beschäftigt, den Speisetisch, auf dem vorher zu Mittag gegessen wurde, abzuräumen; sie schleichen auf den Zehenspitzen und sprechen im Flüsterton).
Eugenie. Ach richtig, Lina – das Fleisch haben Sie heute wieder zu sehr durchgebraten. Sie hörten doch: mein Mann will es immer halb englisch.
Lina. Na ja, wenn man erst ein paar Tage wo im Dienst ist – alles auf einmal behält man nicht.
Eugenie. Ich sag's auch nur, damit's nicht wieder geschieht. (Während Lina das Geschirr aufpackt, ängstlich.) Vorsichtig! . . . Nur kein Geklapper . . . so! Warten Sie . . . ich mach' Ihnen die Thür auf. (Sie schleicht zur Mittelthür und läßt Lina, die mit Tellern beladen ist, hinaus. Dann kehrt sie zum Tisch zurück und stellt mit großer Vorsicht die Gläser auf ein Brett, von Zeit zu Zeit nach ihrem Manne schielend. Das letzte Glas, das sie vom Tisch aufnimmt, berührt klirrend eins der andern; sie fährt erschrocken zusammen. Leise.) Ach Gott!
Waldeck(halb aufwachend, unwillig). Was ist denn los?
Eugenie. Nichts, gar nichts . . . ich habe nur . . .
Waldeck. Donnerwetter, du siehst doch, daß ich schlafe! (er wirft sich herum und schläft weiter.)
Lina(kommt zurück, geht zum Speisetisch, flüstert). Ich wollte noch fragen . . .
Eugenie(den Finger auf den Mund legend). Pst! – (Sie deutet ihr an, nach vorn links zu kommen. Dann im Vordergrund, leise.) Was wünschen Sie?
Lina. Ich wollte fragen, wann ich ausgehen kann?
Eugenie. Ja, ich weiß nicht recht . . . Mein Mann erwartet Besuch heut Nachmittag . . .
Lina. Meinen Ausgang am Sonntag, den hab' ich noch bei jeder Herrschaft gehabt.
Eugenie. Den haben Sie auch hier. Bleiben Sie nur bis nach dem Kaffee; dann werd' ich mir schon allein helfen.
Lina(brummt). Wenn's nicht anders ist . . . (Geht zum Tisch, nimmt das Gläserbrett.)
Eugenie(leistet ihr wieder bis zur Thür besorgten Beistand; an der Thür). Spülen Sie jetzt ab. Das hier bring' ich selbst in Ordnung.
Lina(ab Mitte).
Eugenie(hebt das Tischtuch ab, faltet es zusammen, legt es ins Büffet, nimmt von dessen Sims die Tischdecke und legt sie auf).
Waldeck(wird inzwischen wach, reckt sich, gähnt geräuschvoll, bleibt liegen). Uah – wie spät ist es?
Eugenie(sieht nach der Wanduhr). Gleich drei.
Waldeck. Erst? – Du hast mich wieder einmal nicht schlafen lassen.
Eugenie. Du schliefst über eine Stunde.
Waldeck. Am Sonntagnachmittag will ich mich ausschlafen, das könntest du jetzt bald wissen.
Eugenie. Wenn du nach Tisch nur ins Wohnzimmer gehen wolltest . . .
Waldeck. Mit dem verdammten Kamin? Bei der Hundekälte? Ich danke!
Eugenie. Voriges Mal warst du böse, weil der Tisch noch nicht abgeräumt war. Du legst dich gleich nach dem Essen um – da muß ich's thun, während du schläfst. Leiser kann man's unmöglich machen.
Waldeck. Man kann nicht! Alles kann man nicht! Aber einen Mann, der die ganze Woche arbeitet wie ein Gaul, um sein bißchen Ruhe bringen – das kann man.
Eugenie(schüchtern). Ich arbeite ja auch.
Waldeck. Gib mir 'ne Cigarre.
Eugenie(holt aus der Ecke eine Cigarrenschachtel und bringt sie ihm).
Waldeck. Und Feuer.
Eugenie(suchend). Lina muß die Streichhölzer weggenommen haben. Ich kann sie nicht finden. (Ruft durch die Mittelthür.) Lina – bringen Sie doch, bitte, eine Streichholzschachtel.
Waldeck. Nicht einmal ein paar lumpige Streichhölzer sind da, wenn man sie braucht.
Eugenie. Das neue Mädchen weiß noch nicht recht Bescheid; ich muß sie erst anlernen.
Waldeck. Das Mädchen! Sehr bequem, die Schuld immer auf das arme Mädchen zu schieben. Du bist doch auch noch da.
Lina(bringt die Schachtel, gibt sie Eugenie und geht wieder ab).
Eugenie(ist Waldeck behilflich, die Cigarre anzuzünden).
Waldeck(thut ein paar Züge, setzt sich auf und sieht sie an). Was machst du denn für ein Gesicht?
Eugenie. Soll ich vielleicht vergnügt aussehen, wenn du mich so behandelst?
Waldeck(etwas milder). Sei doch nicht närrisch! Laß doch die dummen Empfindlichkeiten!
Eugenie Empfindlich – das bin ich nicht.
Waldeck. Nicht? Was denn sonst? Wenn du immer gleich maulst, immer gleich beleidigt thust . . . Ist das deine Rücksicht?
Eugenie. Ich lebe nur für dich; ich lese dir jeden Wunsch von den Augen ab . . .
Waldeck. Na, und ich? Thu' ich das vielleicht nicht – was? Wirst du knapp gehalten? Keinen Groschen hab' ich dir je abgezogen vom Wirtschaftsgeld – und du brauchst wahrhaftig Geld genug. Und dazu meine Geschenke bei jeder Gelegenheit – zu deinem Geburtstag, jetzt wieder zu Weihnachten – und sonst? Dafür werd' ich doch das Recht haben, daß ich mich in meinem eigenen Haus nicht zu genieren brauche. – Du bist ganz einfach verwöhnt. So – jetzt hol' mir meinen Rock und die Stiefel. (Während Eugenie links abgeht, steht er auf und zieht den Schlafrock aus.)
Eugenie(kommt zurück mit Rock und Stiefeln, hilft ihm in den Rock und nimmt, während er die Stiefel anzieht, Schlafrock und Pantoffel).
Waldeck. So! – Hör' mal, Eugenie, du kannst gleich das neue Armband anlegen für heute Nachmittag.
Eugenie. Im Hause?
Waldeck. Wozu hab' ich dir's denn gegeben, wenn's niemand zu sehen kriegt?
Eugenie. Wie du willst. (Ab links.)
Waldeck(gähnt noch einmal, raucht und trommelt auf den Tisch).
Eugenie(kommt zurück mit einem goldenen Armband).
Waldeck. Gib mal her! (Er legt es ihr an.) Wenn die Steffens kommen – die haben für so was das richtige Verständnis. Daß du mir ja sehr freundlich zu Steffens bist – sehr freundlich!
Eugenie. Er sieht mich immer so unverschämt an – so herausfordernd.
Waldeck. Ach, das ist nur Gethue. Das meint er nicht schlimm. Die Hauptsache ist, daß man sich Geschäftsfreunde warm hält. Wo sollen denn die feineren Sorten getrunken werden, wenn nicht in seinem Hotel? Ein Geschäft mit dem – das bringt so viel ein, wie bei fünfzig kleinen Kunden zusammen. Und heute – (sich die Hände reibend) na, wenn der erst meinen neuen Keller sieht . . .
Eugenie. Und die Frau – kommt die auch, um den Keller zu sehen?
Waldeck. Natürlich! So was interessiert doch jeden gebildeten Menschen.
Eugenie. Ich glaube, die interessiert sich für ganz andre Sachen.
Waldeck. Laß sie doch; was geht's dich an? Lustige Leute, die ihr Leben genießen; sie haben's ja auch dazu. Bist du von zu Haus vielleicht an feinere Gesellschaft gewöhnt? So ein Umgang ist 'ne Ehre für uns, und gerade die Frau Steffens – von der kannst du eine ganze Menge lernen. Ueberhaupt, ein für allemal – wer mein Freund ist, der ist auch dein Freund – oder vielleicht nicht?
Eugenie. Ich hoffte nur, daß ich heute Zeit hätte, um mit Käthe Lukas –
Waldeck. So? Kommt die schon wieder? Und wahrscheinlich ihr Vater auch? So viel sag' ich dir gleich: den ganzen Nachmittag will ich die Sippschaft nicht auf dem Hals haben.
Eugenie. Das Mädchen hat keine Mutter mehr, und ich – ich habe kein Kind mehr. Da ist es doch sehr natürlich . . . Und Frau Lukas war meine Jugendfreundin.
Waldeck. Den Menschen – den Lukas, den kann ich nicht ausstehen. Ein affektierter Kerl – mit seinem ewigen Trauerflor; wer ihm das wohl glaubt? Und was der sich einbildet – weil er Baumeister ist! Da ist er auch was Rechtes! – Nicht einmal seinen Wein kauft er von mir: dann braucht er ihn auch nicht an meinem Tisch zu trinken. In meinem Haus will ich nur Leute sehen, die mir angenehm sind; das ist doch das Wenigste, was ich verlangen kann. – (In anderm Ton.) Es ist kalt; leg noch ein bißchen nach im Ofen! (Während Eugenie sich dazu anschickt, klopft es.) Herein!
Inhaltsverzeichnis
Vorige. Steffens. Susanne Steffens.
Steffens(ein Mann von etwa fünfzig Jahren, gesucht jugendlich gekleidet). Bonjour!
Waldeck(sehr liebenswürdig, mit einem Schlag sein ganzes Wesen verändernd). Ach – das ist reizend!
Susanne(über zwanzig Jahre jünger als ihr Mann; in eleganter Toilette). Guten Tag, Herr Waldeck; guten Tag, meine Liebe! Ich fürchte, wir kommen zu früh; aber mein Mann . . .
Steffens. Ja, ich dachte, wir könnten uns nachher einen kleinen Skat leisten.
Waldeck. Famos! Ganz einverstanden! Wenn sich ein dritter Mann findet . . .
Steffens(Eugenie zudringlich liebenswürdig die Hand küssend). Wie geht's, reizende Frau? Immer wohl? Immer fidel?
Eugenie. Ich danke – so, so.
Steffens. Eine Bärenkälte draußen.
Waldeck. Jawohl, strenger Winter das. Deshalb empfangen wir Sie auch hier und nicht im Salong; es heizt sich besser. – Liebe Eugenie, sei doch so gut und sag dem Mädchen, daß sie noch ein bißchen nachlegt.
Eugenie. Das kann ich ja selbst. (Sie geht zum Ofen und legt Kohlen ein.)
Waldeck(zu Steffens). Donnerwetter, wie Ihre Frau wieder elegant ist. Kolossal geschmackvoll!
Susanne(lächelnd zu Eugenie). Immer galant – Ihr Mann.
Waldeck. Nur aufrichtig, gnädige Frau – nur aufrichtig.
Susanne. Ein ganz einfaches Winterkostüm.
Waldeck. Eugenie, so eines mußt du dir auch machen lassen. Das ist sicher das Feinste.
Steffens. Aber auch unverschämt teuer – parbleu.
Waldeck. Teuer? Für Herrn Theodor Steffens? Sie Spaßvogel. – Na, wir thun auch, was wir können. – Eugenie, zeig doch mal dein neues Armband. Hast du's an? Ja? Nun, da hören wir endlich ein maßgebendes Urteil.
Eugenie. Hier.
Susanne. Wirklich ganz allerliebst.
Steffens(nimmt Eugeniens Arm, den sie ihm ungern überläßt). Dazu gehört aber auch so ein Händchen – und so ein Arm. –
Waldeck. Für meine Frau ist mir nichts zu viel.
Susanne. Da hörst du's, Theodor; nimm dir ein gutes Beispiel dran. (Setzt sich.)
Steffens(bis jetzt in Betrachtung des Armbandes versunken). Wie?
Waldeck. Was macht das Hotel? Immer gesteckt voll – was?
Steffens. Die Masse bringt's nicht.
Waldeck. Aber Sie haben doch nur hochfeines Publikum!
Steffens. Schlechte Zeiten! Es wird nichts mehr getrunken.
Waldeck. Nun – das lassen Sie nur meine Sorge sein. Ich hätte für Sie ein paar Marken . . . Wollen Sie jetzt gleich meinen neuen Keller sehn – oder erst nach dem Kaffee?
Steffens. Toute même chose. – Sie glauben also, daß wir einen dritten Mann bekommen?
Waldeck. Aber sicher. Mein Schwiegervater – oder sonst jemand. Eugenie – Frau Steffens wünscht vielleicht ein Fußbänkchen.
Susanne. Nein, ich danke. Das ist gar nicht mehr modern.
Waldeck. Wenn Sie jetzt vielleicht mit hinunter wollen . . .
Susanne. Ich schlage vor, wir warten noch ein wenig, Herr Waldeck. Da ist nämlich noch jemand, der diese Exkursion gern mitmachen möchte.
Waldeck. Ei! Wer denn?
Susanne. Herr Doktor Ebeling. Sie kennen ihn doch?
Waldeck. Der Advokat?
Steffens. Mein Anwalt.
Susanne. Ein großer Freund von Wein und speziell von dem Ihrigen. Als ich ihn vorgestern traf, sagte ich ihm so beiläufig, daß wir heut Ihren Keller zu sehen bekommen. Da meinte er, das würde auch ihm viel Vergnügen machen.
Waldeck. Aeußerst schmeichelhaft. Hätte ich nur gewußt . . . ich hätte ihn eingeladen . . .
Susanne. Ich habe es in Ihrem Namen gethan – auf eigene Gefahr. Ich hoffe, Sie werden mir Absolution erteilen.
Waldeck. Aber selbstverständlich. Ist mir 'ne große Ehre.
Steffens. Sonderbar. Von dieser Passion hab' ich bei dem Doktor nie was bemerkt.
Susanne. Doktor Ebeling ist von seltener Vielseitigkeit. Er hat Sinn für alles. Aber seine Spezialität – das ist die Frauenfrage. (Zu Eugenie.) Haben Sie ihn einmal reden hören?
Eugenie. Nein, noch nicht. Ich habe so wenig Zeit . . .
Susanne. Glänzend, sage ich Ihnen – und überzeugend. Sein Vortrag neulich über die Frau der Zukunft – ich versichere Ihnen, da kann es den Frauen leid thun, daß sie nicht hundert Jahre später auf die Welt gekommen sind.
Steffens. Ihren Männern auch – hä hä!
Waldeck(laut lachend). Ausgezeichnet! Das haben Sie gut gemacht. Ihren Männern auch! Das nehm' ich in Kommission.
Steffens. Wenn's zur Emanzipation kommt – mir kann's recht sein. Da sind die Frauen überall mit dabei, beim Reichstag und beim Militär. Das gibt ein Soldatenleben! Was meinen Sie, Frau Waldeck, wenn wir beide zusammen in den Krieg ziehen? Das wird fidel – sapristi!
Waldeck. Sehr fidel – ha ha!
Susanne. O nein – die Frauen werden allein in den Krieg ziehen – gegen die Männer.
Waldeck. Dann lassen wir uns alle gleich gefangen nehmen.
Steffens. Großartig! (Sie lachen.)
Susanne(zu Eugenie). Da lachen unsere gestrengen Herren. Aber wir wollen ihnen schon beweisen, daß es einmal anders wird.
Eugenie. Ich glaube, es wird so bleiben, wie es ist.
(Es klopft.)
Waldeck. Aha, da kommt er. – Herein!
Inhaltsverzeichnis
Vorige. Ebeling.
Ebeling(Mann im Anfang der Dreißig, in seinem Auftreten durchaus Weltmann, mit einem Stich ins Kokette). Ich weiß wirklich nicht, ob ich wagen darf . . .
Susanne(ihm entgegengehend). Nur Mut, Herr Doktor. (Mit leichter Beziehung.) Sie werden bereits mit Ungeduld erwartet.
Ebeling(ihr die Hand küssend). Ah! – (Tauscht einen Gruß mit Steffens.)
Susanne(stellt vor). Herr Rechtsanwalt Ebeling – Herr und Frau Waldeck.
Ebeling. Verehrter Herr Waldeck – Sie sind mir kein Fremder mehr. Es steht schon in der Bibel: »An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen«.
Waldeck(lacht). Sehr gut! – Die Früchte sind flüssig – was?
Ebeling. Das versteht sich. (Zu Eugenie.) Gnädige Frau, Sie verzeihen dem Eindringling; aber das begreifliche Interesse für die Fortschritte unserer Industrie . . .
Eugenie. Sie sind willkommen, Herr Doktor.
Waldeck. Meine Frau nimmt mir das Wort vom Mund. Sie werden Augen machen! Alles neueste Einrichtung – und elektrisches Licht dazu. Hat noch keiner von der Konkurrenz.
Steffens. Sagen Sie, Doktor – Sie spielen doch Skat?
Ebeling. Selbstverständlich.
Steffens. Süperb! Da hätten wir ja gleich den dritten Mann.
Ebeling(wechselt einen raschen Blick mit Susanne). Heute? – Nein, das ist mir leider unmöglich. Ich habe noch allerlei Verpflichtungen . . .
Steffens. Schade!
Waldeck. Also – dann könnten wir jetzt hinuntergehen.
Steffens. Pardon – nur eine Minute. – Ich wollte Sie noch etwas fragen – was Geschäftliches. (Er zieht ihn nach dem Vordergrund links, während Eugenie vorn rechts Ebeling und Susanne zum Sitzen einladet.)
Waldeck. Was denn?
Steffens(halblaut). Wissen Sie – es liegt mir viel dran, daß der Skat zu stande kommt. Ich kann sonst meine Frau nicht gut los werden.
Waldeck. Aha, Sie Schwerenöter!
Steffens. Eine kleine Verabredung zu heute Abend – in lustiger Gesellschaft – ganz unschuldig, parole d'honneur. Aber sie braucht nicht gerade zu wissen, wo ich hingehe. Und wenn ich hier allein zurückbleiben kann . . .
Waldeck. Wollen wir schon machen.
Steffens. Aber so, daß sie nichts merkt. Ich denke mir, am besten – – (Er nimmt ihn unter den Arm und geht mit ihm nach hinten zum Fenster, wo sie miteinander flüstern und ab und zu lachen.)
Susanne(vorn rechts zu Ebeling). Ich bin schon fertig mit dem Buch, das Sie mir geliehen haben. Ich habe es mitgebracht, um es Ihnen hier zurückzugeben – mit schönstem Dank. (Sie nimmt aus ihrer Muffe ein broschiertes Buch und gibt es ihm.)
Ebeling. Hat es Ihnen gefallen?
Susanne. Jedes Wort ist mir aus der Seele gesprochen.
Eugenie. Was ist es denn?
Ebeling. »Die Hörigkeit der Frau« – die berühmte Schrift von John Stuart Mill, dem geistvollen Vorkämpfer für die Frauenrechte.
Eugenie. Glauben Sie, daß ich das auch verstehen könnte?
Ebeling. Aber warum denn nicht?
Susanne. Es ist ziemlich schwer geschrieben.
Eugenie. Ich komme so selten zum Lesen; ich bin ganz aus der Uebung. – (Zu Ebeling.) Wäre es sehr unbescheiden, wenn ich Sie ersuchen würde, mir das Buch zu borgen?
Ebeling. Bitte sehr, mit dem größten Vergnügen. (Er gibt es ihr.)
Susanne(sucht ihr Erschrecken zu verbergen; zu Eugenie). Ach, meine Liebe, es wird hier doch ein wenig heiß. Könnte ich vielleicht ein Glas Wasser haben?
Eugenie. Sogleich. (Sie steht auf, legt das Buch auf das Tischchen und geht nach der Mittelthür.)
Waldeck(es bemerkend). Eugenie, sag bitte gleich dem Mädchen, daß sie nachher den Kaffeetisch deckt. (Er spricht weiter sehr angelegentlich mit Steffens.)
Eugenie(ab Mitte).
Susanne(halblaut und sehr schnell, wie überhaupt der ganze folgende Dialog in raschestem Tempo). Herrgott, bin ich erschrocken! Es ist ja ein Brief in dem Buch.
Ebeling. An mich? Wie unvorsichtig! (Nimmt behutsam den Brief aus dem Buch und steckt ihn schnell ein.)
Susanne. Ich wußte ja nicht, ob wir hier einen Moment allein sein könnten.
Ebeling. Weshalb dann die ganze Komödie mit dem Weinkeller?
Susanne