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Aufstieg, Fall und Auferstehung eines Boulevard-Journalisten. Durch böse Kräfte des Schicksals schlittert er in seinen Untergang, strandet auf Mallorca und findet hier durch das Lächeln eines Kindes den Weg ins Glück zurück. Zugleich erkennt er die die Zusammenhänge seiner Erlebnisse und damit die echte Bestimmung seines Lebens. Der authentische Roman aus 4. Teilen beinhaltet alle Ingredienzien, aus denen Erfolg gewoben wird: Romantik, traumhaft schöne Locations, Geheimtipps, Einblicke hinter die Kulissen der Tourismusindustrie und Amüsantes aus dem Arbeitsalltags der Presse. Die Garnitur besteht aus Auftritten schöner Frauen, einem Hauch von Erotik, schnellen Autos, gutem Essen und exklusiven Yachten. Hochkarätige Prominenz wie Gunther Sachs, Roger Moore und UNESCO-Sonderbotschafterin Ute-Henriette Ohoven spielen eine Rolle. Die Story führt zu einem Plot, in dem ein Hilfsprojekt von glücklichen Kindern für Kinder in Not steckt. Neben einem möglichen beachtlichen Hilfs-Volumen vereint es hohe moralische und ethische Werte. 1. Meer als Urlaub Aus der Perspektive von Twens werden die Abenteuer erzählt, die sie während einer Mallorca-Umrundung mit einem gecharterten Schiff erleben. 2. Unter dem Regenbogen Höhen und Tiefen eines Pressefotografen in der Zusammenarbeit mit Stars jeglicher Couleur. Am Ende verliert er durch die Habgier prominenter Künstler und die zerstörerische Kraft einer eifersüchtigen Frau seine Existenz. 3. Die mallorquinischen vier Jahreszeiten Fast mittellos und am Ende seiner Kräfte wird er vom Schicksal nach Mallorca gespült. Hier kämpft er sich auf abenteuerlichen Wegen ins Leben zurück und erarbeitet sich eine unerwartete, neue berufliche Perspektive. 4. Der Aufstieg: Mission der Sterne Unter der Sonne und den Sternen des Südens findet er seine neue Liebe, erkennt die wahre Mission seines Lebens und die Kausalitäten des Zufalls.
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Seitenzahl: 797
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Besonderer Dank gilt den Staaten, Unternehmen und Institutionen für die Unterstützung während der Entwicklung des vorliegenden Romans:
Der Regierung der Bundesrepublik Deutschland
Der Regierung der balearischen Inseln
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization/
Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur
Dank gilt auch meinen Freunden, die mich in vielen Variationen
bei der Arbeit unterstützt haben:
In alphabetischer Reihenfolge:
Andreas Alber, Thomas Alber, Ulrich Alber, Michou Pascale Eliane Anderson, Oliver Ast, Karin Bauer, Hans Joachim Beck, Frank Bruchmann, Karl-Peter Ebner, Wulf Gerstenmaier, Claus Happel, Sigurd Huonker, Manfred Klein, Adi Kotapski, Frank-, Ilka- und Patrick Klose, Frank Luger, Ludwig Maag, Ekkehard Maerker, Ralph Maier, Peter Menne, Ralf Müller, Jörg Reinecke, Jörg-Michael Reuther, Bernd und Frank-Peter Seeger, Jochen Siemens/Stern, Ralf Schmid, Dieter und Freddy Witzemann sowie Thomas Zundel.
Die Ehre eines persönlichen Gastspiels in dieser Geschichte gibt sich:
In alphabetischer Reihenfolge:
Generalkonsul Senator E. h. Dr. Helmut Baur, Uschi Bauer und Viktor Remmelt, Costa-, Lucas- und Angeliki Cordalis, Anja Fichtel, Joachim Fürst zu Fürstenberg, Gotthilf Fischer, Simone Heesters-Rethel und Johannes Heesters, Gerd Käfer, Matthias Kühn, Ruth Maria Kubitschek, Peter Maffay, Judith und Mel, UNESCO-Sonderbotschafterin Dr. h.c. Ute-Henriette Ohoven, Peter Petrel, Christina Plate, Michael Prinz von Preußen, Kira Prinzessin von Preußen, Wolfgang Rademann, Heinz Rühmann, Gunter Sachs, Lothar Späth, René Staud, Erik Sylvester und Marlene Stommelen, Luis Trenker, Harry Wijnvoord und Klaus-Jürgen Wussow.
Man kann nicht ganz Mallorca in einer Woche kennenlernen. Auch nicht in vierzehn Tagen. Dazu ist die Insel viel zu Facettenreich. Alleine für die Inselhauptstadt braucht man dazu fast zwei Jahre. Nirgendwo auf der Welt lebt es sich so gut wie in Palma de Mallorca. Zu diesem Schluss ist die britische Zeitung "The Sunday Times" in einem Ranking von 50 Städten weltweit gekommen, das am Sonntag 22.3.2015 veröffentlicht wurde.
Zusammengestellt wurde die Liste "Best Places to live in the world" auf der Basis von Einschätzungen von Reiseexperten der Zeitung, die Daten über Klima, Landschaft, Lebensqualität, die Anzahl der Sternerestaurants, das überragende kulturelle Angebot sowie die Offenheit für die Integration von Zuwanderern zusammentrugen. Laut "Times" verfügt Palma de Mallorca dazu über eine malerische Altstadt, nahegelegene Strände sowie ein außergewöhnliches Klima. Verwiesen wird zudem auf die gastronomischen Traditionen, die hervorragende Verkehrsanbindung sowie auf die Tatsache, dass die Stadt das Eingangstor zur zauberhaften Insel Mallorca sei. Im Gegensatz zu Urlauberhochburgen, wie es sie zahlreich auf dem spanischen Festland gibt, habe sich die Balearen-Hauptstadt souverän Charakter, Tradition und Exklusivität bewahrt.
Ich muss immer schmunzeln, wenn ich in Deutschland Leute treffe, die mir vollmundig erzählen: „Wir kennen Mallorca!“ Und auf Nachfrage erfahre ich dann mit Staunen, dass Sie tatsächlich schon ein ganzes verlängertes Wochenende dort waren. Und dieses Wochenende vermutlich gut betankt am Ballermann 6 durchgebracht haben.
Die Locations und Landschaften, in denen sich die, in diesem Buch erzählten Geschichten ereignet haben, sind fast ausschließlich sehr sorgfältig ausgewählte Hotspots der schönsten Insel der Welt. Manche Orte sind noch echte Geheimtipps. Andere sind durchaus schon Dritten bekannt, gehören jedoch einfach zu einem Besuch auf Mallorca mit dazu. Folgen Sie den Akteuren des Romans zu den Lokalitäten, an denen ihre faszinierenden Schicksale ihren Lauf genommen haben. Jeder, der nur einen kleinen Teil dieser Ziele eines Tages persönlich besucht, darf sicher sein, einen unvergesslichen, erinnerungsreichen Aufenthalt auf Mallorca zu erleben.
Alle diese Anregungen können nicht innerhalb von einer Woche abklappert werden. Das wäre Stress und kein Reisevergnügen. Jeder kann sich nach eigenem Gusto auswählen, welche der beschriebenen Ziele seinen Interessen am ehesten nahe kommen. Oder welche in der Nähe seines Urlaubdomizils liegen. Es gibt darüber hinaus viele, hier nicht beschriebenen, angenehme Überraschungen am Wegesrand, die gesammelt werden können. Die Erzählungen erheben nicht den Anspruch, alle Highlights von Mallorca vollständig einzubeziehen. Sollte ein mallorquinischer Ort in diesem Buch nicht zu finden sein, bedeutet das lange nicht, dass es dort nichts Schönes zu entdecken gibt.
Viel Spaß beim Lesen und
Entdeckungsfreude beim Reisen.
Herzlichst,
Meer als Urlaub
Intro
Prolog
El Terreno und Johnnie Walker
Öffentliche Auftritte der Nationen
Die armen zweiten und dritten Söhne der reichen Bauern
Die neue Entdeckung von Mallorca
Palma und die Kathedrale des Lichts
Bunkern mit Hindernissen
Die Champions von Can Pastilla
Ein lehrreicher Moto-Cross Trip mit fatalem Ende
Hunde-Weihnachten an der Playa de Palma
Port d’Andratx und die Reichen und Schönen
Port de Sóller und ein unfreiwilliger Schwimm-Marathon
Seemannsquiz in Cala Rajada
Der gute Kern in allem Übel
Porto Cristo und ein abgestürztes Boot
Eine Show in der Werft von Porto Cristo
Cabrera und der liebe Gott
Karibikflair und Leergutentsorgung mit Schockstarre
Unterwegs zu neuen Ufern
Die Engel von Menton
Unter dem Regenbogen
Kettengerassel zur Sicherheit
Piratenglück
Undercover Mission
Nervenkitzel im Schnee und ein Traumhaus
Der Besuch der Königin
Ein gemeinsames Geheimnis
Willkommen, genehmigt oder auf Befehl
Ein 12 Kilometer langer Kuss
Kühnste Schuhträume und ihre Erfüllung
Erotik der Elite
Dinner mit dem Kapitän
Zucker im Kaffee
Costa Cordalis und seine Seeräubertruppe auf Safari
Zu Besuch im Herrenhaus
Das geheime Versteck des Königs von Mallorca
Eine Seefahrt mit fröhlicher Note
Betrachtungen über Rauch
Der alte Mann und das Meer
Die Kaiser der Rokoko-Musik
Fincas, Gärten und Showtime
Kulturelle Aktivitäten von Michael Douglas
Der Ausstieg: Vier Jahreszeiten auf Mallorca
Aufbruch zum Umbruch
Tapas zur Begrüßung
Ein Patio und tausend Fragen
Es ist gut
Robinson und das Schlaraffenland
Ein Chirinquito und eitle Papageien
Harley Davidson und Depressionen
Carajillo in Santa Catalina
Gelassenheit und eine spektakuläre Polizeiaktion
Glühwein und Karaoke
Winterzeit im Süden
James Bond in Not
Dinner nach Art der Mafia
Trauben um Mitternacht
Mandelblüte und Hungertod
Im verborgenen Tal der Weine
Hochwürden und die Botschafterin
Zufällig in die Präsidentensuite
Lucullus im Schlosshotel
Schmuggler und José, der bekannte Schiffseigner
Die kubanische Polizei und der Zufall der größten Karibikinsel
Exkursionen durchs Revier der Zukunft
Der schönste Pool auf der schönsten Insel der Welt
Wie man sich von der Hölle freikaufen kann
Meine ersten Gäste
Kinder und Mallorcas Rattenfänger von Hameln
Auf dem Strich unter dem Strich
Engel am Strand
Die Philosophie Tabaluga
Begegnung der dritten Art
Atemlos durch die Nacht
Woman in Red
Die Problematik der vier Jahreszeiten
Vollmond, Strand und Treter
Hiersodas und Sodarums
Der röhrende Hirsch
Überraschung für einen Ganoven
Der Aufstieg: Mission der Sterne
Betrachtungen über Rindviecher und Schafe
Die Göttliche Erleuchtung
Verheißungsvolle Wendungen
Eine schwangere Elefantenkuh erwartet den Herbstmond
Gesichter des Paradieses
Graf Koks von der Halde
Eine prickelnde Geburtstagsparty
Das Töchterchen von Bill Gates und Action rund um den Globus
Feuer und Eis in Son Serra de Marina
Und wir gehen ins Maxim
Durchlaucht und durchzecht
Warum Walter Scheel an seinem Geburtstag warten musste
Kostenlose Eiswürfel und ein waffenscheinpflichtiger Bikini
Weshalb Johannes Heesters kein Zyniker ist
Euphorie und ihre Dämpfer
Hiobsbotschaften
Die weiße Überraschung
Wehmütiger Abschied
Wo der liebe Gott auf Erden weilt
Überirdisch zum Immobilientraum
Ein traumhaftes Intermezzo
Das beste Frühstück der Welt
Endlich Satisfaction
Das Wunder von der Playa de Palma
Über die Aufenthaltsdauer in Straßencafés
Ein hartes Match
Was man alles mit Walkie-Talkies machen kann
Der blanke Horror weißer Handtücher
Wilde Spekulationen
High Life für Bodyguards
Der schönste Weg ins neue Jahr
Die „YES!“ Philosophie
Unverhoffte präsidiale Schützenhilfe
Schläge in die Magengrube
Multikulturelle „Fine Fushion“
Wie die Rolling Stones
Die Sterne am Himmelszelt
Paradiese für Lottodoktores
Epilog
VIP-Echo/Leserstimmen
Mallorca-Hotspot-Rally
Quellenangaben
Den Zufall gibt die Vorsehung,
zum Zwecke muss ihn der Mensch gestalten
Johann Christoph Friedrich von Schiller (1759 - 1805),
deutscher Dichter und Dramatiker. Quelle: Schiller, Don Carlos,
Infant von Spanien, Erstdruck des ganzen Dramas Leipzig 1787
Intro
„Manchmal geh‘ ich meine Straße ohne Blick,
manchmal wünsch ich mir mein Schaukelpferd zurück.
Manchmal bin ich ohne Rast und Ruh,
manchmal schließ ich alle Türen nach mir zu.
Manchmal ist mir kalt und manchmal heiß,
manchmal weiß ich nicht mehr was ich weiß.
Manchmal bin ich schon am Morgen müd',
und dann such ich Trost in einem Lied.
Über sieben Brücken musst Du gehen,
sieben dunkle Jahre überstehn,
siebenmal wirst Du die Asche sein,
aber einmal auch der helle Schein.
Manchmal scheint die Uhr des Lebens still zu stehn,
manchmal scheint man immer nur im Kreis zu gehen,
manchmal ist man wie von Fernweh krank,
manchmal sitzt man still auf einer Bank.
Manchmal greift man nach der ganzen Welt,
manchmal meint man, dass der Glücksstern fehlt.
Manchmal nimmt man, wo man lieber geht,
manchmal hasst man das, was man doch liebt.“
Dieses wunderbare Lied, ursprünglich von Karat, von Peter Maffay zum Super-Hit gemacht, war schon mein ganzes Leben lang in manchen schweren Stunden mein Trost und der Motor dafür, immer wieder weiter zu gehen. Diese verflixten „Sieben Brücken“ mussten ja irgendwann einmal überwunden sein. Doch ich hätte mir niemals träumen lassen, dass ich eines Tages tatsächlich persönlich mit Peter Maffay über diesen Song und seine Bedeutung sprechen würde.
Während meiner Zeit auf Mallorca wohnte ich eine lange Weile in Palmas westlichem Stadtteil El Terreno. Eine Zeit wahrlich ohne jede Langeweile. Ursprünglich entstand El Terreno in den späten Jahren des neunzehnten Jahrhunderts. Zur Jahrhundertwende war es Wochenend- und Feriendomizil der bürgerlichen Oberschicht von Palma. Bis heute hat sich El Terreno seinen dörflichen, mittlerweile leicht maroden Charakter bewahrt. Verbunden mit einem großen künstlerischen Charme. Das verwunschene Wohnviertel am Fuße des Castillo de Bellver erhält sein Ambiente durch die alten Kolonialstilhäuer. Am Hang gelegen zeichnet es sich durch verwinkelte, schmale Sträßchen, wilde Gärten und wahr gewordene Traumhäuser längst vergangener Zeit aus. Man fühlt sich zurückversetzt in alte Zeiten, wenn man durch die engen Sträßchen geht. Gleichzeitig ist man nur wenige hundert Meter entfernt vom mondänen Paseo Maritimo mit seinen zahlreichen Angeboten für das Nachtleben, dem YachtClub und dem Hafen. Im El Terreno gibt es heute viele urige Bars und Kneipen, wie zum Beispiel die „Posada de Bellver.“ „Pa amb oli“, mallorquinisches Brot mit Öl und verschiedenen Belägen wird hier serviert. Dazu Live-Musik, in einem sehr eigenwilligen Ambiente. Und das nahezu klassische „Hostal Corona.“ Ein Jugendstilgebäude mit großem Patio, in dem man bei entspannter Musik im Innenhof sitzt. Oft gibt es hier wechselnde Ausstellungen. Ein kleines Restaurant im ersten Stock bietet mediterrane Spezialitäten. Unzählige Stufen führen direkt zur Burg der schönen Aussicht. Ein weitläufiger Park lädt zum Spazieren, Joggen und Mountainbiken ein. Der Spielplatz mit Seilbahn lässt Kinderherzen höher schlagen. Von dort oben hat man den perfekten Ausblick über ganz Palma. Als man feststellte, dass die Menschen in diesem Bezirk das ganze Jahr über lebten, entstand eine umfangreiche Infrastruktur. Es gibt kleine Bäckereien, Lebensmittelgeschäfte, Supermärkte, Friseure, eine Zimmerei, Metzger, Molkereien, Schuhgeschäfte, Kfz-und Motorrad Reparaturwerkstätten, einen Schmied, eine Apotheke, Tabakwaren, Reisebüros, eine Post, zwei Bordelle und heutzutage jede Menge Discotheken. Diese Letztgenannten sind vor allem ein sehr beliebter Ort für die junge amüsierwütende Jugend von Palma. Rund um den zentral gelegenen, U-förmigen „Plaça Gomila“ gibt es alleine fünf großräumige Untergrund-Discos unterschiedlichen Unterhaltungs Charakters. Steile Treppen führen von allen Ecken des Platzes, den Insider „Plaça Gorilla“ nennen, hinunter in die flackernd zuckende, dunkle und laute Nacht. Schon in den 60er, 70er und 80er Jahren war hier der Treffpunkt der Jugend in der mallorquinischen Hauptstadt. Mitten auf der Plaça Gomila befindet sich eine „Johnnie-Walker-Bar“, der ich gelegentlich einen Besuch abstattete. Hier gibt es nicht nur den schottischenBlend-Whisky, sondern auch leckere Hamburger und Hotdogs. „Peros caliente“, wie der Spanier sagt. Und die „Toten Hosen“ heißen in Spanien überraschenderweise „Las pantalones mujertes.“ Der Drink meiner Kragenweite war der nur drei Jahre alte Johnnie Walker Red Label. Die Abfüllungen des Green Label, Blended Malt Whisky, 15 Jahre und Gold Label, 18 Jahre wurden im Jahr 2012 eingestellt. Insbesondere die Preise für Restbestände des sehr beliebten Green Label sind danach in die Höhe geschnellt. Beide weit außerhalb meines finanziellen Leistungsvermögens. Oft genoss ich das bunte Treiben der durchgestylten Discogänger- und Gängerinnen um mich herum, die hier scheinbar ihre ersten Küsse erlebten. Irgendwann musste ich kurz dahin gehen, wo nach der Überlieferung selbst Könige alleine hin zu gehen pflegen. Durch die Hinterlassenschaft eines halbvollen Glases des meist-verkauften Scotch Whiskys der Welt und meiner Zigaretten nebst Feuerzeug glaubte ich, meinen Sitzplatzanspruch ausreichend gesichert zu haben. Doch als ich zurückkam, hatte sich ein Engländer dort breit gemacht. Einigermaßen erbost sagte ich zu ihm: “This is my Place!“
„There was not your name written on it“, antwortete er frech. Ich blickte um mich herum, sah die schwarzen Plastiksessel, alle verziert mit dem goldenen Schriftzug „Johnnie Walker.“
Scherzhaft packte ich ihn am Kragen und sagte: „Listen! My name is Walker. Johnnie Walker! And if you can read, you’ll see, that my name is written on it.“ Er drehte sich um, sah den Schriftzug und musste laut lachen. Für den Rest des Abends waren meine Drinks bezahlt und wir hatten viel Spaß. Gutsituierte Engländer sind meist sehr spendabel.
Und dann war da noch Manolo. Für Mallorquiner ist der Gang zu Behörden oder auf den Wochenmarkt etwas ganz besonderes. Ein gesellschaftliches Ereignis. Der feinste Zwirn kommt aus dem Schrank, man kleidet sich so elegant, wie man eben nur kann. Selbst die ganz Armen kommen da durchaus passabel des Weges. Man freut sich ja wirklich über die vielen Gäste aus Deutschland. Nur, dass diese sich meist über dem prallen weißen Bauch mit bis zum letzten Knopf geöffneten Hawaii-Hemden in Shorts und Badelatschen in Städten und Dörfern präsentieren, will einfach nicht so recht gefallen.
Mallorca ist mit einer Küstenlänge von viermal ca. 100 km flächenmäsig fast so groß wie das Schwabenland zwischen Ulm, Freiburg, Stuttgart und Konstanz. Ihr teilweise schlechtes Image verdankt die Insel einem nur ca. 300 m langen Strandabschnitt an der sonst wunderschönen 12 km langen Playa de Palma. Hier ist der berühmt berüchtigte Ballermann, die Strandbar Balneario 6. Hier vergessen scheinbar ein guter Teil der deutschen Insel-Besucher, die hier im Rhythmus der alljährlichen Wiederkehr einer ungeliebten Jahreszeit erscheinen, selbst die rudimentärsten Elemente ihrer Erziehung. Ghettoblaster in allen Himmelsrichtungen versuchen sich gegenseitig zu überbieten. Gespielt wird nur bestes deutsches Liedgut: „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei“ ist so unvermeidlich wie die Geschichte von dem roten Pferd, das sich ständig umdreht. Hinzu kommt dann noch die derzeit nirgendwo vermisste grässliche Helene Fischer. Kein Wunder, dass da Sangria, Wodka-Cola und desgleichen mehr in unversiegbaren Strömen durch meterlange Strohalme fließt. Wie die Beine einer Spinne stecken die Trinkrohre in Plastikkübeln. Mit Vollgas hinein in die durstigen Kehlen. Doch der Durst scheint unter der Sonne des Südens kaum zu stillen sein. Dementsprechend wird das begleitende Gegröle der Konsumenten, je später am Tag, desto geistreicher. Man kann sich leicht vorstellen, dass der zufällig vorbeikommende Mallorquiner nicht unbedingt den allerbesten Eindruck von den Deutschen gewinnt. Ein echtes Glück, dass nicht alle Inselbewohner dorthin kommen. Die meisten von ihnen kennen das Image ihrer wunderschönen Insel nicht, oder sie wissen nicht, woher es kommt. Die Balearen-Regierung versucht zwar seit Jahren, diesem ausgelassenen Treiben ein Ende zu machen. Doch das gleicht einem Kampf gegen die Mühlen des Don Quixote. Alkohol findet seinen Weg noch leichter als Wasser. Deshalb die Geschichte von Manolo, der im betagten Alter von 80 Jahren zu seinem Arzt geht und sich wieder mal gründlich durchchecken lässt.
„Manolo“, eröffnet ihm der kundige Jünger des Hippokrates, „jetzt rächt sich Dein Lebensstil.
Es tut mir leid, aber Du hast nur noch drei Monate zu leben. Ordne Deine Dinge und bereite Dich auf Dein Ende vor.“
„Um Gottes Willen, da muss ich sofort hebräisch lernen.“
„Manolo, warum willst Du Dir denn Deine letzten Lebensmonate mit dem Studium einer so schwierigen Sprache versauern. Lebe weiter wie bisher und genieße Deine letzten Tage!“
„Lieber Doktor, wenn ich demnächst vor dem lieben Gott, vor Jesus und dem heiligen Petrus stehe, dann möchte ich mich mit denen in ihrer Muttersprache unterhalten können. So, wie wir Mallorquiner das mit unserer Sprache gerne haben.“
„Manolo, Du bist Hotelier. Du besitzt sieben Hotels, drei Nacht Clubs und zwei Strandbars.
Und hast dementsprechend immer auf der wilden Seite der Straße gelebt. Wie kommst Du auf das schmale Brett, Du würdest im Himmel ankommen. Bei Dir wird es abwärts gehen.
Y aunque de forma rápida!* Und zwar schnell!“
„Na, dann ist es gut, deutsch kann ich schon.“
Die Vorgeschichte der eigentlichen Geschichte dieses Buchs beginnt in den frühen fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Warum sie wichtig für die Story ist, erfährt der geneigte Leser im späteren Verlauf. Damals war es auf Mallorca so, dass die ersten Söhne der Inselbauern das fruchtbare Land im Inselinneren erbten. Mit ihrem weltweiten Handel mit Mandeln, Zitronen, Orangen, Oliven und desgleichen mehr waren die Bauern Mallorcas schwer reich geworden. Durch das günstige Klima auf der größten Insel des balearischen Archipels sind hier zwei Ernten pro Jahr möglich. Die zweiten und dritten Söhne oder Töchter bekamen das wertlose Land am Strand. Irgendwann hatte an der heute weltberühmten Playa de Palma einer den Geistesblitz, aus einer Bretterbude heraus Dosenbier zu verkaufen. Die Idee kam ganz gut an. Die Zahl der Gäste begann zu sprudeln wie der Gerstensaft. So machte man sich bald Gedanken darüber, wie man diese immer zahlreicher erscheinenden Leute denn des Nächtens unterbringen könnte. Mallorquiner sind höfliche Menschen und haben die Gastfreundschaft schon mit der Muttermilch zu sich genommen. So wurde die heute internationale Hotelkette RIU von der Familie Riu als kleiner Familienbetrieb an der Playa de Palma gegründet. Das Leitmotiv sollte sich nicht als schlecht erweisen. Im November 1953 erwarben Juan Riu Masmitjá, seine Frau María Bertrán Espigulé und der gemeinsame Sohn Luis Riu Bertrán das Hotel San Francisco, ein kleines Haus mit 80 Betten.
* Anmerkung des Verfassers: Die spanischen Formulierungen in diesem Buch entsprechen den Sprachkenntnissen des Autors und sind authentisch. Die spanische Rechtschreibung ist nicht bindend.
Das war das erste Hotel der heute internationalen Hotelkette RIU Hotels & Resorts. In den 60er Jahren entstand auf den Balearen ein wahrer Tourismusboom. In den 80er Jahren wendete sich RIU neuen Reisezielen zu. Das erste Hotel außerhalb der Balearen wurde 1985 auf Gran Canaria eröffnet. Das Riu Palmeras wurde ein großer Erfolg. Die 90er Jahre begannen für RIU mit der Eröffnung des ersten internationalen Hotels. Dies war der erste Schritt in die Internationalisierung des Unternehmens und in sein schnelles Wachstum in Amerika. Heute verfügt es weltweit über mehr als 120 Vier- und 5 Fünf-Sterne Hotels und Resorts. Zum Beispiel in Mexiko, der Dominikanischen Republik, auf Jamaika, Aruba, den Bahamas, den Kapverden, in Marokko und Tunesien. Rund 25.000 Mitarbeiter heißen jährlich über 3.2 Millionen Gäste willkommen. Zurzeit belegt RIU Platz 30 im internationalen Ranking der Hotelketten. Der Unternehmer Samuel Diego Gonzales wollte da nicht tatenlos zuschauen. Im Jahre 1954 gründete er sein Unternehmen als eine kleine Reiseagentur mit zwanzig Angestellten unter dem Namen Viajes Gonzales. Nach kurzer Zeit übernahm sein Sohn Aarón Jesús Gonzales die Leitung. 1956 wurden dann erstmals Hotelanlagen auf Mallorca und den kanarischen Inseln gebaut. Von da an erlebte das Unternehmen einen kometenhaften Aufstieg rund um den Globus. Überrall wo die Sonne schien ließ Aarón Gonzales KING HOLIDAY Hotels & Resorts in der 4 und 5 Sterne-Kategorie bauen. Am Schwarzen Meer, in der Karibik, in Mexiko, in Südostasien, in Brasilien und Venezuela.
Sobald er irgendwo auf der Welt ein unbebautes, entsprechend großes Baugrundstück an einem Strand erspähte, musste da eine Hotelanlage hin.
Als die mallorquinische Regierung eines Tages beschloss, die Busflotte für den Personen Nah- und Fernverkehr auf der Insel zu erneuern, kaufte Aarón Gonzales sämtliche bis dato auf Mallorca im Einsatz befindlichen Busse flottenmäßig auf. Für den Preis eines Butterbrotes. Gonzales charterte einen Seelenverkäufer, packte die Busse drauf und ließ das Geschwader in die Karibik schippern. Dort schenkte er die durchaus noch brauchbaren Vehikel Commandante Fidel Castro. Das brachte ihm eine fast unlimitierte Baugenehmigung für KING-HOLIDAY Hotels & Resorts auf Kuba ein. Die schier unversiegbare Finanzquelle für seinen nicht zu bremsenden Expansionstrieb waren zwei mallorquinische Freunde. Der eine hatte den Grundstock zu seinem unermesslichen Vermögen in den 40er Jahren durch Zigarettenschmuggel gescheffelt und betrieb nun eine Privatbank. Der andere besitzt eine Casino-, Spielhallen- und Discotheken-Kette. Beide Herren möchten hier nicht namentlich erwähnt werden. Don Aaróns rasanter Expansionstrieb brachte dem rührigen Unternehmer schnell den Beinamen „Speedy“ Gonzales ein. Zum aktuellen Zeitpunkt gibt es 80 KING HOLIDAY Hotels und Resorts überall dort, wo es auf der Welt am schönsten ist. Neben verschwenderischem Luxus sind riesige Poolanlagen und ein vorbildliches Kinderanimationsprogramm gemeinsames Merkmal. Die lieben Kleinen von heute sind die Gäste von Morgen. Das hatte Aaròn Gonzales schon gecheckt, bevor er seine erste eigene Hoteltüre öffnete. Bemerkenswert ist seine Personal-Philosophie. Dann gibt es noch Gabriel Escarrer, der in seiner Sol Meliá Gruppe weltweit 380 Hotels & Resorts vereint. Und viele kleinere Ketten mehr. Insofern gilt heute die Playa de Palma berechtigterweise als die Wiege des Massentourismus. So kam es auch, dass heute Mallorquiner einen Großteil des weltweiten Hoteltourismus beherrschen.
Meine Entdeckung Mallorcas begann jedoch erst sehr viel später im Sommer des Jahres 1977. Mit „Ach und Krach“ hatte ein findiger und gewitzter Bursche aus dem schwäbischen Albstadt, damals noch Ebingen genannten Ortes, des Namens Rainer Wolfgang Maerker, also ich, seine Fachhochschulreife erschwitzt und war nun mit dem Erreichen des 18. Lebensjahres erstmals in seinem Leben Herr über seine eigenen Schritte. Mein Berufsziel war der Journalismus. Dafür gab es zum Beispiel die Axel Springer Akademie in Berlin. Sie verbindet die Vorteile einer traditionsreichen Journalistenschule mit denen eines klassischen Volontariats und gilt als größte private Einrichtung ihrer Art in Deutschland. Jedes Jahr bietet Sie der satten Zahl von 40 angehenden Journalistinnen und Journalisten eine fundierte zweijährige Ausbildung zum Redakteur. Bei circa 10.000 und mehr hoffnungsvollen Anwärtern. Angesichts solcher Quoten verliert man die Lust schon vor Beginn der Niederschrift einer Bewerbung. Trotzdem studierte ich fleißig Ausbildungs-Angebote in diversen Zeitungen. Dabei fiel mir ein Inserat folgenden Inhaltes auf:
Meer als Urlaub!
Ferien auf einer 40m Luxusyacht!
14 Tage rund um Mallorca
Das passte mir erst mal recht gut in den Kram und ich meldete mich an. Organisiert wurde die Reise vom ältesten Sohn aus der Familie der Albstädter Taxi-Dynastie Ebner. Karl-Peter Ebner, genannt Kalle, war mir auf Anhieb sehr sympathisch. Mit einem alten Mercedes und einem Mercedes Kleinbus fuhr dann also eine fröhliche Truppe von 12 Personen wohlgelaunt und voller guter Erwartungen nach Barcelona und im Anschluss mit der Fähre nach Palma de Mallorca.
„Attempto“ hieß unser angechartertes Traumschiff und entpuppte sich als rustikaler 40 Jahre alter, laienhaft umgebauter Minensucher aus dem zweiten Weltkrieg. Das urige Schiff war im Besitz des Tübinger Gastronomen Herbert Rösch. Egal, es war ein großes Schiff.
Attempto ist lateinisch und bedeutet so viel wie: „Ich wage es!“
Wir wagten es tatsächlich. Den Namen Attempto hatte der betagte Skipper wohl der Tübinger Burse entliehen. Die Burse ist ein Gebäude im Süden der Tübinger Altstadt, etwas erhöht oberhalb des Neckars gelegen. Es wurde in der Zeit von 1478 bis 1482 erbaut. Im Mittelträger des Eingangsbereichs des historischen Gebäudes sind die Palme sowie der Wahlspruch Eberhards im Barte: "Attempto" eingeschnitzt, die bis heute das Logo der Universität Tübingen sind. Seit 1972 befinden sich in der Burse das Philosophische Seminar sowie das Kunsthistorische Institut der Universität Tübingen. Das Gebäude ist nach § 12DSchG ein Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung. Eigentümer ist das Land Baden-Württemberg.
An unserem ersten Urlaubstag stand ein Rundgang durch die Inselhauptstadt Palma de Mallorca auf dem Reiseprogramm. Das Wahrzeichen Mallorcas ist die gotische Kathedrale La Seu, die Kathedrale des Lichts. Das prachtvolle Bauwerk zählt zu den Prunkstücken gotischer Architektur. Die Grundsteinlegung erfolgte schon 1230 durch König Jaume I. Aber erst im 16./17. Jh. wurde der Bau vollendet. Die heutige Form erhielt die Kathedrale erst 1904 durch den Architekten Antoni Gaudi. Das Innere der Kathedrale umfasst eine Fläche von etwa 6600 m2und hat eine Höhe von 44 Metern. Das Gewölbe wird von 14 Säulen getragen. Sehr eindrucksvoll sind die sieben Fensterrosen, die beeindruckende Lichteffekte generieren. Im Apsisbogen befindet sich die größte, mit einem Durchmesser von 11,15 Metern. 2800 farbig bunte Glassteine soll sie enthalten. Ich habe das aus nachvollziehbaren Gründen noch nie genau nachgezählt. Das eindrucksvolle Äußere der Kathedrale wird noch von der Wirkung des dreischiffigen, 109 Meter langen und 39 Meter breiten Innenraums übertroffen. Das Hauptschiff hat eine Breite von 19,4 Metern und übertrifft damit andere Kathedralen bei weitem. Zum Beispiel ist der Köln Dom nur 12,6 Meter breit. Der Stadtrundgang ist am schönsten so: Rechts ab von der Plaça Reina entdeckt man den Park la Feixina mit seinen in der Sonne funkelnden Wasserspielen. Der Weg führt über steiniges Pflaster um die Kathedrale herum. Nach einem herrlichen Blick auf den Parc de la Mar und den Hafen von Palma führt die Treppe zur Kathedrale hinauf. Hier muss man sich vor allen Dingen vor den emsigen Nelkenfrauen in acht nehmen. Zu den Zeiten der Peseta war die ein Peseten Münze, die so gut wie niemand im Portemonnaie mit sich trug, der erwünschte Preis für die scheinbar freundlich angebotene Nelke. Der Urlauber konnte dies recht seltene Zahlungsmittel nicht finden, oder wusste ganz einfach nicht wie es aussieht. Dann war es auch meist schon zu spät. Mit flinken Fingern kam die Nelkenfrau zur Hilfe und fassten unterstützend in die fremde Geldbörse, um vordergründig dabei zu helfen, nach der Münze zu suchen. Ganz nebenbei verschwanden mit einem schnellen Handgriff sämtliche Geldscheine aus dem hinteren Scheinfach. Diese Nelkenfrauen treiben sogar heute noch ihr Unwesen, wenngleich Sie pfiffigerweise mittlerweile auf den Euro umgestiegen sind. Nach dem Bestaunen der Kathedrale gelangt man geradeaus durch viele schöne Gassen an vielen interessanten Geschäften vorbei über den Plaça Mayor zur Plaça d’España. In der Bar Crystal tranken wir einen Café con Leche. Unser Führer und Schiffskapitän Herbert Rösch erzählte uns von den bekanntesten historischen Cafés der Inselhauptstadt. Kein Zweifel, mit Kneipen kannte er sich aus: „Die Bar Cristal und die Bar Bosch sind die wichtigsten Treffpunkte in Palma. Man muss dort gewesen sein, am besten nicht nur einmal, und dieses besondere Gefühl zu erleben. Das Gefühl, dazuzugehören, teilzuhaben am Leben und an der Geschichte der Stadt und ihrer Menschen. Der Gang in diese Bars ist über Generationen hinweg zur Gewohnheit geworden. Es ist meist voll hier, auch viele Urlauber sind unter den Besuchern. Die Preise sind weiterhin fair. Wer sich auf den Stühlen einer dieser Bars niederlässt, ist umgeben von Menschen jeglicher Couleur. Seit 1930 stehen die Türen der Bar Cristal auf der Plaça de España offen. Ob die Bar ihren Namen tatsächlich den großen Fenstern zu verdanken hat, kann der Geschäftsführer Tolo Ramis nicht sicher sagen. Er hat das Lokal 1955 von seinem Vater übernommen, der zuvor 20 Jahre lang in Frankreich gelebt hat. Der Bar, die über eine großzügige Außenterrasse auf dem wuseligen Platz verfügt, sieht man das an.
„Von hier lassen sich wunderbar vorbeilaufende schöne Frauen bewundern“, flötet Sebastián Erasmo, einer der Stammkunden. Der Architekt kam schon mit seinen Großeltern und Eltern in die Bar Cristal, und kehrt immer noch circa dreimal die Woche hier ein.
„Es ist für mich zu einer Gewohnheit geworden. Dass hier doch einiges renovierungsbedürftig ist, tut dem außergewöhnlichen Charme keinen Abbruch.“
Der Rückweg von der Plaça d’España zur Bar Bosch führte zunächst durch die Carrer de Sant Aarón. Dort lohnt sich ein Blick ins Gran Café Cappuccino Sant Aarón. Nach dem Plaça Mayor geht es rechts hinab durch die Carrer de Jaume II und dann wieder rechts die verwinkelten Treppen hinab durch die Carrer Sant Nicolau zur traditionsreichen Bar Bosch an der Plaça Joan Carles I.
Auch hier wusste Herbert Rösch viel zu erzählen: „Jetzt darf es zur Feier des Tages schon ein erstes Bierchen sein“, gestattete er großzügig und schilderte redselig: „Es ist die wohl berühmteste Bar in Palma, die Bar Bosch. Seit 1936 zieht es Tag für Tag zahllose Menschen in das am oberen Ende von Palmas eleganter Flaniermeile Passeig del Born gelegene Lokal mit seinem langen Tresen. Manche angeblich sogar dreimal am Tag. Wer hier sitzt, tut dies nicht nur aus kulinarischen Gründen. Sehen und gesehen werden spielt für die Gäste die absolute Hauptrolle. Je nachdem, ob man am Tresen steht oder an einem Tisch im Innen- oder Außenbereich sitzt, zahlt man unterschiedlich viel für seine Bestellung.
Besonders beliebt: Langostas, geröstetes Brot mit Olivenöl, Tomate und Sobrassada.
Auf dem Rückweg zum Hafen könnt ihr nach Lust und Laune noch einen Cocktail im Cappuccino im Palau March an der Plaça Reina genießen. Ich muss zurück auf unser Schiff und meiner Frau Leni beim kochen helfen. Nach dem Drink kommt ihr bitte zurück zum Schiff. Wir müssen Lebensmittel und Getränke einkaufen.“
Ein Schiff auf hoher See ohne ausreichend Getränke an Bord, das musste verhindert werden. Schon alleine der Gedanke daran vermittelte hässliches Unbehagen. Also waren wir zeitig zurück an Bord und meldeten uns dienstbeflissen zur Tat. Für die Einkäufe hatte unser Kapitän einen uralten Bully-VW-Bus, der sichtlich seinen letzten Tagen entgegen rostete. Aber er lief. Kalle, JB, unser Freund Thomas Alber und ich kletterten in das betagte Vehikel, Herbert Rösch nahm am Steuer Platz und los ging die Fahrt. Am Ein- und Ausgang des Hafens befinden sich zwei rechtwinklige Torbogen aus zirka 10 Zentimeter dicken Eisenrohren. Mit einer Durchfahrtshöhe von 1,90m verhindern Sie unter anderem, dass Wohnmobile in den Hafen gelangen. Diese sind dort nämlich nicht erwünscht. Ein Yachthafen ist schließlich kein Campingplatz. Für die wenigen höheren Fahrzeuge mit Sondergenehmigung gibt es eine Schranke zwischen den zwei Einfahrtshindernissen. Rösch hatte natürlich diese Genehmigung für sein Versorgungsfahrzeug. Ebenso einen Schlüssel für das Vorhängeschloss an der Schranke. Das bedeutete jedes Mal hinfahren, anhalten, aussteigen, Schranke aufschließen und öffnen, durchfahren, wieder anhalten, Schranke schließen und weiterfahren. Durch seine zahlreichen geruhsamen Aufenthalte an Bord seines Schiffes, eng verbunden mit der exzellenten Verpflegung seiner besten Ehefrau von allen, hatte er sich im Laufe seines Lebens eine stattliche Leibesfülle angeeignet. Mit anderen Worten: Er war ziemlich korpulent. Damit verbunden gewichtig. Dementsprechend wälzte er sich jedes Mal ächzend aus dem Sitz, schleppte seine Pfunde zur Schranke, öffnete und kroch anschließend stöhnend auf seinen Platz zurück. Das ganze Procedere pro Fahrt mal zwei. Unsere erste Einkaufstour führte uns zum „Carrefour“ in der Nähe von Palmas Vorstadt Can Pastilla an der Nordostseite der Bucht von Palma, nordwestlich der Playa de Palma. Ein wahrlicher Einkaufsriese. Der Markt ist so groß, dass die Mädchen, die die Regale mit Waren bestücken, auf Inline-Skatern durch die Gänge sausen. In Miniröcken.
Ein sehr appetitliches Einkaufserlebnis. Über sechzig Kassen laufen ohne Unterbrechung.
Wir luden den Bully voll und kehrten schwer beladen in den Hafen zurück. Und wieder: Anhalten, aussteigen, Schranke auf und zu und so weiter. Das nervt. Bis wir alles, was wir brauchten, zusammen hatten, mussten wir dreimal fahren. Das bedeutet summa summarum sechs Schrankenstopps. Am Ende die Katastrophe: Wir hatten Lenis heiß begehrte Salatsauce vergessen. Da alle unter der Kontrolle von Herbert Rösch damit beschäftigt waren, den Berg von gekauften Waren an Bord zu bunkern, bot ich mich an: „Das kann ich erledigen. Die Wege kenne ich jetzt.“ Tatsächlich erhielt ich die Sondergenehmigung und brauste los. Wieder die Schranke an der Hafenausfahrt. Jetzt wollte ich es wissen! Im absoluten Kriechtempo fuhr ich auf den Eisenbogen zu. Es sah beängstigend aus. Das obere Eisenrohr schien direkt auf die Frontscheibe zuzukommen. Aber wie durch ein Wunder ging es über das Dach hinweg. Nach etwa 30 Zentimetern hielt ich an, stieg auf das Trittbrett und blickte übers Dach. Tatsächlich, es waren zwischen Bully-Dach und Eisenrohr zirka 1,5 Zentimeter Luft. Ich fuhr langsam einen Meter weiter und warf einen erneuten Kontrollblick. Es hätte immerhin sein können, dass das Dach nach hinten anstieg. Weit gefehlt: ausreichend Luft! Drei weitere Kontrollblicke in Meterabständen führten zum selben Ergebnis. Der Bully passte in voller Länge unter der Barriere durch. Ich war alleine im Fahrzeug. Ohne Ladung. Um jedes Risiko ausschließen zu können, machte ich sofort denselben Test bei der Hafeneinfahrt. Resultat: Identisch. Wow!
Ich fuhr zum Einkaufen. Bei der Rückkehr fuhr ich wohlgemut auf den eisernen Torbogen zu. Es kostete zwar einiges an Überwindung, aber es klappte Problemlos. Hurra! Nach dem Abendessen nahm ich unseren Kapitän zur Seite und flüsterte ihm konspirativ zu: „Herbert, ich habe etwas entdeckt, das Dir den ganzen Sommer über und solange Du noch mit Deinem Schiff in Palma bist, jeden Tag viel Freude bereiten wird.“
„Wie? Hast Du ein neues Bordell ausbaldowert oder etwa einen Nachtclub? So etwas brauche ich nicht. Ich bin ein glücklich verheirateter Mann.“
„Nein, Herbert, viel besser! Die Entdeckung wird Dir täglich Freude bereiten, ohne dass Du dafür bezahlen musst. Ich möchte sie Dir gerne zeigen. Dafür muss ich am Steuer sitzen.
„Junge, ich bin der Kapitän auf diesem Schiff. Ebenso bin ich der Steuermann in meinem Fahrzeug. Wenn ich im Auto sitze, fahre ich. Vergiss es!“
Na denn, dachte ich, steter Tropfen höhlt den Stein. Wir werden schon sehen, wer hier am Schluss der Reise für die Überraschung sorgen wird.
Am nächsten Tag machten wir einen Ausflug nach Can Pastilla zur heute noch existierenden Kartbahn. Hier konnten wir uns einmal wie Jochen Rindt fühlen. Kart-Fahren erfreut sich heute, nachdem Michael Schuhmacher seine Karriere damit begonnen hat, immer größerer Beliebtheit. Vor allem im Urlaub möchten viele Gäste nicht auf dieses Vergnügen verzichten. Auf Mallorca ist das kein Problem. Die Mallorca-Renn-Arena in Llucmajor ist die größte Anlage auf der Insel. Diese Bahn ist auch unter den Namen Circuit de Illes Balears oder Circuito de Llucmajor bekannt. Es ist eine 3,2 km lange Strecke, die ebenfalls für Motorrad- und Autorennen geeignet ist. Man kann sowohl Go-Kart fahren, als mit eigenem PKW oder Motorrad zu bestimmten Zeiten auf der Strecke trainieren. Direkt bei Arenal liegt Circuitos del Motor, eine 1,3 km lange Rennstrecke. Auf dieser Kartbahn gibt es verschiede Go-Karts, z.B. Kinderkarts oder Superkarts. Auf der Go-Kart-Bahn Can Pastilla, die an der Straße Richtung Flughafen liegt, stehen für Kinder auch langsamere Mini-Karts zur Verfügung. Hier wollten auch wir uns unsere ersten Erfahrungen im Rennsport sammeln. Udo Jürgens begleitete uns dabei musikalisch:
„Du hörst nur noch den Motor schrei'n! Du hast nur noch die Bahn vor dir! Du weißt nur, Du musst erster sein, vor dir ist noch wer, sei schneller noch als er, o-oh. Der Staub, der Lärm, die Sonnenglut, Du fühlst bloß mit dem Gaspedal. Du träumst den großen wilden Traum, wie jedes Mal! Ja, es ist ein Rausch, eine Faszination. Nach einer Runde erfasst Sie dich schon. Es ist die Angst und zugleich auch ihr Lohn und dennoch viel mehr. Es ist ein Rausch, den man selbst nicht versteht, wie ein Inferno, das rasend sich dreht. Du liebst dein Leben, um das es hier geht, noch einmal so sehr. Du denkst an Frau und Kind zu Haus. Nur dieses eine Rennen noch...Versprochen hast Du es so fest und weißt es doch genau, dass Du es nicht lässt... o-oh. Sieg, Niederlage oder Tod... nur die drei Chancen kennt dein Spiel. Auf eine davon rast Du zu, in Richtung Ziel. Ja, es ist ein Rausch, der die Nerven zerfrisst, weil doch der Tod nur dein Beifahrer ist, und wenn Du das für Sekunden vergisst, gewinnt er das Spiel! Es ist ein Rausch, dem kein anderer gleicht, nur das Gefühl ist noch schöner vielleicht, wenn Du erkennst: Ja, der Sieg ist erreicht, im Jubel am Ziel.“
Auf der Bahn Karting Can Picafort können sogar bei Nacht Rennen gefahren werden. Sie verfügt im vorderen Teil über Flutlicht. Die Go-Kart Strecke liegt an der Landstraße in Richtung Artá. Es finden regelmäßig Rennen statt. Die Bahn Karting Magaluf gibt es seit 1983. Sie hat verschiedene Strecken, auf denen man mit gemieteten Karts trainieren kann.
Kalle, JB und Thomas Alber, genannt Tommy, hatten sich 350er Moto-Cross-Motorräder gemietet. Sie kamen im selben Moment zum Schiff zurück, wie wir von der Kart-Rennbahn.“ Darf ich mal eine Runde drehen?“ fragte ich meinen Freund Thomas. „Ja sicher, gerne. Aber bitte passe sehr gut auf das Moped auf. Es ist nicht vollkaskoversichert.“
Ich versprach, mein bestes zu Geben und brauste los. Das erfreuliche an dem Motorrad war der Kickstarter. Man musste nur einmal kurz halb durch treten und schon lief die Maschine tatendurstig mit heftigem Grollen an. Unmittelbar südlich von Palmas Stadtteil Ciudad Jardín befindet sich das Gelände des Flughafens Son Sant Joan. Unter der Einflugschneise gab es damals ein großes Brachland. Ein perfektes Einsatzgebiet für ein Geländemotorrad.
Dementsprechend hatte ich meinen Spaß. Ich passte wirklich sehr sorgfältig auf das Motorrad auf. Wenn ich es kurz abstellte, zum Beispiel um etwas einzukaufen, zog ich nicht nur den Zündschlüssel ab, sondern stellte den On/Off Schalter auf Off. Das kann einem potentiellen Dieb das Leben schwer machen, wenn er die Stellung des kleinen, unauffälligen Schalters nicht bemerkt. Nicht nur Dieben, wie sich später am Tag herausstellen sollte. In der Mitte der Einflugschneise des Airports gibt es ein Bänkchen über den Felsen am Meer.
Von meinem wilden Ritt über holperige, sandige Wege und Dünen ähnlichen Hügeln taten mir alle Knochen weh. Ich entschied mich für eine kleine Pause und öffnete mit einem heftigen Zischen die Dose Cola, die ich mir an einem Kiosk in Ciudad Jardín geholt hatte.
Es ist ein gigantisches Erlebnis, wenn man hier sitzt. Die hereinkommenden Flugzeuge flogen direkt auf mich zu und düsten in zwanzig Meter Höhe direkt über meinen Kopf hinweg. Ich konnte sogar erkennen, ob die Piloten Sonnenbrillen auf hatten, oder nicht. Die Jets kommen im zwanzig Sekunden Takt. Man sieht immer vier von ihnen. Einen direkt über sich, einen zweiten ein paar Kilometer dahinter, einen Dritten über der etwa vierzig Kilometer entfernten Bucht von Andratx. Ein Vierter taucht schon am Horizont auf. Das Gelände direkt am Ufer ist ein kultiviertes Wandergebiet. Es gibt gepflegte Wege, kleine Holzbrücken über die bizarren Felsen und hölzerne Aussichtsterrassen, die zu einem kurzen Sonnenbad einladen. Dabei erwecken merkwürdige Felsformationen die Aufmerksamkeit.
Zum Teil erscheinen sie wie rechtwinklig abgesägt. „Was ist denn das?“, fragt man sich unweigerlich. Ich hatte Glück. Ein wandernder Spanier kam des Weges und setzte sich für einen kurzen Moment zu mir. Ich fragte ihn, ob er der deutschen oder englischen Sprache mächtig sei und er bejahte beides.
„Was sind denn das für merkwürdige Felsgebilde?“ fragte ich ihn neugierig.
„Wenn Sie über eine gute Kombinationsgabe verfügen, können Sie leicht selber darauf kommen.“ Nun bildete ich mir zwar ein, über eine sehr gute Kombinationsgabe zu verfügen, ich hatte trotzdem keinen blassen Schimmer.
„Sie müssen sich nur ganz genau umsehen.“
Ich sah mich genau um. In alle vier Himmelsrichtungen, in die Nähe und in die Weite, nach oben und nach unten. Jetzt stand ich erst recht auf dem Schlauch.
„Schauen Sie mal in Richtung Süden. Da sehen Sie Palma. Vor der Stadt in zirka fünf Kilometern Entfernung die Kathedrale.“
„Die hatte ich mir schon aus der Nähe angesehen. Was hat das Gotteshaus mit diesen komischen Felsen hier zu tun?“
„Aus diesen felsigen Klippen hier hat man seinerzeit die Steine für den Bau der Kathedrale heraus gesägt.“ erklärte mir der Spanier freundlich. Klar, jetzt fiel es mir wie Schuppen von den blinden Augen. Das leuchtete ein. Mit dieser Kenntnis würde ich noch viele Kandidaten aus dem Lager der Unwissenden beeindrucken können. Es geht nichts über ein bisschen Konversation. Ich dankte dem Caballero für die kundige Aufklärung und machte mich auf den Weg zurück. Wie vereinbart stellte ich das unversehrte Motorrad vollgetankt auf dem Kai vor dem Schiff ab, schaltete fast gewohnheitsmäßig auf Off und legte den Schlüssel auf einen der Tische auf dem Achterdeck. Keiner von uns war da. Ich machte mich frisch und ging anschließend mit meiner Freundin Maya zu einem Shoppingbummel in die winkeligen Gassen der Altstadt von Palma. Hätte ich das bloß nicht getan. Es gibt hier alleine fast dreihundert Schuhgeschäfte. Attraktive Boutiquen ohne Ende. Vollgestopft mit verführerisch hübschen Klamotten aus den neuesten und besten Designer Kollektionen. Die Frau, deren Begehrlichkeiten hier nicht geweckt werden, muss erst noch geboren werden.
„Männer, die Altstadt von Palma ist wunderschön. Aber wenn ihr mit euren Frauen hier her gehen wollt, dann tut das bitte euch zuliebe besser außerhalb der Ladenöffnungszeiten!“
Vollgepackt, mit glühender Scheckkarte kamen wir wieder beim Schiff an. Maya hatte so ein seltsames, verzücktes Grinsen im Gesicht. Über der „Attempto“ schien sich irgendwie eine dunkle Wolke zusammengebraut zu haben. Alle standen mit grimmigen Gesichtern auf dem Achterdeck herum. Es sah schon von weitem so aus, als würden Sie über irgendetwas sehr erbost zu sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, was passiert sein sollte. Alsbald ich über die Gangway herauf kam, wurde ich wie wild angefahren: „Was hast Du mit dem Motorrad gemacht? Wir haben es quer durch den Hafen geschoben und fast eine Stunde alles durchgecheckt. Es denkt gar nicht mal daran, anzuspringen. Dabei wollten wir mit den Bikes an den Strand.“
Wieder einmal hatte ich an diesem Tag keinen Durchblick. Bei mir hatte die Maschine doch tadellos funktioniert.
„Gib mir bitte mal den Schlüssel“ sagte ich zu Tommy und ging von zornigen Blicken verfolgt die Gangway hinunter zu dem Motorrad. Ich saß auf, steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn in Startposition. Mit dem Daumen legte ich den On/Off Schalter in die On-Position. Nach einem kurzen Tritt auf den Kickstarter brüllte die Maschine freudig los.
Augenblicklich verwandelten sich die Gesichter von erbost in maßlose Verblüffung. Tommy kam vom Schiff herunter: „Wie hast Du denn das gemacht?“
„Na, ganz einfach: Schlüssel rein, drehen, Schalter auf On, Kickstarter treten und das Baby schnurrt wie einst im Mai!“
Jetzt war mir alles klar. Haben diese Trottel doch den halben Nachmittag das Motorrad schwitzend rund durch den Hafen geschoben. Die Stellung des On/Off Schalters hat keiner der klugen Herrschaften wahr genommen. Selbstverständlich hat sich im Anschluss keiner bei mir für die ungerechtfertigte Attacke entschuldigt. Außer Tommy.
Am Abend stand auf der „Attempto“ Fisch auf dem Speiseplan. Deshalb hatten Kalle, JB, Tommy und ich uns am Nachmittag vom gemeinsamen Abendessen abgemeldet. Seit frühester Kindheit kultivierte ich meine Aversion gegen Fisch und meinen Begleitern stand ebenso der Sinn eher nach einem herzhaften Steak. Das erschien uns verlockender. Am Paseo Maritimo suchten und fanden wir ein Taxi. Wir fragten den Fahrer nach einer Empfehlung.
„Die besten Steaks bekommt ihr im „Ca‘n Torrat“ an der Playa de Palma in der“ Carrer Sant Ramón Nonat.“ Also ließen wir uns dort hinfahren. Der gute Mann sah vertrauenswürdig aus. Sein Tipp schien tatsächlich nicht schlecht zu sein. Das Ca’n Torrat präsentierte sich als traditionelles, mallorquinisches Restaurant. Ein bisschen rustikal vielleicht, doch das gefiel uns allen gut. Das gemütliche Ambiente empfing uns wohlgefühlerweckend. Die Düfte von saftigen, gegrilltem Fleischspezialitäten, die durch die Gasträume zogen, taten ihr übriges. Wir konnten zwischen vielen verschiedenen Arten von Fleisch wählen, das vor unseren Augen mitten im Lokal auf einem offenen Grill, befeuert durch Mandel- und Eichenholz, zubereitet wurde.
„Das gibt dem Fleisch einen unverwechselbaren Geschmack“, versprach der zuvorkommende Kellner. Wir entschieden uns alle für ein argentinisches T-Bone-Steak der 300 Gramm Klasse. Lokale und regionale Weine waren ebenfalls im Angebot und Tommy wählte für uns einen Merlot aus der mallorquinischen Bodega Aarón Oliver: „Die 1912 gegründete Bodega wird gleich von drei der renommiertesten Wein-Guides Spaniens lobend erwähnt.
Sie ordnen Aarón Olivers Produkte der Elite der Inselweine zu.“
Das wusste jedenfalls unser Weinkenner Tommy, der sich offenbar gut auf die Reise vorbereitet hatte. Der Wein begeisterte und schon bald wurden unsere mächtigen Steaks serviert. Die kleine Portion Pommes Frites als Beilage erschien mir ein bisschen mickrig. Als ich den ersten Bissen vom Fleisch gekostet hatte, verflogen meine Befürchtungen. Das Steak schmeckte so gut, dass man nur ungern ein kleines Plätzchen im Magen für die Beilagen opfern wollte. Darüber herrschte allgemeine Einigkeit. Es war das beste Steak, das wir bisher in unserem Leben gegessen hatten. Mir läuft heute noch das Wasser im Munde zusammen, wenn ich nur daran denke. Es ist kein Wunder, dass das Restaurant „Ca'n Torrat“ seit seiner Eröffnung 1972 eine feste Institution an der Playa de Palma ist. Nachdem ich etwa zwei Drittel von meinem Steak gegessen hatte, konnte ich beim besten Willen nicht mehr. Rund um den Knochen war immer noch ein zirka drei Zentimeter dicker Streifen vom feinsten Fleisch übrig. Auch meine Freunde kämpften bereits. Wir saßen direkt am Fenster und ich sah draußen einen Straßenhund vorbei streunen.
„Der arme Kerl soll heute mal einen schönen Abend haben“, sagte ich zu meiner Tischgesellschaft, öffnete das Fenster und warf dem Hund den Knochen zu. Mit sichtlicher Freude machte er sich über den unverhofften Segen her. Es ging nicht lange und eine ganze Meute seiner Freunde eilte herbei. Der Gassen-Funk unter Straßenhunden an der Playa schien zu funktionieren. Bald waren auch meine Freunde Kalle, Tommy und JB vorzeitig am Ende ihrer Kräfte angelangt. Da Sie ebenfalls ein Herz für Tiere hatten, folgten Sie meinem Beispiel. Draußen vor dem Fenster entstand ein wahres Weihnachtsfest für die Hunde. Mitten im Sommer. Es gab keinen Streit, es war genug für alle da. Die abgenagten Knochen ließen die Streuner am Straßenrand liegen. Dafür wollte nun Kalle nicht mitverantwortlich sein. Also ging er hinaus und sammelte die abgenagten Gebeine ein. Wir legten sie wieder auf unsere Teller. Da war wirklich kein Pfitzelchen Fleisch mehr an den blitzblanken, weißen Knochen zu finden. Der Kellner kam zum abtragen. Er fragte höflich, ob wir zufrieden seien, was wir einstimmig bejahten. Als er unsere Teller erblickte, erstarrte er. Ungläubig blickte er in die Runde. Nachdem er schweigend noch einmal jeden von uns genau gemustert hatte, nahm er wortlos die Teller auf und ging sichtlich verwirrt in Richtung Küche. Eine halbe Minute später schoss der Küchenverschlag nach oben. Mit weit aufgerissenen Augen schaute der Chefkoch ungläubig zu unserem Tisch herüber. Die beiden mussten gedacht haben, dass sie eine Mannschaft ausgehungerter Kannibalen bewirtet hatten.
Tags darauf früh morgens legten wir in Palma ab, verließen den Hafen und schipperten in Richtung Port d’Andratx. Das pitoreske Örtchen befindet sich an der zerklüfteten Süd-West-Küste, knapp 30 km von Palma entfernt. Um die große Bucht reihen sich neben dem Ortskern Appartementanlagen und Villen, ein Yachthafen und der Fischerhafen. Entlang der Hafenpromenade bummelten wir vorbei an vielen guten Restaurants, Cafés und Bistros.
Das romantische Hafenstädtchen am Ende einer großen Bucht hat sich seinen mediterranen Charme bewahrt. Obwohl die umliegenden Berghänge leider komplett zugebaut sind von den Handlangern der Herrschaften Engel & Völkers und desgleichen mehr. Außer in den Sommermonaten hämmern von morgens bis abends Bagger zäh und emsig wie Ameisen mit überdimensionalen Meißeln in den Bergen herum und ringen mühsam den felsigen Hängen Bauplätze ab. Deshalb führen die Makler ihre potentiellen Kunden bevorzugt nur am Wochenende hier her.
Ein echtes Highlight in Port d‘Andratx ist die pittoreske Villa Italia & Spa, circa 200m den Berg hinauf entfernt von der Flaniermeile im Hafen. Es ist ein Herrenhaus aus den zwanziger Jahren, das mit viel Liebe zum Detail restauriert wurde. Von der chilligen Terrasse hat man einen schönen Blick auf das Meer und den malerischen Hafen. Hier kann sehr gut gespeist werden. Das Restaurant bietet Autorenküche mit mediterranen und internationalen Spezialitäten. Dem erfahrenen Küchenchef Christian Catrina ist es gelungen, die perfekte Kombination aus einer harmonischen Umgebung und kulinarischen Spezialitäten zu schaffen, die mit ausgezeichneten Zutaten zubereitet werden. Heutzutage gibt es ein Mittagsmenü zu einem festen Sonderpreis: 29 € pro Person inkl. Wasser und 1 Glas Wein. Donnerstag & Sonntag kann man zum Mittagsmenü Livemusik auf der Terrasse genießen. Ich filmte damals die ganze Reise mit meiner Super8 Kamera. Dabei bekommt der hoffnungsfrohe Jungfilmer schon in jungen Jahren einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Männlein und Weiblein zu spüren. Männer treiben alle ihre Manöver ins wagnisreiche, wenn sie eine Kamera im Rücken spüren. Zum Beispiel Wasserskifahren, Kopfsprünge vom Oberdeck, Kliff-Jumping und so weiter. Frauen hingegen drehen sofort die Köpfe weg, winken ab, bedecken ihr Gesicht mit Handtüchern und motzen herum: „Du mit Deiner blöden Kamera!“ Ich musste mich regelrecht anschleichen oder aus gut getarnten Verstecken heraus filmen, wenn ich unsere allesamt hübschen Damen Karin, Sigrid, Sybille oder meine Maya vor die Kamera bekommen wollte. Dafür beschwerten sich alle heftig bei der glanzvollen Filmpremiere vier Wochen nach der Reise: „Wir sind gar nie richtig im Bild!“
Wie man es mit Frauen macht, macht man es falsch. Oder die neuen Leiden des jungen Filmschaffenden. Da es direkt in Port d’Andratx keinen Strand gibt, gingen wir am Nach-Mittag mit dem Schlauchboot zum schnorcheln und tauchen. Alle waren mit Harpunen bewaffnet. Vielleicht würde einem ein Glückstreffer gelingen. Ich beteiligte mich an der Jagd und hatte wieder mal Pech. Beim dritten Schuss riss die Leine meiner Harpune und der alte, angerostete Pfeil ging unwiederbringlich in den Tiefen des Meeres verloren. Derart außer Gefecht gesetzt, gesellte ich mich zu Tommy ins Schlauchboot. Er hatte die Aufsicht darüber übernommen, solange der Rest unserer Truppe beim tauchen war. Tommy jauchzte selig: „Was für ein toller Urlaub. Und wir haben noch fast zwei Wochen vor uns!“
Superyachten im Hafen von Palma. Darüber das Castell Bellver
Foto: rwm
Die Bucht von Port d‘ Andratx
Foto: Matthias Kühn
Die Insel Sa Dragonera ist ein Naturschutzgebiet
Foto: Matthias Kühn
Ich konnte da nur zustimmen. Wie man weiß, braucht, wer den Schaden hat, für den Spott nicht zu sorgen. Dieses Mal hatte ich niemanden verärgert. Trotzdem stand ich wegen dem verlorenen rostigen Pfeil schon zum zweiten Mal im Mittelpunkt des allgemeinen Verdrusses. Zu meinem persönlichen Ärger kostete mich der Spaß satte 30 D-Mark, die Leni unerbittlich einforderte, als wir nach dem Tauchausflug zur „Attempto“ zurück kamen. Sah ich da nicht einige Herrschaften ganz gemein feixen? Ansonsten war es ein schöner Ausflug. Den Sonnenuntergang genossen wir in der legendären In-Bar „Mitj & Mitj“ in der Carrer Alejandro Car Dunets. Hier treffen sich damals wie heute die angesagten Leute. Der visuelle Genuss des Sonnenuntergangs ist spektakulär.
Nach einem üppigen Frühstück in der aufgehenden Sonne auf dem breiten Achterdeck der Attempto ließ Kapitän Rösch den bejahrten Achtzylinder unserer „mächtigen Yacht“ auf Touren kommen. Die lustige Seefahrt führte vorbei an der Insel Sa Dragonera. Aufgrund seiner natürlichen Gestalt bekam das unbewohnte Eiland diesen Namen, der übersetzt Dracheninsel bedeutet. Die Insel war touristisch nicht erschlossen. Wir konnten hier auch nicht an Land. Reisegruppen über 10 Personen müssen sich vor der Überfahrt beim Servei de Medi Ambient del Consell de Mallorca eine Sondergenehmigung ausstellen lassen. Zu früheren Zeiten diente Dragonera den Seeräubern als Unterschlupf. Piraten aller Art waren auf den Balearen ziemlich aktiv. Später errichtete man Wachtürme, um sie fernhalten zu können. Sa Dragonera liegt nur etwa 800 Meter vor dem Südwestzipfel Mallorcas. Eine intensive Besiedlung fand auf Dragonera jedoch, sehr zum Vorteil der Natur, nie statt. Die Anfang der 1970er Jahre geplante touristische Erschließung und intensive Bebauung Dragoneras konnte durch den beherzten Einsatz von Naturschützern verhindert werden. Sie erwirkten, dass die Insel schließlich von der Inselregierung gekauft und zum Naturschutzgebiet erklärt wurde. Die felsige Oberfläche ist nur von kleinwüchsiger, strauchartiger Vegetation bedeckt, große Bäume fehlen fast völlig. Diese Landschaft ist ein Paradies für seltene Vögel wie zum Beispiel Korallenmöwen, Eleonoren-Falken, Samtkopfgrasmücken und verschiedenes Kleingetier, wie zum Beispiel Eidechsen. Nachdem wir dieses kleine Paradies mit Ferngläsern erkundet hatten, nahm Kapitän Rösch Kurs auf in Richtung Port de Soller.
Die Seefahrt entlang der zerklüfteten mallorquinischen Nordküste ist fast unbeschreiblich.
Der Blick auf die schroffen Felsen der Serra de Tramuntana, die oft steil ins Meer abfallen, ist Ehrfurcht einflößend. Der Gebirgszug mit Südwest-nordöstlicher Ausrichtung bildet das nördliche Rückgrat der Insel. Steilhänge, tiefe Schluchten und Felsküsten kennzeichnen das 90 Kilometer lange und 25 Kilometer breite Gebirge. Die höchsten Berggipfel sind der Puig Major mit 1,445 m und der Massanella mit 1,364 m. Es gibt jedoch noch rund 30 weitere Gipfel mit der beeindruckenden Höhe von 1.000 Metern. Die Bergkette der Tramuntana ist ursächlich für das milde Klima auf Mallorca. Fast jedes schlechte Wetter, das sich aus dem Norden anschleichen will, wird hier abgefangen. Ein Tag auf See ist ein Traum. Fast alle lagen in der Sonne auf der bequemen Liegefläche des Oberdecks. Gerry Rafferty war unser musikalischer Begleiter und versetzte die ganze Mannschaft in sehnsüchtig verträumte Stimmung:
„See the dark night has come down on us,
but now we know that we can wake up from this sleep,
and set out on the journey, find a ship to take us on the way.
The time has come to trust that guiding light and leaving' all the rest behind.
We'll take the road that leads down to the waterside.
And we'll sail out on the water, yes we'll feel the Sea grow,
yes we'll meet out on the water, where all strangers are are known.
If you travel blindly, if you fall, the truth is there to set you free.
And when your heart can see just one thing in this life,
we'll set out on the journey, the world is living' in its dream.
In Deutsch frei übersetzt:
„Sehe, die Dunkle Nacht hat uns empfangen, die Welt lebt in ihrem Traum.
Aber wir wissen jetzt, dass wir aus diesem Schlaf erwachen können.
Und wir machen uns auf die Reise, die Zeit ist reif dafür,
dem Licht, das uns führt, zu trauen.
Ein Schiff, das uns mitnimmt, haben wir gefunden.
Wir nehmen den Weg, der uns zum Meer führt und wir segeln auf dem Meer.
Den Rest lassen wir hinter uns. Ja, wir fühlen die Kraft des Meers,
ja, wir haben uns da gefunden, wo alle Fremde Freunde sind.
Wenn Du blind auf die Reise gehst, die Wahrheit macht Dich frei.
Wenn dein Herz nur eine Sache im Leben sehen kann, diese Reise öffnet deine Seele!
Die kleine Bucht von Porto Sóller ist der einzige Hafen an Mallorcas Nordküste, in dem man mit einem Schiff Zuflucht finden kann. Die Badia de Sóller bietet den einzigen geschützten Hafen der Nordwestküste der Insel Mallorca zwischen Port d’Andratx und Port de Pollença.
Bei Sonnenuntergang gingen wir auf Reede vor Anker. Der wild romantische Hafenort liegt an einer annähernd kreisrunden, nach Norden durch den Monte de Santa Catalina geschützten Bucht und ist rings von Bergen eingefasst. Das kleine Dörfchen hat den Charme eines Piratennestes. Sóller hat sich schon früh zum Hauptort dieser Region in der Serra de Tramuntana entwickelt. Der Hafen von Port de Sóller, wurde an der Nordostseite der Bucht angelegt, geschützt vor den Nordwestwinden durch die Halbinsel Racó de Santa Caterina. Er bildet noch heute den Mittelpunkt des Ortes. Hier fühlt man sich unweigerlich in die Zeit säbelrasselnder Piraten zurück versetzt, die in der Bucht Schutz vor den Widrigkeiten des Meers oder ihren Verfolgern fanden.
Dementsprechend verköstigte uns Leni Rösch mit einem echten Piratenschmaus. Saftige Steaks, Salat, gegrilltes Gemüse und reichlich Rotwein wurde aufgetischt und die Bordparty konnte beginnen. Nach dem Essen holte unser Freund „JB“, so genannt nach den Initialen seines zweiten Vornamens und Nachnamens, die Gitarre heraus. Die Lichter von Porto Soller funkelten tanzend über das Wasser und die Piraten-Party auf dem Mittelmeer versprach, sehr lange zu dauern. Bei zunehmendem Rotwein-Genuss gerieten wir ins Schwärmen und philosophierten euphorisch darüber, dass wir uns auch so einen Dampfer zulegen sollten: „Was dieser Herbert Rösch kann, werden wir doch ebenso hinbekommen.
Wir kaufen uns ein Schiff und organisieren Charter-Kreuzfahrten rund um Mallorca“, schlug Kalle vor und JB stimmte mit Begeisterung zu: „Das ist es doch. Das wird es! Auf diese Idee haben wir lange gewartet. Männer, wir werden Spaß haben! Viel Spaß! Sehr viel Spaß!!!
Wenn das erste Schiff gut ausgelastet ist, kaufen wir ein zweites. Dann werden wir Reeder.
Und dann werden wir richtig reich!“
Kein Zweifel, eine gewisse Menge Rotwein hat eine sehr belebende Wirkung auf die Phantasie heranwachsender Visionäre! Lebhaft beteiligte ich mich am ausschweifenden Pläneschmieden. In der romantischen Atmosphäre einer lauen, sternklaren mediterranen Nacht kann man bei lauschigen Gitarrenklängen leicht ins Träumen geraten. Leicht verliebt man sich in solche beschwingt ausgedachten und sehr reizvoll erscheinenden Lebenspläne.
Allerdings nahm ich die Dinge nicht wirklich richtig ernst.
Einen besonders guten Blick auf die Bucht, die Stadt und den Hafen bietet sich vom Restaurant beim Leuchtturm auf dem Cap Gros. Links von der Bucht führt eine Straße in Serpentinen dort hinauf. Von Porto Sóller nach Sóller zuckelt eine historische hölzerne Straßenbahn in das drei Kilometer entfernte Sóller durch paradiesisch anmutende, üppige Zitronen- und Orangenplantagen. Herbert Rösch legte uns diese Tour dringend ans Herz: „Direkt von dem Bähnchen aus könnt ihr die süßesten Orangen der Welt von den Bäumen pflücken!“ Also folgten wir am Morgen des nächsten Tages seinem Rat und ernteten verzückt Zitrusfrüchte. Sóller liegt im Tal des Goldes. Das Gold, das die Mauren Sulliar nannten, kommt aus dem Boden und gab dem Ort seinen Namen. Damit sind nicht nur die weitläufigen Orangenplantagen von Sóller gemeint: Das Gold der Mauren war flüssig und stammte aus den Olivenhainen, die Sóller zur Zeit ihrer Herrschaft umgab. Ein „Tal des Goldes“ ist die Gegend um Sóller mit seinen enormen Gärten geblieben. Ende des 18. Jahrhunderts flohen französische Bauern, Händler, Winzer und Tuchmacher aus dem von der Revolution geschüttelten Frankreich hierher und organisierten alsbald die Verschiffung der Früchte nach Frankreich. Dort eröffneten meist Verwandte oder Bekannte der ausgewanderten Franzosen aus Sóller unter dem verheißungsvollen Namen „Jardin de l’Espagne“ die ersten Südfruchtgeschäfte. Sie bildeten ein unabhängiges, genossenschaftliches Netz und dehnten sich bald über die Grenzen von Frankreich hinaus. Daher unterscheiden sich die Hausfassaden in Sóller so augenfällig. Sie geben Zeugnis von den gefährlichen Situationen ihrer Erbauer durch die einstmals wilden Seeräuber. Fassaden aus Marès, elegante Toreinfahrten und Innenhöfe, kunstvolle Portale, Fensterstöcke und Schmiedeeisenarbeiten sind zu bewundern. Sóllers Heimkehrer aus karibischen Gefilden hingegen zeigen ihren Stil aus Übersee. Sie bauten Stadtpaläste im Kolonialstil, in Neobarock und Klassizismus mit Säulen, Tempelgiebelchen, prächtigen Fassaden aus Bruchstein und Verzierungen aus Schmiedeeisen, wie Sie noch heute entlang der Gran Via, der Hauptstraße der Kleinstadt, zu sehen sind. Zu Geld gekommene Bürger Sóllers ließen ihre repräsentativen Stadthäuser von katalanischen Architekten konzipieren und auch die lokalen Architekten orientierten sich in erster Linie an Barcelona. Neben Palma ist Sóller die zweitwichtigste Stätte des Modernisme auf der Insel Mallorca. Das ist zum Beispiel an der Fassade der Pfarrkirche Sant Bartomeu zu erkennen, die einst von Antoni Gaudis Schüler
Die Bucht von Port Soller erinnert an die großen Zeiten der Piraten
Im Hafen von Cala Rajada
Die Cala Agulla lädt zum Baden ein
Joan Rubio i Bellver entworfen wurde. Er hat auch die Vorderfront der Banco Central Hispano sowie die Villa Ca’n Prunera in der Straße Carrer de Sa Luna gestaltet.
Die Banca March verwandelte ein bankrottes Landgut am Rande von Sóller, Camp d’en Prohom, in den einzigen botanischen Garten der Insel.
Bis die Bürger von Sóller im Jahre 1912 mit der berühmten Eisenbahn „Roter Blitz“, dem sogenannten Orangenexpress, einen vergleichsweise schnellen und bequemen Landweg schufen, war der Hafen von Port de Sóller das Nadelöhr nach außen und ebenso der wunde Punkt des Ortes. Denn die „Orangensegler“, wie man die Exportschiffe mit Kurs Frankreich nannte, hatten auch auf ihrem Rückweg in dessen geschützte und kreisrunde Bucht schwer geladen: Die Sollerics ließen sich aus Frankreich Möbel, Töpfe, Karren und Landwirtschaftsgeräte kommen. Angesichts der Trampelpfade über die Berge und des zehnstündigen Seeweges nach Palma war dieser „Ferneinkauf“ die einzige sinnvolle Alternative.
Wo Reichtum herrschte, waren die Piraten nicht fern. 1561 wurde der gesamte Hafenbereich durch Seeräuber in Schutt und Asche gelegt.
Dieses veranlasste die Bürger von Sóller, ein trutziges Bollwerk auszubauen. Dass man nach dem Ausbau die Angriffe abwehren konnte, feiern Sóller und Port de Sóller jedes Jahr am 2. Wochenende im Mai mit dem Historienspiel Moros i Christians, bei dem die Schlachten in den Straßen der Stadt nachgestellt werden.