Die Streunerin - Andrea Taraška - E-Book

Die Streunerin E-Book

Andrea Taraška

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Beschreibung

Eine Sammlung verschiedener, bereits veröffentlicher  Kurzgeschichten.

Moritz beobachtet eine Katze vom Wohnzimmer aus, als sie beinahe täglich zum Futter kommt. Eines Tages fehlt  jede Spur von dem Tier. Moritz ist dadurch traurig, nichts kann  ihn davon ablenken.

Erst als die streunende Katze ihre Jungen in seinen Schoß legt, ist die Welt für das Kind wieder in Ordnung.

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Andrea Taraška

Die Streunerin

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Die Streunerin

 

Ich wusste schon nicht mehr, wie lange ich den knapp sechsjährigen braunhaarigen Jungen bereits beobachtete. Denn er lag schon einige Zeit vor der Terrassentür am Boden, seinen Kopf auf den Händen aufgestützt, und starrte in die Dunkelheit hinaus. Sein Gesicht wurde immer trauriger. Beinahe befürchtete ich, dass er mir in Tränen ausbrechen würde. Doch etwas hielt ihn davon ab. Ich merkte, dass es hinter seiner Stirn auf Hochtouren arbeitete. Seine äußerst bekümmerte Miene ging mir an diesem Tag besonders nah.

 

Langsam und mit einiger Mühe ging ich neben ihm in die Hocke. Nach wenigen Augenblicken setzte ich mich mit leichten Schwierigkeiten neben Tobias, um ihm sachte einen Arm auf seine Schulter zu legen. Doch entgegen seiner sonstigen Gewohnheiten wich er kaum merklich aus. Meine tiefe Erschütterung ließ ich mir nicht anmerken.

 

„Tobias, was ist los mit dir?“, fragte ich meinen Enkel sachte. Erschrocken merkte ich, dass er kurz aufschniefte, ehe er mir beinahe trotzig in die Augen blickte.

 

„Weißt du, wo die Katze ist? Sie hat ihr Fressen nicht aufgegessen“, stellte Tobias mit weinerlicher Stimme fest. Hilflos zuckte ich mit den Schultern. Ich konnte ihm seine Frage leider nicht beantworten. Auch mir war aufgefallen, dass das schwarz-weiß gefleckte anfangs zierliche, jetzt beinahe kugelrunde Tier in den letzten Tagen nicht mehr aufgetaucht war. Ich musste zugeben, dass es mir gefiel, wenn es durchs Wohnzimmer streifte, kaum dass sie sich am angebotenen Fressen gütlich getan hatte.

 

Ganz besonders blühte der kleine Tobias auf, wenn er seine Nachmittage bei mir verbrachte und mit der Katze spielen konnte. Der aufgeweckte Junge hatte sie einfach Bob getauft. Oft dauerte dieses Vergnügen nicht allzu lange, und Bob verschwand, nicht ohne sich von seinem kleinen menschlichen Freund verabschiedet zu haben. Auch Tobias genoss es, wenn Bob um seine Beine strich und mit Schnurren belohnt wurde, als das Kind das Tier hingebungsvoll streichelte und eifrig liebkoste.

 

Umso trauriger wurde Tobias, als in den wenigen Tagen vor Weihnachten von Bob noch immer jede Spur fehlte. Mein Enkel drängte mich dennoch, dem Tier sein gewohntes Futter ins Freie zu stellen. Meine Einwände wegen der Kälte drangen auf taube Ohren, die Gefahr des Einfrierens tat er mit einer wegwerfenden Handbewegung einfach ab. Ich musste mir eingestehen, dass ich mich in diesen Tagen äußerst hilflos fühlte, wusste ich doch schon nicht mehr, was ich Tobias auf die vielen drängenden Fragen antworten sollte. Denn schließlich fehlte täglich ein wenig aus der Futterschüssel.

„Schau, Oma, Bob holt sich sein Futter doch“, erklärte mir Tobias mit einer Ernsthaftigkeit, die mir beinah das Herz zerriss. Seine Nase war bei diesen Worten fest an die Fensterscheibe gedrückt, um so die Futterschüssel der Katze besser kontrollieren zu können. Insgeheim schalt ich mich einen Narren, dass ich diese noch immer auffüllte anstatt sie wegzuräumen. Immerhin wusste ich nicht, was aus unserem streunenden Bob geworden war. Ich befürchtete jedoch das Allerschlimmste.

 

Doch das wollte ich dem Jungen nicht erzählen. Schließlich wusste ich um die Liebe, die er dem Tier in den wenigen Wochen entgegenbrachte, die es bei mir ein und aus gegangen war. Seine Augen glänzten mehr als sonst, wenn sich Bob in seinen Schoß zusammenrollte und zu schnurren begann, wenn Tobias sie wie so oft liebkoste.

 

*

 

„Oma, Oma … komm‘ mal …“, hörte ich ihn aufgeregt rufen. Deshalb ließ ich vorsichtshalber meine Küchenarbeit liegen, um der Bitte meines Enkels nachzukommen. Sichtlich aufgewühlt deutete er auf die verschneite Terrasse vor uns.

„Siehst du, da ist ein Tier herumgelaufen …“, erläuterte er mir sichtlich erregt, kaum dass ich neben ihm stand, „Ich glaube, dass da eine Katze rumgelaufen ist.“

„Das sehe ich auch“, murmelte ich zustimmend, „aber bist du dir sicher, dass es unser Bob ist?“

„Wer soll es denn sonst sein, Oma?“, wollte Tobias aufgebracht wissen.

Seine vorher so gute Stimmung schien durch meine unbedachte Frage völlig aus den Fugen zu geraten. Warum musste ich diese Worte auch laut aussprechen, fragte ich mich und hätte mir hinterher am liebsten die Zunge abgebissen. Aber nun waren die Worte eben ausgesprochen worden – und ich musste das Beste daraus machen. Auch wenn ich noch keine Ahnung hatte, wie ich das tun sollte.

 

So versuchte ich Tobias bei allem, was ich tat, einzubeziehen. Damit wollte ich ihn vom Verschwinden der Katze ablenken, die er deshalb ins Herz geschlossen hatte, weil er bei sich zuhause keine haben konnte. Seine Nachmittage verbrachte er oft genug bei mir, sodass er mit Bob oft genug spielen oder kuscheln konnte.

Aber an seinen traurigen Augen merkte ich schließlich doch, dass meine Versuche von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen waren. Denn er war mit den Gedanken sichtlich meilenweit entfernt. Zu meinem Leidwesen wusste ich nur zu genau, wohin diese immer wieder wanderten. Ein kaum merkbarer Seufzer entrang sich meiner Brust. Wie gerne hätte ich ihm geholfen, auch wenn ich es im Augenblick nicht wirklich konnte.

 

Behutsam fuhr ich mit der Hand über seine dunklen Locken, während ich mich darauf gefasst machte, dass er sich mir mit einer Kopfbewegung entzog. Doch er tat es nicht! Zu meiner Verwunderung schmiegte er sich sogar gegen meine Handfläche. „Komm‘ her, Tobi …“, flüsterte ich nur. Mehr brachte ich vorerst nicht über die Lippen. Sanft legte ich meine Arme um ihn. Als er sich aufschluchzend an mich presste, strich ich behutsam, aber auch tröstend über seinen Rücken. Sein Schmerz über das plötzliche Verschwinden der Katze war beinah schon greifbar. Mir tat mein Enkel unsagbar leid – wie sehr konnte ich nicht in Worte fassen! Doch wusste ich auch, dass im Augenblick kleine Gesten mehr bewirkten als reden.

Es erstaunte mich nicht, dass er sich in meine Arme schmiegte und sein kleines Gesicht in meiner Halsbeuge vergrub. Ich rieb meine Wange sachte an seinem Haar, nahm am Rande erschrocken wahr, dass Tobias leise vor sich hin weinte. Das merkte ich nur am Beben seines kleinen Körpers. Das war der Moment, in dem ich mir vornahm, mich in der Nachbarschaft nach kleinen Kätzchen umzuhören. Schließlich verbrachte mein Enkel eine Menge Zeit bei mir, während seine Eltern ihrer Arbeit nachgingen. So konnte er den Umgang mit den Tieren lernen, und ich hatte eine Aufgabe, wenn der Junge mit seiner Familie unterwegs war.

 

Solange ich versuchte Tobias zu trösten, wanderte mein Blick unruhig durch den Raum. Eine Bewegung ließ meine Augen in der Dunkelheit hinter der Terrassentür verharren. Ohne lange zu Überlegen schob ich Tobias behutsam zur Seite, um dem auf den Grund zu gehen und öffnete wachsam die Glastür. Dabei suchte ich die Finsternis nach weiteren Bewegungen ab – und fand nichts mehr. Ehe ich mich jedoch versah, huschte ein Schatten durch den Spalt. Bevor ich dem jedoch auf den Grund gehen konnte, hörte ich das begeisterte Quietschen meines Enkels.

 

Tobias war in die Hocke gegangen, um das kleine Fellknäuel vor sich genauer betrachten zu können. „Oma … schau mal …“, rief er begeistert aus, während er sich mit den Händen über die noch immer feuchten Augen wischte, „das ist eine Babykatze ….“ Er blickte mit strahlendem Gesicht zu mir auf, vergessen war die große Trauer um unseren streunenden Bob. Der war inzwischen wieder verschwunden, ohne dass wir es richtig mitbekommen hatten.

 

Mein Enkel wurde durch leises Fipsen von der Katzenmutter abgelenkt, ehe er auf die Idee kommen konnte, überhaupt nach ihr zu suchen. Mit einer Vorsicht, die ich ihm so nicht zugetraut hatte, hob er das schwarz-weiß gefleckte Katzenkind auf seinen Schoß. Sachte streichelte er über das weiche Fell.

 

Ich ging neben Tobias in die Hocke, um über das Fell der Katze zu streichen. Ich vergaß völlig darauf, auf meine Umgebung zu achten. Deshalb blieb die Terrassentür offen. Durch diesen Spalt schlich sich wieder Bob, mit einer Last in ihrem Maul, die die Katze vorsichtig in den Schoß des Kindes legte.

 

„Oma, schau mal, noch ein Katzenbaby …“, flüsterte Tobias begeistert. Seine Augen begannen zu strahlen, als sich das Tier neben seinem Geschwisterchen zusammenrollte und gleich darauf einschlief. Mein Enkel hielt sich erstaunlich ruhig, vermied es, sich zu bewegen. Er kraulte besonderes liebevoll über das gefleckte Fell der Katzen.