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Seit ihrem Reitunfall ist die schöne Eveline Armstrong verstummt. Obwohl sie damals nur das Gehör verlor, lässt sie alle Welt in dem Glauben, sie sei nicht mehr "richtig" im Kopf - um einer Zwangsehe zu entgehen. Als der König dennoch befiehlt, dass sie in den verfeindeten Montgomery-Clan einheiratet, muss sie gehorchen. Nie hätte sie damit gerechnet, dass ihr Gemahl, der kriegerische Laird Graeme, ihr derart den Atem raubt! Seine tiefe Stimme vibriert so machtvoll, dass sie ihn versteht, und seine Küsse sind so zärtlich ... Aber darf sie wagen, ihm ihr Geheimnis zu offenbaren - das Einzige, was sie vor dem Hass seiner Familie schützt?
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Seitenzahl: 518
IMPRESSUM
HISTORICAL GOLD EXTRA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2012 by Maya Banks Originaltitel: „Never Seduce a Scot“ erschienen bei: Ballantine Books, New York Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe HISTORICAL GOLD EXTRABand 72 - 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Nina Hawranke
Abbildungen: Harlequin Books S.A., alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2015 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733760991
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Friede war in die Highlands eingezogen. Es war, als sei das Land selbst dankbar für die kurze Atempause inmitten von Gewalt, Rebellion und Blutvergießen, als schwebe dieser Dank wie ein leises Flüstern über allem. Der Frühling war gekommen und hatte die Erde zwischen Schieferfelsen und Findlingen, die so bezeichnend waren für diesen Landstrich, mit saftig grünem Gras überzogen.
Der Schnee, den der Winter gebracht hatte, war der Wärme der längeren Tage gewichen. Alles war in bester Ordnung. König Alexander II. hätte sich getrost anderen Dingen widmen können, wäre da nicht eine Sache gewesen.
Eine überaus bedeutsame Sache.
Seine beiden mächtigsten Verbündeten, die zugleich die zwei schlagkräftigsten Clans seines Königreichs waren, hassten einander bis aufs Blut.
Zwischen den Montgomerys und den Armstrongs herrschte keine simple Fehde, sondern regelrecht Krieg. Und Alexander hatte weder die Zeit noch den Wunsch zuzusehen, wie sich seine wertvollsten Getreuen gegenseitig aufrieben.
Nun, da der Schnee getaut war und die Tage länger wurden, würde der Hader aufs Neue aufflammen. Clansmänner würden sterben.
Daher sann Alexander auf einen Plan, um Frieden zwischen den beiden erbitterten Feinden zu erzwingen.
Eines Morgens, noch ehe die Sonne ganz über dem Horizont erschienen war, schickte er zwei Boten zu Pferde los, um sowohl Laird Armstrong als auch Laird Montgomery einen königlichen Erlass zu übermitteln.
Er konnte nur hoffen, dass sich die beiden auf der bevorstehenden Hochzeit nicht an die Kehle gehen würden.
Das ist doch Irrsinn!“, entfuhr es Bowen Montgomery. „Er kann dich unmöglich an die kleine geistesschwache Tochter deines Erzfeindes ketten.“
Graeme Montgomery erwiderte den Blick seines Bruders grimmig. Vergebens rang er um eine Antwort; der Zorn, der in ihm aufwallte, machte ihn sprachlos. Der königliche Bote war wieder aufgebrochen und dürfte just in diesem Augenblick die Grenze des Montgomery-Landes überqueren. Dafür hatte Graeme gesorgt. Er fühlte sich zutiefst betrogen vom König und duldete den Gesandten der Krone nicht einen Herzschlag länger als nötig auf seinem Grund und Boden.
„Sie ist doch noch ein Kind“, knurrte Bowen. „Und sie ist … sie ist … Herrje, jeder weiß doch, dass sie nicht ganz richtig im Kopf ist. Was zur Hölle sollst du mit ihr anfangen?“
Graeme hob die Hand, um Bowen zum Schweigen zu bringen. Seine Finger bebten, ein untrügliches Zeichen seiner Wut. Er wandte sich ab und stapfte davon, fort von seinem Bruder. Er brauchte Abstand, musste allein sein, um sich über das Ausmaß dessen klar zu werden, was ihm soeben angetan worden war – ihm und seinem Clan.
Diese Ehe, die sein König verfügt hatte, um den Zwist zwischen den zwei Clans beizulegen, machte jedwede Chance darauf zunichte, dass Graeme den Titel des Laird und damit die Herrschaft über den Montgomery-Clan an seine Erben würde weiterreichen können.
Denn es würde keine Erben geben.
Mit Graeme würde alles enden.
Da er selbst keine Söhne haben würde, die Laird werden konnten, blieb es seinen Brüdern Bowen und Teague überlassen, für männliche Nachkommen zu sorgen, die dem Namen Montgomery eine Zukunft geben würden. Sein Clan mochte gar zu dem Schluss gelangen, dass einer seiner Brüder besser geeignet war, die Rolle des Laird zu übernehmen. Schließlich werde ich eine Frau haben, die ihren Pflichten gegenüber dem Clan nicht nachkommen kann, dachte er. Ich werde keine Kinder zeugen können.
Was für ein verfluchter Schlamassel diese ganze Angelegenheit war!
Wie konnte sein Lehnsherr ihm das antun? Er musste doch wissen, zu was für einer Zukunft er ihn damit verdammte.
Graeme schritt den schmalen Gang entlang, der von der Großen Halle in ein winziges Hinterzimmer führte. Dort war es dunkel, da die Felle vor den Fenstern nicht zurückgeschlagen worden waren. Auch Graeme tat dies nicht und zündete stattdessen an einer der Wandfackeln im Gang eine kleine Kerze an.
Der Schein der Flamme durchdrang die Finsternis kaum, war aber immerhin so hell, dass Graeme den Weg zu dem massiven Tisch fand, an dem sein Vater viele Nächte verbracht und seine Schreibfeder über seine Buchführung hatte kratzen lassen. Der alte Laird war ein knauseriger, pedantischer Mann gewesen, der auf alles ein Auge gehabt hatte, was der Clan an Vermögen besaß.
Doch sein übergroßes Herz hatte den Geiz wieder wettgemacht – stets war er gerecht gewesen gegenüber seinem Clan und hatte alle Menschen gleich behandelt. Er hatte darauf geachtet, dass jeder hatte, was er brauchte – dass ein jeder Kleidung besaß und satt wurde. Notfalls hatte er selbst gedarbt.
Graeme vermisste ihn jeden Tag aufs Neue.
Schwer ließ er sich nun auf den grob gezimmerten Stuhl sinken und strich über das alte Holz des Tisches. Fast war ihm, als spüre er das Wesen seines Vaters in diesem Raum.
Eine Ehe. Mit einer Armstrong. Allein der Gedanke war ihm zuwider.
Und dann Bowens Gerede darüber, dass das Mädchen geisteskrank sei. Graeme hatte den Gerüchten über ihre Umnachtung nie viel Aufmerksamkeit geschenkt. Der Umstand war ihm egal gewesen – bis jetzt. Es war weithin bekannt, dass mit der Kleinen etwas nicht stimmte, wenngleich der Armstrong-Clan nichts Genaues nach außen durchdringen ließ.
Sie war gar schon einmal verlobt gewesen, mit dem Spross der McHughs. Der Laird der McHughs strebte ein Bündnis mit den Armstrongs an, weil ihm das zu beträchtlichem Einfluss verhelfen würde. Die Montgomerys hatten auch für die McHughs nicht viel übrig, denn diese waren mitschuldig am Tod von Graemes Vater. Aber Graeme wusste, wer die Hauptschuld trug. Und so waren es die Armstrongs, denen sein Hass vorrangig galt.
Er war nicht traurig darüber gewesen, dass das Verlöbnis gelöst worden war und Armstrongs und McHughs somit nicht durch eine Ehe verbunden waren. Die Armstrongs verbündeten sich nicht leichtfertig mit benachbarten Clans – das hatten sie nicht nötig. Sie waren eine so mächtige Sippe, dass ihnen ein Sieg sicher war, solange sie sich nicht einer Vielzahl an feindlichen Clans zugleich stellen mussten.
Tavis Armstrong war genau wie sein Vater und handelte, wie dieser es vor ihm getan hatte. Er misstraute Übereinkommen und Versprechen und gab niemandem Gelegenheit, ihn zu hintergehen. Über das Wohl seines Clans wachte er allein.
Wären sie nicht solch erbitterte Feinde gewesen, hätte Graeme vielleicht gar Respekt empfunden, was die Unbeirrbarkeit anging, mit der Armstrong herrschte. Auch dem Umstand, dass Armstrong sich auf niemandes Hilfe stützte, hätte er dann womöglich Anerkennung gezollt.
Nachdem das Verlöbnis zwischen der Armstrong-Tochter und dem McHugh-Sprössling aufgehoben worden war, war kaum mehr über die Angelegenheit gesprochen worden. Es wurde lediglich gemunkelt, dass das Mädchen nicht ganz richtig im Kopf sei. Doch da die Armstrongs nicht gerade ein geselliger Clan waren und unter sich blieben, hörte man nicht viel über die einzige Tochter des Laird.
Nay, Graeme bereute keineswegs, dass die Ehe nicht zustande gekommen war. Er wusste, dass McHugh seinen Stand als Schwiegersohn genutzt hätte, um Armstrongs Ingrimm gegen die Montgomerys zu nähren. McHugh strebte nach mehr Land und Macht, und die Besitzungen der Montgomerys waren ihm ein Dorn im Auge, weil sie ihn im Norden einzwängten.
Und nun sollte Graeme eine Frau aufgehalst bekommen, über die er kaum etwas wusste! Schlimm genug, dass sie schwachsinnig war und ihm keine anständige Gemahlin würde sein können. Viel schwerer wog allerdings, dass sie darüber hinaus dem verhassten Armstrong-Clan entstammte, was bedeutete, dass er nichts mit ihr zu tun haben wollte, selbst wenn sie die untadeligste Frau in den gesamten Highlands gewesen wäre.
Wenn er denn hätte heiraten wollen, dann eine Frau aus seinem eigenen Clan. Nie hätte er sich freiwillig ein Weib genommen, das die Montgomerys gefährden sowie Hader und Zwietracht säen würde. Und Eveline Armstrong würde beides tun.
„Graeme?“
Das kaum hörbare Flüstern war aus dem Gang gekommen. Graemes Ärger und Anspannung traten sofort in den Hintergrund, als seine Schwester Rorie den Kopf hereinsteckte und ihn beklommen musterte.
„Was ist, Kobold?“, fragte er und winkte sie herein.
Rorie war fünfzehn Winter alt, wirkte jedoch jünger als die meisten ihrer Altersgenossinnen. Während ein Gutteil Letzterer bereits Rundungen und Brüste aufwies, war Rorie nach wie vor dünn und schmächtig. Wären nicht ihre atemberaubend schönen grünen Augen und die anmutig weiblichen Züge gewesen, hätte sie als Knabe durchgehen können.
Da sie mit drei älteren Brüdern aufgewachsen war, hätte man annehmen sollen, dass sie allem gewachsen sei. Doch sie war äußerst schüchtern und stiller als andere Frauen, die Graeme kannte, außer gegenüber ihm und seinen Brüdern.
„Stimmt es, was Bowen sagt?“
Wenige Schritte von ihm entfernt blieb sie stehen. Er saß noch immer da, die Hände auf der hölzernen Tischplatte zu Fäusten geballt.
„Heiratest du wirklich eine Armstrong?“
Er suchte in ihrer Miene nach Spuren von Angst, denn er hätte alles getan, um ihr diese zu nehmen. Den Vater zu verlieren, hatte Rorie besonders schwer getroffen. Sie war immer der Augenstern des alten Laird gewesen, und wenn einer in der Familie die Armstrongs als Ungeheuer betrachtete, dann Rorie.
Aber alles, was Graeme in ihren ausdrucksvollen Augen sah, war Besorgnis.
„Das ist es jedenfalls, was der König verfügt hat.“
Sie verzog das Gesicht. „Aber warum? Weshalb sollte er so etwas tun?“
„Es steht dir nicht zu, seine Befehle zu hinterfragen“, erwiderte er, jedoch ohne Schärfe. Er konnte sie schlecht für ihren Mangel an Respekt rügen, wenn er selbst die königliche Weisung infrage stellte.
„Sie haben Vater umgebracht.“ Aus ihrer Stimme sprach tiefster Schmerz. „Wie könnte je Frieden zwischen uns herrschen? Wie kann der König nur glauben, dass eine Ehe zwischen dir und einer von denen irgendetwas ändern würde?“
„Schscht“, machte er leise. „Genug jetzt, Rorie. Uns ist befohlen worden, zu den Armstrongs zu reiten, und genau das werden wir tun.“
Entsetzt starrte sie ihn an. „Zu ihnen reiten? Ihren Grund und Boden betreten? Wo sie uns alle töten können? Wieso können nicht sie zu uns kommen? Warum sind wir diejenigen, die alles riskieren sollen? Haben sie sich etwa die Gunst des Königs erschlichen?“
Ihre unbedarften Worte brachten Graeme kurz zum Lächeln. „Es ist unwahrscheinlich, dass sie es als königliche Gunst erachten, mir die Tochter ihres Laird als Eheweib aushändigen zu müssen. Ich bezweifle, dass sie mehr Gefallen an der Sache finden als wir.“
„Es heißt, sie sei umnachtet“, wandte Rorie stirnrunzelnd ein.
Er seufzte. „Ich schätze, das werden wir auf der Hochzeit herausfinden, nicht wahr?“
Just in diesem Moment schallte Teagues Gebrüll durch den Gang. „Graeme! Wo zur Hölle steckst du?“
Wieder seufzte Graeme. Rorie rang sich ein verhaltenes Lächeln ab und drehte sich um, als Teague verschwitzt und blutverkrustet hereinpolterte.
„Sag mir, dass es nicht wahr ist!“, donnerte er.
„Du hast dich von den Waffenübungen abgesetzt, um mich zu fragen, ob wahr ist, was Bowen gesagt hat?“, hakte Graeme nach. „Soll das heißen, dass du sein Wort anzweifelst und deine Pflichten vernachlässigst, um mich in dieser Angelegenheit zu verhören?“
Teague blickte finster drein, setzte an, etwas zu sagen, schaute flüchtig zur Seite und erblickte jetzt erst Rorie. Er presste die Lippen zusammen und sah an sich hinab auf seine blutige Kleidung.
Rorie war … Nun, sie war anders. Für die meisten Frauen des Clans waren Blut, Gewalt und Schlachtgetümmel Teil des Lebens, so gewöhnlich wie essen und schlafen. Rorie jedoch war empfindsam in dieser Hinsicht. Sie erbleichte, wann immer sie Blut sah, und sie hasste Laute, die von Schmerz oder Hass kündeten.
„Verflucht, Graeme, hör auf, den Laird zu mimen, und sag mir einfach, ob es stimmt, damit ich wieder gehen kann und Rorie nicht noch mehr ängstige.“
„Sie hat bereits Angst“, entgegnete der Bruder. „Und zwar aus demselben Grund, der dich offenbar dazu bewogen hat, den Gang entlangzutrampeln und nach mir zu brüllen.“
Das ließ Teague verstummen. Er verspannte sich sichtlich und biss die Zähne zusammen. „So ist es also wahr.“
„Aye, es ist wahr.“
Teague schluckte einen Fluch hinunter, der ihm gewiss einen unmutigen Blick seiner kleinen Schwester eingebracht hätte, die sich immerzu um ihr aller Seelenheil sorgte. Er machte kehrt und stapfte aus der Kammer. Seine schweren Tritte schallten durch den Gang und verhallten schließlich.
„Na, das lief ja vortrefflich, nicht wahr?“, meinte Rorie leise.
Tavis Armstrongs wütendes Gebrüll tönte durch die ganze Burg bis hinaus in den Hof, wo seine Männer sich im Waffenkampf übten. Viele ließen das Schwert sinken, während andere das ihre wachsam hoben ob der Gefahr, die da über sie hereingebrochen sein mochte.
Eveline hörte ihren Vater nicht, fühlte jedoch den Steinboden unter ihren Füßen erzittern und wusste, dass in der Großen Halle etwas nicht stimmte. Da war zu viel Bewegung, zu viel Ungestüm zu spüren. Es war, als sei eine Schafherde in die Burg eingedrungen und irre kopflos umher.
Mit unbewegter Miene lugte sie um die Ecke zur Treppe. Ihre Neugier war geweckt. Was war es, das die gesamte Burg in Aufruhr versetzt hatte?
An der Treppe stand ihr Vater, der Laird, das Gesicht vor Wut zu einer Grimasse verzerrt, ein zerknülltes Sendschreiben in der geballten Faust. Neben ihm standen ihre beiden Brüder Brodie und Aiden, die Arme vor der Brust verschränkt. Selbst aus dieser Entfernung erkannte sie, dass die zwei ebenso vor Zorn bebten.
Sie ließ den Blick zu dem Mann schweifen, der vor ihrem Vater stand und wirkte, als wäre er jetzt überall lieber als hier. Die wie immer geartete Nachricht, die der Laird in der Hand hielt, hatte auch den offenkundigen Unglücksboten erschüttert.
Eveline legte den Kopf schräg und betrachtete den Fremden. Er war von der Krone entsandt worden, denn er trug das königliche Wappen, und seine rechte Hand zierte ein Rubinring, der ihn als königlichen Boten auswies.
Ihr Vater stand so ungünstig, dass sie seine Lippen nicht lesen konnte, und das fuchste sie. Die des Boten hingegen sah sie klar und deutlich – als dieser just den Mund schloss.
Endlich öffnete er ihn wieder, um etwas zu sagen, und Eveline richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Mann. Auf keinen Fall wollte sie verpassen, was er ihrem Vater zu sagen hatte.
„Ihr werdet der Weisung des Königs Folge leisten. Er hat verfügt, dass die Hochzeit in zwei Wochen stattfindet. Die Zeit bis dahin könnt Ihr nutzen, um Vorbereitungen zu treffen. Die Vermählung wird hier stattfinden und der König wird einen Stellvertreter entsenden, um sicherzustellen, dass alles wie geplant verläuft.“
Hochzeit? Eveline merkte auf. Gewiss war ihr Vater nicht wegen einer Hochzeit derart aufgebracht. Wessen Hochzeit überhaupt? Der König würde einen Stellvertreter entsenden? Das alles klang furchtbar wichtig und aufregend. Bestimmt würde ihr dieses spannende Ereignis Gelegenheit geben, interessante neue Menschen zu beobachten.
Plötzlich stürzte ihre Mutter herein, die offenbar heimlich gelauscht hatte. Eveline zuckte zusammen ob dieses ungehörigen Verhaltens. Ihr Vater tadelte ihre Mutter ständig dafür, dass sie in Gespräche hineinplatzte, die sie nichts angingen. Nicht dass es etwas genützt hätte oder ihr Vater ihrer Mutter lange zürnen konnte, aber dies hier war etwas anderes. Der Gesandte des Königs war zugegen, und kränkte sie ihn, so kränkte sie zugleich den König selbst.
„Tavis, das könnt Ihr nicht zulassen!“
Eveline konnte die Worte kaum lesen, die ihrer Mutter über die Lippen kamen. Deren Gesicht war tränenüberströmt. Und das wegen einer Hochzeit? Eveline runzelte die Stirn. Dies alles ergab keinen Sinn.
Ihr Vater legte ihrer Mutter warnend eine Hand auf den Arm und drehte sich so weit um, dass Eveline erkennen konnte, wie er an ihren Bruder Aiden gerichtet wütend hervorpresste: „Führe deine Mutter hinaus. Sofort!“
Doch seine Gemahlin schüttelte nachdrücklich den Kopf und entwand sich Aidens Griff. „Das ist doch Wahnsinn. Er kann sie unmöglich den Wölfen vorwerfen. Es ist falsch! Sie ist nicht in der Lage, ehelichen Pflichten nachzukommen. Tavis, wir dürfen es nicht hinnehmen!“
Ein unbehaglicher Schauer lief Eveline über den Rücken. Allmählich beschlich sie ein äußerst mulmiges Gefühl, was den Grund für den Aufruhr in ihrer Familie anging. Hochzeit? Ihre Mutter in Tränen aufgelöst? Nicht in der Lage, den ehelichen Pflichten nachzukommen? Den Wölfen vorwerfen? Wer waren die Wölfe?
Der königliche Bote blickte finster drein; offenbar fühlte er sich überaus unwohl angesichts der feindseligen Stimmung, die ihm entgegenschlug. „Der König hat es so angeordnet. Graeme Montgomery und Eveline Armstrong werden in vierzehn Tagen vermählt werden.“
Eveline schlug sich eine Hand vor den Mund, ungeachtet der Tatsache, dass sie seit über drei Jahren kein Wort mehr gesprochen hatte. Sie tat es unwillkürlich, wie um den stummen Schrei zu unterdrücken, der aus den Tiefen ihrer Seele aufstieg.
Mehr wollte sie nicht erfahren. Abrupt wirbelte sie herum und floh aus der Burg. In ihrer Hast wäre sie beinahe die steinernen Stufen hinuntergestürzt. Sie raffte ihre Röcke, die Finger fest in den Stoff gegraben, und rannte über das unebene Gelände hinter der Burg bis zu dem Wäldchen, das sich den Fluss entlang bis zum nahen loch zog.
Ohne nachzudenken, lief sie zu dem riesigen Findling, der über den Fluss ragte. An dieser Stelle war die Strömung besonders stark, und das Wasser gluckerte und rauschte um große Steine und Felsen. Eveline stellte sich diese ehemals so vertrauten Geräusche vor und hielt an der verblassenden Erinnerung fest. So viel Zeit war vergangen, seit sie das letzte Mal etwas gehört hatte, und allmählich vergaß sie, wie die Welt klang.
Es war ein Verlust, der sie schmerzte. Früher hatte sie auf diesem Findling gesessen und dem Wasser gelauscht – was sie stets mit innerem Frieden erfüllt hatte. Im Laufe der Zeit waren diese aus der Erinnerung heraufbeschworenen Klänge schwächer und schließlich zu einem leeren Nichts geworden, das Eveline mehr und mehr zu verschlingen drohte.
Sie zog die Knie an, stützte das Kinn darauf und schloss die Augen, nur um sie sogleich wieder aufzureißen. Eine Welt, die sie nicht hören und nicht sehen konnte, war ihr nicht geheuer.
Verheiratet sollte sie werden.
Eine Verlobung war es gewesen, die dazu geführt hatte, dass sie ihrer Sippe seit drei Jahren etwas vorgaukelte. Damals war ihr ein Unglück widerfahren, doch dieses hatte sie immerhin vor einer ungewollten Ehe bewahrt – einer Ehe, auf die ihr Vater beharrt hatte.
Wie hatte es nun zu dieser neuen Entwicklung kommen können? Kalte Angst schnürte ihr die Kehle zu, als ihr durch den Kopf schoss, dass sie ihre sichere Heimstatt würde verlassen müssen. Hier wurde sie geliebt. Geschätzt. Niemand dachte schlecht über sie – oder wenigstens wagte niemand, derartige Gedanken laut auszusprechen. Ihr Vater hätte jeden mit seinem Schwert durchbohrt, der sich in irgendeiner Weise verächtlich über seine Tochter äußerte.
Aber sie wusste, was hinter ihrem Rücken geredet wurde; sie kannte einige der unschöneren Bemerkungen. Denn es wurde nicht einmal hinter ihrem Rücken, sondern unverhohlen vor ihren Augen getuschelt. Geistesschwach. Nicht bei Trost. Umnachtet. Armes Mädchen. Ein Nichtsnutz.
Die Leute lagen falsch, aber Eveline hütete sich, ihnen zu widersprechen. Das war zu gefährlich.
Einst war sie mit Ian McHugh verlobt gewesen. Dessen Vater, der Clansführer, hatte auf diese Verbindung gedrängt und ihr Vater hatte sie gutgeheißen. Tavis Armstrong wählte die Bündnisse, die er einging, mit großer Sorgfalt, und er vertraute Patrick McHugh. Man konnte die beiden gar als Freunde bezeichnen. So schien es nur natürlich, zwischen Armstrongs einziger Tochter und McHughs Erben eine Ehe zu arrangieren.
Allerdings hatte sich herausgestellt, dass Ian in Wahrheit nicht der einnehmende Bursche war, als der er sich gab. Oh, nach außen hin verhielt er sich tadellos und war der Inbegriff eines Ehrenmannes. Er hatte das Herz ihrer Mutter im Sturm erobert, und sogar Evelines überfürsorgliche Brüder hatten ihm ihren Segen erteilt.
Aber hinter der Maske steckte jemand, der sie das Fürchten lehrte. Er hatte sie schikaniert, indem er ihr vor Augen gehalten hatte, was ihr in der Ehe alles blühen werde. Wenn sie damit gedroht hatte, es ihrem Vater zu sagen, hatte er nur gelacht und gesagt, dass niemand ihr derlei Verleumdungen abnehmen werde. Sie hatte ihm nicht geglaubt, bis sie ihre Ankündigung wahr gemacht und ihren Vater ins Vertrauen gezogen hatte.
Ihr Vater war freundlich gewesen, hatte ihre Anschuldigungen jedoch als jungfräuliche Unsicherheit abgetan. Alles würde gut werden, und Ian würde ihr ein anständiger Gemahl sein. Ian McHugh sei ein gerechter, ehrenhafter Mann, hatte er ihr versichert.
Zu allem Übel umwarb Ian sie überschwänglich, wann immer ihre Familie zugegen war. Oft kam er zu Besuch und tat vor aller Augen durch große Gesten seine Ergebenheit kund. Er spielte seine Rolle perfekt, bis der gesamte Clan ihm buchstäblich aus der Hand fraß. Nur wenn sie unter sich gewesen waren, hatte er Eveline in seine tiefschwarze Seele schauen lassen.
Sie schloss die Augen, senkte den Kopf und ließ ihre Röcke über die Beine fallen. Geheimnisse. So viele Geheimnisse. So viele Lügen.
Wie gerne sie früher geritten war. Leider hatte sie nie allein ausreiten dürfen – die Montgomerys stellten eine ständig dräuende Gefahr dar, und Evelines Vater wollte nicht riskieren, dass sie den Todfeinden des Clans in die Hände fiele.
Eines Morgens war sie dennoch zu den Stallungen geschlichen, hatte ihr Pferd gesattelt und war losgeritten. Sie wollte nicht einfach nur ausreiten. Sie wollte davonlaufen. Eine törichte, kopflose Entscheidung, für die sie noch heute büßte.
Eveline vermochte nicht zu sagen, ob sie ihr Vorhaben in die Tat umgesetzt und tatsächlich den Mut aufgebracht hätte, die Grenzen des Armstrong-Landes hinter sich zu lassen. Denn wie sollte ein junges Mädchen allein und ohne den Schutz der Sippe überleben?
Dass diese aus schierer Verzweiflung geborene Tat sie so viel kosten würde, daran hätte sie im Traum nicht gedacht. Sie hatte ihr Pferd auf einen Pfad gelenkt, den sie viele Male schon geritten war. Er führte an einer steilen Schlucht entlang, durch die sich ein Fluss schlängelte. Ihr Pferd war gestolpert, wobei Eveline aus dem Sattel katapultiert worden und den Abhang hinabgestürzt war.
An das, was dann geschehen war, erinnerte sie sich nur vage. Sie hatte Angst gehabt und sich mutterseelenallein gefühlt, und ihr Kopf hatte stark geschmerzt. An die durch Mark und Bein gehende Kälte erinnerte sie sich noch, und ebenso an das unbarmherzige Verrinnen der Zeit.
Schließlich war sie in ihrer Kammer zu sich gekommen, in einer Welt der Lautlosigkeit. Erst hatte sie nicht verstanden, was mit ihr geschehen war; hatte nicht gewusst, wie sie vermitteln sollte, was ihr fehlte. Ihr Hals war geschwollen gewesen, und viele Tage lang hatte sie gefiebert. Selbst wenn sie hätte sprechen wollen, hätte sie es nicht vermocht, denn bereits das bloße Bemühen war zu schmerzhaft gewesen. So hatte sie geschwiegen, verwirrt ob der sie umschließenden Stille.
Später erfuhr sie, dass sie über zwei Wochen lang zwischen Leben und Tod geschwebt hatte. Die Heilerin hatte eine Schwellung an ihrem Kopf bemerkt und befürchtet, dass das Fieber ihren Geist verwirrt habe. Anfangs hatte Eveline ihr sogar geglaubt.
Manchmal dachte sie, dass der Verlust des Hörvermögens die Strafe für ihren verhängnisvollen Entschluss sei, gegen ihren Vater aufzubegehren. Es hatte lange gedauert, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen. Die Scham hielt sie davon ab, ihren Eltern die Wahrheit zu gestehen, denn diese sahen sie ohnehin schon zutiefst enttäuscht und niedergeschlagen an. Vielleicht hätte sie sogar den Mut aufgebracht, ihnen zu erklären, dass sie nicht mehr hören konnte, wären nicht eines Tages die McHughs zu ihrem Vater gekommen und hätten zu wissen verlangt, wie es um Eveline stehe.
Da die Versicherung, sie sei gesund und munter, ausblieb, löste Ian kurzerhand die Verlobung. Und wer hätte ihm dies zum Vorwurf machen können? Nicht einmal ihr Vater hatte beanstanden können, dass Ian kein Eheweib wollte, dessen geistige Gesundheit höchst fraglich war.
Sie hatte ihr Gebrechen nicht zugeben wollen, weil sie insgeheim gehofft hatte, es werde sich auf wundersame Weise geben. Eines Tages würde sie aufwachen, und alles wäre wieder gut.
Eine lächerliche Hoffnung, aber sie hatte sich mit aller Macht daran geklammert, bis ihr aufgegangen war, dass ihre vermeintliche Umnachtung ihre Rettung bedeutete.
So ward die Lüge geboren. Diese bestand nicht etwa in Worten, sondern im Schweigen. Eveline ließ Familie und Clan vorsätzlich in dem Glauben, der Unfall habe ihren Geist verwirrt, weil dies sie davor schützte, mit einem Mann vermählt zu werden, den sie verachtete und fürchtete.
Es war keine Lüge, die sie im Nachhinein richtigstellen konnte. Solange Ian unverheiratet war, mochte er das Verlöbnis erneuern, wenn bekannt würde, dass Eveline nicht etwa schwachsinnig, sondern lediglich taub war.
Also entwickelte der Betrug ein Eigenleben und trieb Blüten. Je länger er bestand, desto unfähiger fühlte sich Eveline, die Sache aufzuklären.
Jetzt erwies sich der Schwindel als vergebens, denn statt des Teufels Sohn heiraten zu müssen, erwartete sie die Ehe mit dem Teufel höchstselbst. Und dieses Mal würde sie es nicht verhindern können.
Sie erschauerte, legte die Stirn abermals auf die Knie und wiegte sich vor und zurück.
Graeme Montgomery.
Allein der Name erfüllte ihr Herz mit Grauen.
Die Fehde zwischen ihrem Clan und dem seinen schwelte seit fünf Jahrzehnten. Eveline konnte sich nicht daran erinnern, was das blutige Zerwürfnis ausgelöst hatte, aber blutig war es stets gewesen. Graeme Montgomerys Vater war von ihrem Großvater erschlagen worden, ein Umstand, den Montgomery niemals vergeben würde.
Die Existenz der Montgomerys war darauf ausgerichtet, jeden lebenden Armstrong zu drangsalieren, zu bestehlen, zu überfallen oder sein Blut zu vergießen. Doch Evelines Vater und Brüder waren nicht besser. Sie spießten einen Montgomery so leichthin mit dem Schwert auf, wie man ein Schwein schlachtete.
Für Eveline ergab dies alles keinen Sinn, aber sie war ja auch nur eine zarte kleine Blume von Frau, deren Verstand mit derlei Angelegenheiten heillos überfordert war. So jedenfalls hatte es schon damals geheißen, als man sie noch nicht für schwachsinnig hielt.
Geistesabwesend rieb sie sich über die Stirn. Sie fühlte die ihr so vertrauten Kopfschmerzen nahen, die sie immer wieder heimsuchten. Der Druck begann stets zwischen Nacken und Kopf, zog sich hinauf bis hinter die Ohren und wurde schließlich so qualvoll, dass sie hätte schreien mögen.
Dies äußern konnte sie jedoch nicht. Sie hatte keine Möglichkeit festzustellen, wie laut oder leise sie sprach, und da sie nicht wollte, dass jemand von ihrer Taubheit erfuhr, verharrte sie eingeschlossen in ihrer Stille.
Plötzlich spürte sie, dass sich jemand näherte. Seit sie ihr Hörvermögen verloren hatte, waren ihre übrigen Sinne geschärft. Das verblüffte sie, doch es war tatsächlich so, dass sie vor allem über ihr Gespür mehr wahrnahm als früher. Es war fast, als würde sie noch den leisesten Lufthauch fühlen.
Als sie sich umwandte, sah sie Brodie auf sich zukommen. Seine Miene war grimmig, erhellte sich jedoch, als er seine Schwester auf ihrem Felsen erspähte.
Brodie würde sie am meisten vermissen, sollte sie tatsächlich den Clansführer der Montgomerys heiraten müssen. Ihr war so sehr zum Weinen zumute, dass sie kaum Luft bekam. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt.
Im Näherkommen sagte er etwas, doch sie konnte nicht erkennen, was, da sein Gesicht von einem Ast verdeckt wurde. Als sie ihn daher nur stumm anstarrte, seufzte er betont schwer und ließ sich neben ihr auf dem Findling nieder, wie schon so viele Male zuvor.
Brodie wusste immer, wo sie zu finden war. Er kannte all ihre geheimen Verstecke. Es gab keinen Ort, an den sie hätte flüchten können – Brodie wusste um einen jeden.
Er griff nach ihrer Hand, die in seiner Pranke regelrecht verschwand, und drückte sie. Wieder bewegte er die Lippen, und Eveline neigte sich vor, um zu sehen, was er sagte.
„Man verlangt nach dir, Engelchen.“
Sie liebte es, wenn er sie so nannte, ohne recht zu wissen, warum. Es war ein Kosename, den er meist nachsichtig lächelnd aussprach. Heute allerdings lächelte er nicht. In seinem Blick las sie nur Trostlosigkeit, und Sorgenfalten verunzierten seine Stirn.
Da sie seine Traurigkeit nicht steigern wollte, ließ sie sich bereitwillig von ihm auf die Füße ziehen. Besser, sie gab sich unwissend. Womöglich konnte sie die Sache ja doch abwehren, indem sie die Schwachsinnige spielte. Wenn der König erfuhr, wie wenig sie als Gemahlin taugte, würde er die Weisung gewiss zurücknehmen.
Das schoss ihr durch den Kopf, während sie neben ihrem Bruder zur Burg zurückkehrte, und der Gedanke heiterte sie beträchtlich auf. Ihr Vater hatte immer gesagt, dass der König ein gerechter Herrscher sei und den Highlands durch sein Abkommen mit England Frieden beschert habe.
Sollte er wirklich einen Stellvertreter zur Hochzeit entsenden, würde dieser das Ereignis bestimmt absagen, wenn er Eveline sah. Gewiss würde er dem König berichten, dass sie für die ihr zugedachte Rolle ungeeignet war.
Obwohl ihr Herz raste wie wild, mühte Eveline sich, ruhig und gelassen zu wirken, als Brodie sie in die Große Halle führte.
Ihr Vater schritt vor dem Kamin auf und ab, und ihr anderer Bruder Aiden fläzte sich auf einem Stuhl an der ausladenden hölzernen Tafel. Wut loderte in seinen Augen, und mit dem Fuß wippte er einen ungestümen Takt.
Auch ihre Mutter war zugegen, und Eveline richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihre Eltern, um nichts von dem zu verpassen, was sie sagten. Sie entzog sich Brodies Griff und trat näher, um besser sehen zu können.
„Tavis, Ihr könnt das nicht zulassen!“
Ihr Vater packte ihre Mutter bei den Schultern und hielt sie fest. Aus dem Blick, mit dem er dem ihren begegnete, sprachen sowohl Qual als auch Zorn.
„Der König hat es so verfügt, Robina. Ich kann seinen Beschluss nicht anfechten.“
Ihre Mutter entriss sich ihm und drehte sich in Evelines Richtung. Ihre Augen waren gerötet und verquollen, und die Betrübnis, die von ihr ausging, war fast greifbar. Als sie Eveline bemerkte, wurde ihre Miene noch kummervoller.
Sie eilte zu ihrer Tochter, legte ihr einen Arm um die Schultern, drückte sie fest an sich und führte sie zum Vater. Eveline spürte ihre Mutter beben, und das bewog sie, umso angestrengter um die eigene Fassung zu ringen.
Ihr Vater hob eine sichtlich zitternde Hand und legte sie Eveline zärtlich an die Wange. Eveline ertrug den Gram in seinen Augen nicht, und so schmiegte sie sich an seine Handfläche und richtete den Blick auf seinen Mund.
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