Die Tochter der Krone - Jean Plaidy - E-Book
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Die Tochter der Krone E-Book

Jean Plaidy

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Beschreibung

Sie wurde zum Gehorsam erzogen – doch der Thron ist ihre Bestimmung … England, 17. Jahrhundert. Während König Charles II im Palast rauschende Feste gibt, ist der jungen Mary als Tochter des Herzogs von York ein Leben im Schatten der mächtigen Männer bestimmt. Noch als Kind wird sie mit ihrem niederländischen Cousin William von Oranien verheiratet und muss ihre geliebte englische Heimat verlassen – doch als die Glorreiche Revolution ausbricht, finden sich Mary und William plötzlich auf dem englischen Thron wider. Als Frau soll sich die junge Königin eigentlich aus den politischen Geschäften heraushalten – doch als ein neuer Krieg ihren Mann zwingt, England zu verlassen, liegt das Schicksal des Königreichs bald in Marys Händen … Ein mitreißender historischer Roman für alle Fans von Alison Weir und Philippa Gregory.

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Seitenzahl: 486

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Über dieses Buch:

England, 17. Jahrhundert. Während König Charles II im Palast rauschende Feste gibt, ist der jungen Mary als Tochter des Herzogs von York ein Leben im Schatten der mächtigen Männer bestimmt. Noch als Kind wird sie mit ihrem niederländischen Cousin William von Oranien verheiratet und muss ihre geliebte englische Heimat verlassen – doch als die Glorreiche Revolution ausbricht, finden sich Mary und William plötzlich auf dem englischen Thron wider. Als Frau soll sich die junge Königin eigentlich aus den politischen Geschäften heraushalten – doch als ein neuer Krieg ihren Mann zwingt, England zu verlassen, liegt das Schicksal des Königreichs bald in Marys Händen …

Über die Autorin:

Jean Plaidy – wie auch Philippa Carr und Victoria Holt – ist ein Pseudonym der britischen Autorin Eleanor Alice Burford (1906–1993). Schon in ihrer Jugend begann sie, sich für Geschichte zu begeistern: »Ich besuchte Hampton Court Palace mit seiner beeindruckenden Atmosphäre, ging durch dasselbe Tor wie Anne Boleyn und sah die Räume, durch die Katherine Howard gelaufen war. Das hat mich inspiriert, damit begann für mich alles.« 1941 veröffentlichte sie ihren ersten Roman, dem in den nächsten 50 Jahren zahlreiche folgten, die sich schon zu ihren Lebzeiten über 90 Millionen Mal verkauften. 1989 wurde Eleanor Alice Burford mit dem »Golden Treasure Award« der Romance Writers of America ausgezeichnet.

Jean Plaidy veröffentlichte bei dotbooks ihre historische Romanreihe »Queens of England« mit den Einzeltiteln »Königreich des Herzens«, »Krone der Liebe«, »Im Schatten der Krone«, »Die Gefangene des Throns« und »Die Tochter der Krone«.

Unter dem Pseudonym Victoria Holt erschien ihr historischer Roman »Das Geheimnis der Engländerin«.

Als Philippa Carr veröffentlichte die Autorin ihren großen neunzehnbändigen Roman-Zyklus »Die Töchter Englands«, die der in mehreren Sammelbänden erschienen ist.

***

eBook-Neuausgabe September 2024

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1992unter dem Originaltitel »William's Wife« bei Robert Hale, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1995 unter dem Titel »Die Tochter des Königs« bei Heyne

Copyright © der englischen Originalausgabe 1992 by Robert Hale Ltd.

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1995 by

Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)

ISBN 978-3-98952-389-0

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Jean Plaidy

Die Tochter der Krone

Queens of England 5 – Die vergessene Königin

Aus dem Englischen von Ingrid Rothmann

dotbooks.

Teil ILady Mary

Kapitel 1Die frühen Tage

In meinem Leben gab es zwei Menschen, die ich über alles liebte, und es lastete stets schwer auf mir, daß ich genötigt war, mich zwischen ihnen zu entscheiden, und mit meiner Entscheidung für den einen Verrat am anderen beging. Ich tat, was mir mein Herz, mein Glaube und mein Pflichtbewußtsein diktierten. Seither quält mich das Wissen um das Leid, dessen Ursache ich war, und dies wird mich bis ans Ende meiner Tage verfolgen.

Ich möchte bis zu den Anfängen zurückgehen, möchte mich in die Vergangenheit zurückversetzen, um sie klarer sehen zu können als zur Zeit des Geschehens. Ich möchte mich fragen: Wie hätte ich handeln sollen?

Ich wurde im St. James-Palast geboren, zu einem Zeitpunkt, da meine Geburt für niemanden außer für meine Eltern von Interesse war. Ein höchst bedeutsames Ereignis stand damals bevor. König Charles, mein Onkel, nach über zehnjährigem Exil wieder auf den Thron zurückgekehrt, war im Begriff, sich mit der Infantin von Portugal zu vermählen – ein Ereignis, das im ganzen Land mit erwartungsvoller Freude begrüßt wurde. Da ich ohnehin nur ein Mädchen war und meinen Eltern fünfzehn Monate nach meiner Geburt ein Sohn geschenkt wurde, verlor meine Geburt vollends an Bedeutung.

Anfangs erschien mir die Welt als herrlicher Ort; die Tage waren voller Sonnenschein, ich lebte unter Menschen, die mich liebten, und da mir alle zugetan waren, gelangte ich zu der Meinung, die Welt sei allein zu meinem Vergnügen erschaffen worden.

Am schönsten war es, wenn unsere Eltern uns besuchten. Da man ihnen allseits mit großem Respekt begegnete, wurde mir ihre Bedeutung rasch klar. Meine Mutter, die mich oft in die Arme nahm, erschien mir wie ein großes weiches Kissen, in das ich mich mit dem Gefühl behaglicher Sicherheit sinken lassen konnte. Sie liebkoste mich, raunte mir Worte der Liebe zu, steckte mir Naschereien in den Mund und zeigte mir auf hundertfache Weise, wie lieb sie mich hatte. Der Wichtigste von allen war freilich mein Vater. Erschien er im Kinderzimmer und rief: »Wo ist mein Töchterchen? Wo ist Lady Mary?«, dann lief ich sofort auf ihn zu, erst unsicher tappend und wackelnd, später in stürmischem Lauf. Er hob mich hoch und setzte mich auf seine Schultern, damit ich aus luftiger Höhe auf alles hinunterblicken konnte. Ich hatte alle in meiner Umgebung lieb, niemanden aber so sehr wie meinen Vater.

Einmal hörte ich jemanden sagen: »Der Herzog liebt die kleine Mary mehr als alle anderen.«

Das vergaß ich niemals, und ich sagte es mir vor, wenn ich allein in meinem Bett lag, ständig in Erwartung seines Kommens. Überfiel mich in späteren Jahren die Erinnerung an das Schicksal, das ihn ereilte, rief ich mir jene Tage ins Gedächtnis und überdachte, so sehr mich Zweifel und Vorwürfe plagten, die Rolle, die ich in der Tragödie seines Lebens gespielt hatte.

Wie oft sehnte ich mich dann nach den Tagen jugendlicher Unschuld zurück, als mir die Welt als herrlicher, ewiges Glück verheißender Ort erschien.

Besuchte er uns, dann ließ er mich nicht aus den Augen. Ich erinnere mich, daß er einmal einige seiner Offiziere in einer Marine-Angelegenheit empfing und mich bei sich behielt. Damals war er Oberster Lord der Admiralität, und ich weiß noch, daß er mich auf den Tisch setzte, während er mit ihnen sprach. Sie lobten die außergewöhnliche Intelligenz, die Lebhaftigkeit und den Liebreiz seiner Tochter – nur um ihm gefällig zu sein, wie mir jetzt sehr wohl klar ist –, doch sein Entzücken kannte keine Grenzen!

Zuweilen fällt es mir schwer zu unterscheiden, ob mir bestimmte Vorkommnisse aus jener Zeit tatsächlich im Gedächtnis geblieben sind oder ob von ihnen so häufig die Rede war, daß sich in mir die Überzeugung festsetzte, ich könnte mich an sie erinnern.

Auf einer Miniatur von Nechscher, einem von meinem Vater hochgeschätzten flämischen Maler, bin ich mit einem schwarzen Kaninchen abgebildet. Man sagte mir, mein Vater hätte den Sitzungen beigewohnt und mich liebevoll beobachtet, während der Maler am Werk war. Vor meinem geistigen Auge sehe ich ihn deutlich vor mir – doch war mir seine Anwesenheit damals wirklich bewußt?

An manche Tage aber erinnere ich mich tatsächlich und bin meiner Sache ganz sicher. Ich war fast drei. Es war kalt, wir hatten Februar. Ich wußte, daß etwas Wichtiges bevorstand, da ich Bruchstücke belauschter Gespräche aufschnappte.

»Hoffentlich bekommen Herzog und Herzogin diesmal, was sie sich wünschen.«

»Nun, ich weiß nicht recht ... die Söhne sind kränklich, und ich könnte mir denken, daß er Lady Mary nicht für alle Knaben der Welt hergeben würde.«

Als mein Vater mich besuchte, sagte er nach der üblichen stürmischen Begrüßung: »Sicher freut es dich zu hören, mein Kind, daß du ein Schwesterchen bekommen hast.«

Ich entsinne mich noch meiner Verwirrung. Eine Schwester? Ich hatte schon einen kleinen, ständig von Kinderfrauen umgebenen Bruder, der mir wenig bedeutete.

»Sie wird dir hier Gesellschaft leisten«, fuhr mein Vater fort, »und du wirst sie sehr liebhaben.«

»Hast du sie lieb?« fragte ich.

Ich muß meinem Vater wohl gezeigt haben, daß ich befürchtete, sie könnte meinen Anteil an seiner Zuneigung beanspruchen, denn aus seinem Lächeln sprach jäh aufflammendes Verständnis.

»Ich habe sie lieb«, sagte er. »Aber der erste Platz in meinem Herzen wird immer Lady Mary gehören, komme, wer da wolle!« *

Es folgte freudige Erregung. Ungeachtet meines jugendlichen Alters war ich als Patin meiner Schwester ausersehen. Anne Scot, die Duchess of Buccleugh, übernahm die zweite Patenschaft. Später sollte ich erfahren, daß ihr diese Ehre zuteilwurde, weil sie vor kurzem meinen Vetter Jemmy geehelicht hatte, der Duke of Monmouth geworden war.

An diesen Anlaß kann ich mich sehr gut erinnern. Gilbert Sheldon, der damalige Erzbischof von Canterbury, nahm die Taufe vor, ein strenger und furchteinflößender Mann, vor dem ich mich geängstigt hätte, wäre nicht mein mächtiger Vater zugegen gewesen, der niemals streng zu mir war und auch niemandem gestattete, mir mit Strenge zu begegnen.

Die Kleine, die nach unserer Mutter Anne getauft wurde, leistete uns im Kinderzimmer von Twickenham bald Gesellschaft.

Das Haus in Twickenham war Besitz des Earl of Clarendon, meines Großvaters mütterlicherseits, eines sehr bedeutenden Mannes, wie ich rasch merken sollte, obwohl ich ihn kaum zu Gesicht bekam. Es gab noch einen zweiten Großvater, einen, von dem nur im Flüsterton gesprochen wurde, weil er tot war. Schon als ich noch ganz klein war, wußte ich, daß seinem Tod etwas besonders Schockierendes anhaftete.

Einige nannten ihn den Märtyrer. Später sollte ich erfahren, daß er König gewesen war und daß böse Menschen ihm den Kopf abgeschlagen hatten. Immer wenn ich in Whitehall am Schauplatz dieser Gräueltat vorüberfuhr, schauderte ich.

Ich gewann mein neues Geschwisterchen sehr lieb. Meine Schwester Anne war ein sehr ruhiges Kind, das selten schrie und bereitwillig lächelte. Ihre Mahlzeiten konnte sie kaum erwarten, ein Umstand, der große Freude hervorrief. Ich verbrachte viel Zeit mit ihr und betrachtete sie als mein Baby. Sie schien es zu mögen, wenn ich an ihrer Wiege saß, und ich fand es niedlich, wenn sie mit ihrer Grübchenhand fest nach meinen ausgestreckten Fingern faßte.

Doch dann wurde der Frieden von Twickenham plötzlich erschüttert. Überall war Bewegung: die Menschen rannten hin und her und redeten aufgeregt durcheinander. Ich mußte unbedingt herausfinden, was sich zugetragen hatte.

Da hörte ich, daß man eines der Hausmädchen tot im Bett aufgefunden hatte. Die Todesursache war kein Geheimnis. Die gefürchtete Pest, die in London wütete, hatte uns im angeblich sicheren Twickenham eingeholt.

»Die Pest!« Diese Worte waren auf den Lippen aller.

Meine Eltern eilten herbei. Mein Vater nahm mich in die Arme. Anne und mein Bruder wurden von unserer Mutter untersucht, während mein Vater das gleiche mit mir machte.

»Gott sei gelobt!« rief er aus. »Mary ist gesund. Und Anne und der Junge?«

»Alle sind gesund«, gab meine Mutter zurück.

»Wir dürfen keine Zeit verlieren und müssen unverzüglich aufbrechen.«

Als nächstes weiß ich, daß wir Twickenham verließen und nach York aufbrachen.

Ich war in York glücklich, und die Zeit verging wie im Flug. Dort bekamen wir unsere Eltern öfter zu Gesicht, wiewohl mein Vater des Öfteren länger abwesend war – Zeiten, die mir unerträglich erschienen. Damals lag die Flotte vor der Ostküste, und er hielt sich häufig dort auf. Es wütete nicht nur die Pest, es wütete auch ein Krieg. In York merkte man davon freilich wenig, bis sich die Kunde von den glorreichen, vor der Küste von Lowestoft und in Solbay erkämpften Siegen verbreitete.

Es waren Namen, die noch viele Jahre glühenden Stolz in mir wachriefen, da sie stets in Zusammenhang mit meinem Vater genannt wurden. Er war Befehlshaber der Flotte, die unsere bösen Feinde, die Holländer, geschlagen hatte. Nichts war mir lieber, als von seinen Erfolgen zu hören. Ich bedauerte nur, daß er so weit von uns entfernt sein mußte, um diese ruhmreichen Taten zu vollbringen.

Ich hörte einen der Bedienten sagen: »Die Siege sind ein kleiner Trost, den wir in diesen schrecklichen Zeiten weiß Gott nötig haben.«

Von der Geißel, die durch das Land fegte und die Hauptstadt verheerte, hörte ich nur wenig. Für mich bedeutete sie nur, daß wir in aller Eile nach York hatten aufbrechen müssen, wo ich meine Eltern öfter sah als in Twickenham. Erst viel später hörte ich von den unzähligen Türen mit den roten Kreuzen und der Inschrift ›Gott erbarme sich unser‹, was heißen sollte, daß die Pest das Haus heimgesucht hatte. Auch von den makabren Totenkarren, die die Straßen abfuhren, sollte ich später erfahren, vom grausigen Ruf ›Schafft eure Toten heraus!‹ sowie von den Leichenbergen, die zu großen Gruben außerhalb der Stadtmauern geschafft und dort verscharrt wurden.

Ebenfalls viel später erfuhr ich von der schrecklichen Tragödie, die dem Pestjahr folgte, als London sich erneut einer gewaltigen Katastrophe gegenübersah und fast zur Gänze ein Raub der Flammen wurde.

Unter den grausigen Einzelheiten des Brandes, die mir zu Ohren kamen, unter all den wehklagenden, ihres Heims beraubter Menschen, die sich mit ihrer Habe in Booten auf dem Fluß drängten, in der Hoffnung, wenigstens etwas zu retten, standen mir vor allem zwei Männer vor Augen, zwei Brüder, die sich ohne Rücksicht auf das Zeremoniell auf die Straße begeben hatten, ohne Perücke, in Hemdsärmeln, mit schweißüberströmtem Gesicht, um mit Rat und Tat zu helfen und die Sprengung von Häusern zu überwachen, damit das Feuer durch die Lücken gehindert wurde, sich weiter auszubreiten. Es waren der König und sein Bruder, der Duke of York, mein Vater.

Er war ein Held, mein kluger, wunderbarer Vater. Bei Lowestoft und Solebay hatte er das Land vor den Holländern gerettet; und er hatte mitgeholfen, London vor dem allesverzehrenden Feuer zu retten.

Das alles sollte ich erst später erfahren. Bis dahin hielt man mich in meinem Sicherheit gewährenden Kokon in Gewahrsam.

Die Erinnerungen an York sind Erinnerungen an Tage großen Glücks, nur gelegentlich von Wolken getrübt, wenn mein Vater eine Zeitlang verschwand. Und dann hörte ich, daß er fortan noch länger abwesend sein würde, da der König ihn aufgefordert hatte, einen Platz im Parlament einzunehmen, das nun wegen der Zustände in der Hauptstadt in Oxford tagte.

Meine Enttäuschung war groß, doch er tröstete mich, indem er versprach, er wolle mich besuchen, wann immer es sich einrichten ließe.

»Wenn du älter bist, werde ich dir alles darüber erzählen«, sagte er. »Jetzt aber heißt es für dich warten. Sobald ich frei bin, werde ich kommen und meine kleine Lady Mary besuchen.«

»Ich werde mit dir nach Oxford gehen«, sagte ich hoffnungsvoll.

»Ach, wie schön das wäre!« entgegnete er lächelnd. »Aber leider ist im Parlament des Königs kein Platz für kleine Mädchen. Aber eines Tages, sehr bald, werden wir alle zusammen sein ... dein kleiner Bruder, deine kleine Schwester, deine Mutter ... die gesamte Familie derer von York.«

Es sollte viel Zeit vergehen, bis es dazu kam.

So wuchs ich heran, und es gab Zeiten, da wehte mich eine Ahnung von Unheil an. Ganz plötzlich war mein Großvater Clarendon von der Szene verschwunden. Wir hatten ihn ohnehin nicht oft zu Gesicht bekommen, dennoch erschien es mir sehr sonderbar, daß sein Name nun nicht mehr genannt wurde. Ich wußte, daß er ein bedeutender Mann gewesen war. Lordkanzler und dazu Freund des Königs und meines Vaters, der das Exil beider geteilt hatte. Umso merkwürdiger, daß der Vater meiner Mutter nicht mehr erwähnt werden durfte.

Ich hörte jemanden sagen, er hätte Glück gehabt, ins Exil entkommen zu sein, ehe er seinen Kopf verlor. Es hätte genug gegen ihn vorgelegen, um ihn zu Fall zu bringen, und seine ständige Kritik an der Lebensweise des Königs hätte schließlich dazu geführt, daß der Monarch, obschon selbst leidgeprüft, es kaum erwarten konnte, ihn loszuwerden.

Diese Bruchstücke von Klatsch, die zu verstehen ich mich sehr bemühte, machten mich nachdenklich. Ich hatte einen Großvater, der seinen Kopf eingebüßt hatte. Und jetzt gab es einen zweiten, der eben noch rechtzeitig entkommen konnte, ehe es ihm ebenso ergangen war.

Ich wußte, daß meine Mutter von seinem Verschwinden tief betroffen war, und ich denke, daß mein Vater ähnlich empfand.

Waren sie aber mit uns zusammen, zeigten sie sich als Inbegriff der Liebe und Zuneigung. Meine Schwester Anne war wohl der Liebling meiner Mutter, obwohl Anne, vom Äußeren abgesehen, keine Ähnlichkeit mit ihr hatte. Einmal hörte ich die Äußerung: »Lady Mary ist von Kopf bis Fuß eine Stuart, aber Lady Anne ist eine Hyde.« Ich war groß und in jungen Jahren schlank, dazu dunkelhaarig und mandeläugig, während Anne immer schon zu Rundlichkeit neigte. Ihr Haar war hellbraun mit einem Stich ins Rötliche. Ich war blaß, sie rosig. Sie wäre bildhübsch gewesen, hätte sie nicht an einer leichten Mißbildung der Augen gelitten, einer Verengung der Lider, die ihr einen unbestimmbaren Ausdruck verlieh und ihr Sehvermögen beeinträchtigte.

Anne war gutmütig, selten übellaunig, jedoch von Natur aus träge. Verdruß war ihr zuwider, und dank ihrer sonnigen, gutmütigen Art schaffte sie es sehr gut, jedem Ärger aus dem Weg zu gehen. Wurde sie einer Sache überdrüssig – mit den Jahren vor allem des Unterrichts –, dann entschuldigte sie sich unter dem Vorwand, ihre Augen schmerzten.

Es waren für uns sehr glückliche gemeinsame Tage. Immer lachte sie mich wegen meiner Wißbegierde aus.

»Nur zu, Schwester«, sagte sie, »lerne brav, damit du mir dann alles beibringen kannst.«

Ich merkte rasch, daß meine Mutter als klug galt. Und zu Recht, denn oft war sie diejenige, die bestimmte, was zu geschehen hatte. Mein Vater pflegte zu sagen: »Natürlich hast du recht, meine Liebe.« Sie stand mit vielen bedeutenden Menschen bei Hof auf sehr freundschaftlichem Fuß. Ich hatte gehört, daß der König von ihr als ›meine ernsthafte, kluge Schwägerin‹ sprach. Daß sie Anne, die wenig zu sagen wußte und nicht lernen wollte, so viel Zuneigung entgegenbrachte, war verwunderlich. Ihr einziges gemeinsames Interesse schien ihre Naschhaftigkeit zu sein. Wie oft habe ich sie einträchtig beisammensitzen gesehen, zwischen sich einen Teller mit Süßigkeiten, die sie sich schmecken ließen.

Bald gaben die Ärzte zu bedenken, daß die Fülle meiner Schwester ungesund sei und sie sich sehr schaden könne, wenn sie nicht von der Gewohnheit abließe, bei jeder Gelegenheit Süßigkeiten zu naschen.

Meine Mutter bekam es mit der Angst zu tun. Vielleicht fühlte sie sich schuldig, weil sie zugelassen hatte, daß ihre Tochter ihre Schwäche teilte. So oder so, Anne wurde in Begleitung einer der Damen meiner Mutter eine Zeitlang fortgeschickt. Meine Mutter baute darauf, daß Anne in einem fremden Haus strenger überwacht wurde, da zu befürchten stand, daß sich zu Hause immer wieder jemand fände, der ihren Bitten nach den geliebten Süßigkeiten nachkam.

Ich war sehr betrübt, meine Schwester zu verlieren. Ohne ihr freundliches Lächeln war das Leben nicht mehr wie zuvor. Ich malte mir aus, wie sie, ihrer Naschereien beraubt, eine strenge Diät einhalten mußte. Gut möglich, daß sie alles dank ihrer gutmütigen Wesensart sehr leicht ertrug.

Es war ein glücklicher Tag, als sie zurückkehrte, guter Dinge wie immer und, wiewohl nicht mager, so doch weniger rundlich als zuvor.

Alle erklärten, die Kur hätte ein wahres Wunder vollbracht, doch sollte es sich bald zeigen, daß ein Teller mit Naschereien für sie noch immer eine unwiderstehliche Versuchung darstellte. Wir alle waren jedoch so froh, sie wieder bei uns zu haben, daß uns ihre Schwäche nur ein nachsichtiges Lächeln entlockte.

Anne fehlte mir während ihrer Abwesenheit so sehr, daß meine Eltern beschlossen, mich für den Verlust meiner Schwester mit einer Gefährtin zu entschädigen. Zu meiner großen Freude kam Anne Trelawny in unser Haus, einige Jahre älter als ich und von Anbeginn an meine gute Freundin. Es war herrlich, jemanden zu haben, dem man sich anvertrauen konnte, und Anne war mitfühlend und verständnisvoll, kurzum alles, was ich von einer Freundin erwartete.

Nun wollte meine Schwester Anne stets das haben, was ich hatte, und als sie ins Elternhaus zurückkehrte und sah, daß ich eine Freundin besaß, mußte sie auch eine bekommen.

Sie wandte sich mit diesem Verlangen an unsere Mutter, die sich umgehend auf die Suche nach einer passenden Person machte.

Ihr besonderes Interesse galt seit langem einer ihrer Damen, einer gewissen Frances Jennings, deren Familie undurchsichtiger Herkunft war. Weshalb sie bei Hof Zutritt hatte, stellte an sich schon ein kleines Geheimnis dar, doch Frances selbst war ungemein gewinnend – nicht schön im eigentlichen Sinn, aber anziehend und von wachem Verstand. Meine Mutter, selbst lebhafter Natur, umgab sich gern mit Menschen ähnlicher Wesensart und zog Intelligenz einem alten Stammbaum vor. Daher galt ihr besonderes Interesse Frances, und als sich eine Verbindung mit dem vornehmen Haus Hamilton anbahnte, half meine Mutter mit, diese Ehe zu fördern.

Frances hatte eine jüngere Schwester, Sarah, die sie zu gern bei Hof eingeführt hätte, und als das junge Mädchen meiner Mutter vorgestellt wurde, fand sie Gefallen an seiner Klugheit. Daß Sarah fünf Jahre älter war als Anne, schien keineswegs ein Nachteil. Meine Mutter war überzeugt, sie würde für unsere träge Anne die richtige lebhafte und unterhaltsame Gesellschaft abgeben.

Es versteht sich, daß die ehrgeizige Frances eine Stellung in unserer Haushaltung für ihre Schwester hocherfreut akzeptierte, und ich bin heute sicher, daß Sarah sich von dem Moment an, als sie unser Haus betrat, der Vorteile, die sich ihr damit eröffneten, bewußt war.

Da sie genau wußte, wie sie mit Anne umzugehen hatte, waren die beiden fast vom Tag ihrer Ankunft an enge Freundinnen. Wir waren ein glückliches Quartett: Anne Trelawny und ich, meine Schwester Anne und Sarah Jennings.

Allmählich erfaßte eine gewisse Angst von mir Besitz. Ich spürte, daß irgendetwas nicht stimmte. Meine Mutter hatte sich verändert. Zuweilen wirkte sie ein wenig geistesabwesend. Sie lächelte und nickte, doch in Gedanken schien sie weit weg zu sein. Trotz ihrer Korpulenz wirkte ihr Gesicht eingefallen. Mir fiel auch auf, daß ihr Teint sich veränderte. Sie nahm eine merkwürdig gelbliche Färbung an, und es kam vor, daß sie zusammenzuckte und sich an die Brust griff.

Zunächst dachte ich, das Verschwinden ihres Vaters mache ihr zu schaffen, denn wenn ich mir vorstellte, wie mir zumute gewesen wäre, wenn ich meinen Vater verloren hätte, konnte ich ihren Kummer nachfühlen. Doch es gab nur einen Duke of York und eine Lady Mary, und es gab keinen Vater und keine Tochter, die einander so liebten wie wir einander. Meine Mutter hatte ihren Vater verloren, der geflüchtet war, um seinen Kopf zu retten. Aber da war noch etwas. Einmal sah ich sie in den Gärten mit Pater Hunt, einem Franziskaner, in ein ernstes Gespräch vertieft. Mein Vater gesellte sich zu ihnen, und zu dritt ergingen sie sich und unterhielten sich angeregt.

Damals dachte ich mir nicht viel dabei, bis ich erfuhr, daß die Ehe meines Onkels mit Katharina von Braganza auf viel Ablehnung stieß, da die katholische Katharina bei den Engländern unbeliebt war.

Dies und die Veränderung im Aussehen meiner Mutter wirkten wie unbestimmte Schatten, so unmerklich freilich, daß sie den warmen Sonnenschein jener glücklichen Tage kaum trübten.

Meine Mutter würde ein Kind bekommen. Ich nahm an, daß dies der Grund für ihr Kranksein war. Sie war schon immer so rundlich gewesen, daß man ihr die Schwangerschaft kaum anmerkte.

Anne und ich konnten es kaum erwarten zu erfahren, ob wir ein Brüderchen oder Schwesterchen bekommen würden. Wir hofften auf eine Schwester. Brüder waren für uns enttäuschend, da sie immerzu krank waren.

Zu unserem Entzücken wurde es ein kleines Mädchen, das zu Ehren der Königin Catherine genannt wurde.

Wir sprachen viel von ihr – vielmehr sprach ich, und Anne hörte zu. Anne zog das Zuhören vor, so daß ich manchmal den Eindruck hatte, sie würde immer träger.

Mein Vater besuchte uns. Es war ein kalter Tag im März, man schrieb das Jahr 1671. Ich war damals fast neun, und Anne schon sechs. Als ich Schmerz und Kummer im Antlitz meines Vaters las, regte sich bei mir sofort Besorgnis.

Er setzte sich, legte einen Arm um jede und zog uns eng an sich, von Schluchzen erschüttert. Meinen unbezwingbaren Helden gramgebeugt zu sehen, erfüllte mich mit Entsetzen und Kummer.

»Meine liebsten Töchter«, sagte er. »Uns ist ein großes Unglück widerfahren. Wie soll ich es euch nur sagen? Eure Mutter ... eure Mutter ...«

Ich küßte ihn zärtlich, was ihn nur noch heftiger schluchzen ließ.

»Kinder, ihr habt nun keine Mutter mehr«, stieß er schließlich hervor.

»Wohin ist sie gegangen?« fragte Anne.

»In den Himmel, mein Kind.«

»Tot ...?« flüsterte ich.

Er nickte.

»Aber sie war doch hier ...«

»Sie war sehr tapfer, und sie wußte, daß es nicht lange dauern würde. Ihre Krankheit war hoffnungslos, eine Rettung unmöglich. Meine lieben Kinder, jetzt habt ihr nur noch euren Vater.«

Ich klammerte mich an ihn, und Anne tat es mir gleich.

Er sagte noch, daß er bis zum Schluß bei ihr ausgeharrt hätte und daß sie in seinen Armen gestorben sei ... glücklich, so wie sie es sich gewünscht hatte. Wir sollten uns nicht zu sehr grämen. Stattdessen sollten wir sie uns im Himmel vorstellen, von Engeln umgeben, im wahren Glauben geborgen.

Wir waren zutiefst bestürzt und konnten nicht glauben, daß wir unsere Mutter niemals wiedersehen sollten. Wie unser Leben ohne sie weitergehen würde, konnte sich keine von uns vorstellen. Veränderungen waren nun wohl unvermeidlich.

Das sollten wir sehr bald feststellen.

Ja, wir hatten unsere Mutter verloren. Doch da war noch etwas. Damals wußten wir nicht, daß sie auf ihrem Totenbett das viaticum der römischen Kirche empfangen hatte und daß mein Vater ebenfalls dem katholischen Glauben zuneigte.

Bedauerlicherweise machte mein Vater kein Geheimnis daraus, da er zu ehrlich war und die Meinung vertrat, er würde Verrat an seinem Glauben begehen, wenn er versuchte, ihn zu verbergen. Allmählich mußte ich feststellen, daß es um sein Urteilsvermögen in diesem Punkt sehr schlecht bestellt war. Den ersten Schritt, der schließlich sein Verhängnis herbeiführen sollte, hatte er bereits getan. Und da er der Erbe seines Bruders war, gewannen auch wir Kinder für den Thron eine gewisse Bedeutung.

Die Veränderungen wurden für uns bald spürbar. Die religiösen Neigungen des Duke of York, aus denen er kein Hehl machte, ließen es ratsam erscheinen, ihm jeglichen Einfluß auf die Erziehung seiner Kinder zu entziehen. Die Position seiner Töchter, ihre Nähe zum Thron, machte es erforderlich, daß der König ihre Erziehung persönlich überwachte.

Kapitel 2Richmond-Palast

Der alte Palast von Richmond wurde zu unserem neuen Heim. Lady Frances Villiers sollte unsere Gouvernante sein und unserem Haushalt vorstehen; unsere Lehrer würde der König auswählen.

Der Palast von Richmond hieß ursprünglich Sheen und wurde nach dem Earl of Richmond umbenannt, nachdem dieser Richard III. bei Bosworth besiegt und als Henry VII. den Thron bestiegen hatte.

An einem Ort, an dem sich viel zugetragen hat, scheint die Vergangenheit noch gegenwärtig und regt bei Menschen wie mir unweigerlich die Phantasie an. Meine Schwester spürte von alldem nichts. Anne Trelawny aber begriff sofort, wie mir zumute war, und ich konnte mit ihr darüber sprechen.

Ich weiß noch, daß ich, als wir uns dem Palast näherten, bei mir dachte: ›Das also soll unser neues Zuhause sein?‹. Der Richmond-Palast bestand aus mehreren Trakten, die irgendwie nicht zueinander paßten, obwohl alle runde Türme und Erker aufwiesen. Doch waren es die zahlreichen Kamine, die mir vor allem auffielen, da sie umgedrehten Birnen glichen.

Einst hatte mein Großvater hier gelebt – jener, den wir alljährlich im Januar betrauerten. Er mußte genau an dieser Stelle gestanden haben, an der ich nun stand und die umgedrehten Birnen betrachtete. Ich glaubte, eine Heimstätte von Geistern und Schatten vor mir zu sehen, und hoffte inständig, mein Vater würde uns hier oft besuchen.

Auch die Begrüßung durch Lady Frances Villiers rief bange Gefühle in mir hervor. Trotz ihres Lächelns spürte ich, daß sie gefährlich sein konnte. Als sie vor mir knickste, hatte ich das Gefühl, sie wolle damit andeuten, daß es nur eine förmliche Geste sei, eine Notwendigkeit angesichts unseres Ranges, daß wir uns aber dessen ungeachtet ihrem Willen zu unterwerfen hätten.

Ich sah mit Verwunderung, daß sie sechs Mädchen bei sich hatte, von denen einige älter als ich waren.

Ein Blick zu meiner Schwester zeigte mir, daß sie völlig unbefangen schien.

»Willkommen im Richmond-Palast«, sagte Lady Frances. »Wir sind überglücklich, Euch hier begrüßen zu dürfen, so ist es doch?« Sie wandte sich an die in knappem Abstand hinter ihr stehenden Mädchen.

Die Größte aus der Schar antwortete: »Wir schätzen uns sehr glücklich, Lady Mary und Lady Anne dienen zu dürfen, Mylady.«

»Zufriedenheit wird unser Hauswesen bestimmen«, fuhr Lady Frances fort, »da es für uns eine Freude ist, hier zu sein. Ich und meine Töchter sind gekommen, um Euch zu dienen, und ich weiß, daß wir alle gute Freundinnen sein werden. Darf ich Euch nun meine Töchter vorstellen, Lady Mary, Lady Anne?«

Ich nickte so würdig wie möglich, und Anne lächelte breit.

»Meine älteste Tochter Elizabeth ...«

Sehr viel später sollte ich mich fragen, warum das Schicksal es versäumt, uns bei folgenschweren Begegnungen ein Warnzeichen zu geben. Ich hätte eine Vorahnung haben müssen, die andeutete, wie dieses Mädchen mein Leben beeinflussen würde. Wie oft habe ich mir später gesagt, daß ich vom ersten Moment an wußte, ich müßte mich vor ihr hüten, weil sie gewitzt und klug war – weitaus klüger, als ich es je sein konnte –, und daß sie mich nicht mochte, weil sie, die sich als die Überlegene fühlte, mir wegen meiner königlichen Herkunft mit Respekt begegnen mußte.

Aber nein, das alles kam mir erst viel später in den Sinn, zu einer Zeit, da ich meiner Sache sicher war. In meiner Jugend und Unschuld brauchte ich geraume Zeit, bis ich ihre Tücke entdeckte, so daß sie sich mir gegenüber lange im Vorteil befand. Nichts wäre für mich leichter gewesen, als sie fortzuschicken, denn ich hätte nur zu meinem Vater sagen müssen: »Ich kann Elizabeth Villiers nicht leiden«, und mein Wunsch wäre erfüllt worden, obwohl mein Vater unserem Haus nicht mehr vorstand. Aber die schlaue Elizabeth verriet sich nicht. Einen Punkt gab es, in dem sie besonders raffiniert sein konnte: Sie verstand es, einen Stachel besonders schmerzhaft zu platzieren, doch hüllte sie ihn stets in süße Worte, so daß nur der Getroffene das Gift zu spüren bekam. Für mich jedenfalls war sie viel zu klug, viel zu raffiniert. So kam es, daß sie stets die Siegerin blieb und ich das Opfer.

Aber ich mache mir selbst etwas vor. Von alldem ahnte ich bei der ersten Begegnung nichts.

Alles andere als hübsch, hatte Elizabeth etwas Ungewöhnliches an sich, das vielleicht auf ihren leicht schrägen Blick zurückzuführen war, den man kaum bemerkte. Ich nahm ihn nur gelegentlich wahr. Ihr Haar hatte einen orangefarbenen Stich. »Ingwer«, nannte Anne Trelawny den Farbton. Anne, meine liebe Freundin, konnte Elizabeth ebensowenig ausstehen wie ich.

Es folgte die Vorstellung der anderen Töchter.

»Meine Damen, meine Töchter Katherine, Barbara, Anne, Henrietta und Maria.«

Alle knicksten. Anne Villiers erinnerte mich mit ihren scharfen Augen und dem durchdringenden Blick an ihre Schwester Elizabeth, doch war sie weniger auffallend – vielleicht weil sie jünger war.

So zogen wir in den Palast von Richmond ein.

Das Leben in London verlief wieder in normalen Bahnen. Die fast vollständig wieder aufgebaute Stadt präsentierte sich schöner und sauberer als zuvor mit ihren stinkenden Gossen und engen Gassen.

Mein Vater und der König hatten am Wiederaufbau größtes Interesse gezeigt und während des Wiederaufbaus oft mit Sir Christopher Wren, dem Architekten, konferiert.

Es war eine Zeit, in der mein Vater nicht glücklich war. Ich vermutete, daß er den Tod meiner Mutter betrauerte und daß die zarte Gesundheit meines Brüderchens Edgar ihm Anlaß zu großer Sorge gab.

Damals sprach er sich oft bei mir aus, und ich erfuhr mehr von ihm als je zuvor, weil er in seinem Kummer nicht auf seine Worte achtete und sich zuweilen so ausdrückte, als hielte er Zwiesprache mit sich selbst.

Irgendwie war ich froh, zugleich aber auch traurig, weil ich die Vorgänge um mich herum nun allmählich erfaßte

Einmal zeigte er sich besonders ungehalten.

»Bischof Compton wird zu euch kommen«, sagte er zu mir.

»Zu uns? Warum denn?«

»Der König hat ihn bestellt. Er soll dir und deiner Schwester Religionsunterricht geben.«

»Und das ist dir nicht recht?«

»Nein. Es ist mir nicht recht.«

»Warum läßt du ihn dann kommen?«

Er umfaßte mein Gesicht mit beiden Händen und bedachte mich mit einem melancholischen Lächeln.

»Liebes Kind, in dieser Angelegenheit muß ich mich den Wünschen des Königs fügen.« Mit steigendem Unwillen fuhr er fort: »Ich muß mich fügen oder ...«

Er ließ mich los, wandte sich um und starrte vor sich hin. Ich wartete.

»Das könnte ich nicht ertragen«, murmelte er. »Ich könnte es nicht ertragen, euch zu verlieren.«

»Uns verlieren!« rief ich erschrocken aus.

»Nun ja, ihr würdet mir weggenommen werden. Oder aber ... man würde unsere Zusammenkünfte einschränken. Meine eigenen Kinder ... mir genommen ... Man sagt, ich sei ungeeignet, eure Erziehung zu leiten. Und alles nur, weil ich die Wahrheit erkannt habe.«

Das ging über mein Fassungsvermögen. Ich konnte nur daran denken, daß man mich ihm wegnehmen würde – für mich das größte vorstellbare Unglück. Er spürte meine Betroffenheit und zeigte sich sofort wieder als liebevoller Vater.

»Ach, nun habe ich dich erschreckt. Nein, es gibt nichts zu fürchten. Das jedenfalls nicht. Ich werde euch besuchen ... wie immer. Ich würde eher allem zustimmen, als daß ich zuließe, daß ihr mir weggenommen werdet.«

»Wer sollte mich dir wegnehmen? Der König, mein Onkel?«

»Er sagt, es wäre zum Wohle des Landes ... um des Friedens willen. Er fragte mich, wie es käme, daß ich diese Dinge nicht geheimhalte ... warum ich sie öffentlich mache. Aber du darfst dir nicht deinen kleinen Kopf zerbrechen ...«

»Mein Kopf ist nicht klein, und ich möchte ihn mir zerbrechen«, sagte ich mit Nachdruck.

Er lachte und wechselte unvermittelt den Ton.

»Es ist nichts ... gar nichts. Bischof Compton wird kommen und dich in dem Glauben unterweisen, dem du nach den Gesetzen dieses Landes und dem Befehl des Königs anhängen mußt. Du mußt auf den Bischof hören und ein gehorsames Mitglied der Kirche von England werden. Compton und ich waren nie Freunde, aber das ist unwichtig. Er arbeitet hart und kann sich der Gunst des Königs rühmen. Er wird seine Pflicht tun.«

»Aber wenn er nicht dein Freund ist ...«

»Ach, unser Zwist liegt lange zurück. Er hat die Dreistigkeit besessen, den Sekretär deiner Mutter zu entlassen.«

»Hat meine Mutter nicht gewollt, daß er entlassen wird?«

Er nickte.

»Warum dann? Hättest du nicht ...«

»Compton war Bischof von London, und der Sekretär Katholik. Es ist vorbei. Deine Mutter war alles andere als erbaut. Und ich auch. Aber die Menschen hier – sie sind eines Sinnes und wollen auf keinen anderen hören. Und nun, meine Liebe, Schluß mit solchen Reden. Es war mein Fehler. Bischof Compton wird kommen, um euch zu braven kleinen Mädchen zu erziehen. Er kommt auf Wunsch des Königs, und wir müssen das Beste daraus machen.«

»Aber du bist unglücklich.«

»Aber nein ... keineswegs.«

»Du hast gesagt, wir könnten dir weggenommen werden.«

»Ach, habe ich das gesagt? Eines mußt du dir merken ... Nichts, nichts auf der Welt wird mir je meine Kinder wegnehmen.«

»Aber ...«

»Es waren unbedachte Worte. Ich wollte nicht, daß dieser Compton kommt, aber ich sehe nun ein, daß er ein guter Mensch, ein frommer Mann ist. Er wird den Befehlen des Königs gehorchen und gute Protestantinnen aus euch machen. Das ist es, was der König möchte, und du weißt, daß wir alle dem König gehorchen müssen. Er sagt, es geschehe auf Verlangen des Volkes, und das Volk müßte sehen, daß seinem Verlangen entsprochen würde. Es ist eine Sache von großer Wichtigkeit. Er hat recht. Charles hat immer recht.«

»Dann bist du gar nicht unglücklich?«

»Wie könnte ich in diesem Moment, bei meinem liebsten Kind, unglücklich sein? Du wirst auch einen Lehrer für Französisch bekommen. Das wird dir gefallen. Ich glaube, du bist sehr lernbegierig.«

»Ich möchte vieles wissen.«

»Das ist gut. Und Anne?«

Mein Schweigen brachte ihn zum Lachen.

»Sie macht sich nichts aus Büchern, weil sie ihren Augen weh tun«, sagte ich schließlich.

Er runzelte die Stirn. »Ja, sie neigt zur Augenschwäche. Armes Kind. Aber sie besitzt ein glückliches Wesen, und wir müssen dafür sorgen, daß es so bleibt.«

Als er ging, hatte er meine Ängste beschwichtigt.

Mit der Zeit erfuhr ich immer mehr von den Vorgängen um uns herum. Unter der Dienerschaft wurde ständig geklatscht. Dieser Klatsch kam den Mädchen zu Ohren, und die älteren, wie Elizabeth Villiers und Sarah Jennings, verstanden, um was es dabei ging.

Zwischen diesen beiden hatte sich rasch heftige Abneigung entwickelt. Sarah beherrschte inzwischen Anne so vollständig, daß meine Schwester sich kaum mehr ohne ihre Freundin zeigte. Nun war es nicht so, daß Sarah eine Kriecherin gewesen wäre. Weit gefehlt. Zuweilen hatte man sogar den Eindruck, sie sei die Herrin und Anne die Dienerin.

Ich glaube, Elizabeth Villiers verübelte ihr diese Vertrauensstellung, da es ihr selbst nicht geglückt war, eine so enge Beziehung zu mir herzustellen. Dazu kam, daß sie in Sarah wohl eine verwandte Seele erkannt haben mußte. Beide waren sehr ehrgeizig und hatten klar erkannt, daß die Aufnahme in eine königliche Haushaltung die erste Sprosse auf der Leiter zur Macht bedeutete.

Sie erkannten auch weitaus klarer als wir, welche Position uns winkte, und daß wir im Falle gewisser Eventualitäten eine – wenn auch sehr entfernte – Chance hatten, die Thronfolge anzutreten. Da sie sich gegenseitig als Rivalinnen um die Macht durchschauten, mußten sie zwangsläufig zu Feindinnen werden. Auf ihre Weise war jede gefährlich, wenn sich auch ihre Methoden unterschieden. Sarah sagte offen ihre Meinung, während die durchtriebene Elizabeth ihre Worte stets mit viel Bedacht wählte. Im Großen und Ganzen zog ich Sarah vor.

Eines Tages setzten wir uns mit Näharbeiten zusammen. Ich machte Handarbeiten sehr gern, während Anne nur müßig dasaß und gar nicht erst zur Nadel griff. Es schade ihren Augen, sagte sie, eine Behauptung, die Sarah unweigerlich ein Lachen entlockte, ehe sie Annes Handarbeit nahm und sie an ihrer Stelle vollendete. Ich hingegen beschäftigte gern meine Hände, während ich der Musik lauschte, die eines der Mädchen spielte. Manchmal wurde auch vorgelesen.

Bei dieser Gelegenheit ließ sich nun Elizabeth Villiers vernehmen: »Der Bischof wird bald kommen. Er wird dafür sorgen, daß Lady Mary und Lady Anne dem wahren Glauben treu bleiben.«

»Er ist ein sehr kluger Mann«, sagte Sarah.

»Und besitzt die nötige Überzeugungskraft«, fuhr Elizabeth fort. »Eine Eigenschaft, die unbedingt vonnöten ist.«

»Glaubst du, der Herzog ist über diese Entscheidung glücklich?« fragte Anne Villiers.

Elizabeth lächelte überlegen. »Er wird mit der Zeit einsehen, daß es die bestmögliche Entscheidung ist.«

Sarah bemerkte daraufhin, der Herzog wüßte, daß es das sei, was die Leute wollten, und es sei immer ratsam, auf sie zu hören und sie in dem Glauben zu wiegen, sie bekämen ihren Willen.

»In diesem Fall bekommen sie ihren Willen«, sagte Anne Villiers. »Kein Wunder, daß der Herzog den Bischof nicht ausstehen kann.«

Man mußte mir wohl angemerkt haben, daß ich angestrengt lauschte, denn ich sah, daß Elizabeths Blick auf mir ruhte, als sie sagte: »Wir alle wissen, daß der Bischof zu Lebzeiten der Herzogin Edward Coleman nur deshalb aus ihrer Hofhaltung entfernen ließ, weil er Katholik war und der Bischof seinen schlechten Einfluß fürchtete. Der Herzog hatte natürlich nichts gegen Edward Coleman, konnte ihn aber nicht retten.«

Ich dachte an das, was mein Vater zu mir gesagt hatte, und mir fiel auch ein, daß ich ihn gemeinsam mit meiner Mutter in Gesellschaft von Pater Hunt, dem Franziskaner, gesehen hatte. Die Religion war es also, die dieses Ungemach verursachte, und sie war auch der Grund, weshalb Bischof Compton kommen und uns unterrichten würde.

Elizabeth hatte geschickt die Rede auf die großen Familien gebracht. Ohne zu ahnen, daß er es mir selbst anvertraut hatte, führte sie mir vor Augen, daß mein geliebter Vater sich dem Willen des Königs beugen mußte. Und jetzt wollte sie Sarah auf die gleiche hinterhältige Weise angreifen.

Sarahs Einfluß auf Anne wurde ihr zunehmend zum Ärgernis, und ihre Befürchtung wuchs, Sarah würde in unserem Haus mehr Macht erringen als sie, falls sie sich nicht vorsah. Sie ließ nun eine Andeutung über Sarahs niedrige Geburt fallen und wagte sich dann weiter vor, indem sie betonte, daß all jenen, die sich nicht des Vorrechts der Geburt und edlen Abkunft rühmen könnten, ihr großes Mitgefühl gelte.

»Ich hege die allergrößte Bewunderung für alle, die sich darüber erheben«, bemerkte sie mit wohlwollendem Lächeln zu Sarah. »Wir Villiers entstammen natürlich einer uralten Familie, wie schon der Name sagt, und genießen seit vielen Jahrhunderten bei Hof großes Ansehen. Unser Vetter George Villiers, der gegenwärtige Duke of Buckingham, gehört zu des Königs besten Freunden. Ach ja, eine vornehme Abkunft hat ihr Gutes. Meint Ihr nicht auch, Sarah?«

Sarah war gewappnet. »Das kommt darauf an«, erwiderte sie. »Natürlich kann sie von Vorteil sein, aber ebenso kann sie sich in einen Nachteil verkehren. Gibt es in einer Familie einen Skandal, kann ein wenig Anonymität sehr erstrebenswert sein.«

»Nichts vermag dem Ansehen eines glänzenden Namens etwas anzuhaben.«

»Ach ... je höher der Rang der Familie, desto tiefer der Fall. An Beispielen ist kein Mangel. Für eine vornehme Familie wie die Eure muß das Benehmen der ›Lady‹ höchst betrüblich sein.«

Ich sah, wie Anne Villiers’ Wangen sich röteten. Elizabeth bedachte Sarah mit einem kalten Blick, der ihren leichten Augenfehler fast bis zum Schielen steigerte.

»Sarah, ich verstehe Euch nicht«, sagte sie.

»Ach, habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt? Verzeiht. Ihr habt von Eurem glänzenden Familiennamen gesprochen, und ich sagte, wie bedauerlich es sei, daß ein Familienmitglied den Namen ... anrüchig macht.«

»Was ... was meint Ihr damit?« stammelte Anne Villiers.

»Ich meine damit natürlich Barbara Villiers. Sie ist doch Eure Kusine, oder nicht? Keine Geringere als Lady Castlemaine, über die auf der Straße Spottverse im Umlauf sind.«

»Sie verkehrt in den allerhöchsten Kreisen«, wandte Anne Villiers ein.

»Ja, das tut sie allerdings.« Um Sarahs Zurückhaltung war es geschehen. »Deshalb ist sie ja so bekannt geworden – nicht nur bei Hof, nicht nur in London, sondern landauf, landab.«

»Viele würden die Freundschaft des Königs als hohe Ehre ansehen.«

»Als Ehre?« fuhr Sarah fort. »Mitunter fällt die Unterscheidung zwischen Ehre und Unehre sehr schwer. Jeder muß sie für sich allein treffen.« Sarah lächelte triumphierend. Elizabeth Villiers hatte ihre verdiente Strafe bekommen.

Dieses Gespräch sorgte bei mir für tiefe Verwirrung, so daß ich Anne Trelawny bei erster Gelegenheit dazu Fragen stellte.

»Für mich haben sie in Rätseln gesprochen«, sagte ich.

»Aber für sie selbst war es ganz klar. Elizabeth Villiers kann Sarah Jennings nicht ausstehen, deshalb hält sie ihr ihre dunkle Herkunft ständig vor und gibt ihr zu verstehen, daß ihre Stellung in diesem Haus ein reiner Glücksfall ist. Sarah wiederum ist nicht gewillt, dies auf sich beruhen zu lassen. Sie hält dagegen, daß auch Mitglieder vornehmer Familien sich skandalös benehmen können. Barbara Villiers, die berüchtigte Lady Castlemaine, ist die Kusine der Villiers-Töchter.«

»Anne«, sagte ich nun, »mir scheint, man möchte vor mir einfach alles geheimhalten. Bitte, tu es nicht. Ich bin kein Kind mehr.«

»Wenn du eines Tages bei Hofe bist, wirst du in allen diesen Dingen nur zu gut Bescheid wissen. Du würdest auch bald entdecken, daß Lady Castlemaine die Mätresse des Königs ist. Die beiden machen auch kein Geheimnis daraus. Er verbringt sehr viel Zeit mit ihr, und sie ist überaus indiskret. Alle Welt weiß, was zwischen ihnen vorgeht.«

»Aber der König ist verheiratet!«

Mein Einwand entlockte Anne ein Lächeln. »Das spielt keine Rolle. Nicht bei hochgestellten Personen.«

»Aber nicht bei meinem Vater«, erwiderte ich hitzig.

Anne schwieg still, ehe sie fortfuhr: »Der König ist sehr viel mit Lady Castlemaine zusammen.«

»Und was ist mit der Königin? Weiß sie davon?«

»Die Königin weiß es gewiß.«

»Die Ärmste.«

»Ja, das sagen viele. Aber so ist nun mal das Leben.«

»Ich mag meinen Onkel so gern. Er ist so fröhlich ... und lieb.«

»Er ist sehr beliebt.«

»Ich kann nicht glauben, daß er das tut.«

»Die Menschen besitzen verschiedene Seiten. Das ist die eine Seite des Königs. Lady Castlemaine ist beileibe nicht seine erste Geliebte. Du weißt doch von deinem Vetter, dem Duke of Monmouth? Er ist, obwohl Sohn des Königs, nicht Thronerbe.«

»Das begreife ich nicht.«

»Er wurde geboren, als der König im Exil weilte. Daß er der Sohn des Königs ist, steht zweifelsfrei fest, und der König erkennt ihn auch an. Doch ist er kein legitimer Sohn und daher von der Thronfolge ausgeschlossen. Wenn du einmal erwachsen bist, wirst du lernen, diese Dinge zu akzeptieren.«

»Wie gut, daß mein Vater nicht so ist.«

Sie sah mich ein wenig traurig, aber mit großer Zuneigung an.

»Die Königin muß sehr unglücklich sein«, sagte ich. »Es tut mir unendlich leid für sie. Sie ist eine so liebenswürdige Dame. Ich werde den König nie wieder so liebhaben wie früher.«

Der Bischof war eingetroffen. Ich schätzte ihn auf Anfang vierzig, für uns also uralt. Er war nicht unfreundlich und auch nicht sehr streng, jedoch fest entschlossen, aus uns gute Protestantinnen zu machen.

Später wurde mir klar, daß er nicht sehr gelehrt war und daß die akademische Seite unserer Erziehung bis zu einem gewissen Grad vernachlässigt wurde. Hingegen war er gewillt, uns den richtigen geistlichen Weg zu weisen, denn angesichts der religiösen Neigungen unserer Eltern war es sehr wichtig, einer drohenden Ansteckungsgefahr entgegenzuwirken.

Genau dies hatte man ihm aufgetragen, und später begriff ich, daß es eine sehr vernünftige Übereinkunft war. Mein Vater war damals Thronerbe, da Königin Catherine aller Wahrscheinlichkeit nach unfruchtbar bleiben würde. Meine Mutter war im katholischen Glauben gestorben, mein Vater neigte dem Katholizismus stark zu. Und die Engländer waren entschlossen, keinen Katholiken als König zu akzeptieren.

Mir kam auch zu Ohren, daß der König über die religiöse Einstellung meines Vaters empört war. Aber mein Vater war ein guter und ehrlicher Mensch. Er konnte seinen Glauben nicht leugnen, ähnlich den Märtyrern, die in ihrem Erdenleben viel Leid erfuhren und nach ihrem Tod verehrt wurden. Mein Vater wäre für seinen Glauben gestorben – oder er hätte es hingenommen, eine Krone zu verlieren, auch wenn die Menschen ihn deswegen einen Narren nannten. Aus ihrer Sicht mochte er einer sein, doch war er ein guter Narr.

Man hatte ihm gedroht, daß man ihm die Kinder entziehen würde, falls er versuchte, sie katholisch zu erziehen. Aus diesem Grund wurde Bischof Compton beauftragt, uns zu unterrichten.

Mich freute es, daß unserer Erziehung nun mehr Gewicht beigemessen wurde. Zwar brauchten wir uns nie wegen Überarbeitung zu beklagen, und wenn wir keine Schulstunde wünschten, dann wurde uns auch keine aufgedrängt. Anne nahm ohnehin kaum am Unterricht teil und hatte deshalb in späteren Jahren große Mühe, auch nur einen Brief abzufassen. Ich hingegen war anders. Mir machte das Lernen Spaß, ganz besonders mit meinem Französischlehrer, der über meinen Eifer hocherfreut war.

Anne und ich nahmen auch Malunterricht. Unser Zeichenlehrer Richard Gibson, ein Zwerg von drei Fuß zwölf Zoll Größe mit einer Frau passenden Formats, lieferte uns anfangs viel Grund zur Belustigung. Er war ein begnadeter Miniaturmaler, sehr würdig und auf Etikette bedacht.

Ich mochte Gibson gern und genoß die Stunden mit ihm. Er und seine Frau waren ein sehr ungewöhnliches Paar. An Jahren schon ziemlich vorgerückt, hatten sie die Regentschaft meines ermordeten Großvaters erlebt, die Zeit unter Oliver Cromwell sowie die Restauration meines Onkels Charles. Bei Hofe erfreuten sich beide großer Beliebtheit.

Zu ihrer Hochzeit, die am Hofe meines Großvaters gefeiert worden war, hatte der Hofpoet Waller ein Gedicht verfaßt, und an der Festtafel hatten sogar der König und meine Großmutter Königin Henrietta Maria teilgenommen. Die Gibsons boten Anlaß zu viel Staunen und Verwunderung, da sie schon an die Sechzig sein mußten und neun Kinder hatten, von denen alle normal gewachsen waren.

Sogar Anne genoß die Malstunden unter Richard Gibsons Anleitung

Schließlich fand mein Vater sich damit ab, daß der König die Erziehung seiner Töchter in die Hand genommen hatte.

Im Jahr nach dem Tod meiner Mutter starben sowohl die kleine Catherine als auch mein Brüderchen Edgar, das in seinem kurzen Leben immer gekränkelt hatte. Für meinen Vater, der schon viel Unglück hatte hinnehmen müssen, war es Anlaß zu großem Kummer.

Das Zusammensein mit Anne und mir bedeutete ihm nun eine umso größere Freude, und unsere anhaltend gute Gesundheit war ihm ein großer Trost.

Edgars Tod hatte eine große Veränderung bewirkt, und da ich allmählich heranwuchs, nahm ich sie deutlich wahr. Etwas war anders geworden. Anne und ich hatten an Bedeutung gewonnen, insbesondere ich. Und der Grund war klar.

Die arme Königin Catherine war kinderlos geblieben. Mein Vater, der nächste in der Thronfolge, hatte seine Gemahlin verloren; keiner der Söhne aus dieser Ehe war am Leben geblieben. Und nach ihm kamen seine Töchter.

Über die Vorliebe meines Vaters für den katholischen Glauben, die sich immer stärker bemerkbar machte anstatt abzunehmen, wurde viel geflüstert.

Einmal hörte ich jemanden sagen: »Wenn er schon so sein muß, warum läßt er zu, daß alle Welt es weiß?«

Weil er ein ehrlicher Mensch ist, lautete die Antwort. Es war kein Falsch an ihm.

Den Leuten war dies nicht geheuer, und es ließ sie seine glorreichen Siege zur See vergessen, die ihm einst so viel Beliebtheit eingebracht hatten. Mein Vater sollte endlich begreifen, daß ein katholischer König auf dem englischen Thron inakzeptabel war.

Aus diesem Grund war es nicht damit getan, daß Anne und ich die Riten der englischen Kirche befolgten. Wir mußten es in aller Öffentlichkeit tun.

Ja, der Tod meiner Mutter und jener des kleinen Edgar hatten Anne und mir neue Bedeutung verliehen.

Mir ganz besonders.

Ich war jetzt elf und lernte mit jedem Tag mehr, und ich war vom Klatsch nicht mehr ausgeschlossen wie früher. Unter den Mädchen unserer Haushaltung gab es davon mehr als genug. Sarah Jennings war an allem Geschehen sehr interessiert – und Elizabeth Villiers ebenso. Ich glaube, daß sie es ziemlich aufregend fanden, in einem Haus wie dem unseren zu leben, das im Mittelpunkt des Geschehens stand, mag es auch uns, die wir darin lebten, nicht so erschienen sein.

Es versteht sich, daß dem Thronfolger immer ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit zuteilwurde, doch hatte es lange Zeit so ausgesehen, als würde der König ganz sicher einen Sohn in die Welt setzen. Er hatte genug illegitime Söhne – kräftige obendrein, lebende Beweise dafür, daß das Unvermögen, einen Erben zu bekommen, nicht seine Schuld war. Welch Ironie des Schicksals, daß er imstande wahr, so viele seiner schönen Untertaninnen zu schwängern, nicht aber seine Königin. Nun, das gehörte zu den Launen des Lebens. Arme Königin Catherine! Wie gut ich ihr jetzt alles nachfühlen kann.

Ein Intrigenspiel setzte ein. Die Königin konnte keinen Erben bekommen, und der Duke of York wurde verdächtigt, Katholik zu sein. Natürlich gab es da noch den Duke of Monmouth, illegitim, gewiß, aber Protestant, jung, stattlich, beim Volk beliebt und zweifellos in der Lage, gesunde Söhne zu zeugen. Deshalb war man geneigt, dem rechtmäßigen, katholischen Erben einen illegitimen Protestanten vorzuziehen.

Das war die damals geltende und mir nicht unbekannte Meinung.

Sie veränderte die Einstellung unserer Mädchen, die nun viel offener redeten und klatschten. Elizabeth Villiers behielt Anne und mich speziell im Auge. Anne war völlig besessen von Sarah Jennings. Immer hieß es nur ›Sarah sagt ...‹ oder ›Sarah macht es anders‹, ›Ich muß Sarah fragen‹. Es sah aus, als würde Sarah Annes Herz und Verstand beherrschen. Und dann gab es noch mich und meine teure Freundin Sarah Trelawny. Ich hatte keines der Villiers-Mädchen zu meiner Vertrauten gemacht, wenngleich es ihrer sechs waren.

Erst später wurde mir klar, daß Elizabeth gern über mich die gleiche Macht ausgeübt hätte wie Sarah über Anne, denn es war nicht ausgeschlossen, daß ich mit der Zeit zu einer wichtigen Persönlichkeit aufrücken würde.

Sie war eifersüchtig auf mich, wie mir jetzt klar ist und wie ich es damals nicht durchschaute, und wäre zu gern an meiner Stelle gewesen! Ich glaube, Elizabeth Villiers wünschte sich Macht mehr als alles andere. Jetzt weiß ich, was hinter ihrem eindringlichen Blick lag, den ich so oft auf mich gerichtet fühlte. Sie dachte bei sich: Dieses Mädchen, dieses dumme Ding könnte eines Tages Königin von England werden, wenn alles sich in jene Richtung entwickelt, die sich jetzt andeutet. Und ich, die brillante, kluge, fähige Elizabeth Villiers werde nichts sein ... oder – wenn ich Glück habe – in ihrer Hofhaltung eine Person von geringer Bedeutung.

Ein Mensch von Elizabeth Villiers’ Wesensart mußte darob Erbitterung empfinden. Zuzeiten warb sie um meine Gunst, dann wiederum gewann die Eifersucht über die Vernunft die Oberhand, und sie trachtete, mich zu kränken.

Da sie von der Liebe zwischen mir und meinem Vater wußte, versuchte sie, diese zu untergraben. Sie wußte sehr wohl, daß mein Vater für mich der Held vieler siegreicher Seeschlachten war, der Mann, der in London beim Großen Feuer die Flammen bekämpft hatte, der liebende Vater, den seine Kinder vergötterten; und sie wollte mir zeigen, daß mein Idol ganz anders war, als ich glaubte. Auf die ihr eigene, für ein junges und unschuldiges Mädchen meines Alters schwer zu durchschauende Weise machte sie sich ans Werk.

Als wir wieder einmal mit Handarbeiten beschäftigt beisammensaßen, brachte sie die Rede auf eine gewisse Arabella Churchill. Es war das erste Mal, daß ich den Namen der Frau hörte.

»Es ist wirklich höchst skandalös«, sagte Elizabeth. »Wie kann sie nur so schamlos sein? Das ist schon das dritte, und alle sind sie unehelich geboren. Diesmal soll es ein Junge sein, und gesund dazu. Das sind diese Kinder immer. Ist das Schicksal nicht gemein? Die ehelichen Söhne sterben einer nach dem anderen, und die kleinen Bastarde bleiben am Leben.«

»Und dabei heißt es, daß sie keine Schönheit ist«, setzte Anne Villiers hinzu.

Elizabeth lachte auf. »Nun, das gefällt so manchem. Zweifellos verfügt sie über andere Reize.«

»Stimmt es, daß ihre Beine der größte Reiz sind?«

»So ist es«, erwiderte Elizabeth. »Sie ist beim Reiten gestürzt und hat dabei viel Bein präsentiert. Eine gewisse hochgestellte Persönlichkeit wurde Zeuge des Vorfalls ... und verliebte sich in die Beine.«

»In ein Beinpaar!« kicherte Henrietta.

Ich hörte nur mit halbem Ohr zu, da ich annahm, daß es sich um eine der Amouren des Königs handelte, der Damen bei Hof, Schauspielerinnen, Frauen aller Arten und Klassen beglückte. Diese Arabella Churchill mußte eine von ihnen sein. Mir war es immer unangenehm, wenn die Moral des Königs bekrittelt wurde. Schließlich war er mein Onkel. Er selbst wußte sehr wohl, daß über ihn geklatscht wurde, fand dies aber dank seiner gutmütigen Natur höchst amüsant.

Ich hörte, wie Anne Villiers nun sagte: »Sie ist sehr groß und nichts als Haut und Knochen – von hübsch kann keine Rede sein.«

»Nur ein großartiges Paar Beine«, sagte Elizabeth und verdrehte mit einem Ausdruck des Erstaunens den Blick nach oben. »Und doch hat sie die Phantasie eines hochgeborenen Herrn beflügelt.«

Sarah sagte nun, bei Hof gäbe es so viel Schönheit, daß es vielleicht erfrischend sei, mit einem Mangel an solcher konfrontiert zu werden.

»Der betreffende Gentleman«, fuhr Elizabeth mit einem Blick zu ihren Schwestern, von denen einige ihr Gekicher nicht zügeln konnten, fort, »soll bei Frauen einen sonderbaren Geschmack haben.«

Meine Aufmerksamkeit war erwacht. Die vielsagenden Pausen und die Blicke riefen Beklemmung in mir hervor. Plötzlich hatte ich das deutliche Gefühl, es sei von meinem Vater die Rede. Aber glauben konnte ich es nicht. Diese Arabella Churchill hatte drei Kinder geboren, von denen das erste schon zu Lebzeiten meiner Mutter zur Welt gekommen war. Es mußte sich um unsinnigen Klatsch handeln. Aber der Argwohn blieb.

Als wir allein waren, sagte ich zu Anne Trelawny: »Wer ist Arabella Churchills Geliebter?«

Ich sah, wie sie errötete. Sie gab zunächst keine Antwort.

»Ist es mein Vater?« fragte ich weiter.

»An einem Hof wie dem unseren kommt derlei vor«, sagte sie, peinlich berührt.

Es wollte mir nun nicht mehr aus dem Sinn, daß er eine Liebschaft mit Arabella Churchill gehabt hatte, während meine Mutter im Sterben lag. Ich entdeckte, daß Arabellas erstes Kind 1671 geboren worden war ... im Todesjahr meiner Mutter –, und jetzt gab es dieses dritte Kind.

Ich entsann mich der Trauer meines Vaters über den Tod meiner Mutter. Wie hatte er geweint und wie war der Verlust ihm nahegegangen, und die ganze Zeit über hatte er es mit Arabella Churchill getrieben. Und ich hatte geglaubt, der Tod meiner Mutter hätte ihm das Herz gebrochen. Wie wäre das aber möglich gewesen?

Das Leben war voller Heuchelei. Die Menschen logen. Sie betrogen. Auch mein edler Vater.

Elizabeth Villiers hatte erreicht, was sie wollte. Aber sie beließ es nicht dabei.

Sie besaß große Geschicklichkeit darin, einem Gespräch die gewünschte Wendung zu geben. Als ich noch naiv und unschuldig war, glaubte ich, dies geschähe ganz natürlich, nun aber sah ich es allmählich in einem anderen Licht. Sie war klug, sie war raffiniert, sie war fünf Jahre älter als ich, und wenn man erst elf ist, dann ist das sehr viel.

Diesmal war es ihr Ziel, die Beziehung zwischen mir und meinem Vater zu vergiften. Vielleicht glaubte sie, er würde mich doch noch zur Katholikin machen und so meinen Weg zum Thron gefährden, was sie, meine Gesellschafterin, um die Vorteile einer solchen Position gebracht hätte. Oder aber ihre Abneigung gegen mich war so groß, daß es ihr unerträglich war mitanzusehen, wie ich das Glück einer Liebe erlebte, das ihr versagt geblieben war.

Als einer der Höflinge sich immer merkwürdiger benahm und man schon munkelte, er sei dem Wahnsinn nahe, bemerkte Elizabeth, daß er sie an Sir John Denham erinnere.

Eines der jüngeren Mädchen fragte, wer Sir John Denham sei.

Das war genau das, was Elizabeth offensichtlich erwartet hatte, und sie beeilte sich zu sagen: »Ach, das liegt schon lange zurück. Es war sehr unappetitlich und sollte am besten vergessen werden, obschon es immer Leute geben wird, die sich erinnern.«

»Wie wahr«, sagte darauf Anne Villiers. »Den Menschen wird es bei Nennung von Sir Johns Namen immer einfallen.«

»So erzähl uns doch, was passierte«, bat Henrietta.

Und dann erfuhr ich die Geschichte von Sir John Denham.

Angefangen hatte es 1666, kurz nach dem Großen Feuer. Sir John hatte plötzlich den Verstand verloren und hielt sich für den Heiligen Geist. Er hatte sich sogar zum König begeben, um es ihm zu melden.

Die Vorstellung brachte Henrietta und Maria Villiers zum Lachen, und meine Schwester stimmte in ihr Gelächter ein.

Elizabeth schalt sie streng.

»Das ist kein Scherz«, sagte sie. »Es war eine ernste Sache, und ihr sollt über das Unglück anderer nicht lachen.«