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Der Weinbergbesitzer Carlo Molina aus dem idyllischen Ort Malcesine ruft seinen Freund Commissario Roberto Tozzi aus Verona an und bittet ihn um Hilfe. Er fühlt sich bedroht. Roberto Tozzi fährt schon am nächsten Tag nach Malcesine. Doch seine Hilfe kommt zu spät. Sein Freund ist tot. Der Commissario Tozzi lernt die Commissario Elisa Valente kennen. Gemeinsam mit ihr versucht er den Fall aufzuklären. Sie geraten dabei zwischen die Fronten zweier Clans. Zudem stiftet das Testament von Carlo Molina seine Erben an, sich gegenseitig zu bekämpfen. Gegen Roberto Tozzi schwelen böse Gerüchte, die bis weit in die Vergangenheit gegen die Familien Molina und Tozzi reichen. Er muss nun auch noch gegen einen gnadenlosen Killer und dessen Komplizin angehen. Wer siegt?
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Der Weinbergbesitzer Carlo Molina aus dem idyllischen Ort Malcesine ruft seinen Freund Commissario Roberto Tozzi aus Verona an und bittet ihn um Hilfe. Er fühlt sich bedroht. Roberto Tozzi fährt schon am nächsten Tag nach Malcesine. Doch seine Hilfe kommt zu spät. Sein Freund ist tot.
Der Commissario Tozzi lernt die Commissario Elisa Valente kennen. Gemeinsam mit ihr versucht er den Fall aufzuklären.
Sie geraten dabei zwischen die Fronten zweier Clans. Zudem stiftet das Testament von Carlo Molina seine Erben an, sich gegenseitig zu bekämpfen. Gegen Roberto Tozzi schwelen böse Gerüchte, die bis weit in die Vergangenheit gegen die Familien Molina und Tozzi reichen. Er muss nun auch noch gegen einen gnadenlosen Killer und dessen Komplizin angehen. Wer siegt?
Vorwort
Laura Padini
Commissario Elisa Valente
Das Testament
Der Auftrag
Die Drohung
Die Begegnung
Geschwister Molina
Erinnerungen
Neuigkeiten
Das Treffen
Verwandte aus Rom
Gina und Franco
Paola und Sergio
Neue Pläne
Franco - Liebe
Auftraggeber
Sergio und Luisa
Der Anruf
Mord
Pathologie
Gabriella Monti
Warnung
Verdacht
Rätsel
Roberto und Laura
Roberto trifft Franco
Kommissariat
Neue Nachrichten
Auf dem Weg
In Rage
Piero Nuti
Das Gespräch
Enrico Moro
In Verona
Zurück im Hotel
Francos Geheimnis
Paola empfängt Enrico
Sergio bei Paola
Einbruch
Dunkle Seite
Komplott
Gespräch mit Gina
Gefahr
Der Bericht
Notar Bassani
Gespräch mit Mario
Enrico
Francos Pläne
Zwiespalt
Rocco bei Paola
Sergios Warnung
Fahrt nach Malcesine
Starkes Gewitter
Warten auf Sergio
Tozzi in Verona
Roberto besucht Laura
In Valentes Büro
Misstrauen
Besuch von Franco
Elisa und Roberto
Annäherung
Campingplatz
Weitere Pläne
Gespräch mit Beamten
Warten auf Franco
Robertos Elternhaus
Bei Paola
Giorgio Bellocchio
Sergios Lage
Geburtsurkunde
Ärger
Der Schwächeanfall
Roberto trifft Elisa
Franco und Sergio
Alkohol
Gute Laune
Im Archiv
Gespräch mit Notar Bassani
Roberto im Elternhaus
Vermisst
Befragung
Vertrauen
Gedanken
Kein Vertrauen
Neuer Kollege
Neuer Verdacht
Neues Büro
Pizzeria
Arroganz
Neuer Lebensstil
Telefonat mit Sergio
Verkauf der Jacht
Chiari
Nachforschung in Rom
Aussage
Gedanken an Roberto
Sergio bei Paola
Rocco
Fahrt zur Jacht
Wo ist Enrico?
Entdeckung
Toter im Keller
Aufgebot der Polizei
Einführung ins Team
Neuer Kollege
Lange Arbeitszeit
Sorge um Sergio
Angst
Das Geheimnis
In Verona
Der Karton
Hilfe für Gabriella
Stammbäume
Der Besuch
Misstrauen
Falsches Rezept
Sorge um Gabriella
Mias Besuch
Kartografie
Bei Roberto
Gute Nachricht
Erkundung des Tunnels
Stress
Der Schal
Interesse
Sergio erwacht
Bürohaus
Sorge um Marco
In Aktion
Situation im Revier
Einladung
Bericht über den Tunnel
Gabriella und Andrea
Spurensicherung
Sergio in Venedig
Franco in Malcesine
Unerwartete Hilfe
Gabriellas Herkunft
Das Treffen
Beobachtungsposten
Ereignisreiche Nacht
Das Feuerwerk
Fragen über Fragen zerfressen Commissario Tozzi. Er erkennt, dass schon sein Vater auf den Spuren der Vergangenheit der Familien Molina und Chiari gewandelt ist. Wie weit ist seine eigene Familie mit der Familie Molina verwebt? Er versucht Ordnung in das Wirrwarr seiner Gefühle zu bringen. Seine Kollegin Commissario Elisa Valente glaubt an ihn. Sie hofft ihn beim Lösen dieser vielen Rätsel helfen zu können.
Commissario Roberto Tozzi betrachtete noch einmal seinen Schreibtisch. Alles lag geordnet an der Stelle an der es nach seinem Ordnungssinn liegen sollte. Sein genau ausgearbeiteter Plan, den er für seine Mitarbeiter für die nächsten zehn Tage erstellt hatte, hing für jeden gut sichtbar an der Wand. Selbst die Akten auf dem Regal zeigten von seiner exakten Arbeitsweise. Er nahm seine geliebte Kappe vom Haken und bedeckte seine dichten schwarzen Haare. Sein Spiegelbild zeigte das perfekte Bild eines Italieners. Deshalb konnte er nicht verstehen weshalb seine Kollegen ihn den „Deutschen“ nannten. Jetzt begann erst mal sein Urlaub. Einfach mal abschalten. Die Hektik begleitete ihn schon lange, doch in den letzten zwei Jahren verstärkte sie sich immer mehr. Endlich hatte Tozzi erkannt, selbst schuld an diesem Trieb zu sein, ständig irgendetwas in Ordnung bringen zu müssen. Die Arbeit verdrängte die Erinnerung. Sie ließ ihn todmüde ins Bett fallen. Nur nicht denken. Er atmete tief durch. Es war Zeit einen Urlaubsplan zu erstellen. Sein Handy klingelte. Zögernd meldete er sich. Erstaunt erkannte er die Stimme.
„Carlo?“
„Ja, ich bin es, Carlo Molina. “
„Du sprichst so heiser. Bist du krank?“
„Ja, aber ich rufe dich aus einem anderen Grund an. Ich benötige deine Hilfe.“
Roberto Tozzi konnte es nicht fassen. Sein Freund Carlo Molina besaß schon in ihrer gemeinsamen Kindheit alles was er begehrte. Das blieb auch später so. Als sie beide verheiratet waren trafen sie sich nur selten. Das Carlo anrufen und ihn um Hilfe bitten könnte wäre ihm nie in den Sinn gekommen.
„Du schweigst? Ich weiß, ich hätte mich schon früher bei dir melden sollen.“
„Nein“ erwiderte Roberto. „Dein Anruf kommt nur so überraschend. Sag mir was ich für dich tun kann.“
„Ich möchte dich bitten so bald als möglich zu mir nach Malcesine zu kommen. Ich werde bedroht.“
„Hast du das schon der Polizei vor Ort gemeldet?“
„Nein, es betrifft die Familie. Bitte komme!“
„Du hast Glück, ich habe ab Morgen Urlaub. Wenn du möchtest fahre ich am Vormittag von hier los.“
„Gut“, sagte Carlo erleichtert. „Ich buche dir heute noch ein Zimmer im Hotel Anna. Es befindet sich nahe am Hafen in dem meine Jacht liegt. Ich komme dann nach dem Mittagessen zu dir ins Hotel. Dort können wir ungestört miteinander sprechen.“
„Ich freue mich dich wieder einmal zu sehen Carlo.“
„Danke. Jetzt bin ich erleichtert. Bis Morgen.“
Stille, nichts als Stille. Sie legte sich schmerzhaft auf Robertos Gemüt. Sein bester Freund aus Jugendtagen benötigte seine Hilfe. Erinnerungen stürzten auf ihn ein, ließen Carlos lebensfrohes Gesicht vor sich tanzen, die Stille beenden. Das optimistische Lachen seines Freundes hing im Raum. Vor seinen Augen glitzerte der blaugrüne Gardasee. Sie saßen miteinander im Ruderboot und paddelten kraftvoll gegen die vom Wind getriebenen Wellen. Später liefen sie beide durch ihren Heimatort Malcesine bis zur prunkvollen Villa Molina. Er, der einfache Sohn eines Polizisten, war bei der Familie von Carlo immer willkommen. Später hatten sie sogar in Verona studiert, doch jeder von ihnen wählte einen anderen Berufszweig. Die Freundschaft aber blieb bestehen. Langsam wanderten Robertos Gedanken wieder in die Gegenwart. Er musste packen.
Am nächsten Morgen fuhr Commissario Tozzi wie versprochen nach Malcesine und checkte kurz vor zwölf Uhr Mittag im Hotel Anna ein. Der Portier begrüßte ihn freundlich und erklärte ihm, dass Signore Molina das Zimmer für ihn für eine Woche gebucht und bezahlt habe. Roberto Tozzi bedankte sich für diese Auskunft, nahm seinen Schlüssel entgegen und ging zu seinem Zimmer. Dort nahm er seine mitgebrachte Brotzeit aus dem Rucksack und verzehrte sie genüsslich.
Die Zeit des Treffens mit Carlo nahte heran. Unruhig ging Roberto Tozzi im Zimmer auf und ab. Wartete Carlo unten in der Lobby auf ihn? Er verwarf diesen Gedanken wieder. Carlo wollte doch in Ruhe mit ihm sprechen. Das konnte er hier im Zimmer besser wie an einem anderen Ort. Er versuchte ihn am Handy zu
erreichen. Dann am Festnetz. Nichts! Eine Stunde später fuhr er zur Villa Molina. Die Haushälterin Laura Padini öffnete ihm die Tür. Als sie ihn erkannte lachte sie mit überschwänglicher Freude.
„Roberto Tozzi! Signore Molina wird überglücklich über ihren Besuch sein. Aber es wird spät werden bis er kommt.“
Sie ging ihm voran ins Wohnzimmer.
„Bitte, nehmen Sie Platz. Ich hole ihnen etwas zu trinken. Was möchten Sie…?“
Roberto Tozzi schaffte es endlich Laura zu unterbrechen.
„Wo ist Carlo? Wir wollten uns am Nachmittag im Hotel Anna treffen. Er ist nicht gekommen.“
Frau Padini sah ihn betroffen an.
„Signore Molina wollte sich am Morgen mit einem Bekannten auf seiner Jacht treffen, danach irgendwo zu Mittag essen und anschließend einen Freund besuchen. Seine Frau ist wieder einmal auf Reisen. Sie ist ständig unterwegs. Als er vor zwei Jahren diese junge Frau geheiratet hat, sagte ich gleich zu meinem Mann. Das geht nicht gut. Warten Sie mal, ich bringe ihnen einen Kaffee.“
Und schon rauschte sie hinaus. Roberto Tozzi kannte Signora Padini schon seit seiner Jugendzeit, aber so redselig hatte er sie nicht in Erinnerung. Schon kam sie mit einem Tablett auf dem eine Tasse, eine Kanne Kaffee, Zucker, Milch und ein wenig Gebäck lag, zurück. Sie stellte es vor ihm auf den Tisch und begann gleich wieder zu sprechen.
„Vielleicht weiß Carlos Neffe Franco Pazodi wo Signore Molina sich aufhält. Er arbeitet drüben im Büro. Soll ich ihn kurz anrufen?“
Roberto nickte ergeben.
„Bitte, machen Sie das.“
Der Kaffee tat ihm gut.
Signora Padini stellte dem Neffen von Carlo mehrere Fragen, die dieser widerwillig beantwortete. Sie verdrehte leicht genervt ihre Augen, legte den Hörer zur Seite und erklärte Roberto Tozzi die Stimmung in Francos Büro.
„Signore Pazodi ist wieder einmal überfordert von seiner Arbeit. Dieser Neffe ist ein Jammerlappen. Er kommt nie gleich auf dem Punkt und ärgert sich über jede Störung. Zum Glück kennt er sie ja und hat meine Fragen kurz beantwortet. Also, er sagt, er habe seinen Onkel Carlo heute noch nicht gesehen. Es gäbe Tage, da sehe er ihn weder am Morgen noch am Mittag. So wäre es auch Heute gewesen. Meistens schreibt Carlo ihm eine Notiz wo er ihn erreichen könne aber das wäre heute auch nicht der Fall gewesen. Jedes Mal, wenn das geschehe, fände er es aufs Neue als Provokation. So, als wäre seine Arbeit hier überhaupt nicht wichtig. Kurz und gut, er weiß weder von dem Treffen seines Onkels Carlo mit ihnen auf der Jacht, noch mit einem anderen Bekannten.“
Roberto Tozzi atmete auf, endlich konnte er die nächste Frage stellen.
„Hat sich eigentlich das Verhältnis zwischen Carlos Patensohn Enrico und ihm wieder eingependelt oder sind die Beiden noch immer nicht gut aufeinander zu sprechen?“
„Ich weiß nicht. Darüber sollten sie mit Carlo selbst sprechen. Er und Enrico bekriegen sich nicht gerade aber nach dem Vorfall mit Signora Paola gehen sie sich aus dem Weg. Carlo versteht zwar das Enrico sich in Paola verliebt hat aber er hat ihn nach Rom zum Studieren geschickt. Dort soll er sich die Hörner abstoßen. Er will ihm trotz allem sein Leben nicht verderben. Enrico ist seitdem nicht mehr hier gewesen. Zumal ihn Signora Paola Molina nicht mehr ausstehen kann. Sie schiebt die ganze Schuld auf ihn. Doch das Ganze geht mich ja nichts an. Ehrlich gesagt mache ich mir große Sorgen um Signore Molina. Seit ein paar Wochen wirkt er krank, ohne jede Energie. Dabei habe ich ihn immer für seine Kraft und Lebenslust bewundert.“
Roberto Tozzi stand auf.
„Danke für das Gespräch. Ich werde Carlo an allen Orten in Malcesine suchen in denen wir uns früher trafen. Sollte ich ihn finden, rufe ich sie an. Viele Grüße an ihren Mann.“
Nach einem kurzen Abschiedsgruß verließ Roberto bedrückt die Villa. Jetzt zog es ihn magisch hinunter zum Hafen wo Carlos Jacht liegen sollte. Knapp vor der Anlegestelle bemerkte Roberto Tozzi mehrere Polizisten auf der Jacht. In ihm läuteten sämtliche Alarmglocken. War er zu spät gekommen?
Die Jacht lag glänzend weiß in der sommerlichen, fast unerträglichen Hitze, vor ihm. Er beobachtete kurz das rege Treiben auf dem eleganten Schiff. Doch Carlo war nicht zu sehen. Besorgt wischte er sich den Schweiß aus seiner Stirn. Dann lief er über den Steg und betrat die Jacht. In diesem Moment lief ihm eine Frau mit dunklen, funkelten Augen entgegen.
„Wer sind sie? Und wer hat Ihnen erlaubt das Schiff zu betreten?“
Sie musterte ihn im Bruchteil einer Sekunde abschätzend ab. Doch ehe sie ihn bitten konnte das Schiff sofort zu verlassen, stellte sich ihr der Fremde vor.
„Commissario Tozzi“, sagte er, und zeigte ihr seinen Polizeiausweis. „Ich bin auf der Suche nach Carlo Molina, dem Besitzer dieser Jacht“.
Ihre braunen Augen blitzten energisch.
„Was macht ein Commissario aus Verona hier in Malcesine? Hier sind wir zuständig. Außerdem ist das sowieso kein Fall für uns bei der Kriminalpolizei. Der Besitzer ist an einem Herzinfarkt verstorben. Das hat unser Polizeiarzt gerade festgestellt.“
„Das mag schon sein“, erwiderte Commissario Tozzi.
„Aber Carlo Molina erhielt telefonische Drohungen. Er lebte in letzter Zeit in tödlicher Angst und hat mich beauftragt seine Bedränger zu finden. Bitte, schalten sie trotz ihrer Bedenken die Kriminalpolizei von Malcesine ein.“
„Gut, auf ihre Verantwortung. Ich bin Commissario Elisa Valente. Ich werde den Fall überprüfen.“
Als Commissario Roberto Tozzi wieder im Hotel Anna ankam, überreichte ihm der Portier einen Brief von Carlo Molina. Man hatte ihn am Mittag vergessen an ihn abzugeben. Oben im Zimmer öffnete er sofort den Umschlag. Im Brief lagen eine Kopie eines Testamentes das Carlo bei dem Notar Angelo Bassani hinterlegt hatte und ein Schreiben an ihn. Er schrieb ihm, dass er am Vormittag ein Treffen mit einem Bekannten auf seiner Jacht habe. Doch er werde bestimmt zur ausgemachten Zeit bei ihm im Hotel Anna sein. Falls er nicht rechtzeitig bei ihm einträfe solle er gleich die nötigen Schritte unternehmen. Er misstraue inzwischen den Menschen in seiner näheren Umgebung. Aus Sicherheitsgründen lege er ihm eine Kopie des Testamentes bei. In erster Linie solle er nach seinem etwaigen Tod vor allem die Personen aus seinem näheren Umkreis überprüfen. Roberto Tozzi ließ das Blatt sinken. Wieso hatte sich sein Freund erst so spät an ihn gewandt? Vielleicht hätte er seinen Tod verhindern können. Jetzt überfiel ihn wieder die treibende Hektik. Er durfte keine Zeit verlieren. So warf er noch einen prüfenden Blick über sein Zimmer ob alles in Ordnung sei. Alles musste an genauem Ort und Stelle liegen. Jedes Ding war jetzt in seinem Hirn gespeichert. Er würde bei seiner Rückkehr jede noch so kleine Veränderung bemerken. Als er sein Zimmer verließ, zog er die Tür sachte hinter sich zu, stieg in den Aufzug und verließ unbemerkt das Hotel. Dann fuhr er zur Via Scuisse 3, der Polizeistation von Malcesine. Dort wurde er schon erwartet. Commissario Elisa Valente hatte ihn bereits angemeldet. Die Beamten begrüßten ihn zwar freundlich aber reserviert. Dieser Fall, wenn er überhaupt einer werden würde, gehöre nach Malcesine. Dieser Commissario aus Verona würde sicher seine Nase in Dinge stecken, die nur sie betrafen. Doch Commissario Tozzi konnte im Gegensatz zu seiner ernsten Ausstrahlung auch eine Portion Charme entwickeln. Das gelang ihm jetzt recht gut. Zuerst fragte er nach seinem ehemaligen Chef aus Malcesine, der ihn in das Wesen und der Kriterien der hiesigen Polizei einführte. Sie lachten alle als er die Stimme vom ehemaligen Commissario nachahmte. Ja, ja, der Chef, der sich jetzt schon im Ruhestand befand, hatte schon seine Eigenarten, aber im Grunde genommen mochten sie ihn alle. Dann zeigte Roberto wieder eine ernste Miene. Er erklärte den Kollegen die Situation, übergab ihnen eine Kopie des Briefes von Carlo und bat sie den Toten sehen zu dürfen. Als er nun in der Pathologie stand und seinen bleichen Freund betrachtete, überkam ihn ein tiefer Schmerz. Ein nervöses Zittern überflog seinen ganzen Körper. Seine Hände wurden eiskalt, dunkle Schatten flimmerten über seine Augen und er sah sich zwei Jahre zurückversetzt als er an den Bahren seiner Frau und seinem Sohn gestanden war. Beide waren damals bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Carlo war zu ihm nach Verona gekommen und hatte ihm in den ersten harten Tagen zur Seite gestanden.
„Ach Carlo, mein bester Freund!“ Seine Stimme versagte ihm den Dienst. Erst als er das Polizeigebäude verließ fühlte er seine alte Tatkraft zurückkommen. Ab sofort würde er jede Spur die zum Mörder seines Freundes führte genauestens verfolgen.
Sergio Rossi hielt sich in keiner Stadt lange auf. So kam es, dass ihn an mehreren Orten verlassene Freundinnen nachweinten. Das kümmerte ihn wenig. Für seinen einträglichen Beruf benötigte er seine Freiheit. Hier in Venedig war er diesem Vorsatz für kurze Zeit untreu geworden. Vor fünf Jahren war er verliebt, wie nie zuvor, durch dieselben Straßen gelaufen wie jetzt. Damals war er bereit gewesen sein unstetes Leben aufzugeben. Es gab eine Weile nur noch diese einzige Frau für ihn. Die plötzliche Trennung von ihr schmerzte noch immer. Für diesen erneuten Besuch in Venedig hatte er sein Aussehen stark verändert. Er zeigte sich seinen momentanen Bekannten als charmanten Sonnyboy. Nicht zu auffällig, gediegen gekleidet, eine blonde Perücke und blaue Haftschalen und fuhr einen gepflegten alltäglichen Wagen der kein Aufsehen erregte. Er glaubte, er stelle jetzt einen Typ Mann dar, den man kurz kennenlernte und schnell wieder vergaß. Das einzige Auffällige an Sergio war seine Größe. Aber daran konnte man eben nichts ändern. Niemand ahnte womit dieser aalglatte Typ sein nötiges Kleingeld verdiente. Für ihn stand aber fest, dass er nie genug davon besitzen könnte. Ihm gelang es, sich zu verwandeln wie ein Chamäleon. Wenn er es für nötig befand, zeigte er seine protzige Seite. Dann trat er als Playboy auf, machte den Frauen die er umwarb außergewöhnliche Geschenke, benutzte aufdringliche Parfüms und elegante Garderobe. Es kam immer darauf an in welcher Gesellschaft er sich befand. Die Frauen bewunderten seine athletische Figur und die Herren freuten sich stets, wenn er wieder abreiste. Es gab nur einen Mann, der ihn gut kannte. Dieser Freund unterstützte ihn schon seit Jahren in finanziellen Dingen. Aber in Venedig hatte sich Sergio erlaubt einen klitzekleinen Fehler zu begehen, den dieser Freund sehr missbilligte. Er war zur gleichen Zeit wie Sergio in dieser Stadt. Jetzt klopfte er an der Tür von Sergios Hotelzimmer. Sergio begrüßte ihn freundlich, aber sein Freund sah ihn vorwurfsvoll an.
„Du hast gegen die Anordnungen des Clans, der dir diese lukrativen Aufträge verschafft, verstoßen. Ich verstehe dich nicht! Alles nur wegen dieser Frau…“
Sergio sah ihn verwundert an.
„Ich weiß nicht was du hast. Ich habe meinen Auftrag zur Zufriedenheit meiner Kunden ausgeführt. Es steht doch gar nicht fest, welcher der Herren mich beauftragt hat. Außerdem bitten mich auch Leute außerhalb des Clans um Hilfe. “
„Ja gut, hoffen wir, dass es so ist. Trotzdem verstehe ich dich nicht. Weshalb hast du diese Gina mit in dein Zimmer genommen? Du übertreibst es mit deinen Freundinnen. Du weißt wie gefährlich es ist derartigen Frauen zu trauen. Deine Kunden würden dir nie verzeihen, wenn irgendeine Aktion von dir an die Öffentlichkeit gelänge.“
Sergio schüttelte den Kopf:
„Du glaubst doch nicht, ich lasse irgendwelche Beweisstücke im Zimmer herumliegen?“
„Wie hast du denn diese Frau kennen gelernt?“
„In einer Bar. Allein in Venedig, das schaffe ich nicht. Da gibt es zu viele unschöne Erinnerungen für mich. Es war zu früh wieder hier her zu kommen.“
„Das glaube ich dir gerne. Ich kenne deine Vorgeschichte von hier, aber du stilisierst diese Sache künstlich hoch. Du erträgst die Niederlage von damals immer noch nicht, sie kratzt an deinem Ego.“
„Du spinnst! Traust du mir keine echten Gefühle zu?“
„Entschuldige, wenn ich das sage, aber so empfinde ich das eben. An dir hängen immer irgendwelche Frauen. Wahrscheinlich brauchst du das. Du merkst gar nicht wie sexsüchtig du bist. Das kann mal schiefgehen.“
Sergio funkelte ihn böse an. Doch sein Freund achtete nicht darauf. Er zog einen Briefumschlag mit Scheinen aus seiner Sakkotasche und überreichte sie Sergio.
„Deine Gage.“
Gina kam leichtbekleidet aus der Dusche.
„Oh, du hast Besuch?“ Sie begrüßte Sergios Freund.
„Ich bin Gina Franchi.“
Der Freund nahm sie absichtlich nicht wahr. Er wandte sich Sergio noch einmal zu. Dann drehte er sich um.
„Wir sehen uns später.“
Gina ärgerte sich über das Verhalten des Mannes, zeigte es aber Sergio nicht. Sergio verlor plötzlich das Interesse an Venedig. Er sah Gina herrisch an.
„Zieh dich an. Ich reise ab.“
Gina erschrak vor seiner kalten Stimme. Er schien die vergangene Nacht mit ihr vergessen zu haben.
„Wohin fährst du?“ fragte sie ihn schmeichelnd. „Ich würde dich gerne noch begleiten.“
„Hast du kein Zuhause?“
„Doch, aber ich mag dich. Ich möchte noch gerne mit dir zusammen sein.“
In einem anderen Fall hätte er sie sofort weggeschickt, aber ihm hing die Maßregelung seines Freundes noch im Kopf. Er ließ sich doch vom Niemanden Vorschriften machen wie er zu leben hatte. Auch nicht vom besten Freund. Außerdem gefiel ihm Ginas Art. Sie schien ebenso wenig Skrupel zu haben wie er. Sergio Rossi, der viele verschiedene Namen und Pässe besaß, bezahlte seine Rechnung und verließ mit seiner Begleiterin das Hotel. Sein nächstes Ziel war Mantua. Dort erhielt er mitten in der Nacht von einem seiner Auftraggeber eine SMS. Schläfrig las er die kurzen Angaben und war versucht das Handy knurrend zur Seite zu legen. Doch irgendein Gefühl hielt ihn davor zurück. Die Buchstaben tanzten vor seinen Augen. Zusammengesetzt sahen sie eher als ein Befehl als eine Bitte aus.
„Setz dich hin und friss!“ Der Unbekannte forderte von ihm am nächsten Morgen nach Verona zu fahren. Dort würde er in einem bestimmten Hotel nähere Angaben erhalten. Dieser Wunsch war ungewöhnlich. Bisher hatte noch Niemand das Hotel für ihn ausgewählt. Am Morgen konnte er sich immer noch entscheiden.
Eigentlich hatte Sergio vor, die Nachricht die er in der vergangenen Nacht erhalten hatte, zu ignorieren. Aber die Neugier siegte. Also packten er und Gina am Morgen ihre Koffer und fuhren gemeinsam los.
In Verona gaben sich Gina und Sergio vorsichtshalber als Geschwister aus und nahmen sich zwei Einzelzimmer. Sie waren auf der Hut und schienen sich trotz einiger Bedenken von Sergio, gut zu verstehen. Gina schien ihm hervorragend als Zeitvertreib zu eignen. Doch zusammen zu arbeiten schien ihm doch zu gewagt.
Der Auftraggeber rief Sergio am Morgen an. Seine Stimme klang irgendwie blechern und fremd. Sie stieß Sergio regelrecht ab und verstärkte sein Misstrauen. Sein Gefühl sträubte sich von diesem Mann einen Auftrag anzunehmen. Deshalb versuchte er das Gespräch zu beenden.
„Ihr Auftrag passt nicht zu meiner Arbeitsweise. Man hat ihnen bestimmt schon gesagt, dass ich ein Einzelgänger bin, den man nicht in ein Schema pressen kann. Außerdem bin ich schon anderweitig sehr beschäftigt.“
Die Stimme des Anrufers wurde eine Nuance dunkler.
„Ich kenne ihre Arbeitsmethode und weiß, dass sie der richtige Mann für diese Aufgabe sind. Allerdings, benötigen sie bei diesem Deal auch eine geeignete Partnerin. Gina Franchi erfüllt alle meine Vorstellungen. Sie wird sich ihren Arbeitsmethoden in jeder Beziehung anpassen.“
„Tut mir leid, aber ich muss ihren Auftrag aus wichtigen Gründen ablehnen. Es gibt sicher einen besseren Partner für Frau Franchi.“
„Stopp!“ drohte ihm nun der Anrufer. Sie sind sich nicht bewusst mit wem sie es zu tun haben. Ihre Polizeiakte liegt mir vor. Ein Pech für sie, dass es die echte ist. Soll ich ihnen ihren wirklichen Geburtsnamen verraten?“
Sergio schnappte nach Luft.
„Sie bluffen. Ich besitze eine blütensaubere Akte. Ihr Erpressungsversuch landet bei der Polizei.“
Der Anrufer wäre fast an seinem Lachen erstickt. Doch dann wurde seine Stimme Messerscharf.
„Reizen sie mich nicht! Ich gebe ihnen trotz ihrer Frechheit noch eine Chance. Also, sie haben die Wahl. Die erste Möglichkeit besteht aus einigen Jahren Knast, die zweite ist das wohnen in einem Hotel am Gardasee, eine gutgefüllte Brieftasche und einen Wagen höherer Klasse, den ich ihnen während ihrer Mitarbeit zur Verfügung stelle. Es erwarten sie große Aufgaben. Enttäuschen sie mich nicht.“
„Was soll das? Wer sind Sie?" rief Sergio ins Telefon. Ich lasse mir nicht befehlen was ich tun soll.“
Der Anrufer krächzte.
„Keine Fragen, nur Antworten. Ich gebe ihnen fünf Minuten Zeit zur Entscheidung.“
Sergio begann zu schwitzen. Nur fünf Minuten. Der Anrufer wusste wo er ihn finden konnte. Die Polizeidienststelle war nicht weit vom Hotel entfernt. Würde ihm die Zeit bleiben das Feld zu räumen? Sicher nicht. Einen Moment lang hatte er geglaubt die Stimme zu erkennen. Ihm fröstelte es. Im Hintergrund schlug ein dunkler Gong. Die Minuten rannen dahin. Dann klang der Klingelton des Handys schrill in seinen Ohren.
„Eins oder zwei?“, fragte die Stimme.
„Zwei“ krächzte er.
„Gut! Packen sie ihre Reisetasche. Morgen früh um acht Uhr gehen sie zur Rezeption. Dort liegt ein Schlüssel für ihren neuen Wagen bereit. Ihre angebliche Schwester muss mit ihrem Auto hinter ihnen herfahren. Ich akzeptiere dieses Mal ihre Mithilfe. Sie fahren nach Malcesine.
Dort ist das Beach Hotel „Du Lac“, ihr Ziel. Zimmer werden reserviert.“
Kurz nach diesem Anruf klopfte Gina an Sergios Tür. Sie sah erstaunt auf die Reisetasche auf dem Bett.
„Hast du noch gar nicht ausgepackt?“
„Ich hatte schon meine Klamotten im Schrank. Dann kam der Anruf. Es gibt neue Anweisungen. Mir verursacht das Ganze ein mulmiges Gefühl im Magen, denn mein Auftraggeber hat mir kurzer Hand mitgeteilt, dass du mit von der Partie sein sollst. Wie kommt dieser Mensch auf so etwas? Bisher habe ich immer allein gearbeitet. Spielst du mit in seiner Liga?“
„Ich weiß nicht von wem oder von was du sprichst. Ich werde manchmal als Begleiterin gebucht, aber das geht über meine Chefin und ist streng geheim.“
„Das hätte ich mir denken können. So wie du dich an mich heran geschmissen hast.“
„Deshalb brauchst du nicht gleich unhöflich sein. Ich hatte eigentlich frei. Du hast mir eben gefallen.“
„Leider habe ich zugesagt.“
Ginas abwertender Blick verletzte ihn.
„Warum?“ fragte sie ihn. „Hast du etwa Skrupel mit mir zu arbeiten?“
„Na und“, fauchte er. „Mir erscheint die Sache schon sehr seltsam. Er weiß zu viel von uns. Dabei wissen meine Auftraggeber doch, dass ich nur alleine arbeite. Trotzdem zieht dich dieser Anrufer gleich mit hinein. Und die vielen Piepen die er in die Sache investieren will ist auch nicht normal.“
„Wie viel denn?“ fragte Gina gierig. Es kann doch nie zu viel sein.“
„Na gut“, überlegte Sergio. „Der Vorschuss ist nur zehntausend Euro, aber die Erfolgsquote ist zehn Mal so groß. Und dann das teure Hotel für uns Beide. Der neue Wagen für mich ist auch nicht ohne.“
„Hört sich doch alles gut an“, freute sich Gina und fügte hinzu. „Wir werden uns auch neue Klamotten kaufen müssen“
„Diese Frauen“ seufzte Sergio, haben den Schrank voll aber…“
Gina hielt ihm den Mund zu.
„Lass uns lieber schlafen.“
Am nächsten Morgen weckte der Klingelton von Sergios Handy die beiden Schlafenden auf. Sergio hob ab und erblasste. Es gab noch eine Forderung des Anrufers.
„Die Zahl der Personen steigt. Die Reise lohnt sich. Weitere Informationen erfahren sie beide in Malcesine.“
Kommissar Tozzi hatte die Namen aller Erben aufgelistet. Er wollte sie der Reihe nach verhören. Doch die malcesische Polizei hatte hier die Vormacht. Zuerst hatten sie Franco Pazodi, den Neffen von Carlo Molina befragt. Doch dieser konnte ein einwandfreies Alibi vorweisen. Der Patensohn war nachweislich während der Todeszeit von Carlo Molina in Rom. Die Witwe hielt sich ein paar Tage bei ihrer Mutter in Venedig auf. Das Alibi aller Angestellten war lückenlos. Der Befund des Pathalogens ergab, dass Carlo Molina einen Herzinfarkt erlitten hatte, der durch eine Überdosis seiner Medikamente ausgelöst wurde. Es war nicht nachzuweisen, dass ein Fremdvorgehen vorlag. Mit dieser Feststellung wollte sich Roberto Tozzi nicht zufriedengeben. Carlo hätte nie im Leben zu viel Medikamente eingenommen und ein Suizid? Ausgeschlossen! Er dachte an das Gespräch das er mit Carlo vor dessen Tod geführt hatte.
„Das Hotel liegt nahe am Hafen in dem sich meine Jacht befindet“ hatte er gesagt. Warum war ihm das so wichtig gewesen? Hatte er ihm dort etwas zeigen wollen? Die Jacht ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Er sah seinen verkrümmt daliegenden Freund vor sich und versuchte sich immer wieder aufs Neue die ganze Situation auf der Jacht vorzustellen. Die Polizisten die die Jacht durchsuchten, der Arzt der Carlo gerade untersucht hatte und die Commissario Elisa Valente. Er musste sie um ein Treffen bitten. Vielleicht ergab sich bei einem in aller Ruhe geführten Gespräch mit ihr ein neuer Anhaltspunkt.
Roberto hatte Glück. Elisa hatte gerade Dienstschluss. Sie trafen sich am Hafen. Er sah ihr lächelnd entgegen. Sie hatte sich umgezogen. So ganz ohne Uniform wirkte sie gelöster, freundlicher. Nach der Begrüßung wanderten sie zum Piazza Turazza. Dort herrschte trotz der Touristen eine wundersame entspannende Stimmung.
„Hier würde ich wieder gerne leben, hier kann ich frei atmen. Hier in der Nähe bin ich geboren. Hier waren Carlo und ich glücklich“, schwärmte er Elisa Valente vor.
Ein älterer Einwohner kam erfreut auf ihn zu.
„Roberto, endlich sieht man dich wieder. Warum kommst du so selten hier her?“
Roberto schüttelte ihm die Hand.
„Giorgio Bellocchio!“ lachte er, „Giorgio, es ist schön dich zu sehen. Du hast Recht. Ich sollte öfter nach Malcesine kommen, leider bin ich aus einem traurigen Grund da.“
„Wegen Carlo Molina? Ganz Malcesine spricht von seinem Tod. Jeder mochte ihn. Viele Leute arbeiten bei ihm auf dem Weinberg. Alle fürchten, dass diese Luxusfrau, die er vor zwei Jahren geheiratet hat, das Gut verkaufen wird. Sie ist schön, aber giftig wie eine Natter und die Gier hängt ihr aus den Augen heraus. Arbeitest du noch bei der Polizei?“.
„Ja, nickte Roberto, aber in Verona.“
„Es ist ganz egal, in Verona oder sonst wo, finde den Mörder von Carlo. Bis vor ein paar Wochen strotzte Carlo noch vor Kraft. Doch als ich ihn vor ein paar Tagen traf, wirkte er plötzlich wie ein alter Mann auf mich. Carlo war doch erst Achtundfünfzig Jahre alt. Ich sage dir, er trug nichts Gutes mit sich herum. Bitte gehe dem nach.“
Roberto nickte zustimmend.
„Ich werde jede Spur verfolgen. Solltest du irgendetwas Wichtiges erfahren kannst du mich im Hotel Anna erreichen. Wohnst du noch im gleichen Haus wie früher?“
„Ja.“
„Gut, Giorgio, bevor ich wieder nach Verona zurückfahre, werde ich dich besuchen.“
„Ist in Ordnung Roberto, bis bald.“ Elisa sah Roberto nachdenklich an.
„Malcesine ist ihnen also schon bekannt?“
„Nicht nur bekannt“, lächelte er. Ich bin hier geboren. Mein Vater arbeitete hier schon bei der Polizei. Er blieb sein ganzes Leben hier, wogegen ich in Rom Kriminologie studiert habe und die ersten Jahre meiner Polizeilaufbahn weiterhin in Rom blieb.“
„Hatten sie keine Sehnsucht mehr nach Malcesine?“
„Doch, doch, Malcesine vergisst man nie.“
Robertos Miene verfinsterte sich und Elisa Valente fühlte seine plötzliche Zerrissenheit. Sie fragte ihn im heiteren Ton.
„Hatten wir nicht vor ein Café aufzusuchen?“
Seine Stimme hörte sich wieder heiterer an.
„Natürlich, wir stehen ja schon fast davor. Trotz der gemütlichen Atmosphäre in dem Café empfand Elisa Valente keinen persönlichen Zugang mehr zu Commissario Tozzi. Jeder Satz von ihm betraf nur seinen Freund Carlo Molina.
„Ich bin müde“, sagte sie nach einer Weile.
„Lassen sie uns morgen weiter über den Tod von Signore Molina sprechen.“
Roberto Tozzi erschrak über ihren abrupten Abgang und sah ihr enttäuscht nach. Ihre Schritte schienen wirklich müde. Aber bei der Begrüßung, sinnierte er, hatte sie ihn doch noch so lebhaft angestrahlt. Jetzt schämte er sich über sein unpersönliches Verhalten hier im Lokal ihr gegenüber. In den letzten zwei Jahren hatte er wohl jedes Gespür für Frauen verloren.
Sergio Rossi betrat vorsichtig sein Zimmer im Hotel Du Lac. Natürlich war er von der luxuriösen Einrichtung die er hier vorfand beeindruckt, seine Sicherheit war ihm aber wichtiger. Schließlich war dieses vornehme Domizil, in dem er auf unbestimmte Zeit wohnen sollte von seinem unbekannten Auftraggeber gebucht worden. Wer sagte ihm, dass dieser kalte Mensch hier keine Wanzen versteckt haben sollte? Vertrauen ist gut, Vorsicht ist besser. Doch wenn es hier Abhörgeräte gab, waren sie gut versteckt. Einigermaßen beruhigt setzte er sich in einen, der eleganten, bequemen Sessel und zog den Brief, dem ihm der Portier beim Anmelden übergeben hatte, aus der Tasche.
„Signora Paola Molina ist heute Vormittag von ihrer Reise zurückgekehrt. Sie besuchen sie heute Nachmittag in Begleitung ihrer Schwester. Sie werden als entfernt Verwandte von Carlo Molina auftreten die ihren Urlaub in Malcesine verbringen. Fragen Sie nach Carlo, den sie schon jahrelang nicht gesehen haben. Aber Vorsicht! Paola Molina ist mit allen Wassern gewaschen und knallhart. Sie wird sofort misstrauisch werden und Nachforschungen über sie einziehen. Sie und ihre Komplizin werden nur die Ausweise einstecken, die ich ihnen extra zusende. Das Testament wurde kurz nach der Beerdigung verlesen. Es können sich noch Verwandte melden, die einen gesetzlichen Anspruch auf einen Teil des Erbes besitzen. Deshalb kann Paola auch annehmen, dass sie und ihre Schwester zu den Erben gehören. Ihnen Beiden droht Gefahr. Sie Beide müssen sich ihre neuen Identitäten genauestens einprägen und die gleichen Beschreibungen der Umgebung ihrer Heimat machen. Zeigen sie sich von ihrer besten Seite, schmeicheln sie Paola Molina mit dezenten Komplimenten. Wenn sie Glück haben verliebt sie sich in sie. Bleiben sie aber für Paolas Bekannten und Verwandten so gut wie möglich im Hintergrund. Die Witwe muss binnen einer Woche nach der Testamentsverlesung einen tödlichen Unfall erleiden. Der Bote mit den Ausweisen kommt gleich. Mit der Annahme dieser Ausweise ist unser Vertrag perfekt. Sprechen sie danach mit Gina Franchi. Dann vernichten sie sofort diese Anweisungen. Nach dem Tod von Paola erhalten sie den zweiten Vorschuss. Nachdem der Neffe erledigt ist folgt der dritte Betrag und nach dem Verschwinden des Patensohns die letzte Zuweisung. Anschließend verlassen sie Malcesine. PS.: Halten sie sich an unsere Abmachung. Ich weiß stets was sie tun.“
Sergio ließ das Blatt sinken.
„Verdammt! Was bin ich für ein verdammter Idiot? Dieser Aufgabe gerecht zu werden ist schier unmöglich. Drei Tote. Entweder ich habe die Polizei im Nacken oder ich bin selbst des Todes. Jemand klopfte an seiner Tür. Sergios Gesicht ähnelte einer Gipsmaske. Verkrampft erhob er sich und schritt fast lautlos zur Tür.
„Wer ist da?“
„Na wer schon?“
Gina wurde ungeduldig.
„Jetzt mach schon auf!“
Erleichtert ließ er sie eintreten.
Sie tänzelte glücklich herein, lief zum Balkon.
„Hast du diese Aussicht schon gesehen? Einfach bombastisch! In so einem tollen Hotel habe ich noch nie residiert!“
Erst jetzt bemerkte sie Sergios entsetzen Blick.
„Was hast du denn? Bist du dem Teufel begegnet?“
„Fast!“ feixte er sie an.
„Hüpf nicht so blöd herum und mach, dass du deine Sachen packst. Wir hauen wieder ab von hier.“
„Wer hat dich denn gebissen? Ich bleib hier.“
Wieder ein Klopfen. Diesmal erschrak auch Gina. Sergio benahm sich so sonderbar. Kam jetzt ihr Auftraggeber selbst zu ihnen? Sergio schüttelte den Kopf aber Gina wollte wissen was geschehen war. Sie öffnete die Tür. Ein Bote stand vor ihr und übergab ihr ein Schreiben. Das war alles. Sie bedankte sich, gab ihm ein Trinkgeld und die Sache war für sie erledigt. Sie winkte Sergio mit dem Brief und lachte.
„Bist du von Sinnen?“ blaffte Sergio. „Mit der Annahme dieses Schreibens hast du jetzt zugesagt drei Menschen zu töten.“
„Spinnst du? Wir wissen doch gar nicht was da drinnen steht. Es fühlt sich hart an.“
„Ja, hart“, eiferte er ihr zynisch nach.
„Es sind unsere neuen Ausweise. Ab heute haben wir eine andere Identität.“
„Was? “ Gina riss den Brief auf und starrte auf die Pässe. Sie sahen total echt aus. Mario und Gina Molina. Jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr.“
„Setz dich hin. Ich erklär es dir.“
Roberto Tozzi stand am Balkon und versuchte den Dunst, der oft am Morgen über dem Gardasee hing zu durchdringen. Über den vielen verschiedenen Schiffen die hier im Hafen ankerten wurde es schon klarer. Die Jacht von Carlos war auch schon zu erkennen. Sie war eine der pompösesten am Gardasee. Carlo hatte die Jacht seines Vaters verkauft. Paola wünschte sich eine größere. Carlo erfüllte ihr den Wunsch. Aber wenn Roberto die Augen schloss sah er sich mit Carlo auf der alten Jacht. Erst als Junge, dann als junger Student. Als sie beide verheiratet waren und beruflich auch sehr in Anspruch genommen wurden trafen sie sich seltener. Das große Glück dabei war, dass sich ihre beiden Frauen so gut verstanden. So waren die Ausflüge auf der Jacht ein unvergessliches Vergnügen. Doch dann schlug das Schicksal unbarmherzig zu. Vor drei Jahren starb die Frau von Carlo an Krebs. Damals war er fassungslos an ihrem Grab gestanden. Carlo schien lange nicht über den Verlust hinweg zu kommen. Er ging ganz in seiner Arbeit auf. Bis an jenem Tag….
Roberto schauderte es heute noch, wenn er daran dachte.
„Schluss jetzt“, sagte er laut vor sich hin.
„Ich fahre wieder nach Verona. Dort erwartet mich zwar nur der alte Trott. Doch im Urlaub gibt es sicher auch Zuhause viel zu erledigen.“
Er ging zurück ins Zimmer und starrte auf seinen Koffer. Sollte er wirklich fahren? Seit Carlo mit Paola verheiratet war, hatte er sie nur zwei oder war es dreimal? gesehen. Vielleicht war sie gar nicht so ein Biest wie man sie schilderte. Er musste sich doch erst mal ein eigenes Bild von ihr machen. Der Brief von Carlo fiel ihm ein. Seine Genauigkeit verlangte es, dass er sich jedes Wort seines Freundes einprägte. Dann las er noch einmal das Testament. Es war mit allerhand Bedingungen versehen. Paola durfte sich demnach erst nach zwei Jahren wieder an einen Mann binden. Zwei Jahre würde sie nur eine Art Apanage erhalten. Falls sie sich nicht an Carlos Wünsche halte, würden der Neffe und der Patensohn das ganze Vermögen zu gleichen Teilen erhalten. Das Gleiche gelte auch in dem Falle, wenn Paola innerhalb dieser zwei Jahre sterben würde. Sollte Paola diese zwei Jahresfristen genauestens einhalten und überleben, müsste sie danach dem Neffen und dem Patensohn jeweils Fünfzigtausend Euro auszahlen. Bis dahinbekämen Franco und Enrico die gleiche Apanage wie Paola. Das Weingut dürfe nicht verkauft werden. Der Verwalter und das Hausmeisterehepaar erhalten jeweils zehntausend Euro und dürfen bis zu ihrer Verrentung nicht entlassen werden. Es gab noch ein paar Geldanwendungen für ein paar andere Bedienstete. Aber Roberto hatte genug gelesen. Ihm schwirrte der Kopf. Sollten die Verwandten von Carlo wirklich so gierig und böse aufeinander sein wie Carlo sie einstufte, würde der Frieden der früher in der Villa Molina geherrscht hatte, für immer zerstört sein.
„Warum hat Carlo mir dieses Testament zukommen lassen? Wollte er noch einmal mit mir darüber sprechen? Sollte ich ihn beraten? Seine Verwandten überprüfen ob sie solche Bedingungen erfüllen würden?“
Alles sinnlose Fragen. In diese Spirale des Zornes, der Gier des gegenseitigen Misstrauens wollte er nicht mit eingezogen werden.
„Carlo, es tut mir leid, ich fahre nach Hause“, sagte er noch einmal zu sich selbst.
Irgendjemand klopfte an seine Tür. Müde, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen, schlürfte er zur Tür und zog sie auf. Kommissarin Elisa Valente stand frisch und fröhlich vor ihm.
„Guten Tag Roberto. Es gibt Neuigkeiten.“
„Neuigkeiten? Welche Neuigkeiten? Schlagen sich die Erben schon die Köpfe blutig?“
„Bah, das ist ja ein Empfang. „Mit solch argen Dingen kann ich nicht schon in aller Frühe dienen“, erwiderte Elisa.
„Darf ich eintreten?“
„Sie sind es ja schon“ murrte er. „Also bitte was ist los?“
„Darf ich mich setzen?“
„Sie dürfen.“
Langsam wurde er zugänglicher. Was konnte Elisa Valente zu seiner Stimmung und den ganzen Umständen in denen er sich befand?
Elisa schlug die Beine übereinander.
„Die Mutter von zwei etwa zwölfjährigen Jungen hat sich bei uns im Kommissariat gemeldet. Die Buben haben am Tag als Signor Molina starb eine junge Frau beobachtet die auf seine Jacht ging.“
Commissario Tozzi wurde aufmerksamer.
„Können die Beiden die Frau beschreiben?“
„Leider nur vage. Sie soll eine Art Windjacke, eine Kappe, so eine ähnliche wie die ihrige und eine Sonnenbrille getragen haben. An ihrem schnellen Gehen haben sie gemerkt das sie noch jung ist. Ein älterer Herr soll die Frau begrüßt haben. Dann sind sie unter Deck gegangen. Zuerst war es noch ruhig, dann wurde das Gespräch zwischen den Beiden lauter. Sie konnten aber trotzdem nicht verstehen worum es bei diesem Streit ging. Nach einer Weile kam die Frau hoch und rannte von Bord. Von dem Mann war nichts mehr zu hören.“
Kommissar Tozzi legte die Stirn in Falten.
„Tja, und jetzt müsste man wissen wer diese Frau war.“
„Meine Männer geben gerade eine Fahndung nach dieser Frau aus“, erklärte Elisa. „Für einen Erfolg können wir allerdings nicht garantieren. Es ist ja auch schon ein paar Tage her.“
„Warum haben sich die Jungen so spät erst gemeldet?“
Elisa zuckte mit den Schultern.
„Sie hatten an diesem Tag die Schule geschwänzt.“
„Aha“, jetzt lächelte Roberto. „Ich verstehe.“
„Was werden sie jetzt noch unternehmen?“ fragte Elisa.
„Ich weiß nicht“ meinte er vage. „Carlo hatte mich gebeten ihm zu helfen. Ich habe es versucht. Es ist fehlgeschlagen. Also könnte ich eigentlich nach Hause fahren.“
„Schade“, sagte sie bedauernd.
„Hatten Sie ihr Zimmer im Hotel Anna nicht länger gebucht?“
„Das schon!“ überlegte er zögernd.
„Sie haben Recht. Ich sollte mir noch ein paar Tage in dem schönen Hotel gönnen. Außerdem interessiert es mich doch was sich hier in der nächsten Zeit bei den Erben noch abspielt. Mal sehen…“
„Gut, haben sie schon gefrühstückt? Ich kenne da ein schönes Café…“
Der Anzug, den Sergio Rossi heute trug war aus feinstem Stoff geschneidert und saß genau nach Maß. Er drehte sich eitel wie ein Pfau vor dem Spiegel umher. Die Schuhe, das Hemd, die Krawatte, alles stimmt“, lobte er sich stolz.
Gina, die sich noch die Haare zu Recht zupfte, die Farbe ihres Lippenstiftes überprüfte, grinste ironisch.
„Alles bestens. Was Tolleres wie uns können die Gutsbesitzerin und ihr Neffe gar nicht finden.“
Sergio gab ihr lachend einen Klaps auf den Hintern.
„Na na, macht man das denn mit seiner Schwester? „Manieren mein Lieber, Manieren sind wichtig bei den Reichen.“
„Schon gut, meinst du die Witwe kennt alle Freunde und Verwandte ihres Mannes die in Rom leben?“
„Wieso gerade seine Clique aus Rom?“
„Hast du das schon wieder vergessen? Wir sind die Geschwister Mario und Gina Molina aus Rom.“
„Ach so! Ich glaube das nicht. Die Verwandtschaft war ihr anscheinend ziemlich egal. Hast du was über die Beerdigung in der Zeitung gelesen? Niemand wusste wann sie stattfinden sollte. Hast du jemals von einem so reichen Mann wie Carlo Molina gehört, der so still und klanglos unter der Erde verschwand wie er? Also, die Verwandtschaft ist der Witwe piep egal. Hauptsache sie besitzt genug Geld auf ihrem Konto.“
Sergio stimmte Gina zu, fragte sie aber nachdenklich.
„Woher weißt du eigentlich etwas über die Beerdigung?“
„Vom Zimmermädchen. Die Malcesiner sind stinksauer auf die feine Witwe.“
„Das kann ich mir gut vorstellen nickte Sergio, aber vielleicht hat Signore Molina das so verfügt.“
Gina zuckte gleichgültig mit den Schultern.
„Wer weiß schon…“
Sergio war schon wieder ganz wo anders mit seinen Gedanken. Er steckte noch ein Paar ihrer neuen Visitenkarten, die mit den Pässen geliefert wurden, ein. Dann verließen sie das Hotel.
Paola Molina trieb wie jeden Morgen ihre Gymnastik, duschte und zog sich leger elegant an. Verwandte aus Rom hatten sich gestern bei ihr angemeldet. Sie wollten wieder einmal das schöne Malcesine besuchen. Sie würden im Hotel Du Lac absteigen und wären schon neugierig die Frau von Carlo kennen zu lernen. Nach diesem Anruf hatte Paola sofort ihren Sekretär angerufen und ihn gebeten zu erforschen ob es diese Verwandten aus Rom überhaupt gäbe. Das taten sie. Also musste sie in den sauren Apfel beißen und sie empfangen. Wahrscheinlich hatte das Carlo schon arrangiert gehabt. Sie durfte keinen Fehler machen. Als das Auto der Molinas in die Einfahrt fuhr, stand Paola oben im ersten Stock. Naja, der Wagen war vorzeigbar. Langsam stieg sie die Stufen hinab um die Verwandten zu empfangen. Paola ging in den Salon und wartete bis das Dienstmädchen die beiden herein begleitete. Sie hatte sich in die Pose der trauernden Witwe gebracht. Doch als sie die Gäste sah, wäre sie fast aus den Schuhen gekippt. Der Mann, der sie als Mario Molina begrüßte und ihr höflich einen Blumenstrauß überreichte war ihr einstiger Verlobter Sergio Rossi. Sergio brauchte bei seinem Frauenverschleiß ein bisschen länger wie Paola, die neue Situation zu begreifen. Aber sein Lächeln blieb in seinem Gesicht hängen. Gina bemerkte eine kleine Veränderung in der Haltung der Gastgeberin aber sie schob es auf die hoffärtige Art ihrer sogenannten Verwandten.
Paola bat ihre Gäste Platz zu nehmen.
„Du lieber Himmel“, dachte Gina, wenn das immer so förmlich zugeht?
Das Mädchen brachte ein Tablett voller Getränke und fragte was sie ihnen einschenken dürfe. Sie gaben ihre Wünsche an.
Als sich das Mädchen wieder zurückgezogen hatte, fragte Paola scheinheilig.
„Sie sind also unsere Verwandten aus Rom? Mein Mann hat mir leider sehr wenig von ihnen erzählt.“
„Das kommt bestimmt daher“, erwiderte Sergio, dass unser Vater zwar mit ihrem Mann in Rom studiert hat, aber später wenig Kontakt mit ihm hatte. Deshalb kennt sich die jüngere Generation der Molinas auch nicht so gut.“
„Stimmt“, nickte Paola, mir fällt erst jetzt auf, dass Franco, der Neffe meines Mannes, den Zweig der Molinas in Rom auch nicht kennt.“
„Wohnt ihr Neffe auch hier im Haus?“
„Nein, aber wenn sie ihn kennenlernen möchten kann ich ihn rufen lassen. Er arbeitet bei uns im Büro gegenüber unserer Villa. Sie sehen mich in Trauer. Wie sie wahrscheinlich schon erfahren haben ist mein Mann erst vor ein paar Tagen verstorben.“
Sergio versuchte erschüttert zu wirken.
„Entschuldigen sie bitte, mein Beileid…“
„Auch mein Beileid“, stotterte Gina mit blutrotem Gesicht. In dem Moment war sie froh, dass Sergio die Unterhaltung führte. Aber sie fragte sich warum sie sich als Verwandte mit Sie ansprachen. Der Gedanke beherrschte sie und sie sprach ihn auch gleich aus.
“Ja, natürlich“, lächelte Paola schief. Wir sind verwandt, also sollten wir uns auch duzen.“ Sie hob ihr Glas: „Also auf die Verwandtschaft.“
„Auf die Verwandtschaft“.
„Eigentlich würde ich deinen Neffen gerne kennenlernen“, meinte Gina.
Paola, die schon erregt darauf wartete allein mit Sergio sprechen zu können, nickte zustimmend.
„Moment ich sage Franco Bescheid das du kommst. Es macht dir doch nichts aus alleine zu ihm rüber zu gehen? Ich würde mich gerne noch ein wenig mit Mario unterhalten.“
Jetzt begann Sergios Kopf zu glühen. Paola legte den Hörer hin und erklärte Gina den Weg zum Büro.
Kaum hatte Gina das Haus verlassen, begann Paola Sergio auszufragen.
„Wieso bist du in diese Rolle geschlüpft und wer hat dich damit beauftragt?“
„Beauftragt? Wer soll mich denn beauftragen? Ich wollte dich endlich wieder einmal sehen. Es war doch das einfachste Mittel so an dich heranzukommen.“
„Lüge nicht! Andere Frauen kannst du hinters Licht führen. Mich nicht! Das müsstest du doch wissen.“
Sergio wandte sich wie ein Aal.
„Na gut, ich gebe es zu. Jemand hat mir einen guten Tipp gegeben.“
„Kenne ich diesen Berater?“
„Das glaube ich kaum Ich kenne auch nur seine Stimme.“
„Also ein Mann!“
Hinter Paolas Stirn flogen tausend Gedanken durcheinander. Es war schwer auf den richtigen Mann zu kommen. Dazu hatte sie schon zu viele von diesen Typen benutzt, als sie gut betucht gewesen war, aber sie wollte unbedingt eine noch reichere unabhängige Frau werden und jetzt war sie schon fast am Ziel.
„Was immer du auch vorhast, du wirst es nicht erreichen, denn ich bin eine Kämpfernatur.“
Sergio sah samt dieser Drohung Licht am Tunnel.
„Paola, du weißt, dass ich dich liebe, aber ich bin im Kern genommen genauso geschnitzt wie du. Meine Jagd nach Geld nimmt kein Ende. Überleg doch einmal, du und ich wieder zusammen. Wir könnten die Welt aus den Angeln heben.“
Paola schüttelte zweifelnd den Kopf.
„Du mit deinen Sprüchen! Das mit uns ist schon einmal in die Hose gegangen. Du bist und bleibst ein Träumer“.
„Ich habe mich geändert Paola, habe meine Erfahrungen gemacht, bin vorsichtiger geworden. Mein Konto wächst und wächst. Glaubst du ich würde sonst einen teuren Wagen fahren, im Viersternehotel logieren?“
Paola funkelte ihn immer noch misstrauisch an.
„Wieso nimmst du dann ausgerechnet einen Auftrag an, der gegen mich gerichtet ist und wie sollst du gegen mich vorgehen?“ Mich ausnehmen und wegschmeißen wie eine lästige Fliege oder sollst du mich töten?“
Sergios Augen schienen nur noch aus zwei eiskalten Schlitzen zu bestehen.
„Ja, ich soll dich töten! Aber ich war nicht auf dich fixiert. Ich wusste nicht, dass du verheiratet bist und einen anderen Namen trägst. Du scheinst einen mächtigen Feind zu haben der dich lieber heute als Morgen tot sehen würde.“
Die hartgesottene Frau fror plötzlich. Diesen Blick von Sergio kannte sie. Aber kleinbeigeben war nicht ihre Art.
„Wir haben uns mal geliebt und könnten das immer noch“, gab sie zu, aber das setzt blindes Vertrauen von uns Beiden voraus. Kann ich Dir das entgegenbringen und du mir? Hast du eine bestimmte Vorstellung davon wie du mich töten könntest, oder hat dir dein Auftraggeber das schon vorgegeben?“
„In meine Arbeit habe ich mir noch nie reinreden lassen. Alles geht nach meiner Art. Meinem Auftraggeber liegt nur daran alle Haupterben von Carlo Molina so schnell als möglich ins Jenseits zu befördern. Du und Carlos Neffe sollen die ersten sein die er aus dem Weg geräumt haben will. Um leichten Zugang in dein Haus zu bekommen, sollte ich mich und meine Komplizin als deine Verwandten vorstellen. Die Vorarbeit dazu hat er allerdings selbst getan. Anscheinend kennt er dich und deinen Neffen gut“
„So sieht es aus. Arbeiten wir nun zusammen oder nicht?“
„Bist du dir der ganzen Schwierigkeiten die in diesem Fall auf uns zukommen, bewusst?“
„Natürlich! Hätte ich dir sonst alles was ich über meinen Auftraggeber weiß, gesagt?“
Paola schluckte.
„Gut, was versprichst du dir von unserer gemeinsamen Zusammenarbeit?“
Sergio sah sich lüstern um. Hier zu residieren würde ihn sogar die Lust auf seinen Job nehmen. Schon begannen die Dollarzeichen in seinem Kopf zu kreiseln. Diese Frau kannte er. Bei ihr würde es sich lohnen mehr einzusetzen. Nach den Erfahrungen die er nach der Trennung mit ihr gemacht hatte, glaubte er zu wissen wie er in dieser neuen Phase mit ihr umgehen sollte. Auftrag hin oder her! Er würde alles tun um eine bessere Lösung zu finden. Paola verstand sein Schweigen falsch.
„Du lehnst also mein Angebot ab?“ Sergio zischte.
„Man wird doch mal überlegen dürfen!“
„Das ist doch klar. Aber früher konntest du dich wesentlich schneller entscheiden.“
„Stimmt, aber damals ging es ja auch nicht gleich über Leben und Tod. Jetzt muss ich den ausgeklügelten Plan meines Auftraggebers durchkreuzen. Allerdings würde ich das auch gerne tun.“
„Aha, du hast da so deine Bedingungen?“
„Bedingungen nicht gerade, nur eine Bitte. Du heiratest mich. Ich mag dich. Außerdem reizt es mich Weingutsbesitzer zu werden. Dazu gehört natürlich auch ein gutausgeklügelter Ehevertrag.“
Paola lachte hintergründig.
„Kein schlechter Versuch! Aber kennst du das Testament meines verstorbenen Mannes? Er bestimmt darin, dass ich erst zwei Jahre nach seinem Tod wieder heiraten darf. Binde ich mich früher, verliere ich alles. Merkst du was? Dein Auftraggeber kennt das Testament. Er hat dich und Gina als Verwandte eingeschleust. So kann er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Er will alles. Aber wie stellt er das an?“ Wir müssen diesen Mann finden. Es muss schnell gehen.“
„Das ist mir klar; aber das ist keine Antwort auf meine Bitte.“
„Wenn du zwei Jahre warten kannst?“
Als Gina durch den Garten schritt der zu dem blauen Bürohaus der Villa führte, überwältigte sie die Fülle und die Düfte der Pflanzen. Hier in dieser Pracht leben wäre ein Traum. Ein Traum, den sie zuvor nie gewagt hatte zu träumen. Aber Träume konnten doch auch wahr werden. Wenn Sergio Paola töten würde, würde der Neffe einen großen Teil davon erben. Aber was hätte sie dann davon? Ein paar Tausender mehr, denn Sergio würde ihr zwar ein paar Tausender vom Erfolgshonorar abgeben, aber dann müsste sie, um den Auftrag zu erfüllen, den Neffen töten. Schöner Schlammassel! Betrogen oder bestohlen hatte sie schon viele Leute, aber töten? Ihr würde es sicher leichter fallen den Mann zu verführen. Ihn heiraten wäre noch sinnvoller. So grundhässlich wird er schon nicht sein. Verführen war doch ihre beste Gabe. Sie war ganz berauscht von diesem Gedanken und schloss sogar Sergio mit ein. Um das alles wahrwerden zu lassen benötigte sie ihn. Er musste erst Paola aus dem Weg räumen, dann die Heirat mit Franco arrangieren und… und… Da war ja leider auch noch der Auftraggeber, den sie nicht einmal kannten. So leicht war der Weg zum Glück doch nicht. Dieser Gedanke ernüchterte sie erst einmal. Außerdem fiel das erste Treffen mit dem Neffen Franco Pazodi ziemlich kühl aus. Franco fühlte sich von dieser Frau gestört. Anscheinend war sie mit seiner Tante befreundet und solche Leute konnte er schon gar nicht brauchen. Je mehr Leute um Paola herumschwirrten umso weniger Möglichkeiten ergaben sich sie zu töten. Es musste ja wie ein Unfall aussehen oder? Weiter kam er im Moment nicht mit seinen Überlegungen. Diese Frau in seinem Büro war die reinste Sprachmaschine. Endlich hielt sie mal die Luft an.
„Es tut mir leid“, sagte er schnell, aber ich kenne die Verwandten aus Rom nicht und ehrlich gesagt lege ich auch keinen Wert darauf. Ich liebe die Ruhe und die habe ich hier.“
„So ein unhöflicher Laffe“, dachte Gina und musterte ihn etwas näher. Dem Fettwanst würde es nicht schaden lieber mal einen Spaziergang zu machen als die ganze Zeit hier in diesem Büro zu sitzen. Aber auch diese Sorte von Männern kannte sie zur Genüge und mit ihnen umzugehen schien ihr auch keine Kunst. Sie lächelte süßsauer.
„Es tut mir leid dich gestört zu haben, aber die Nähe von Tante Paola ertrage ich nicht lange. Doch dich wollte ich schon länger mal kennen lernen.“
„Wieso denn das? Ich habe noch nie etwas von dir gehört.“
„Naja“, lächelte sie freundlich.
„Wir sind ja auch nur um mehrere Ecken verwandt. Von Onkel Carlo, der ein paarmal bei meinen Eltern zu Besuch war habe ich so einiges von meinen Verwandten hier in Malcesine gehört. Vor einigen Wochen kam er ganz überraschend zu uns. Er sah irgendwie krank aus. Onkel Carlo sagte, er wolle sich so langsam aus dem Geschäft zurückziehen und wäre sehr froh, dass er dich an seiner Seite habe. Er schwärmte von dir in vollen Tönen und erwähnte was du für ein mathematisch gebildeter Mann bist. Ich wurde richtig neugierig auf dich und auch stolz, denn schließlich bin ich auch eine aus der Familie Molina. Leider hast du uns noch nie besucht und ich bin das erste Mal in Malcesine. Warst du schon in der Schule so gut in Mathe?“
Der rundliche Kopf schwoll rot an. Diese Frau regte ihn auf aber sie war die erste die ihn auf sein Talent ansprach.
„Ja“, gab er schwitzend zu: Ich war in der Schule fast immer der Klassenbeste in Mathematik. Aber meine Mitschüler ärgerten sich über mich. Sie dachten ich wäre ein Streber.“
„So ist es“, tröstete sie ihn. „Die besten Leute werden immer verkannt. Mit dem Computer kennst du dich bestimmt auch gut aus.“
„Natürlich, das ist doch heutzutage ein Muss.“
Langsam verlor sich sein verschleierter Blick, seine Haltung straffte sich. Diese Gina war gar nicht so übel. Gina bemerkte die leichte Veränderung in seinem Verhalten und atmete zufrieden auf. Doch schon im nächsten Moment kam sein Rückzieher.
„Leider muss ich jetzt weiterarbeiten. Franco deutete auf den Stapel Papiere. Die warten auf Erledigung. Grüß bitte deinen Bruder unbekannterweise. Auf Wiedersehen!“
Gina erstarrte. Doch schon nach einer Sekunde bedachte sie Franco innerlich mit einer Reihe Schimpfwörter. Sergio würde nie im Leben glauben, dass sie sich von diesem ungehobelten Kerl so schnell abfertigen ließ.
„Schade“, erwiderte sie traurig, dass du so sehr beschäftigt bist. Aber wie wäre es denn am Abend? Wir könnten uns doch in Malcesine treffen. Du wärst sicher ein guter Fremdenführer für mich.“
Franco staunte über die Hartnäckigkeit von Gina. Noch nie hatte sich eine Frau so bei ihm aufgedrängt. Dachte sie an sein mögliches Erbe? Dann musste er ihr nur klarmachen, dass er ein einfacher Angestellter seines Onkels war. Mehr nicht.
„Es geht nicht“, druckste er hervor.
„Warum nicht? Hast du eine Freundin? Sie braucht nicht eifersüchtig zu sein. Ich finde dich nur sympathisch, mehr nicht. Ruf sie bitte an oder lade sie ganz einfach ein heute Abend mitzukommen.“
Franco sah Gina mürrisch an.
„Es gibt keine Freundin, der ich Rechenschaft ablegen müsste.“
„Was ist es dann? Bin ich dir zuwider?“
„Unsinn“, behauptete er jetzt.
„Es ist gerade Monatsende und mein Gehalt ist noch nicht auf meinem Konto.“
Sie lachte erleichtert auf.
„Das ist es also, du denkst du müsstest mich ausführen und zum Essen einladen? Das werde ich auf keinen Fall tun. Ich werde ins Hotel Du Lac fahren, mich umziehen. Dann wirst du mich abholen und ich werde dich in ein Restaurant begleiten in dem du gerne speist und alles geht auf meine Kosten. Denkst du, wir Molinas aus Rom sind arme Verwandte?“
„Nein, nein, du solltest mir das nicht unterstellen. Es ist nur mein Stolz.“
Langsam wurde Gina ihm sympathischer.
„Wohnst du zurzeit im Hotel Du Lac?“
„Ja, es ist uns von einem guten Freund empfohlen worden. Also, wann holst du mich ab?“
Jetzt konnte Franco nicht mehr zurück.
„Zwanzig Uhr?“
„Ja“, strahlte Gina: „Ich warte auf dich.“
„Wird dein Bruder dabei sein?“
„Ihn wirst du schon noch kennen lernen, aber heute Abend möchte ich mit dir alleine zum Essen gehen. Sie winkte ihm freundlich zu und verließ sein Büro. Franco ging zum Fenster und sah ihr nach. Was wollte diese schöne Frau von ihm?
Paola war ans Fenster getreten und hatte sich davon überzeugt, dass sich Gina wirklich auf den Weg zum Büro ihres Neffen Franco befand.
„Sie ist schön, aber ziemlich vulgär“, dachte sie.