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Omraam Mikhaël Aïvanhov zufolge ist die ganze Lehre Christi in den wenigen Zeilen des Vaterunser enthalten. Er sagt: 'Ein Eingeweihter geht wie die Natur zu Werke. Seht einmal, wie sie in einem winzigen Samen einen ganzen Baum mit Wurzeln, Stamm, Ästen, Blüten und Früchten zusammenfasst. Jesus hat das Gleiche getan: Er hat sein ganzes Wissen im Vaterunser kondensiert, in der Hoffnung, dass die Menschen, die es sprechen und über es meditieren, es als Samen in ihre Seele legen, es begießen, schützen und aufblühen lassen, damit es zu dem unermesslich großen Baum der Einweihungswissenschaft heranwächst, die er uns hinterlassen hat.'
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Seitenzahl: 164
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Über den Autor
Omraam Mikhaël Aïvanhov war ein großer spiritueller Meister, ein lebendiges Vorbild, ein »Überbringer des Lichts« und ein warmherziger, humorvoller Lehrer, der durch sein selbstloses, zugängliches und brüderliches Verhalten überzeugte.
Er strebte an, alle Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten – so wie ein Bergführer seine Kameraden sicher bis auf den höchsten Gipfel führt.
Das Gedankengut, das Omraam Mikhaël Aïvanhov verbreitet hat, bietet zahlreiche Methoden und einen klaren, begehbaren Weg zu größerer Vollkommenheit und mehr Lebensglück.
In wohltuend einfacher Sprache erklärt er alle wichtigen Zusammenhänge des Lebens und ist gerade bei den Fragen unserer heutigen Zeit wegweisend. Ob es um die Bewältigung des Alltags geht, um das Thema der Liebe und Sexualität oder um tiefgründige philosophische Themen – stets sind seine Antworten überraschend klar und hilfreich.
Kurzbeschreibung
Omraam Mikhaël Aïvanhov zufolge ist die ganze Lehre Christi in den wenigen Zeilen des Vaterunsers enthalten. Er sagt: »Ein Eingeweihter geht wie die Natur zu Werke. Seht einmal, wie sie in einem winzigen Samen einen ganzen Baum mit Wurzeln, Stamm, Ästen, Blüten und Früchten zusammenfasst. Jesus hat das Gleiche getan: Er hat sein ganzes Wissen im Vaterunser kondensiert, in der Hoffnung, dass die Menschen, die es sprechen und über es meditieren, es als Samen in ihre Seele legen, es begießen, schützen und aufblühen lassen, damit es zu dem unermesslich großen Baum der Einweihungswissenschaft heranwächst, die er uns hinterlassen hat.«
Inhaltsverzeichnis
Über den Autor
Kurzbeschreibung
Inhaltsverzeichnis
Das Vaterunser
Kapitel 1: »Vater unser, der Du bist im Himmel...«
Kapitel 2: »Ich und der Vater sind eins«
Kapitel 3: »Seid vollkommen wie euer Vater im Himmel vollkommen ist...«
Kapitel 4: »Suchet zunächst das Reich Gottes und Seine Gerechtigkeit«
Kapitel 5: »Wie im Himmel So auf Erden«
Kapitel 6: »Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben«
Kapitel 7: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun«
Kapitel 8: »Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt...«
Kapitel 9: »Wachet und betet«
Vom selben Autor – Reihe Gesamtwerke
Vom selben Autor – Reihe Izvor
Vom selben Autor – Reihe Broschüren
Copyright
Da Omraam Mikhaël Aïvanhov seine Lehre ausschließlich mündlich überlieferte, wurden seine Bücher aus stenographischen Mitschriften, Tonband- und Videoaufnahmen seiner frei gehaltenen Vorträge erstellt.
Das Vaterunser
Vater unser, der Du bist im Himmel,
geheiligt werde Dein Name,
Dein Reich komme,
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser täglich Brot gib uns heute
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn Dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit,
Amen
Kapitel 1: »Vater unser, der Du bist im Himmel...«
Jesus hat seinen Schülern ein Gebet gegeben, das seitdem von allen Christen gesprochen wird. Es ist das Vaterunser oder auch »das Gebet des Herrn« genannt. In dieses Gebet hat er ein sehr altes von der Tradition überliefertes Wissen gelegt, das schon lange vor ihm existierte. Aber er hat es so stark zusammengefasst, dass es schwer in seiner ganzen Tiefe zu erfassen ist.
Ein Eingeweihter geht wie die Natur zu Werke. Seht einmal, wie sie in einem kleinen Kern oder Samen einen ganzen Baum mit Wurzeln, Stamm, Ästen, Blättern, Blüten und Früchten auf meisterhafte, großartige Weise kondensiert. Die ganze Pracht eines Baumes samt seiner Fähigkeit, Früchte zu tragen, lange zu leben, Unwettern zu widerstehen usw. ist in dem Samen verborgen, den man in den Boden legt. Jesus hat genau das Gleiche getan, als er sein ganzes Wissen im Vaterunser zusammengefasst hat; er hoffte, dass die Menschen, die es sprechen und darüber meditieren, es als Samen in ihre Seele legen, es begießen, schützen und aufblühen lassen, um diesen unermesslich großen Baum zu entdecken, das Einweihungswissen, das er uns hinterlassen hat.
Alle katholischen, protestantischen und orthodoxen Christen sprechen dieses Gebet, obwohl sie seinen Sinn nicht immer richtig verstehen. Manche finden sogar, dass es nicht besonders tiefsinnig und bedeutungsvoll ist, während sie mit ihren eigenen eindrucksvollen, poetischen, vollständigen und endlosen Dichtungen sehr zufrieden sind. Aber was steckt dahinter? Nichts Besonderes. Lasst uns also versuchen, die Bedeutung des Vaterunsers zu ergründen, obwohl wir nicht alles erwähnen können, weil dieses Thema zu umfangreich ist.
»Vater Unser, der Du bist im Himmel«. Es gibt einen Schöpfer, einen Herrn über Himmel und Erde und das ganze Universum. Wenn es heißt, dass Er im Himmel sei, weist dies darauf hin, dass es im Raum verschiedene Ebenen gibt, die die jüdische Tradition Kether, Chokmah, Binah, Chesed, Geburah, Tiphereth, Netzach, Hod, Jesod und Malkuth genannt hat. In diesen Bereichen wohnen unzählige Geschöpfe: Es sind die Engelshierarchien, angefangen bei den einfachen Engeln bis hin zu den Seraphin. In diesen zehn Himmeln (die die Kabbala Sephiroth nennt), wohnt der Gott, den Moses und die Propheten des Alten Testaments als verzehrendes Feuer, als strengen Herrscher beschrieben haben, den man nicht lieben konnte und sogar fürchten musste, denn »die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang.« Später ist Jesus gekommen und hat Gott als unseren Vater dargestellt.
Jesus ist gekommen, um Furcht durch Liebe zu ersetzen. Anstatt einen schrecklichen Gott zu fürchten, darf der Mensch Ihn nun lieben. Er kann sich an Ihn schmiegen wie an einen Vater. Jesus hat Liebe und Sanftmut eingeführt. Der Herr ist wie ein Vater, dessen Söhne und Töchter alle Menschen sind. »Vater Unser, der Du bist im Himmel...« Wenn Er im Himmel ist, können auch wir im Himmel sein, denn wo der Vater ist, wird auch der Sohn eines Tages sein. In diesen Worten liegt eine große Hoffnung, die Hoffnung auf eine erhabene Zukunft. Gott hat uns nach Seinem Bild erschaffen. Er ist unser Vater, und wir sind Seine Erben. Er wird uns Königreiche geben, Er wird uns Planeten zur Gestaltung überlassen, Er wird uns alles geben.1
»Geheiligt werde Dein Name.« Gott hat also einen Namen, den man kennen muss, um ihn heiligen zu können. Die Christen geben Gott keinen Namen. Sie nennen Ihn einfach Gott, das ist alles. Aber Jesus wusste als Erbe einer langen Tradition, dass Gott einen geheimnisvollen und unbekannten Namen hat. Als der Hohepriester einmal im Jahr diesen Namen im Heiligtum des Tempels in Jerusalem sprach, wurde seine Stimme absichtlich vom Lärm verschiedener Instrumente übertönt – Flöten, Trompeten, Tamburine, Zimbeln –, damit das vor dem Tempel versammelte Volk ihn nicht hörte. Von diesem Namen, der im Alten Testament Jahwe oder Jehova geschrieben wird, weiß man nur, dass er vier Buchstaben hat:2
Die kabbalistische Tradition lehrt, dass der Name Gottes selbst aus 72 anderen Namen oder Kräften besteht. Um euch dies verständlicher zu machen, möchte ich noch einige Worte über die Darlegungen der Kabbala hinzufügen. Jeder Buchstabe des hebräischen Alphabets entspricht einer Zahl – und da
ist, ergibt die Summe der vier Buchstaben 26. Wenn die Kabbalisten den Namen Gottes in ein Dreieck schreiben, stellen sie es folgendermaßen dar:
oder auch auf diese Weise:
Der auf diese Art geschriebene Name enthält 24 Knoten, die die 24 Alten Weisen darstellen, von denen in der Offenbarung die Rede ist. Jedem Knoten entspringen drei Abzweigungen und alles zusammen ergibt 72.
Was bedeutet nun »Geheiligt werde Dein Name«? Wundert euch nicht, wenn ich zur Erklärung dieser Frage zunächst die vier Elemente zu Hilfe nehme: Erde, Wasser, Luft und Feuer, durch die die Welt erschaffen wurde. Unser Körper, unser Herz, unser Verstand, unsere Seele und unser Geist sind mit den Kräften und guten Eigenschaften der vier Elemente verbunden. Jedes Element wird von einem Engel geleitet. Deshalb bittet ein Eingeweihter, wenn er sich läutern will, den Engel der Erde, die Unreinheiten seines physischen Körpers aufzunehmen, den Engel des Wassers, sein Herz zu waschen, den Engel der Luft, seinen Verstand zu reinigen und den Engel des Feuers, seine Seele und seinen Geist zu heiligen. Die Heiligung ist also mit der höchsten Welt der Seele und des Geistes verbunden, das heißt der Welt des Feuers und des Lichts.
Heiligkeit wird immer mit Licht verbunden. Dies verdeutlicht übrigens die bulgarische Sprache. Auf Bulgarisch heißt heilig »svetia«. Dieses Wort hat die gleiche Wurzel wie svetlina, das Licht. Der Heilige (svetia) ist ein Mensch, der das Licht (svetlina) besitzt. In ihm glänzt, leuchtet und strahlt alles. Werden nicht auch Heilige immer mit einem Heiligenschein dargestellt? Heiligkeit ist also eine Eigenschaft des Lichts, des reinen Lichts, das im Geist strahlt.
Nur das Reine vermag zu reinigen, und nur das Heilige kann heiligen. Folglich ist nur das Licht imstande zu heiligen, da es selbst die Heiligkeit ist. Wir müssen also im höchsten Licht unseres Geistes den Namen Gottes heiligen. Der Name ist ein Symbol, eine Zusammenfassung der Wesenheit, die ihn trägt. Er enthält das Wesen seines Trägers. Wer den Namen Gottes ausspricht, indem er sich von der Heiligkeit des Lichts durchfluten lässt, der ist imstande, den Herrn anzuziehen, Ihn in alles einströmen zu lassen; dann kann er selbst alle Dinge, Wesen und Existenzen heiligen. Man darf sich nicht damit zufrieden geben, in der Kirche oder im Tempel zu sprechen: »Geheiligt werde Dein Name«, sondern man soll ihn tatsächlich in sich selbst heiligen, damit man die außergewöhnliche Freude erlebt, endlich alles, was man berührt, isst und betrachtet, mit Licht zu durchfluten.
Ja, die größte Freude auf der Welt liegt darin, diese tägliche Übung richtig zu verstehen und überall alles zu segnen, zu erhellen und zu heiligen. Erst dann erfüllt man das Gebot Christi. Wenn man aber nur die Worte wiederholt: »Geheiligt werde Dein Name«, ohne die Heiligung mit in seine Handlungen einzubeziehen, bedeutet dies, dass man nichts davon verstanden hat. Schon wenn der Mensch Gottes Namen ausspricht oder schreibt, verbindet er sich mit göttlichen Kräften und kann sie auf die physische Ebene herabziehen. Aber diese Arbeit beginnt im Kopf. »Geheiligt werde Dein Name« betrifft den Geist, die Gedankenwelt.
»Dein Reich komme« bedeutet, dass es ein Reich Gottes mit seinen eigenen Gesetzen, seiner Ordnung und seiner Harmonie gibt, wovon wir uns nicht einmal eine Vorstellung machen können. Aber in den vom Geist durchlichteten Augenblicken unseres Lebens bekommen wir manchmal eine flüchtige Vision davon. Nur in einer hohen geistigen Verfassung beginnt man zu begreifen, was das Reich Gottes ist, denn mit dem Vorbild irdischer Bereiche, wo Unordnung, Schlägereien und Dummheiten herrschen, käme man nicht weit. Trotzdem kann das Reich Gottes auf der Erde verwirklicht werden; es gibt eine Lehre und Methoden dafür. Bitten allein reicht nicht aus. Seit 2000 Jahren bitten die Menschen, und es ist immer noch nicht da, weil man nichts für sein Kommen tut.
Mit dieser zweiten Bitte: »Dein Reich komme«, steigen wir in den Bereich des Herzens hinab. Der Name Gottes soll in unserem Verstand geheiligt werden, doch sein Reich soll in unserem Herzen errichtet werden. Dieses Reich ist kein Ort, sondern eine innere Verfassung, in der sich das Gute, Großmütige und Selbstlose spiegelt. Von diesem Königreich sagte Jesus vor 2000 Jahren: »Das Himmelreich ist nahe.« Für einige traf dies zu, aber für die meisten Menschen ist es noch nicht gekommen und wird auch in 20 000 Jahren noch nicht da sein, wenn sie sich damit begnügen, es äußerlich zu erwarten, ohne dafür innerlich etwas zu tun. In Wirklichkeit ist das Himmelreich bereits für einige gekommen; für manche ist es im Kommen, und für andere wird es wer weiß wann kommen!3
Nun kommen wir zur dritten Bitte, die am wenigsten verstanden wird, aber am wichtigsten ist! Sie ist eine Zusammenfassung der ganzen Einweihungswissenschaft: »Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden«. Im Himmel wird der Wille Gottes ständig und ohne Widerspruch ausgeführt. Die himmlischen Geschöpfe stehen mit Seinem Willen in völligem Einklang und totaler Harmonie, was bei den Menschen nicht der Fall ist. Deshalb hat Jesus diese Bitte formuliert, damit wir daran arbeiten, unseren Willen mit dem göttlichen zu harmonisieren. Diese Idee lässt sich durch alle möglichen Beispiele erklären, unter anderem durch einen Spiegel, der einen Gegenstand reflektiert oder durch sonst irgendein Gerät. Jedes Gerät hat einen Sender und einen Empfänger. Das empfangende Prinzip muss sich mit dem aussendenden in Einklang bringen, sich anpassen und angleichen. Der Sender ist der Himmel und der Empfänger die Erde, d. h. die physische Ebene, die sich mit den Strömungen, den Formen, den Tugenden und Qualitäten des Himmels in Einklang bringen muss, um seine Herrlichkeit zu verwirklichen.
Die Menschen haben die Aufgabe, an der Erde zu arbeiten, damit sie sie in einen Garten voller Blumen und Früchte verwandeln, auf dass Gott in ihm wohne. Doch was machen sie? Manche sagen: »Ach, wisst ihr, die Erde bedeutet mir nichts!« Sie haben eben die Lehre Christi nicht verstanden! Obgleich sie doch so deutlich ist. Seht einmal, es heißt: »Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden!« Im Himmel ist bereits alles vollkommen, während es hier unten auf Erden nicht so wunderbar ist. Also muss man bewusst und kühn in die Materie hinabsteigen, um sie zu beherrschen, zu beleben und zu vergeistigen. Denn das Leben des Geistes soll sich auf der Erde ebenso vollkommen verwirklichen wie im Himmel.
Es liegt an uns – den Arbeitern Christi –, diese Aufgabe zu übernehmen. Es genügt nicht, das Gebet zu sprechen, wenn man dann durch seine Lebensweise dessen Verwirklichung verhindert. Man macht es oft wie jemand, der sagt: »Komm herein, komm herein!« und einem dann die Tür vor der Nase zuschlägt. Man betet und bittet, murmelt etwas dahin und zack! macht man die Tür zu. Es ist wirklich erstaunlich, dass man derart unbewusst sein kann! Und dann brüstet man sich nachher damit, ein Christ zu sein!
»Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden«. Dieser Satz enthält die ganze theurgische Magie. Wenn der Schüler die Bedeutung dieser Bitte Jesu begreift und es ihm gelingt, sie zu verwirklichen, wird er eines Tages ein Sender, ein Spiegel des Himmels sein. Er wird selbst ein Himmel sein. Dies steht geschrieben, und dies erwartet man von uns.
Die erste Bitte: »Geheiligt werde Dein Name« betrifft unser Denken. Um den Namen Gottes zu heiligen, müssen wir lernen, meditieren und unser Bewusstsein erweitern. Die zweite Bitte: »Dein Reich komme« bezieht sich auf unser Herz, denn das Reich Gottes kann nur in die Herzen eingehen, die voller Liebe sind. Die dritte Bitte betrifft unseren Willen: »Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden« setzt Arbeit, Widerstandskraft und Sieg voraus. Dazu braucht man Kraft und Ausdauer, und deshalb sollte man sich üben und Arbeitsmethoden verfolgen, die uns helfen, uns mit dem Himmel zu harmonisieren und mit ihm im Einklang zu schwingen. Was meint ihr, warum wir morgens den Sonnenaufgang betrachten? Wir wollen der Sonne gleichen, damit die Erde, das heißt unser physischer Körper, ihre Qualitäten erwirbt. Wenn der Mensch die Sonne mit Liebe betrachtet und mit ihr im Gleichklang schwingt, strahlt, erwärmt und belebt er selbst wie die Sonne! Dies ist also eine Methode, das Gebot »Dein Wille geschehe wie im Himmel also auch auf Erden« zu verwirklichen. Aber es gibt noch viele andere Übungen.
Für den Menschen gibt es nichts Wichtigeres als danach zu streben, Gottes Willen zu erfüllen. Dies ist nämlich eine magische Handlung. Wenn ihr euch entschließt, den Willen Gottes zu erfüllen, wird euer ganzes Wesen davon eingenommen und ausgefüllt. Dann seid ihr allen anderen Einflüssen gegenüber verschlossen. Die widerstrebenden Willenskräfte können euch nicht benutzen, und somit bewahrt ihr eure Reinheit, eure Kraft und eure Freiheit. Wenn nicht der Herr von euch Besitz ergreift, werden es andere an Seiner Stelle tun; davon könnt ihr überzeugt sein, und dann seid ihr nachher allen möglichen eigennützigen und anarchistischen Wünschen ausgesetzt, die euer Verderben bedeuten.
»Vater unser, der Du bist im Himmel, geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden...« All diese Bitten enthalten einen verborgenen Sinn, den nur der Wissende zu entdecken vermag. Wenn Archäologen sehr alte Manuskripte, Gegenstände oder Bauwerke erforschen wollen, versuchen sie aus den hinterlassenen Texten, Figuren oder Orten die Mentalität des Volkes oder die Epoche zu entschlüsseln. Mit Hilfe von Anhaltspunkten versetzen sie sich in die Denkweise dieser Zeit und erraten, was man damals aussagen wollte. Ebenso können wir auch das Gebet, das Jesus zurückgelassen hat, als eine Art Monument oder als Zeugnis betrachten, das bei näherer Nachforschung eine ganze verborgene Lehre enthüllt.
Die ersten drei Bitten des Vaterunsers entsprechen den drei Prinzipien im Menschen. Zunächst ein klares Denken, das alles erleuchten und heiligen soll, dann kommt das Fühlen, das Herz, das Zentrum aller Energien, in dem das Reich Gottes, das heißt das Reich des Friedens und der Güte für alle Geschöpfe, errichtet werden soll; schließlich folgt das Wollen, das heißt die physische Ebene, auf der wir durch unsere eigenen Handlungen das Himmlische ausdrücken und wiedergeben sollen. Ach, das ist wunderbar! Für mich gibt es keine Aktivität, die sich mit dieser Arbeit vergleichen lässt. Wenn sie getan ist, wird Gott sich darum kümmern, was Er uns geben soll. Was aber könnte Er uns darüber hinaus noch geben? Er wird uns schon alles gegeben haben. Wenn man diese drei Bitten verwirklicht hat, besitzt man bereits alles: Licht, weil man alles versteht; Glück, weil man zu lieben vermag; Gesundheit und Kraft, weil man arbeitet und verwirklicht. Also, was wollt ihr noch mehr?4
»Unser täglich Brot gib uns heute.« Hier beginnen die Bitten, die den Menschen selbst betreffen. Die ersten drei Wünsche betrafen den Herrn (denn man soll immer mit Ihm beginnen): Seinen Namen kennen und heiligen, Sein Reich wünschen und Seinen Willen vollbringen. Nun erbittet der Mensch etwas für sich selbst, und zwar verlangt er als Erstes nach Brot. Warum Brot? Weil es die für sein Überleben unentbehrliche Nahrung symbolisiert.
Aber Jesus spricht nicht nur vom stofflichen Brot. In den Evangelien erwähnt er die Nahrung viel öfter im geistigen Sinne als im stofflichen. Als der Teufel ihn zum Beispiel aufforderte, Steine in Brot zu verwandeln, antwortete er: »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht« (Mt 4,4). Oder auch als er sagte: »Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, denn sie sollen satt werden« (Mt 5,6). Gewiss, er hat fünf Brote und zwei Fische vermehrt, um eine Menschenmenge zu speisen, aber anschließend sagte er zu derselben Menge: »Mühet euch nicht um die Speise, die vergeht, sondern um die Speise, die fürs ewige Leben bleibt...« Die Bedeutung der Speise als geistige Nahrung kommt während des Abendmahls noch klarer zum Ausdruck, als Jesus Brot und Wein segnet, seinen Jüngern gibt und spricht: »Nehmet und esset, das ist mein Leib... Nehmet und trinket, denn das ist mein Blut... Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat ewiges Leben...« (Mt 26,26-28 und Jh 6,54).
Die erste Bitte, die dem Menschen selbst gilt, betrifft das tägliche Brot, ohne das er nicht leben kann. Dies trifft aber auch für die geistigen Ebenen zu. Wenn der Mensch sich nicht jeden Tag geistig nährt, stirbt er.5
»Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.« (Eine genauere Übersetzung der Evangelien würde eher lauten: »Erlasse uns unsere Schuld, wie auch wir die Schuld unserer Schuldiger erlassen«). Jede Übertretung gleicht in Wirklichkeit einer Unehrlichkeit, für die man bezahlen muss. Wer zum Beispiel das Vertrauen oder die Liebe eines anderen missbraucht, gleicht einem Dieb, der das unrechtmäßig Angenommene so oder so zurückerstatten muss. Der Begriff »Karma« beruht auf der Wahrheit, dass wir auf die Erde zurückkehren, um für begangene Übertretungen in früheren Inkarnationen zu bezahlen. Wer seine Schulden völlig bezahlt hat, braucht sich nicht wieder zu inkarnieren.