Der Schlüssel zur Lösung der Lebensprobleme - Omraam Mikhaël Aïvanhov - E-Book

Der Schlüssel zur Lösung der Lebensprobleme E-Book

Omraam Mikhaël Aïvanhov

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Beschreibung

Viele Esoteriker sehen ihre Aufgabe darin, ihre Schüler im Sinne einer rein intellektuellen Verfeinerung religiöser und philosophischer Lehren zu unterweisen. Meister Omraam Mikhaël Aïvanhov dagegen geht mit seiner Lebenslehre in Bereiche, die wesentlich tiefer und umfassender sind. Sein Anliegen ist es, ein Wissen von erzieherischem Wert zu vermitteln, das sowohl im praktischen wie auch im spirituellen Leben von jedermann unmittelbar anwendbar ist. Das Thema der hier ausgewählten Vorträge ist die Erziehung des Menschen zu Höherem. Der Leser wird überrascht sein eigenes Verhalten wie in einem Spiegel durch bildhafte Darstellungen wiedererkennen. Er kann dadurch seine Entwicklungsstufe einschätzen und findet außerdem wertvolle Anleitungen, um sich über seine Schwächen und Fehler zu erheben. Er nimmt dabei wahr, dass seine Triebnatur, die »Personalität«, die er als Ursache seiner Behinderungen empfunden hat, ihm zu einer wertvollen Hilfe wird. Anstatt ständig sein niederes Ich zu bekämpfen, was immer wieder zu Niederlagen führt, lernt er es zu seinem geistigen Wachstum zu nutzen. Er entdeckt allmählich eine höhere Kraft, die »Individualität«, die strahlend, ausgleichend und versöhnend über allen Gegensätzen steht und diese zur Schaffung innerer Harmonie und wahrer brüderlicher Beziehungen zu verwenden weiß.

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Über den Autor

Omraam Mikhaël Aïvanhov war ein großer spiritueller Meister, ein lebendiges Vorbild, ein »Überbringer des Lichts« und ein warmherziger, humorvoller Lehrer, der durch sein selbstloses, zugängliches und brüderliches Verhalten überzeugte.

Er strebte an, alle Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten – so wie ein Bergführer seine Kameraden sicher bis auf den höchsten Gipfel führt.

Das Gedankengut, das Omraam Mikhaël Aïvanhov verbreitet hat, bietet zahlreiche Methoden und einen klaren, begehbaren Weg zu größerer Vollkommenheit und mehr Lebensglück.

In wohltuend einfacher Sprache erklärt er alle wichtigen Zusammenhänge des Lebens und ist gerade bei den Fragen unserer heutigen Zeit wegweisend. Ob es um die Bewältigung des Alltags geht, um das Thema der Liebe und Sexualität oder um tiefgründige philosophische Themen – stets sind seine Antworten überraschend klar und hilfreich.

Kurzbeschreibung

»Der Schlüssel zur Lösung der Lebensprobleme«Reihe Gesamtwerke – Band 11

Viele Esoteriker sehen ihre Aufgabe darin, ihre Schüler im Sinne einer rein intellektuellen Verfeinerung religiöser und philosophischer Lehren zu unterweisen. Meister Omraam Mikhaël Aïvanhov dagegen geht mit seiner Lebenslehre in Bereiche, die wesentlich tiefer und umfassender sind. Sein Anliegen ist es, ein Wissen von erzieherischem Wert zu vermitteln, das sowohl im praktischen wie auch im spirituellen Leben von jedermann unmittelbar anwendbar ist. Das Thema der hier ausgewählten Vorträge ist die Erziehung des Menschen zu Höherem. Der Leser wird überrascht sein eigenes Verhalten wie in einem Spiegel durch bildhafte Darstellungen wiedererkennen. Er kann dadurch seine Entwicklungsstufe einschätzen und findet außerdem wertvolle Anleitungen, um sich über seine Schwächen und Fehler zu erheben. Er nimmt dabei wahr, dass seine Triebnatur, die »Personalität«, die er als Ursache seiner Behinderungen empfunden hat, ihm zu einer wertvollen Hilfe wird. Anstatt ständig sein niederes Ich zu bekämpfen, was immer wieder zu Niederlagen führt, lernt er es zu seinem geistigen Wachstum zu nutzen. Er entdeckt allmählich eine höhere Kraft, die »Individualität«, die strahlend, ausgleichend und versöhnend über allen Gegensätzen steht und diese zur Schaffung innerer Harmonie und wahrer brüderlicher Beziehungen zu verwenden weiß.

Da Omraam Mikhaël Aïvanhov seine Lehre ausschließlich mündlich überlieferte, wurden seine Bücher aus stenographischen Mitschriften, Tonband- und Videoaufnahmen seiner frei gehaltenen Vorträge erstellt.

Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Kurzbeschreibung

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Kapitel 1: Die Personalität ist der niedere Ausdruck der Individualität

Kapitel 2: Der Mensch soll zu seiner Individualität zurückfinden – Sinn und Ziel von Jnani-Yoga

Kapitel 3: Vom Nehmen und Geben – Sonne, Mond und Erde

Kapitel 4: Personalität und Individualität: Die Begrenzung der unteren Welt – Die unendliche Weite der höheren Welt

Kapitel 5: Die Individualität bringt das wahre Glück

Kapitel 6: Man kann die Natur der Personalität nicht ändern – Der Sinn der Gärung aus einweihungswissenschaftlicher Sicht

Kapitel 7: Die Personalität will nach eigenem Gutdünken leben – Die Individualität wünscht Gottes Willen zu tun

Kapitel 8: Das Gleichnis vom Baum – Die Individualität soll die Personalität verschlingen

Kapitel 9: Zwei Arbeitsmethoden zur Bewältigung der Personalität

Kapitel 10: Wie sich der Mensch von seiner Personalität ausbeuten lässt

Kapitel 11: Aus der Sicht der Individualität

Kapitel 12: Über den Sinn des Opfers in den Religionen

Kapitel 13: Die Individualität allein vermag das durch die Personalität gestörte Gleichgewicht wiederherzustellen

Kapitel 14: »Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist!«

Kapitel 15: Die Personalität ist der Sockel der Individualität

Kapitel 16: Die Individualität soll die Personalität verschlingen

Kapitel 17: Sucht nach himmlischen Verbündeten zum Kampf gegen die Personalität!

Kapitel 18: Vom richtigen Einsatz der Kräfte der Personalität

Kapitel 19: Wie man die inwendigen Tiere zähmt

Kapitel 20: Die natürliche und die widernatürliche Natur

Kapitel 21: Die Sexualkraft kann zur Förderung der höheren Natur genutzt werden

Kapitel 22: Das Wirken für die weltweite Verbrüderung

Vom selben Autor – Reihe Gesamtwerke

Vom selben Autor – Reihe Izvor

Vom selben Autor – Reihe Broschüren

Copyright

Vorwort

Wer sich selbst wirklich kennen lernen und sein Leben sinnvoll gestalten möchte, um als schöpferischer Mensch für das Wohl der ganzen Menschheit zu wirken, muss sich über die beiden Naturen im Klaren sein, die in ihm wohnen.

Die meisten Menschen wissen nicht, dass sowohl eine höhere, als auch eine niedere Wesensart in ihnen lebt.

Die niedere, egoistische Natur nennt Meister Omraam Mikhaël Aïvanhov Personalität und die göttliche, edle Natur Individualität.

Die spezifischen Eigenschaften sowohl der einen wie der anderen Natur werden in den folgenden Vorträgen klar dargestellt, sodass es jedem möglich wird, die so eng miteinander verwobenen, gegensätzlichen Naturen zu erkennen.

Dieses Wissen führt zu mehr Selbsterkenntnis. Indem es uns gelingt, unser kleines Ego (Personalität) in den Dienst der göttlichen Natur (Individualität) zu stellen, können wir unser Leben besser meistern.

Kapitel 1: Die Personalität ist der niedere Ausdruck der Individualität

Freier Vortrag

Frage: »Meister, Sie sagten einmal, die Personalität sei nicht göttlicher Natur. Wie erklärt sich das, da doch nichts außer Gott existiert?«

Nun, Sie stellen da eine überaus wichtige Frage, die nicht leicht zu beantworten ist. Man kann nämlich das Wort »göttlich« auf zweierlei Weise verstehen. Wenn ich sage, die Personalität sei nicht göttlicher Natur, so meine ich damit, dass sie die göttlichen Eigenschaften Licht, Beständigkeit, Ewigkeit nicht in sich birgt. In diesem Sinne ist es die Individualität, welche göttlicher Natur ist. Aber in Wirklichkeit sind Personalität und Individualität ein und dasselbe.

Lest nach, was die heiligen Schriften über Gut und Böse aussagen. In manchen altindischen Büchern findet man Zitate wie dieses, wo Gott spricht: »Ich bin sowohl das Gute als auch das Böse. Ich bin der Schöpfer aller Dinge.« Also schuf Er auch Kriege und Vernichtungen und alles, was uns schadet? Man ist erstaunt derlei Dinge zu lesen, aber so ist es nun einmal. Da nichts außerhalb Gottes existiert, gehört selbst das Böse oder was wir als böse empfinden, Ihm an. An anderen Stellen wiederum sagt Er: »Ich kann das Böse nicht dulden, Ich bin unnachgiebig, strafe die Bösen.« Diesen Widerspruch zu verstehen, bedarf es tiefer Einsicht. Wie kann Gott das Böse schaffen und zugleich dagegen ankämpfen, um es zu besiegen und zu vernichten? Dies führt uns wieder auf die Frage der Personalität zurück. Die Personalität ist ein Entwurf Gottes. Ich habe es euch schon einmal gesagt: Gott wollte sich vergnügen. So schuf er die Menschen. Nun schaut Er ihnen zu und lacht; lacht über all das, was sich zwischen ihnen abspielt. Aber warum schuf Er dann solche Dinge? Darauf kann euch niemand eine Antwort geben.

Nun wollen wir sehen, wie die Personalität entstanden ist. Ihr Ursprung liegt im Geist. Hätte der Geist sie nicht gebildet, aus sich heraus geboren, ausgeströmt, würde sie nicht existieren. Im Anfang war der Geist, und als der Geist sich in den unteren Bereichen offenbaren wollte, wo der Stoff viel dichter ist und undurchsichtig, schuf er sich drei Körper: erst den Mentalleib, dann den Astralleib und schließlich den physischen Körper (mit seinem Doppel, dem Ätherleib). Aus diesen drei Körpern besteht die Personalität. Die Individualität hingegen ist ein Teil Gottes. Darüber sind sich alle Eingeweihten einig: Die Individualität ist ein Lichtfunke, eine Wesenheit, eine Flamme, eine hohe Vernunft... Sie verfügt über bedeutende Fähigkeiten: kann alles wissen, alles sehen, alles schaffen.

Nun fragt ihr: Wie kommt es dann, dass diese Personalität als eine Bildung der Individualität derart eingeschränkt, schwach, blind und mit Fehlern behaftet ist? Darauf antworte ich euch: Jeder Mensch hat eine Individualität göttlichen Ursprungs. Sie weilt in den himmlischen Sphären und erfreut sich dort größter Freiheit und strahlendsten Lichtes. Sie lebt in Glückseligkeit und Frieden und ist allmächtig. Jedoch kann sie sich nur durch die von ihr selbst gebildeten Körper kundtun und äußert sich deshalb durch die Personalität nur in dem Maße, wie diese drei dichteren Körper es ihr gestatten. So erklärt es sich, dass ein Mensch, der auf Erden schwach, unwissend und krank ist, oben zu gleicher Zeit ein Wesen ist, das in den Sphären des Geistes schwebt, Licht, Weisheit und Macht besitzt. Man findet also in demselben Menschen unten die Begrenztheit und oben Reichtum und Allmächtigkeit.

Der Einweihungswissenschaft zufolge ist der Mensch ein sehr reichhaltiges, kompliziertes Wesen, unermesslich und tiefgründig; vor allem weit mehr als was uns sichtbar vor Augen steht. Hierin eben liegt der große Unterschied zwischen der Einweihungswissenschaft und der allgemein anerkannten Wissenschaft, welche sagt: »Dies ist der Mensch, wir kennen ihn gut. Man kann ihn aufteilen, er besteht aus den und jenen Organen und Zellen, aus chemischen Substanzen, die wir aufzählen und benennen können. Das ist der Mensch in seiner Ganzheit.« Die Einweihungswissenschaft dagegen bestätigt, dass noch andere Körper außer dem physischen bestehen. Ich sprach bereits darüber, es sind der Astralkörper, der Mentalkörper, der Kausal-, Buddhi- und Atmankörper. Da sich nun aber die Individualität durch die grobstofflichen und vielfältigen Schichten der Personalität nicht vollständig auszudrücken vermag, erfordert es eine lange Zeit, unendlich viele Erfahrungen und Übungen und ein eingehendes Studium über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg, damit diese Körper sich entwickeln und verfeinern. Haben sie sich einmal entfaltet, so ist der Mentalkörper derart fein und scharfsinnig geworden, dass er endlich beginnt, die gesamte Weisheit, die der Individualität eigen ist und welche sie ihm nicht vermitteln konnte, aufzunehmen, zu erfassen und zu verstehen. Der Astralkörper ist sodann in der Lage, die edelsten und uneigennützigsten Gefühle auszustrahlen. Und auch der physische Körper verfügt über alle Möglichkeiten zu wirken, widerstandsfähig und bei guter Gesundheit zu sein.

Gegenwärtig handelt unsere aus den drei Körpern bestehende Personalität oft dem Bestreben der Individualität zuwider. Die Individualität wird stets von den edelsten Impulsen angeregt, aber die Personalität, die frei und unabhängig sein will, ist eigensinnig und sträubt sich gegen die Weisungen von oben. Obwohl sie vom Geist beseelt, belebt und genährt wird, führt sie sehr oft das Gegenteil von dem aus, was er wünscht. Bis zu dem Tage, da es der Individualität endlich gelingt, die Personalität zu durchdringen, zu zügeln und zu meistern. Dann wird die Personalität so untergeben und fügsam, dass sie mit der Individualität eins wird: Es vollzieht sich die wahre Vereinigung, die wirkliche Ehe. Das ist die wahre Liebe.1

Die Einweihungswissenschaft nennt dies: »Das Verbinden beider Enden«. Das eine dieser Enden ist die Personalität, die wie Zerberus, der dreiköpfige Hund, welcher den Eingang zur Hölle bewacht, dreifach ist. Das andere Ende ist die Individualität (ebenfalls eine Dreiheit): unser göttliches Ich. Dereinst wird diese Vereinigung, diese wünschenswerte Gemeinschaft und Ehe sich vollziehen. Nur weiß man nicht zu welchem Zeitpunkt; für jeden Menschen ist er verschieden.

Darin eben liegt die Aufgabe des Schülers: danach zu streben, in den Widerwärtigkeiten, Krisen und Umwälzungen seines Daseins sich der Individualität, jenem heiligen, ihm innewohnenden Willen zu überlassen und zu gehorchen, mit ihm eins zu werden, um endlich als fügsames Werkzeug dem höchsten Wesen, Gott selbst zu dienen. Das ist Sinn und Ziel aller Dinge und wurde seit jeher mit den in den Einweihungsschulen gelehrten Praktiken und Übungen angestrebt.

Die meisten schlagen den Weg der Personalität ein, die eigensinnig, ordnungswidrig, aufrührerisch und gesetzlos ist und halten dies für die beste Einstellung, den wahren Fortschritt, echte Entwicklung. Einige indessen, die feinsinniger, einsichtiger und gereifter sind und bereits in früheren Leben zahlreiche Erfahrungen gesammelt haben, wählten den anderen Weg: Selbstkontrolle und Beherrschung. Sie gewinnen dadurch eine Klugheit und Willenskraft, ein Bewusstsein, welches im Leben alles lenkt, ordnet, ausrichtet und kontrolliert – eine Klarsicht, die sie befähigt, alles Widerspenstige, Gegensätzliche und Gesetzlose in sich beizulegen. Wir alle haben diese niedere Natur so lange, bis wir eines Tages harmonisch und ausgeglichen, erneuert und erleuchtet sind, dass die zutiefst in uns wohnende Gottheit hervortreten und offenbar wird und sich in ungeahnter Weise durch Farben, Formen, Strahlen, Düfte und Klänge, durch Vernunft, Symmetrie und wahrhaft himmlische Schönheit bekundet.

Nun fragt es sich bloß, warum der Mensch hie und da sich dennoch von der Personalität mitreißen lässt, obwohl er doch genau weiß, worauf die geistige Höherentwicklung, Befreiung und Selbstbeherrschung beruhen. Wie erklärt sich das? Weil die gegenwärtig erreichte Bewusstseinsstufe eben ein Gebilde der Personalität ist. Wir haben jenes Überbewusstsein noch nicht erreicht, die Seinsebene der Individualität. Hätten wir dieses erweiterte Bewusstsein, das die Individualität auszeichnet, so verspürten wir, dass das Leben ein Ganzes bildet, wir miteinander verwoben und alle Menschen in dem Ozean des kosmischen All-Lebens eine Einheit sind. Wir empfänden anders als bisher, fühlten uns leicht und stark, voll Freude und Entzücken in der Fülle der Unendlichkeit. Unser Bewusstsein ist jedoch ein Produkt der Personalität, in den drei Körpern der Personalität verwurzelt, und daher begrenzt. So weit eines Menschen Denken, Fühlen und Handeln reicht, so weit reicht sein Bewusstsein. Da dieses aber begrenzt ist und das Abgetrenntsein betont, fühlt er sich ausgeschlossen, stets abseits von seinen Mitmenschen und der Natur.

Sinn und Zweck von Gebet und Meditation sowie aller in den Einweihungsschulen empfohlenen Übungen ist es, Kontakte aufzunehmen, einen Dialog zwischen Personalität und Gottwesenheit herzustellen, damit sich das Bewusstsein endlich erhebt, erweitert und in höhere Bereiche dringt, wo sich ihm die Wirklichkeit, das wahre Sein erschließt. Hat man dies erreicht, erscheinen alle Dinge in einem neuen Licht!

Nehmen wir beispielsweise an, ihr betrachtet ein Prisma mit dem Bewusstsein der Personalität. Ihr seht einen bestimmten Gegenstand, ein durchsichtiges, dreiseitiges Stück Kristall. Das hindurchdringende Licht teilt sich in sieben Farben auf. Das ist wohl schön und wunderbar, allein man bleibt dabei auf der Stufe des gewöhnlichen Bewusstseins. Jeder kann auf diese Weise beobachten. Entwickelt man jedoch das Bewusstsein der Individualität, so erblickt man das Prisma nicht mehr als einen beziehungslosen Gegenstand, sondern versetzt sich in das Prisma hinein, dringt in dessen Wesenskern vor, erfühlt und erfasst seine Eigenart. Was man dabei von ihm wahrnimmt, ist völlig anders. Man betrachtet eine Pflanze, denkt sich in sie hinein, versenkt sich in das sie durchströmende Leben und fühlt ihr innerstes Wesen, als wäre man die Pflanze selbst. Auf diese Weise erkennt man ihre Eigenschaften, ihre Heilkraft und Anwendbarkeit. Auch in ein Tier, das man vor sich sieht, kann man sich einfühlen, selbst das Tier werden, ohne dabei sein Menschbewusstsein einzubüßen.

Diese Art und Weise zu sehen ändert alles, sie ist euch noch unbekannt; denn mit der Erziehung und Ausbildung, die den Menschen erteilt wird, gewinnen sie keinen Einblick in das wahre Leben, sondern leben aus der Personalität, welche die Dinge lediglich nach Form, Umfang, Gewicht, Entfernung und Dauer bewertet. Erweitert euer Bewusstsein, geht in die Sphäre der Individualität ein: Zeit und Raum verblassen, ihr fühlt alle Kreaturen, alle Lebewesen, selbst Millionen Kilometer entfernt, in euch leben!... Es gibt weder Vergangenheit noch Zukunft, denn Vergangenes und Zukünftiges ist in eurer Seele gegenwärtig. Das ist die ewige Gegenwart: Alles, was ihr wissen möchtet, Ereignisse aus weit zurückliegender Vergangenheit oder ferner Zukunft könnt ihr augenblicklich erfahren.

Damit sich dieses Bewusstsein entfaltet, muss man die Personalität überwachen, darf nicht mehr in ihre Fallen treten, sich nicht mehr von ihren ordnungswidrigen Ansichten, ihrem Aufbegehren, ihren Leidenschaften und Hirngespinsten irreleiten lassen. Solange man in dieses ichbezogene Leben der Entzweiung verstrickt ist, lebt man ununterbrochen in Hass und Zorn, Zwiespalt und Rache, denn das ist das Wesen der Personalität. Sämtliche Widerwärtigkeiten des Daseins entstehen dadurch, dass die Menschen lediglich in ihrer Personalität leben. Nur eine kleine Zahl unter ihnen ist bemüht, höher und weiter darüber hinaus zu blicken, mit den Augen des Geistes, aus ihrem göttlichen Ich. Hieraus entstehen ihnen edle Gefühle, großzügige Ansichten. Es ist nicht leicht, dies in Worte zu fassen. In Gedanken sehe ich es klar vor mir, finde aber die Worte nicht, um Tatsachen einer vierten und fünften Dimension darzustellen. Ebenso schwierig wie es wäre, Wesen der zweiten Dimension die dritte begreiflich zu machen, so vermag auch ich es nicht, euch von der vierten Dimension einen Eindruck zu vermitteln. Es ist unerklärbar!

Wenn man sagt, die Personalität sei nicht göttlichen Ursprungs, so ist dies sehr vereinfacht ausgedrückt. Tatsache ist, dass alles seinen Ursprung in Gott hat. Nun ja, nehmen wir mal an, ihr sucht nach Gold. Ihr habt Erz und sollt jetzt das Gold vom tauben Gestein entfernen. Das Gold sowie das taube Gestein haben natürlich die gleiche Herkunft. Beides wurde ja am selben Ort gewonnen, dennoch sind sie von völlig verschiedener Beschaffenheit. Aber vielleicht, wenn ihr es richtig anzufassen wisst, gelingt es euch nicht nur, aus dem Erz Gold zu gewinnen, sondern das Erz selber in Gold zu verwandeln... Warum nicht? Wenn ihr wisst, wie man es macht. Umgekehrt ließe sich auch das Gold in unedles Metall verwandeln. All diese Verwandlungen trifft man in der Natur an. Einmal habe ich zum Zeitvertreib einen Klumpen Blei geschmolzen. Geschmolzenes Blei glänzt wie Silber. Aber nach und nach bildet sich eine graue Schicht auf der Oberfläche. Schabt man sie ab, so kommt wieder das silberhell blinkende Metall zum Vorschein, und aufs Neue wird es wieder beschlagen. Durch wiederholtes Abschaben der Schicht wird das ganze Blei allmählich zu Erde; es braucht dazu nur wenige Minuten. Vor euren Augen hat sich das Blei vollkommen verwandelt. Wie kam es dazu? Das Feuer ist die Ursache. Es besitzt die Macht, die Dinge völlig zu wandeln.

In Wirklichkeit stammt alles von Gott, auch die Personalität. »Wie kommt es dann aber«, fragt ihr, »dass Gott, der doch von ganz anderer Beschaffenheit ist als die Materie, etwas so Düsteres, Stumpfes und Schwerfälliges geschaffen hat?« Ich will es euch durch ein ganz einfaches Beispiel erklären. Er ließ etwas aus sich strömen, gleich der Spinne, die ihr Netz webt. Eine Spinne zeigt uns, auf welche Weise Gott die Welt schuf. Ihr denkt: »Eine Spinne? Ist sie so weise?« Ich weiß nicht, ob sie auf einer Universität studiert hat, jedenfalls werdet ihr, wenn ihr sie richtig beobachtet und versteht was sie tut, erstaunliche Schlüsse ziehen. Sie spinnt ihr Netz: Es ist das Universum, ein wunderbar geometrischer, mathematisch tadelloser Bau. Und wie geht sie vor? Sie sondert zuerst eine Flüssigkeit ab, lässt diese etwas erhärten, nur so viel, bis sie elastisch und dehnbar geworden ist, und beginnt ihr Netz damit zu weben.

Auch von den Schnecken habe ich gelernt. Ich suchte mir eines Tages eine Schnecke und stellte ihr folgende Frage: »Hör mal, liebe Schnecke, manche Leute sammeln deinesgleichen, um sie zu verspeisen, aber ich komme, um von dir zu lernen. So sage mir doch, warum trägst du dieses Häuschen auf deinem Rücken?« – »Es erspart mir vieles.« – »Wirst du nicht müde davon?« – »Nein, ich bin es gewohnt.« – »Warum hast du denn diese Gewohnheit angenommen?« – »Ach«, meinte sie, »ich bin misstrauisch, fürchte mich vor den andern, traue niemandem; denn, stelle ich mein Haus irgendwo ab, so schlüpft gewiss ein anderer hinein, und da ich mich nicht verteidigen kann, keine Waffen besitze, zart und schwach bin und nicht gern kämpfe, trage ich mein Haus lieber stets auf dem Rücken; so bin ich unbesorgt.« »Ja«, sagte ich, »das ist eine Lebensweisheit! Aber woraus und wie hast du denn dein Häuschen gemacht?« – »Mit meinem Speichel; ich sondere einen Saft ab, der sich an der Luft verhärtet, und daraus habe ich mein Häuschen gebaut.« Da seht ihr, was für Gespräche ich mit den Schnecken führe; durch sie habe ich erfahren, wie Gott die Welt erschuf. Ihr werdet sagen, ich erzähle euch Märchen. Vielleicht, aber eines schönen Tages werden selbst hochgelehrte Leute diese Märchen hören wollen.

Seid euch also dessen bewusst, ihr alle seid Gottwesen. Ja, ihr seid göttliche Wesen und weilt in einer sehr hohen Sphäre, wo es weder Krankheit, Leid, Einschränkung noch Finsternis, Traurigkeit und Entmutigung mehr gibt. Dort lebt ihr in Seligkeit und Fülle. Aber das Leben, das ihr dort oben genießt, könnt ihr noch nicht ins Erdendasein herunterholen, empfinden, erfassen, bekunden, weil eure Personalität euch daran hindert. Sie ist stumpf, undurchsichtig, schlecht angepasst und eingestellt, gleich einem Radio, das manche Sender nur mangelhaft empfängt. Die vom kosmischen Geist in den höchsten Sphären ausgesandten Schwingungen sind derart schnell und kurz und die Materie der Personalität so dicht und schwer, dass sie nicht mit den göttlichen Botschaften im Einklang zu vibrieren vermag. Sie gleiten spurlos ab, und der Mensch ahnt nicht, was er in den hohen Bewusstseinsebenen seines Wesens erlebt.

Aber wenn er gewissenhaft an sich arbeitet, die Regeln eines reinen Lebens einhält, wenn er endlich den Wunsch hat, ein Gottessohn zu werden, veredelt und verfeinert sich die Personalität allmählich: Die Gefühle werden reiner, das Denken klarer, der Wille fester. Aus der Personalität wird allmählich ein geschmeidiges Werkzeug, welches das strahlende Licht der Individualität immer deutlicher offenbart, bis sie eines Tages miteinander verschmelzen und eins sind. Dann gibt es keine Personalität mehr. Personalität und Individualität sind dann ein und dieselbe vollkommene Wesenheit geworden.

Unterdessen erfährt man von Zeit zu Zeit mal eine Erleuchtung, erhält einige Lichtblicke, einige Offenbarungen und Erkenntnisse, erlebt strahlende Augenblicke, die einen überwältigen, und man ruft aus: »Jetzt ist mir alles klar!« Doch hält das nicht lange an, wieder ziehen Wolken herauf. Etwas später, etwa beim Lesen eines Buches oder beim Anblick einer Landschaft, beim Beten oder Meditieren, wiederholt sich dieser Gemütszustand, man fühlt und weiß, dass man einen erhabenen Augenblick erlebt. Dann aber sinkt man aufs Neue wieder in die alte Verfassung zurück. Nun, so ist das Leben des Menschen: ein Ringen und Kämpfen bis zu jenem Tag, da er nicht mehr absinkt, aufhört ein Sklave zu sein, schwach und armselig! Dann wird die Gottheit aus ihm strahlen, es wird das neue Leben, die vollkommene Erneuerung sein.

Dies ist wünschenswert. Manche werden sagen: »Das ist doch alles Unsinn, reimt sich nicht, ist alles nicht wahr« und leben weiterhin aus der Personalität. Na ja, sie werden später schon sehen, dass jene wenigen klar denkenden Menschen Recht hatten, die in ihren Nachforschungen und Erfahrungen sehr weit vorgedrungen sind und den inneren Aufbau des Menschen genau kennen; dann werden sie endlich glauben. Aber wie viel Zeit geht dabei verloren! Darum ist es vorteilhafter, gleich zu glauben..., zu glauben und sich in der Selbstbeherrschung zu üben, sich zu meistern, voranzuschreiten. Das soll nun aber nicht heißen, dass man im Nu eine Gottheit wird, oh nein, aber von Tag zu Tag gewinnt man neue Reichtümer. Man wird fallen und aufstehen, wieder fallen und sich wieder aufraffen..., zweifeln und glauben, verzagen und Mut fassen, bis endlich das überpersönliche Gottesbewusstsein, das Bewusstsein der Individualität sich einfindet und durchsetzt. Dann endlich ist der Mensch ein Diener Gottes geworden, kann seinen Mitmenschen helfen, weil er durch viel Leid gegangen ist und die Schwächen der Menschen kennt. Er kann sie verstehen, ihnen sogar verzeihen und sie lieben..., ja, selbst sie lieben, und das ist das Wunderbare!

Die Personalität..., jeder von uns lebt die meiste Zeit aus der Personalität. Tief in uns verborgen liegt die Individualität, aber sie kommt nur selten zum Vorschein. Wie oft schon haben mir einige von euch gesagt: »Meister, ich hatte eine Frage an Sie. Jedoch, noch bevor ich zu Ihnen kommen konnte, hatten Sie mir bereits geantwortet.« Ich entgegnete ihnen: »Davon weiß ich gar nichts.« – »Wie, Sie wussten es nicht?« – »Nein, aber in mir ist einer, der hört, sieht und weiß; ab und zu ist er bereit, mich zu beraten, sich zu äußern; ich selbst jedoch weiß nur Weniges.« Sie wollen es nicht glauben; dennoch ist es so: Jemand in mir sieht und kennt alles. Und was bin dann ich? Leider bin ich er und bin doch nicht er. Ich bin gleichzeitig ich und bis zu einem bestimmten Grade er. Wann werde ich vollkommen er sein?

Eines schönen Tages, wenn er endgültig und vollständig eingezogen ist, da braucht ihr mir dann keine Fragen mehr zu stellen, ich werde alles wissen, alles können: euch helfen, euch heilen, alles. Bis dahin bin ich der Unglücklichste von allen, weil ich euch nur unvollkommen helfen kann. Hie und da tritt er in mich ein. Und so erklärt es sich, dass ich z. B. Fragen beantworten kann, die sich Leute auf dem Wege hierher gestellt hatten. Er hat sie gehört. Und ich beginne meinen Vortrag. Er, der alles weiß, alles gesehen und gehört hat, flüstert mir die zutreffenden Sätze und Worte ein. Dann wundern sich die Brüder und Schwestern: »Das ist ja für mich bestimmt, ist genau die Antwort auf die Frage, die ich mir gestellt hatte!« Ja, so verhält sich die Sache. Ich selbst bin schuldlos; falls ihr jemanden verklagen wollt. Er ist der Schuldige, nicht ich... Seht ihr, eine leichte und angenehme Art, sich zu rechtfertigen.

Dies ist die reine Wahrheit. Auch Menschen, die ein ganz gewöhnliches Leben führen, haben diese Fähigkeit, sie tritt in außergewöhnlichen Situationen zutage. Jemand befindet sich manchmal in einer schwierigen Lage und hat ein Problem zu lösen. Er schafft es nicht, schläft darüber ein, und am nächsten Morgen (oder schon in der Nacht) erwacht er und hat die Lösung. Es ist, als habe der Mensch in seinem Hirn elektronische Geräte, die ihm augenblicklich Antwort geben können. Das eben ist die Intuition, das höchste Gottesbewusstsein, jenes Etwas in uns, das alles weiß, was im Weltall vorgeht; leider sind wir nicht ununterbrochen mit dieser Intuition in Verbindung. Hätten wir Zugang zu diesen Geräten, dann würden sie uns über jedes Ereignis im Einzelnen unterrichten. Seltsam, wie ungleich die Begabungen verteilt sind. Es gibt Leute mit unwahrscheinlichen Fähigkeiten in Mathematik, Physik, Sozial- oder Naturwissenschaft, die aber auf rein geistigem Gebiet völlig unbegabt sind. Andere wiederum besitzen ungewöhnliche, hellseherische Fähigkeiten und keinerlei Begabung für Sprachen, Wissenschaften und dergleichen.

Und nun, was lässt sich aus diesem Vortrag schließen? Bisweilen ist man sehr abgespannt und fängt an zu zweifeln; man trifft ja im Alltag derart wunderliche Anschauungen, so viele Ansichten, die mit der heiligen Überlieferung im Widerspruch stehen, so dass man geneigt ist, alles beiseite zu schieben, zu vergessen und wieder die gewöhnliche, weltliche Denkart ohne Glauben, Gewissen und Güte annimmt. In dem Moment heißt es aufpassen! Man muss wissen, was einen erwartet, wenn man umkehrt und sich sagen: »Nun ja, ich bin etwas müde, habe keine Lust zu lesen, zu beten, zu meditieren – zu nichts... aber das geht vorüber, ist bald vorbei.« Seht nur, wie im Leben alles vergeht: Nach dem Frühling kommt der Sommer, dann wird es Herbst und Winter. Und nach einem Winter erblüht wieder der Frühling. Und warum sollte es mit euch nicht ebenso sein? Sagt euch: »Lassen wir diesen Winter vergehen, dann wird es schon besser werden.« Das ist die richtige Denkweise. In solchen Momenten lassen die meisten alles im Stich, lassen sich gehen; doch ihre Lage hat sich danach nur noch verschlimmert, denn es ist sehr schwierig, die lichtvollen Bewusstseinszustände und den inneren Frieden wiederzufinden.

Wir müssen lernen, mit der Personalität fertig zu werden und weiterhin mit ihr zusammenarbeiten; es bleibt uns ja keine andere Wahl, da wir zu tief in die Materie abgesunken sind. Allerdings dürfen wir nicht vergessen, dass sie nicht alles bedeutet, nicht das letzte Wort haben wird. Wir müssen unentwegt dem hohen Ideal entgegenschreiten, und nach einiger Zeit werden wir gewahr, dass sich die Dinge von selbst ändern, man fühlt neue Kraft in sich, lädt sich wieder auf, und die schlimmen Tage sind vergessen. Von neuem sprudeln die Bächlein, singen die Vögel, duften die Blumen und das Leben ist wieder wunderbar. Wenn ihr versteht, was ich euch darlege, so wird, selbst wenn ihr müde, abgespannt und mutlos seid, eine Strahlung, etwas Sanftes und Liebes von euch ausgehen. Andernfalls, wenngleich ihr euch wohlauf und voller Lebenskraft wähnt, ist in euch, wenn ihr mit der Personalität verwoben lebt, alles bereits verstaubt und vermodert.

Zu dem, was ich vorhin über die Schnecke sagte, bleibt mir nur noch hinzuzufügen: Nur scheinbar sind das Tier und sein Häuschen zweierlei Dinge, in Wahrheit bestehen Schnecke und Schneckenhaus aus dem gleichen Stoff, denn die Schnecke hat ihr Haus mit ihrer eigenen Sekretion gebildet.

Dasselbe gilt für Individualität und Personalität. Die Personalität ist düster, plump und starr wie eine Rüstung, die Individualität dagegen leicht, beweglich, lebendig. Dies ist zur Verdeutlichung sehr wesentlich: Der Ursprung ist der gleiche und doch handelt es sich um zwei verschiedene Dinge. Unser Selbst (die Individualität) bildete sich diese Behausung wie die Schnecke ihr Häuschen, indem es eine Substanz von sich absonderte und verdichtete, und nun trägt es diesen Körper als Wohnstatt mit sich. Wie die Schnecke ihr Häuschen, tragen wir alle unseren physischen Körper. Er ist unsere Wohnstätte, und wir weilen darin. Nicht wahr, ihr wusstet nicht, dass ihr Schnecken seid? Aber ja, ihr tragt euer Haus auf dem Rücken, seid, ohne es zu wissen, alle Schnecken!

Das Schlimme ist, dass der Mensch dazu erzogen wurde, sich mit dem Schneckenhaus, d. h. dem physischen Körper zu identifizieren, statt mit dem Geist, jener Macht, die ihn gestaltete. Das macht ihn schwach, begrenzt, machtlos, und er lebt im Irrtum. Für die Eingeweihten ist der Körper nicht der Mensch, sondern lediglich dessen Fahrzeug, Pferd, Werkzeug oder Behausung. Der Mensch ist Geist, allmächtig, unendlich, allwissend. Wer sich mit ihm identifiziert, wird wahrhaft stark, licht, unsterblich, göttlich.

Nun, meine lieben Schnecken, seid nicht beleidigt. Eine Schnecke spricht zu Schnecken!

Licht und Friede seien mit euch!

Videlinata (Schweiz), den 23. Februar 1966

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Anmerkung

1Siehe Band 7 der Reihe Gesamtwerke »Die Reinheit«, Kapitel »Die wahre Ehe«.

Kapitel 2: Der Mensch soll zu seiner Individualität zurückfinden – Sinn und Ziel von Jnani-Yoga

Freier Vortrag

Jeder von uns weiß, dass es eine Personalität und eine Individualität gibt, zwischen denen wir ständig hin- und hergerissen sind; das ist leicht verständlich, aber damit ist die Frage nicht geklärt. Es gilt noch zu unterscheiden, woher selbst die leisesten Impulse kommen. Dass sich der Mensch bald zur Hölle, bald zum Himmel hingezogen fühlt, wissen selbst die kleinsten Kinder. Schwierig wird die Sache erst, wenn es darum geht, die einzelnen Regungen richtig zu werten, klar einzustufen und zu erkennen. Um einzusehen, dass es einerseits die Personalität und andererseits die Individualität gibt, braucht man keine fünf Minuten. Sich jedoch von der Personalität frei zu machen, von ihr zu lösen und ihr zu entkommen, ja sogar sie gehorsam und dienstbar zu machen, erfordert Jahre der Anstrengung und Übungen.

Die Frage ist nun die, eine Möglichkeit zu finden, diese beiden Naturen miteinander auszusöhnen. Vielleicht sind wir weder von Teufeln noch von Engeln umgeben; was aber feststeht, ist die Tatsache, dass zwei vollkommen gegensätzliche Naturen in uns wohnen: Die eine reißt alles an sich, die andere ist großzügig, weitherzig, unparteiisch und uneigennützig. Bei genauem Hinsehen entdeckt man an der ersteren wohl einige gute Eigenschaften; überlässt man ihr jedoch die Führung, sind die Ergebnisse in jeder Hinsicht katastrophal, denn sie ist egoistisch in ihren Entscheidungen, hart in ihren Urteilen, ohne Liebe, ohne Weisheit. Sie drängt, verlangt, fordert, will alles verschlingen und beherrschen; sie ist gereizt, leicht verletzbar, schnell beleidigt – hat alle Mängel! Aber das ist es eben; sie ist wie eine alte Erbtante, steinreich, und um ihr gefällig zu sein, nimmt man alles in Kauf, beugt sich ihren Launen, schließt Kompromisse, aber am Ende hat immer sie das letzte Wort.

Der Mensch geht lieber auf die Launen seiner niederen Natur ein, anstatt seiner geistigen Natur zu dienen, die er doch auch in sich trägt, aber von ihm nicht beachtet, gering geschätzt, ja sogar verspottet wird. Wir alle, ohne Ausnahme, haben diese ideale Natur in uns, aber von jeher vernachlässigt, verdrängt und mit Füßen getreten, liegt sie nun tief im Seelengrunde irgendwo verborgen, verschüttet, begraben. Von Zeit zu Zeit, kaum vernehmbar, erteilt sie einige Ratschläge, leise, behutsam, ohne Gewalt. Doch der Mensch, der nur Lärm und lautstarkes Getöse liebt, ist eher geneigt, auf die Personalität zu hören und merkt nicht, wie verderblich ihre Vorschläge sind, die ihn stets veranlassen, zum Nachteil anderer Menschen zu handeln.

Im Menschen wohnen, wie gesagt, zweierlei Wesensarten. Er selbst steht dazwischen und hat die freie Wahl, sich entweder von der einen oder der anderen beeinflussen zu lassen. (Natürlich gibt es viele Möglichkeiten der Teilung: in 3, 4, 7, 12, 36, 72, 144... man kann noch andere hinzu erfinden; indessen ist die Zweiteilung die verständlichste und jedermann zugänglichste). Die Personalität enthält die Bodenschätze, die Rohstoffe, mit anderen Worten, die Triebe, Begierden, Leidenschaften und Gelüste; sie ist stark und kräftig. Ihr einziger Fehler ist der, dass sie jegliche Dinge auf ihr niederes Ich bezieht. Davon abgesehen ist sie ungemein tüchtig, gewandt und listig, nie um einen Trick verlegen. Ganz und gar schlecht ist sie nicht, denn sie hütet, bewahrt, sichert und vermehrt dank ihrer Ichbezogenheit des Menschen Besitztum. Doch fehlen ihr sittliches Bewusstsein und Ehrfurcht, Nächstenliebe, Großzügigkeit und Unparteilichkeit, Aufopferung und Sanftheit; sie ist noch dem Tier sehr nahe.

In der Individualität hingegen finden sich ausschließlich edle Eigenschaften, lauter heilige, ausstrahlende, wundervolle Anlagen. Jede großzügige, edelmütige, wahrhaft geistige Regung stammt von ihr. Nur ist sie verhältnismäßig noch wenig bekannt und erforscht. Es gibt vergleichsweise nur wenige Beispiele wie Bücher, Kunstwerke, leitende Vorbilder auf diesem Gebiet, um die Menschen auf sie hinzuweisen. Darum bleibt sie in weiter Ferne, und der Mensch kann sich mit ihrem Wesen nicht vertraut machen, sodass diese unsagbar reiche, wundervolle Natur lediglich einer kleinen Minderheit erreichbar bleibt, die vom Rest der Menschheit für geistesgestört und verrückt – »sonnendurchglüht« gehalten wird.

Also schwankt der Mensch zwischen den beiden Naturen hin und her. Bisweilen stellt er sich der Personalität zu Diensten, wird unangenehm, unsympathisch und entfacht, wo immer er hingeht, Hass und Erbitterung, schockiert die Leute, tritt ihnen unbekümmert auf die Füße, überschreitet das Maß, verliert allen Respekt und spuckt schließlich auf alles Ehrwürdige und Heilige. In den Religionslehren wurden diese niederen Impulse einfach in dem Begriff »Teufel« zusammengefasst, denn nicht alle Leute waren Weise, Psychoanalytiker oder Eingeweihte. Haben wir tatsächlich einen Teufel zu unserer Linken und einen Engel zu unserer Rechten, wie man es uns manchmal beschrieb?... Nun, ich glaube schon, nur fragt es sich, in welcher Form? Es sind damit die beiden Naturen gemeint, die wir alle in uns haben, nur mit dem grundlegenden Unterschied, dass einige, mehr als die anderen, ihrer göttlichen Natur die Möglichkeit gaben, sich zu offenbaren, so dass sie fortwährend vortreffliche Ratschläge, Einfälle, Erleuchtungen und Offenbarungen erhalten, in Licht und Klarheit leben, was ihr Dasein wunderbar erleichtert. Sie sind geleitet, getröstet, gestützt und behütet. Die anderen denken nicht weiter, gehen den Dingen nicht auf den Grund, suchen nicht nach einem Lehrer, bei dem sie sich bilden können; sie überlassen sich ihren Trieben, Vorlieben und Gelüsten. Alles verwickelt und kompliziert sich: Sie verletzen ihre Umwelt, geraten in Wut, verfallen der Leidenschaft, begehen strafbare Handlungen, die sie hinterher bereuen, aber aus denen sie nicht mehr herausfinden.

Die Personalität schafft stets Schwierigkeiten. Wie wahr ist das! Vertieft euch nur ein bisschen in die menschlichen Angelegenheiten, ihr werdet sofort gewahr, dass auf jedem Gebiet, ob gefühlsmäßig, sozial oder politisch, die Schwierigkeiten stets daraus entstehen, dass sich die meisten von ihrer ichbezogenen Denkweise leiten lassen: Ihre Grundeinstellung, ihr Ideal ist stets das Nehmen, nicht das Geben. Immer nur nehmen und nichts geben! Hier liegt der Grund aller Disharmonie, aller Widersprüche, Diskussionen, Aufstände, Kriege und des menschlichen Elends. Wären die Leute besser unterrichtet, geführt und beraten, wenn auch nicht durch die höhere Natur, so doch von verantwortungsbewussten, weise denkenden Führern, so hätten sie wahre Fortschritte gemacht, manche Fehler vermieden und steckten nicht in dieser Finsternis, in der man sie dauernd unglücklich sieht, verzweifelt, dem Selbstmord nahe oder bereit, die Welt zu vernichten, einzig, um alles brennen und einstürzen zu sehen. Machte man sich endlich die Mühe, auf diese hohen Führer oder das geistige Ich zu hören, sähe es auf Erden anders aus!

Kein Mensch auf Erden, versuchte er nur ein paar Minuten aufrichtig zu sein, wird leugnen können, dass seine höhere Natur hie und da zu ihm spricht, ihn berät und warnt, wenn er im Begriffe ist, ein verhängnisvolles Vorhaben auszuführen oder eine Unheil bringende Entscheidung zu treffen. Die göttliche Stimme spricht sehr leise; sie ist unendlich fein, zart und behutsam und wendet niemals Gewalt an, weder schallende Posaunen noch dröhnendes Getöse; sie drängt sich nicht auf, erzwingt nichts, sondern flüstert ihren Rat zweimal, dreimal, ganz leise. Zumeist hat der Mensch keine Kriterien, es mangelt ihm an Urteilsvermögen, und daher merkt er gar nicht, dass die höhere Natur zu ihm gesprochen, ihn gewarnt und beraten hat.

Die Personalität dagegen findet immer Mittel und Wege sich durchzusetzen, ihr Ziel zu erreichen: Tag und Nacht schlägt sie Krach, stellt Ansprüche. Ja, sie sendet sogar wortgewandte Boten ins Hirn, die dem »armen Schlucker« beweisen, dass er sich irrt, den falschen Weg einschlägt, wenn er seinem göttlichen Ich gehorcht und ihn auffordern, schleunigst umzukehren. Nicht selten gelingt es ihr, ihn zu überreden. Wie viele sind fehlgegangen, weil sie nicht zu unterscheiden vermochten, welche der beiden Naturen zu ihnen sprach! Und ich, meine lieben Brüder und Schwestern, habe euch Hinweise gegeben, damit ihr erkennen könnt, woher die Ratschläge kommen. Nur wenige nahmen sie an, verwenden und erproben sie jeden Tag; sie erkannten deren Richtigkeit und leben nun aus diesem Lichte. Aber die anderen, die keine Notiz davon nahmen, fügen sich weiterhin den Ratschlägen ihrer Personalität, ohne sich dessen bewusst zu sein, denn sie ist unheimlich listig und intelligent!... Nicht intelligent in dem Sinne, wie die Eingeweihten es verstehen (ich erklärte es euch schon mehrere Male), sondern berechnend, gewitzt, hinterlistig – sie erreicht stets ihr Ziel!

Alle Welt, selbst hochgebildete Leute, wie Philosophen, Schriftsteller, Professoren, identifizieren sich mit der Personalität. Sie sagen: »Ich will... (Geld, ein Auto, eine Frau), ich bin... (krank, gesund), ich habe... (dieses Bedürfnis, jenen Geschmack, folgende Meinung)« und glauben, dies komme von ihnen, doch darin irren sie alle: Es ist ihre Personalität, die begehrt, denkt und leidet. Sie traben und rennen mit der Personalität – sie haben sich selbst noch nie analysiert, niemals versucht, etwas über die Tiefen der Menschenseele zu erfahren, die Ebenen zu erforschen, auf denen sie lebt, die Bereiche, worin sie sich entfaltet. Sie identifizieren sich fortwährend mit der Materie, insbesondere mit ihrem physischen Körper.

Der Jünger indessen weiß, er ist mehr als ein physischer Körper; diese Triebe und Begierden, die er hat, sind nicht er, sondern etwas Fremdes. Er weiß es, und diese Gewissheit lässt ihn ungeheure Fortschritte machen. Ich sprach schon früher einmal über Jnani-Yoga – nicht wahr? – den Yoga der Erkenntnis, wo den Schüler gelehrt wird, dass er nur dann zu seinem eigentlichen Wesen findet, wenn er sich mit Gott vereint, sich mit Ihm verbindet, mit Gott eins wird. Überhaupt, »Yoga« und »Religion« haben beide die gleiche Bedeutung: Einssein, Bindung. Wer sagt: »Ich weiß nicht mehr, woran ich bin!«, zeigt damit, dass er sich in einer Verfassung befindet, in der er nicht mehr klar sieht, wo und wer er ist. Er ist so sehr verstört, durcheinander und aufgeregt, dass er sich nicht mehr zurechtfindet. Das kommt leider häufig vor!

Wer sich in Jnani-Yoga übt, wünscht sich zu erkennen und wiederzufinden. Er beginnt zunächst damit, sich selbst zu beobachten, zu analysieren, um festzustellen, wo er eigentlich steht, wer er ist. Er sieht, dass, selbst wenn er einen Arm verliert, er nicht dieser Arm ist, sondern weiterhin er selbst bleibt und fortfährt zu sagen: »Ich«. Somit ist sein Ich nicht der Arm. Sind seine Beine, der Magen sein Ich? Nein, er ist mehr als das! Als Nächstes beobachtet er seine Gefühle und stellt fest, dass auch die Empfindungen, die er hat, nicht er selbst sind, da er sie ja beobachten und einstufen kann. Er selbst steht weit über ihnen. Dann überprüft er seine Gedanken und Ansichten: »Meine Gedanken, bin ich das?« Und wiederum stellt er fest, dass er mehr ist als seine Gedanken. Und so, Stufe um Stufe vordringend, entdeckt er endlich, dass jenes Ich, das er sucht, jenes weit über allem stehende Ich, sein Über-Ich, Gott selbst ist, dass es in unendlicher Macht und Weisheit alles überstrahlt. Und nach Jahren (doch nicht allen Yogis ist dies vergönnt) wird er eins mit seinem Über-Ich. Also war dieses kleine, launenhafte, empfindliche, unbedeutende Ich nicht er selbst, da er ja ohne es auskommen, darauf verzichten, es verlassen konnte – und trotzdem weiterlebte!

Sehen wir es von einer anderen Seite an. Als Kind fühlt sich der Mensch er selbst; als Erwachsener fühlt er sich, obwohl er sich verändert hat, ebenfalls er selbst, und als Greis ist er immer noch er selbst. Demnach bleibt dieses »Selbst« unverändert. Nur der Körper verändert sich andauernd; sein »Selbst« bleibt bestehen, bleibt immer »er selbst«. Wer ist denn dieses unwandelbare, gleich bleibende »Ich?« Der Mensch sucht und erkennt, dass es weder sein physischer Körper noch die Gefühle sind, die er hat, denn diese ändern sich ja mit den Jahren, so wie auch seine Gedanken – er hat ganz andere Ansichten als früher! Doch er ist immer noch »er«. Die Yogis sind in ihrer Selbsterforschung sehr weit vorgedrungen und haben erkannt, dass jenes tief in ihrem Seelengrund wohnende Wesen, jenes lebendige »Etwas«, jener Lichtfunke – ein Teil von Gott selbst, ein Inbegriff Gottes ist. Und ihr Suchen nach dem innersten Wesen bringt sie der Quelle immer näher, aus der sie leben – sie werden gewahr, dass die Personalität nur eine Täuschung, eine flüchtige, teilweise Spiegelung, keine dauernde, feststehende Tatsache ist. Sie ist nicht ihr eigentliches Selbst, nicht ihr wahres Ich, sondern lediglich ein Trugbild. Und dieses Trugbild nannten die Yogis »Maya«.

Maya versinnbildlicht die Anschauung des Getrenntseins: Du stehst dort und ich hier, wir sind völlig getrennte Wesen, können einander nicht verstehen, nicht lieben, nicht miteinander arbeiten; sind gezwungen gegeneinander zu kämpfen – und warum? Weil wir andere Wünsche haben, andere Gefühle, andere Neigungen. So spricht Maya, die Personalität; sie ist so sehr begrenzt, dass sie das Gefühl vermittelt, man sei von allen und allem getrennt. Sie ist die Wurzel aller Widersprüche, Zwistigkeiten, Hassgefühle und Kriege. Die Personalität schafft Trennung. Daher kommen Egoismus, Feindschaft, Raub und Mord.

Die Welt ist keine Maya, wohl aber unser niederes Ich, weil es uns in dem Wahn gefangen hält, von der Umwelt getrennt zu sein. Die Welt ist kein Wahngebilde, sondern eine Wirklichkeit, so wie auch die Materie und selbst Lüge und Hölle eine Wirklichkeit sind. Die Täuschung beruht darauf, dass wir uns von dem All-Leben, dem alleinigen Sein, das überall gegenwärtig ist, getrennt wähnen, es weder empfinden noch verstehen, weil unser niederes Ich uns daran hindert. Doch sowie man durch Meditation, Studium und Selbstbeobachtung wieder zu sich selbst findet, wird man inne, dass nicht zwei, drei und mehrere voneinander getrennte Wesen leben, sondern nur ein All-Wesen, das in allen anderen wirkt, sie beseelt und durch sie sich kundtut; ein einziges Sein, das alles lenkt und steuert, ein Über-Ich! Alle, die zu dieser Einsicht gelangen, vermögen einander zu lieben, Entzweiung zu vermeiden, Feindseligkeiten aufzugeben, die Zusammengehörigkeit aller zu fühlen. Sie sehen die Welt als ein einheitliches Wesen, und diese Einsicht verleiht ihnen die Kraft, sich von allem Niederen und Trennenden, d. h. von der Personalität frei zu machen. Daher steht der Hang zu Isolierung und Abgetrenntsein, jeden anderen als einen Gegner zu bekämpfen oder zu berauben, im Widerspruch zu Jnani-Yoga, der lehrt, dass der Jünger durch Meditation, Überlegung und Selbstbeobachtung zu der Erkenntnis gelangt, dass es nur ein Wesen gibt: Gott, und dass alle anderen Lebewesen von Ihm erdachte Gedankenbilder sind. Aus dieser Sicht sind Kriege und Feindseligkeiten ausgeschlossen.

Ich habe euch einmal ein Beispiel gegeben. Ich sagte: »Auf diesem Tisch hier stehen mehrere Gläser. Sie sind verschieden in Form, Farbe und Größe. Nehmen wir an, ich fülle jedes dieser Gläser mit einem bestimmten Duftwasser. Die Formen der Gläser sind, wie gesagt, verschieden, der Inhalt ist der gleiche. Sie enthalten alle das gleiche Duftwasser. Nun, ich bemerke, dass, obgleich die Gläser unbeweglich stehen und dieselbe Form beibehalten, der Duft doch aufsteigt, sich verbreitet, und da er aus feinstofflichen, gasförmigen, ätherischen Teilchen besteht, sich in der Luft vermischt. Der Duft eines jeden Glases vereint sich mit dem der Nachbargläser, sie finden in der Luft zueinander, vereinigen sich, werden eine unteilbare Einheit.«

Aus diesem Beispiel lässt sich entnehmen, dass der Mensch unter dem Einfluss der Personalität überall nur getrennt stehende Formen erblickt. Das eben ist die Täuschung! Geht man darauf ein, so entgeht einem ewig der wahre Sachverhalt, man verfällt einer materialistischen, lügenhaften Anschauung, die, genauer gesagt, richtig ist, solange es um Materie, deren Form und Gewicht geht, jedoch falsch ist, was den Inhalt, die Gedanken, das Seelisch-Geistige betrifft, wo alles sich vermischt und eins wird. Die Schulwissenschaft weiß z. B. noch nicht, was die Sonnenstrahlen sind. Und woher weiß ich es denn? Das ist ganz einfach. Stellt euch vor, einige Personen, die sich sehr mögen, sitzen um einen Tisch versammelt. Rein äußerlich gesehen, sind sie getrennt, und so ist es: Vom physischen Standpunkt aus sind es vereinzelte Wesen; das ist jedoch nur eine unvollkommene Wahrheit, denn zwischen ihnen kreisen feine Energieströme. Es vollzieht sich ein Kräfteaustausch, ein Verschmelzen von Energien; durch ihre gegenseitige Zuneigung sind sie auf einer bestimmten Ebene vereint. Genau wie man beim Glas zunächst nur die Form und den Umfang beachtet. Beim Eingehen auf den Inhalt und den Duft jedoch, verlieren diese an Bedeutung. Es ist nicht möglich zu sagen: »Bis dahin reicht der Duft, hier hört er auf.« Dem, was sich bewegt, was lebendig ist und strahlt, können keine Grenzen gesetzt werden.

Auch von mir z. B. könnt ihr genau die Umrisse meines Körpers, meine Gesichtszüge, mein Profil zeichnen. Aber ist der Körper, den ihr zeichnet, mein Ich? Habe ich feste Umrisse? Nein, ich bin nicht dieser Körper, sondern jenes Wesen, das denkt, fühlt und handelt, und womöglich ist es ein bisschen mehr als der Körper, den man sieht.

Und wenn ich euch versicherte, dass Steine aufsteigen und in der Luft schweben, würdet ihr sagen: »Unmöglich, er ist verrückt!« Und dennoch stimmt es; ich sehe tatsächlich Steine in der Luft schweben! Was ist der Staub anderes als winzige Steinchen, zerstäubte Felsblöcke; von derselben Beschaffenheit, demselben Ursprung. Also hatte ich Recht: Es schweben Steine in der Luft!

Kommen wir nun auf die Sonne zu sprechen. Sie strahlt dort am Himmel, hat einen festen Umriss, eine bestimmte Form und Größe. Wie kommt es dann, dass sie mich aus dieser Ferne berührt? Sie ist dort oben, unendlich weit entfernt und berührt mich trotzdem! Also ist es ihr möglich, sich bis zu mir hin auszudehnen. Nun, wenn die Sonne das kann, dann bringe auch ich es fertig mit meinem Denkvermögen. – Was ist die Denkkraft? – Gedenke ich eines Menschen, so erreichen ihn meine Gedanken über Millionen Kilometer. Gedanken sind nichts anderes als Ausstrahlungen, Projektionen von derselben Beschaffenheit wie die Quintessenz, welche die Sonne auf die Erde und über Tausende von Lichtjahren hinweg in das Weltall hinaussendet.

Die Sonnenstrahlen sind die Seele der Sonne, ihre ins Unendliche sich verströmende innerste Kraft: ihre Gedanken. Wie kommt es, dass dies noch nicht erkannt wurde? Was aus der Sonne quillt, ihr entströmt und sich verbreitet, ist nichts anderes als die Sonne selbst. Dieses Licht, das aus der Sonne kommt, kann auch nichts anderes sein als die Sonne selbst! Desgleichen sind die Gedanken, die ich aussende – oder ihr, nur in viel rascheren Schwingungen und Strahlungen als der physische Körper. Nun, das eben ist der Mensch: nicht die Hülle, die man sieht, sondern etwas unendlich viel Höheres, Grenzenloses! Wusstet ihr, dass die Planeten sich berühren? Natürlich meine ich nicht physisch, sondern im Ätherbereich. Sehen wir uns die Erde an: Ihr fester Teil nimmt einen kleineren Raum als die Wasserflächen ein; der gasförmige Teil, die Atmosphäre, reicht noch viel weiter, und ihre ätherische Hülle erstreckt sich noch wesentlich weiter, bis über die Sonne hinaus. Dasselbe gilt für Merkur, Jupiter, Venus. Sie alle berühren sich, wirken aufeinander ein, gehen ineinander über, bilden eine Einheit. Äußerlich sind sie weit voneinander entfernt, aber inwendig (im Feinstofflichen) gehen sie ineinander über. Ebenso sind wir durch unsere Gedankenströme und Ausstrahlungen miteinander verbunden. Diese auf dem Tisch hier getrennt stehenden Gläser berühren sich oben, irgendwo. Das ist wahres Wissen, tief blickende, echte Philosophie.1

Man weiß es noch nicht, dass der Mensch in Wirklichkeit etwas Unendliches, Unermessliches ist und durch Einswerdung mit seiner höheren Natur sich selbst wiederfinden, seines eigentlichen Wesens inne werden, sich als einen Teil der Gottheit schauen und empfinden kann. In der Bibel steht: »Ihr seid Götter.« Nun, meine lieben Brüder und Schwestern, warum haltet ihr euch dann weiterhin für winzig und unbedeutend? Weil ihr zu tief in die Stoffwelt, in die Personalität abgesunken seid, in einen Bereich, wo ihr euch klein, begrenzt, von allem abgeschnitten fühlt, und daher sind Streit und Krieg unvermeidlich. Das wäre anders, wenn die Menschen ihrer Gottnatur, die ihnen sagt, dass sie alle eins sind, den ersten Platz eingeräumt hätten. Wie hätte Jesus sonst sagen können: »Ich und mein Vater sind eins« (Jh 10,30), wenn nicht aufgrund von Jnani-Yoga, des »Erkenne dich selbst«? Und da er dies erreicht hat, warum nicht wir?

Ebenso sind auch wir alle eins. Habt ihr beispielsweise vor, jemanden zu verletzen, so werdet ihr, dies wissend, überlegen: »Halt, ich schade mir ja selbst, denn ich lebe in diesem Menschen und er ebenfalls in mir.« Daraus erwächst wahrhaft sittliches Verhalten, und das Böse muss weichen. Die beiden sind unvereinbar; solches Denken kann das Böse nicht dulden. Viele haben an sich selbst erlebt, dass sie das Leid und die Schläge, die einem geliebten Menschen widerfuhren, zutiefst als ihre eigenen fühlten. Wenn ihm eine große Freude zuteil wurde, fühlten sie sich, gleich ihm, froh und beglückt. Zu solcher Einfühlung ist nur der befähigt, der von dieser Philosophie des Einsseins, der Liebe, der Allverbundenheit durchdrungen ist. Andernfalls freut man sich, wenn anderen ein Unglück zustößt; ja, so ist es leider, man freut sich und jubelt über ihr Missgeschick.