Die Waldgräfin - Dagmar Trodler - E-Book
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Dagmar Trodler

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Beschreibung

Man schreibt das Jahr des Herrn 1066: Eigenwillig, hoch gewachsen und von unbändigem Freiheitsdrang, hadert Alienor, die Tochter des verwitweten Freigrafen zu Sassenberg in der Eifel, mit ihrem eintönigen Schicksal als Burgherrin. Ausgerechnet der weihnachtliche Almosengang in den Kerker verändert ihr Leben.
Sie findet heraus, dass der angeblich stumme, rätselhafte Gefangene Normannisch spricht, die Sprache ihrer Mutter. Alienor erhält den »Barbaren« von ihrem Vater als Reitknecht zum Geschenk. Doch erst als der Fremde beinahe mörderischen Intrigen zum Opfer fällt und sein Leben in ihren Händen liegt, weiß Alienor, was sie will. Und ergreift ihre Chance zur Unabhängigkeit ...

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Über das Buch

Man schreibt das Jahr des Herrn 1066: Eigenwillig, hoch gewachsen und von unbändigem Freiheitsdrang, hadert Alienor, die Tochter des verwitweten Freigrafen zu Sassenberg in der Eifel, mit ihrem eintönigen Schicksal als Burgherrin. Ausgerechnet der weihnachtliche Almosengang in den Kerker verändert ihr Leben.Sie findet heraus, dass der angeblich stumme, rätselhafte Gefangene Normannisch spricht, die Sprache ihrer Mutter. Alienor erhält den »Barbaren« von ihrem Vater als Reitknecht zum Geschenk. Doch erst als der Fremde beinahe mörderischen Intrigen zum Opfer fällt und sein Leben in ihren Händen liegt, weiß Alienor, was sie will. Und ergreift ihre Chance zur Unabhängigkeit …

Über Dagmar Trodler

Dagmar Trodler, 1965 in Düren/Rheinland geboren. Sie arbeitete zunächst als Krankenschwester und studierte Geschichte und Skandinavistik. Sie lebt heute meistens auf Island. Gleich ihr erster Roman »Die Waldgräfin« wurde ein Bestseller. www.dagmar.trodler.de

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Dagmar Trodler

Die Waldgräfin

Roman

In memoriam Marie-Luise Trodler

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6. Kapitel

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18. Kapitel

19. Kapitel

Glossar

Quellen

Impressum

1. Kapitel

Das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen,

und das glimmende Tocht wird er nicht auslöschen.

(Jesaja 42,3)

Wie eine eisige Hand kroch die Kälte über meine Knie und fuhr schmerzhaft die Knochen entlang. Meine Finger, die aus den wollenen Binden herausschauten, waren blau gefroren: Jedes Mal, wenn ich das Schiffchen glücklich durch die Kettfäden gezogen hatte, musste ich innehalten und meinen Fingern neues Leben einhauchen. Am Rücken hingegen lief mir der Schweiß herab, weil die alte Maia den Webrahmen so nah ans Feuer gerückt hatte. Sie selbst hockte dicht neben den Flammen und versuchte mit klammen Fingern, ein Kreuz auf das Altartuch zu sticken. Immer wieder entglitt ihr die Nadel und rutschte über den Rock in Richtung Fußboden, wo sie für alle Zeiten zwischen den Binsen verschwinden würde.

»Herr Jesus, ist das kalt hier«, murrte sie. »Gleich heute Abend werde ich Euren Vater bitten, den Webrahmen in die Halle zu stellen. Das hält ja kein Christenmensch aus …« Sie erhob sich und kratzte mit dem Schürhaken im zerfallenden Holz umher. Funken sprühten, es knackte. Gisela, die andere Kammerfrau, schlief, in eine Decke gehüllt, auf der Bank. Ihre Näharbeit lag am Boden, aus ihrem Mund roch es nach Branntwein. Der mochte ja den Magen wärmen, doch auch Giselas Hände waren grau vor Kälte. Ich deckte ein weiteres Wolltuch über ihren Schoß und stampfte mit den Füßen. Endlose, ewige Winterkälte!

Das Bett in der Ecke des kleinen Turmzimmers lockte mit seinen Fellen und Daunenkissen; dort lag meine kleine Schwester Emilia und schlief. Ich schnupperte an Giselas Branntweinkaraffe. Wo sie den nur wieder herhatte! Der scharfe Geruch raubte mir fast den Atem, doch dann setzte ich die Karaffe entschlossen an und nahm einen kräftigen Schluck. Wie Feuer rann er meine Kehle hinab …

Draußen schlug der Kettenhund an, heiser und böse. Leute liefen über den Hof, das Tor wurde aufgezogen. Ich stürzte an die Öffnung im Mauerwerk und hob den Teppich hoch.

»Maia – Maia, schau, sie kommen zurück! Jeden Moment müssen sie in den Hof reiten. Lass uns hinuntergehen und nachsehen, was für Beute sie mitbringen!«

Seufzend ließ meine Kammerfrau ihre Arbeit sinken. »Ihr werdet Euch den Tod da draußen holen, Fräulein. Bleibt hier am Feuer –« Gisela grunzte im Schlaf, verschluckte sich, hustete und schnarchte weiter.

Ich zog meine Lederstiefel über die Wollwickel, mit denen ich meine Beine vor der Kälte schützte, und hüllte mich in meinen Fehmantel. »Dann geh ich eben alleine!«

Ein scharfer Wind fegte die Stiege herauf. Heute Nacht würde es sicher wieder schneien, wie in der letzten Nacht und die Nächte davor. Und dann würde man im Wald den Wolf vor Hunger heulen hören können, und die Menschen würden sich in ihre Hütten flüchten und Schaf und Federvieh zu sich ans Feuer holen …

Ich zog mir den Mantel enger um die Schultern und setzte den Fuß auf die erste der ausgetretenen Holzstufen. Wie hatte ich mich am Morgen darauf gefreut mitzureiten, Fasane zu jagen, den Hirschen hinterherzuhetzen – endlich der Langeweile der Spinnkammer zu entkommen!

Argwöhnisch hatte Maia beobachtet, wie ich meine Wolltunika gegen Hosen und einen Kittel aus Wollfilz vertauscht hatte. »Wie kommt Ihr darauf, dass Ihr mitreitet?« Schon ihre Stimme, seit Tagen durch eine Erkältung heiser und näselnd, hatte mich geärgert. Da sie keine Anstalten gemacht hatte, mir den Zopf zu flechten, hatte ich es selbst getan, ihn unter den Kittel gesteckt und nach meinem Umhang gegriffen. »Er hat es mir versprochen, Maia.«

Versprochen, wie so oft. Ich seufzte und setzte mich, aufs Neue von der Enttäuschung überwältigt, auf eine der Treppenstufen.

»Wer hat dich zur Jagd gebeten?«, hatte Vater mich gefragt, als ich mit klirrenden Sporen in die Halle trat, um meinen Falkenhandschuh aus der großen Truhe zu holen. Entgeistert war ich stehen geblieben.

»Aber –«

»Ich erwarte, dass du deinem Vater alle Ehre machst und seinen Gästen ein vollendetes Festmahl bereitest. Eine Grafentochter gehört nicht in den Sattel.« Ohne nach dem Diener zu schauen, hielt er seinen Becher zum Nachschenken hin.

»Du hast es mir versprochen!« Tränen schossen mir in die Augen angesichts seiner unvermuteten Härte.

»Nichts habe ich versprochen! Du redest irr, Mädchen.«

»Vater, du hast versprochen, mich diesmal –« Jemand kicherte verhalten. Vater lief rot an und ballte die Faust um den Becher, dass die Finger weiß wurden. Bier schwappte über den Rand.

»Wage es nicht schon wieder, meine Anordnungen in Frage zu stellen! Ich sage, du bleibst hier, und damit Schluss. Es gibt genug zu tun, also steh hier nicht rum und mach dich lächerlich.« Und so manch hämischer Blick traf mich, als sie an mir vorbei auf den Hof stiefelten, die Edelleute des Rheintals, die von weither gekommen waren, um in Vaters Wäldern reiche Beute zu machen.

Fassungslos hatte ich mit ansehen müssen, wie die Männer ihre Mäntel rafften, wie irgendein dicker Vasall ächzend in den Sattel meiner geliebten Stute sank, dass sie hinten einknickte und erschreckt einen Satz vorwärts machte – hatte tatenlos danebenstehen müssen, als der Fettsack an ihrer Kandare riss, damit sie stillstand und man ihm meinen Sperber auf den Arm setzen konnte, jenen hell gefiederten, erstklassig abgerichteten Beizvogel, den Vater mir zu meinem vierzehnten Geburtstag geschenkt hatte …

Der Wind sang sein schauriges Lied durch die Mauerritzen des Frauenturms. Verbissen stopfte ich mir den Umhang zwischen die Beine und kauerte mich auf der Stufe zusammen.

War es Zufall, dass er mich ausgerechnet heute, am Fest der heiligen Barbara, in diesen Turm verbannt hatte? Der einzige Unterschied zwischen der Heiligen und mir war doch, dass ihr Vater sie keinem Manne zeigen und mein Vater mich seinen Mannen nicht zumuten wollte.

Maia polterte oben mit Feuerholz herum, ich hörte sie fluchen über den verhext tiefen Schlaf der sehr viel jüngeren Gisela. Verdrossen schnaubte ich und dachte an die höhnischen Blicke der beiden Kammerfrauen, die meinen dritten Kleiderwechsel am Morgen begleitet hatten.

»Grämt Euch nicht«, hatte Gisela irgendwann gemeint. »Wenn der Sommer kommt, wird es genug Ablenkung für Euch geben, und dann werdet Ihr Euch nach der Ruhe des Winters sehnen …«

Sommer. Ich gähnte und rieb meine Fäuste. Unten lachten die Mägde übermütig, und die Metkannen klapperten – ich hoffte, dass sie ihn später nicht zu großzügig kredenzten. Die Honigausbeute im vergangenen Sommer war mager gewesen, und wir hatten Mühe gehabt, in allen Fässern Met von gewohnter Qualität anzusetzen. Mein erster Gang am Morgen führte mich daher stets hinter die Falltür in der Speisekammer, wo die Wein- und Metvorräte lagerten und wo ein hölzerner Stab mir half, das Absinken des duftenden Spiegels in den Fässern zu kontrollieren – auf dieser kalten Burg gab es viele Frierende und Einsame, die vor Diebstahl nicht zurückschreckten. Üblicherweise wanderte ich danach durch die Meierei, warf einen Blick in die Milchkannen und zählte die Eier, bevor ich mit zwei Mägden in der Küche die Gerstensuppe für das Frühmahl zubereitete. Einmal in der Woche wurde Bier gebraut, das tägliche Abfüllen der Kannen hatte ich in Ermangelung eines Mundschenks Martha, meiner zuverlässigsten Küchenmagd, übertragen.

Vor dem Essen las mein Beichtvater uns eine Messe – an Feiertagen und Heiligenfesten in der Kapelle, sonst in der großen Halle, wo er das Essen segnete und sich danach zu uns gesellte. An den gleichen Tischen wurde auch besprochen, welche Tiere geschlachtet, wie viele Häute gegerbt und welcher Stall repariert werden musste, hier ließ Vater Einladungen und Botschaften schreiben, hier verlas er gerichtliche Beschlüsse und verhängte Strafen über Faulpelze, Betrüger und Zehntsäumige, hier empfing er Boten aus Köln, Aachen und vom Kaiser.

Heute Morgen jedoch war alles anders gewesen. Im Laufschritt war ich bei Anbruch der Dämmerung durch die Wirtschaftsgebäude gehetzt, hatte in der Küche letzte Anweisungen für das Festmahl gegeben und in der Halle einen Plan hinterlegt, wie die Schragentische aufzustellen seien, um danach als Letzte in die Kapelle zu schlüpfen, wo Pater Arnoldus die Barbaramesse feierte. Meine Andacht war auf der Strecke geblieben, weil ich während des Chorals nur daran dachte, wie ich am schnellsten in meine Jagdkleider gelangen konnte, um nicht zu spät zu kommen … Ich ballte die Faust. Wie hatte er mich bloßgestellt, vor allen Leuten!

Vor der Tür schnaubten die ersten Pferde. Die Jäger waren endlich zurück. Meine Füße waren auf der kalten Treppe fast eingefroren, und so machte ich mich steifbeinig auf den Weg, sie zu begrüßen.

Der enge Burghof quoll über von Menschen, Pferden, Hunden und Gepäck. Knappen rannten mit Jagdwaffen und Mänteln zwischen den schnaubenden Rössern herum, Knechte trugen Arme voll Heu von der Scheune zum Stall neben dem Burgtor, wo an eisernen Raufen ein Pferd neben dem anderen angebunden und gefüttert wurde. Die drei Knaben des Stallmeisters waren aus der winzigen Wohnung über dem Stall gekommen und halfen fleißig mit, die Raufen mit Heu zu füllen und den durstigen Pferden Wasser in die Rinne zu gießen. Im Kapellentürmchen läutete die Glocke – meines Beichtvaters ganzer Stolz – zur Abendandacht, die der Pater heute wohl allein würde halten müssen; den Jägern stand der Sinn nach Bier und Braten. Über uns funkelten schon die ersten Sterne an einem makellosen Abendhimmel, eben war die Sonne hinter dem Bergfried untergegangen und hatte alle Wärme mitgenommen.

Gisbert, der Vormann der Burgwache, kam auf mich zu und verneigte sich vor mir. »Seid gegrüßt, Herrin! Eine erfolgreiche Jagd war das, man sieht es unseren Gästen an, nicht wahr? Dort hinten liegt unsere Beute, kommt und schaut es Euch an.« Er bot mir seinen Arm und geleitete mich durch die Menge hindurch zum Brunnen, wo man die erlegten Tiere auf einen Haufen geworfen hatte. Es roch durchdringend nach frischem Blut, Kot und feuchtem Tierfell. Blut war in den Schnee gesickert und glitzerte hellrot im Licht der schaukelnden Laternen. Sein Geruch erregte mich. Zwischen den Leibern ragte das Geweih eines kapitalen Hirschs hervor, ein Wildschwein, das aus dem Hals noch blutete, hing über den Rehböcken, und einer der Jäger ließ eben ein Bündel Fasane vom Haken fallen. Glasige Augen blinkten auf, bevor sie von bunten Federn bedeckt wurden. Der strenge Geruch von Wildbret bemächtigte sich meiner Sinne und ließ mir das Wasser im Munde zusammenlaufen. Welche Wonne, sich im Dezember nach Herzenslust den Bauch mit Fleisch, fetten Soßen und süßen Mehlspeisen voll zu schlagen – und im Frühjahr würde ich wieder händeringend im Vorratshaus stehen und überlegen, wie ich die Leute bis zur nächsten Ernte satt bekommen sollte. Dann würde es den Kindern im Dorf vor Hunger wieder den Bauch auftreiben, und ihre Mütter würden mit roten Mundwinkeln und fahlen Augen am Burgtor um Almosen betteln kommen … Energisch verdrängte ich diese Gedanken. Heute galt es, den Überfluss bis zum letzten Krümel zu genießen.

Ich überschlug rasch, ob die fünfundzwanzig Brote, die wir am Morgen gebacken hatten, wohl ausreichten und ob ich noch Eier aus dem Vorratshaus würde holen müssen. Seit der Fuchs in der vergangenen Woche ein Blutbad im Hühnerstall angerichtet hatte, waren die Eier für dieses Fest rationiert worden, und nur Emilia bekam süßen Dotter in ihre Morgengrütze gerührt. Vor dem Frühling würde ich keine Hennen kaufen können … Während mein Blick über die Jagdbeute glitt, zählte ich im Geiste die Gäste, die an den Schragentischen untergebracht werden mussten – doch plötzlich blieb ich wie angewurzelt stehen: Zwischen den Tierleibern, halb unter einem Rehbock begraben, lag ein Mensch! Zumindest hatte das, was sie mit Stricken an Armen und Beinen gefesselt hatten, menschliche Formen …

»Na, Hausherrin, was sagst du zu unserer Jagdbeute?«, dröhnte es hinter mir, und ich fuhr herum. Hinter mir stand, breitbeinig und in kostbare Pelze gehüllt, mein Vater, Albert Aquila Freigraf zu Sassenberg, Herr dieser Burg und Gastgeber der Jagdgesellschaft. Seine Augen blitzten beim Anblick der besudelten Gestalt zu unseren Füßen, und als sie sich bewegte, gab er ihr einen Fußtritt.

»Kannst du dir vorstellen, dass es jemand wagt, in meinen Wäldern zu wildern?«, fragte er und kraulte seinen Bart. »Ein Wilddieb, in meinen Wäldern! Er versuchte tatsächlich, Herrn Waldemar niederzuschlagen, als wir ihn auf frischer Tat ertappten! Aber wir haben ihn tüchtig gejagt, mit den Pferden quer durch den Forst, auf die Sümpfe zu, und am Rand des Verderbens haben wir ihn eingefangen wie ein räudiges Kaninchen …« Er spuckte auf den Körper und stapfte davon.

Ich sah auf den Wilddieb, der nackt vor mir im roten Schnee lag. Vaters Speichel rann zwischen den gefrorenen Haaren hindurch und blieb an der blutverkrusteten Wange hängen. Lebte er überhaupt noch? Wer auch immer dieser Mensch sein mochte, er hatte sein Leben verwirkt. Als Tochter des Gerichtsherrn der Grafschaft Sassenberg wusste ich, dass ein ertappter Wilddieb nicht mit Gnade rechnen durfte, gleichgültig, wie sehr der Hunger ihn oder seine Familie gequält haben mochte. Und die Strafen waren hart, sie reichten von Geldbußen bis hin zum Abhacken der Hände. Erst letzten Winter hatte Vater diese Strafe an einem unserer Hörigen vollstrecken lassen, auf dem Marktplatz unten im Dorf, damit es alle sehen konnten. Doch auf der Burg wusste jeder, dass er sich mit seinen Gefangenen zunächst lieber zurückzog: Im Keller des Burgfrieds befand sich eine Kammer mit allerhand eisernen Gerätschaften, einem Schmiedefeuer und einem Knecht, der sich darauf verstand, die Zangen und Fesseln zu bedienen, um die Wahrheit aus den Verstockten herauszubringen. Manche behaupteten sogar, dass der Graf sich an den Qualen seiner Opfer berauschte. Für mich war er nur ein unbarmherziger Richter, der durch Leibesstrafen versuchte, seine Untertanen zu erziehen. Und hier, in der Einsamkeit der Eifelberge, mochte so mancher wohl auf schlechte Gedanken kommen – Justitias Vollstrecker lehrte sie alle mores. Auch dieser Wilddieb, groß und von kräftiger Statur, würde meinen Vater noch kennen lernen …

Als ich mich über ihn beugen wollte, tauchte plötzlich Maia aus dem Turm auf und packte mich am Arm. »Das ist des Grafen Angelegenheit, geht weg von dem Verbrecher!«, zischte sie und zog mich durch den Schneematsch zur großen Halle, wo sich die Gesellschaft bereits aus den Pelzen geschält und versammelt hatte, um an den Tischen Platz zu nehmen. Nach einem kräftigen Schluck Honigwein, den mir unser Waffenmeister Herr Gerhard reichte, begab ich mich an die Kochstellen, denn nun galt es, die Kessel zu überwachen und den faulen Mägden auf die Finger zu schauen.

Im Hof wurden derweil die erlegten Tiere von den Knechten unter großem Gejohle gehäutet und ausgenommen, bevor man sie auf den eilends aufgebauten Rosten knusprig briet.

Verheißungsvolle Düfte zogen aus dem Küchenhaus herüber. Nass geschwitzte Mägde schleppten Schüsseln mit Hirse- und Gerstenbrei herein, damit die Gäste den ärgsten Hunger stillen konnten. Den Bierbottich hatten ein paar Männer auf die Empore gehievt, wo die schwarzhaarige Martha unablässig ihre Schöpfkelle in das schäumende Bier tauchte und damit Kanne um Kanne befüllte.

In der Küche brodelte in meinem größten Kupferkessel seit dem Mittag eine deftige Suppe, die noch abzuschmecken war, gleichzeitig wurden rasch die Beilagen zum Fleisch fertig gestellt. Der Bäcker knetete mit hochrotem Gesicht die letzten Fladenbrote aus Roggenmehl, die ein Gehilfe in der großen Pfanne goldbraun buk. Auf diese Fladen würden die, die es verstanden, gesittet zu speisen, das in Happen geschnittene Fleisch zum Essen legen. Langsam wurde ich doch nervös. Ob alles zu Vaters Zufriedenheit ausfallen würde? Unter einer Kapuze hatte ich den Stadtvogt von Aachen erkannt … Und so angelte ich nach dem aufgehängten Gestell mit den Gästelöffeln und fing ein herumrennendes Mädchen an seinen Zöpfen ein, damit es mir die Löffel putzte. Zwei Küchenmägde hackten Möhren und Porree, für die schon ein weiterer großer Kessel angeheizt wurde, neben ihnen verlas ein Küchenjunge seit dem Nachmittag lustlos Erbsen und Bohnen. Ärgerlich machte ich ihm Beine. Die Zubereitung der feinen Saucen überwachte ich selber. Meine Gewürze lagerten in einem verschlossenen Kasten in der Speisekammer, und ich gab sie nur sorgfältig abgewogen heraus – zu viel wurde in einer großen Küche gestohlen. Der betäubende Duft von Zimt und Muskat stieg mir in die Nase, als ich den Deckel öffnete. Aus einem braunen Säckchen ließ ich kleine, harte Pfefferkörner in die Waagschale kullern und sortierte die Gewichte. Na, noch ein wenig mehr durfte es schon sein … Andächtig nahm ein Küchenmädchen den Pfeffer entgegen, um ihn unter meiner Aufsicht im Mörser zu zerstoßen. Ich wog derweil noch rasch Salz für die Suppen ab und suchte aus einem anderen Säckchen eine Muskatnuss heraus. Hmm, was für ein Aroma! Dazu gab es eine blitzende Reibe aus Kupfer, die ich dem Spezereienhändler abgekauft hatte, obwohl mein Vater laut protestiert hatte. Auf meine trotzige Frage, wie denn das Muskat anders ins Essen gelangen sollte als durch diese Reibe, hatte er sich nur verschnupft umgedreht und war gegangen.

In der Ecke schepperte ein Kessel mit Inhalt zu Boden. Radegunde, die Köchin, suchte schreiend den Schuldigen – heute Abend würde es kein Fenchelgemüse geben. Ich seufzte heimlich. Vater hatte ja Recht gehabt – angesichts des Durcheinanders hier im Küchenhaus war mein Vorhaben, an der Jagd teilzunehmen, in der Tat hirnverbrannt gewesen … Radegunde stellte gerade mit puterrotem Gesicht und drohend erhobenem Kochlöffel eine Magd nach der anderen zur Rede. Gerade noch sah ich, wie einer der Küchenjungen sich durch die Tür drückte und im Hof verschwand. Ich verdrehte die Augen und machte mich auf, die Köchin zu beruhigen und mich um Ersatz für das Fenchelmus zu bemühen.

Nach Mutters Tod vor einigen Jahren hatte ich mit ihrem dicken Schlüsselbund die Burgherrinnenwürde übernommen und war nun für den gesamten gräflichen Haushalt zuständig. Diese Aufgabe erforderte viel Geduld mit den Dienstboten und einiges Stehvermögen, um gegen die Wutanfälle meines Vaters und seinen versteckten Geiz anzukommen. Im Stillen hoffte ich, dass Vater sich wieder verheiraten würde – mochte sich doch die zukünftige Burgherrin mit allem herumärgern. Aber zu meinem Leidwesen machte er keine Anstalten, sich eine neue Frau zu suchen …

Wie so oft in der Adventszeit, fiel das Festmahl auch an diesem Abend über die Maßen üppig aus – mit dem Segen der heiligen Kirche, denn Abt Fulko aus der benachbarten Benediktinerabtei, ein Vetter meines Vaters, beehrte uns mit seiner Anwesenheit. Die Festhalle war brechend voll, um den dicken Tonkrug mit den Barbarazweigen standen die Schragentische dicht nebeneinander, und die Gäste drängten sich auf Schemeln und Bänken. Es war eine bunte Jagdgesellschaft in prunkvollen Festkleidern, wichtige und unwichtige Leute von benachbarten Burgen, Verwalter, Lehnsleute, Ritter und Männer, die ich noch nie gesehen hatte – der Himmel weiß, woher Vater sie kannte. Musikanten verbreiteten mit ihren Fiedeln und Pfeifen einen ohrenbetäubenden Lärm, man sang miteinander, scherzte und wetteiferte im Jägerlatein. Ein paar Gaukler, die sich seit einigen Tagen auf der Burg aufhielten und sich nach allen Kräften durchfraßen, ließen ihre zahmen Hunde über ein Seil balancieren, ein mageres Mädchen drehte sich tanzend auf dem Tisch und ließ ihre geflickten Röcke wie eine Wolke über die Schüsseln wehen. Wer es schaffte, ihre Beine zu fassen, erhielt als Belohnung einen Kuss auf den Mund. Als sie erschöpft vom Tisch fiel, fing ein gutes Dutzend Hände sie auf, um die Belohnung zu kassieren. An der Empore machte ein Zwerg sich daran, ein Schwert zu schlucken, das fast so lang war wie er selber, worauf Frau Gertrudis’ Jüngste weinend unter die Röcke ihrer Mutter kroch, dann aber doch neugierig hervorlugte, als die Zuschauer begeistert Applaus spendeten. Bier und Met flossen in Strömen. Wer die Völlerei nicht vertrug, entledigte sich vor dem Tor seines Mageninhaltes, um von vorne zu beginnen, oder rollte sich schnarchend unter einem der schwer beladenen Schragentische zusammen. Die Unersättlichen versuchten zu fortgeschrittener Stunde ihr Glück bei meinen Mägden, die ich in dem Trubel kaum noch unter Kontrolle hatte. So manche weiße Brust lugte aus dem Hemd, Rocksäume rutschten einladend höher, um der Ritterhand den versprochenen Nachtisch zu gewähren. Pärchen kicherten und turtelten ungeniert auf den Bänken oder verschwanden auf den Hof, um sich in zugigen Ecken stöhnend aneinander zu wärmen.

Um Mitternacht taumelte ich in die Küche. Mein Kopf schien in einem Schraubstock zu stecken. Wimmernd tauchte ich meine Hände in ein Becken mit kaltem Wasser und benetzte mein Gesicht. Ringsum stapelten sich die schmutzigen Kessel, es roch nach ranzigem Fett und Gemüseabfällen. Rehkeule, Gerstenbrei und Kürbismus rumorten in meinem eigenen Bauch. Ich wusste nicht, was schlimmer war, die Kopfschmerzen oder das saure Aufstoßen, jedenfalls fühlte ich mich hundeelend.

Hinter mir raschelte es. Eine Katze sprang erschreckt aus einem der Kessel, wo sie sich an Resten gütlich getan hatte.

»Endlich finde ich Euch, Herrin!« Maia hastete näher. Die Katze duckte sich, überlegte kurz, welchen Fluchtweg sie einschlagen sollte, und entschied sich für den direktesten. Ich schlug nach ihr, als sie über den Tisch nach draußen flitzte.

»Herrin, Ihr müsst Medizin für Eure Schwester holen, sie fiebert wieder stark.« Maias Stimme klang inzwischen wie die eines Mannes, und aus ihrer Nase lief grüner Schleim, den sie in Abständen auf ihrem gefältelten Ärmel verteilte. Ein Tee aus Lungenkraut und Winterlinde würde ihr wohl auch nicht schaden. Obwohl mein Schädel zu platzen drohte, nickte ich und schleppte mich über den dunklen Hof hinüber zum Bergfried, wie schon in so vielen Nächten, wenn es Emilia schlecht ging und wir Medizin für sie brauchten. Erst acht Jahre alt, litt meine kleine Schwester an einer zehrenden Krankheit, die sie die meisten ihrer Tage ans Bett fesselte. Husten, Fieberschübe und Atemnot kamen in immer kürzeren Abständen, und wir ahnten, dass sie den Prinzen, von dem sie träumte, nie würde küssen können.

Der zertrampelte Schnee im Hof war inzwischen zu einer wild geformten Eisdecke gefroren und hatte Tierhaare und Blutstropfen in ein kaltes Grab eingeschlossen. Auf einer Eispfütze rutschte ich aus, konnte mich fluchend gerade noch abfangen und stolperte die glatten Stufen zum Donjon hinauf. Ortwin, der hier die Waffen bewachte, grunzte nur, als er mich sah. Seine Augen schimmerten trübe im Licht der Laterne, und der Grund dafür stand in einer Kanne vor seiner Nase und erinnerte mich daran, wie es aus Giselas Hals gerochen hatte. Ich fragte mich einmal mehr, wo die Branntweindestille versteckt lag und wer sie betrieb. Allzu viele Kannen benebelten in letzter Zeit die Köpfe meiner Dienstboten … Hinter dem Lanzengerüst führte eine in den Boden gehauene Treppe in den Keller, wo sich die Verliese und die Kammer für peinliche Befragungen befanden.

Hier unten hatte auch der jüdische Arzt, den mein Vater beherbergte, seit ich denken konnte, sein Laboratorium. Die Leute erzählten, dass er sich am Hof des verstorbenen Kaisers einen Namen als Edelsteinkenner gemacht hatte und dass sogar heilige Reliquien mit Steinen besetzt waren, die durch seine Hände gegangen waren. Als während eines Feuers in Frankfurt ein Straßenzug in Flammen aufging, war auch Meister Naphtalis Haus dabei gewesen. Von Herrn Gerhard, unserem Waffenmeister, wusste ich, dass meine Eltern, die zur selben Zeit in der Reichsstadt weilten, dem obdachlos Gewordenen Hilfe gewährt hatten. Ihr Angebot, ihnen in die Eifel zu folgen und auf Burg Sassenberg eine neue Heimat zu finden, nahm er dankend an. Seither tätigte er seine Geschäfte von unserer Burg aus, und wir hatten uns an die Boten mit den merkwürdigen Stirnlocken und langen schwarzen Gewändern gewöhnt, die ihr Maultier meist bescheiden neben dem Burgtor festbanden und sich mit scheuem Blick zu dem alten Juden bringen ließen.

Vater hatte sich stets in dem Bewusstsein gesonnt, den Juwelier des alten Kaisers zu beherbergen, aber es war meine Mutter, die herausfand, dass Meister Naphtali ein herausragender Arzt und Heilkundiger war. Er kannte alle Kräuter, die in ihrem Garten wuchsen und mit denen sie die großen und kleinen Leiden der Burgbewohner so zu lindern wusste, wie es von einer Burgherrin erwartet wurde – doch der Jude kannte noch viel mehr. Als Spross einer sephardischen Arztfamilie hatte er die Heilkunde bei den Mauren studiert und über viele Jahre in Diensten eines Kalifen gestanden. Seine fremdartigen Methoden jedoch und die Pflanzen, die er verwendete, trugen ihm hier nicht selten den heimlichen Vorwurf der Giftmischerei ein. Doch solange meine Mutter lebte, hielt sie ihre schützende Hand über den Arzt. Wir Kinder liebten ihn, wir liebten seine süß schmeckenden Mittel, mit denen er Zahnweh und Bauchschmerzen kurierte, und wir liebten seine Geschichten: von Palästina, wo der Herr Jesus geboren wurde, von Orangenbäumen und der omajjadischen Kalifenfamilie in Granada. Er wusste Lieder in vielen Sprachen zu singen, und Mutter genoss es, ihn auf ihrer Laute zu begleiten. Nach ihrem Tod allerdings gab es nicht mehr viele auf der Burg, die ihre Krankheiten von einem Christusmörder behandeln lassen wollten, und so wurde es still um Naphtali. Doch mein Vertrauen in den alten Arzt war groß, war er doch der Einzige, der ein Mittel gegen Emilias nächtliche Fieberanfälle gefunden hatte.

Daran dachte ich, als ich die Treppe hinabgestiegen war und mich rechts in den Gang wandte. Wie jedes Mal beschlich mich Unbehagen, weil niemand mich begleitete – Maia weigerte sich strikt, mit dem Juden ein Wort zu wechseln – und weil wieder einmal nur eine kleine Fackel das Dunkel durchbrach. Die Absätze meiner Holzschuhe klapperten hohl auf den Steinen. Unsicher tastete ich mich an den Türen entlang und erschrak zu Tode, als eine der Türen plötzlich unter einem Faustschlag erzitterte.

»Hehe – troll hafi þina vini – of far i gramendr, alla, alla …«

Ein dumpfes Geräusch, als sänke jemand gegen die Tür, dann Stille.

Vorsichtig schlich ich weiter, auf Naphtalis Labortür zu. War das die Stimme von Vaters Gefangenem gewesen? Heiser, verzweifelt und sehr fremd …

Als hätte der Jude meine Furcht erahnt, öffnete er seine Tür, bevor ich klopfen konnte. Einladend streckte mir der zierliche alte Mann mit den eisgrauen Haaren seine Hände entgegen.

»Alienor, liebes Kind, es verheißt nichts Gutes, dich so spät zu sehen.«

»Maia schickt mich wegen Emilia …« Zwei wasserhelle Augen sahen mich mitfühlend an, und der Druck seiner warmen Hände tröstete mich über das Kerkerdunkel hinweg.

»Ich komme, Kind. Warte einen Moment.« Er ließ mich los und verschwand in seinem Labor, um den Medizinkasten zu holen. Ein Geruch von Schwefel drang in meine Nase. Ich begriff, warum die Leute Angst vor ihm hatten – war also doch der Teufel bei ihm zu Gast, wie manche behaupteten? Vorsichtig versuchte ich, einen Blick hinter den Vorhang zu werfen, der das Labor vor neugierigen Blicken verbarg, doch da war er auch schon wieder bei mir, hatte das bestickte Käppchen mit dem Arzthut vertauscht und trug einen Holzkasten am Riemen über der Schulter. In seiner Gesellschaft und im Licht der duftenden kleinen Öllampe, die er trug, verschwanden die Dämonen des Kellers, sogar die Stimme hinter der Verliestür schwieg, als wir nacheinander die Treppe zur Oberwelt erklommen. Wohl zum hundertsten Male fragte ich mich, wie der alte Mann dort unten leben konnte …

Schweigend überquerten wir den Burghof. Ich hatte seinen Arm genommen, um ihn zu stützen, falls er ausrutschen sollte. Die kalte Luft tat meinem schmerzenden Kopf gut, allein das saure Aufstoßen quälte mich weiter. Vorsichtshalber hielt ich mir die Hand vor den Mund.

»Hier, nimm und kau das, dann wird dir besser.« Aus seiner Manteltasche förderte Naphtali ein paar Samen zu Tage und reichte sie mir, noch bevor wir den Frauenturm erreicht hatten. Gehorsam steckte ich die Samen in den Mund – und der wohltuende Geschmack von Anis breitete sich in meinem Rachen aus, stieg die Speiseröhre hinab und hatte mit der Übelkeit aufgeräumt, bis wir Emilias Lager erreichten. Gisela kratzte im Kamin herum, häufte verkohlte Holzstückchen aufeinander und schien zu berechnen, wie lange sie wohl noch brennen würden und ob sie ums Holzholen herumkommen würde. In drei Decken gehüllt, saß Maia daneben, die Spindel im Schoß. Als sie den Juden sah, stand sie auf. Er war ein Christusmörder, aber er konnte helfen.

Emilias blondes Haar war nass geschwitzt und klebte an ihrem Hals. Ihr herzförmiges Kindergesicht drehte sich unruhig auf dem Kissen hin und her, während sie weinerlich vor sich hin murmelte. Dicke Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. Unbeholfen versuchte sie sie wegzuwischen, wischte sie stattdessen in die Augen, wo es brannte, rieb sich die Augen unbarmherzig mit den Fäusten, um gleich darauf mit den Fingern in den Haaransatz zu fahren, wo die nächsten Tropfen schon warteten …

»Mein Täubchen.« Der alte Arzt hockte sich auf die Bettkante. Emilia öffnete die Augen einen Spalt. Es schimmerte rot in der Lidfalte, und die sonst so strahlenden Augen wirkten unnatürlich dunkel. Er streichelte ihre Wange. Maia hatte währenddessen vorbereitet, was Naphtali bei Fieber anzuordnen pflegte – eine Schüssel mit Lavendelwasser und kalte Tücher. Meine Schwester war zu schwach, um sich zu wehren, als wir ihr die Decke nahmen und ihren heißen Körper abwuschen. Ich mischte Weidenrindenstückchen mit Himbeerblättern und zerstieß schwarze Senfkörner in einem Mörser. Über dem Kohlebecken siedete bereits Wasser, mit dem ich die Pflanzenteile übergoss. Als Emilias angestrengtes Stöhnen verklang, nahm der Jude sie in seine Arme, rieb ihre Schläfen mit Pfefferminzöl ein und flößte ihr den Weidenrindenaufguss ein, und mit leiser Stimme erzählte er ihr eine Geschichte dazu. Ihre weißen Hände lagen auf seinen faltigen Fingern, ruhig und voller Vertrauen. Auf einen Wink hin holte ich die bemalte Schachtel aus dem Medizinkasten und entnahm ihr ein gerolltes Schlafmohnkügelchen, das er der Kleinen unter die Zunge steckte.

»Teufelszeug«, murmelte Maia, doch ihr Blick zeigte Erleichterung, denn das Fieber wich aus Emilias Gesicht, und mit ruhigen Atemzügen schlief sie in unserem Bett ein.

Der Lärm in der Halle war verebbt, Dienstboten hatten die großen Türflügel geschlossen, und ich malte mir aus, wie sie drinnen auf Tischen, Stühlen und im Stroh eingeschlafen waren, den Bierkrug noch im Arm, halb gegessene Hasenkeulen im Mund, das Gemächte zwischen den Schenkeln einer betrunkenen Magd, die sich in ein paar Wochen weinend bei der Alten im Dorf einfinden würde, um einen Trank aus Petersilienwurzel und Wacholder zu erbitten, um den ungewollten Segen los zu werden … Naphtali stützte sich schwer auf meinen Arm, als wir über den Hof schlitterten. Der nächtliche Krankenbesuch hatte ihn angestrengt, deshalb brachte ich ihn bis zu seiner Tür, obwohl ich selbst halb tot vor Müdigkeit war.

»Schlaf, Mädchen, und träum von Sonnenblumen.« Er küsste mich auf die Stirn und verschwand in seinem Labor.

Und so schleppte ich mich zurück über den dunklen Hof zum Frauenturm und die wackelige Stufe hoch in die Kemenate. Gisela lag schnarchend auf dem Fell vor dem Kamin, wo das Feuer, auf das sie Acht geben sollte, inzwischen erloschen war. Mit dem Schürhaken rührte ich in der Asche herum, wobei mir die Glutklümpchen hämisch entgegenzugrinsen schienen. Ich warf den Haken entmutigt in den Kamin, befreite die Branntweinkaraffe aus den Armen der schlafenden Kammerfrau, nahm einen Schluck und tastete mich zum Bett.

»Alienor … wo warst du …?«, murmelte meine Schwester, durch das Gepolter wach geworden.

»In der Vorhölle, wo sie mich pökeln wollten …« Der Branntwein bohrte sich einen Weg durch meinen Körper. Mühsam schluckte ich die Flammen hinunter und stierte auf die Karaffe. Meine Schwester nahm sie mir schließlich ab und zog mich unter ihre Decke, wo ich in einen tiefen Schlaf der Erschöpfung fiel. Die Stimme aus dem Kerker, Vaters Gefangenen, hatte ich vergessen.

Dieser Gefangene sollte mir in den nächsten Tagen und Wochen bis zum Heiligen Fest wieder ins Gedächtnis kommen, allerdings auf eine wenig angenehme Weise. Die Weihnachtsvorbereitungen nahmen meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch – es galt, Kuchen zu backen und Leckereien für die Kinder und Dienstboten zusammenzustellen, wie es meine Mutter immer getan hatte. Kesselweise Mandelmilch zum Kochen der süßen Festtagsspeisen musste hergestellt werden, die Frauen richteten Haus und Burgkapelle für das hohe Fest her, und dann waren die Hemden und Hosen zu nähen, die die Dienstboten jedes Jahr zum Christfest vom Burgherren bekamen. Zwei Schneider saßen nun in der Spinnstube und arbeiteten rund um die Uhr. Auch der Schuster in der Vorburg hatte Arbeit genug, er musste Stiefel für die Reitknechte und Bogenschützen fertig stellen. Dazu kamen noch die ganz alltäglichen Nöte und Sorgen, mit denen ich fertig werden musste – die Burg glich zur Weihnachtszeit einem Bienenhaus. Trotzdem entging mir nicht, dass Vaters Kammer ihren Betrieb aufgenommen hatte. Fast täglich ritt Abt Fulko auf seinem Rappen in den Burghof, wo Vater ihn schon erwartete.

Beide entstammten sie dem vermögenden Geschlecht derer von Sassenberg und hatten mit der Zeit beachtlichen Grundbesitz angehäuft. Im Gegensatz zu anderen Grundherren hatten sie begriffen, dass es lohnender war, in den wichtigen Angelegenheiten zusammenzuarbeiten und sich nicht in endlosen Grenz- und Erntestreitigkeiten zu verzetteln. Sichtbares Zeichen dieser ungewöhnlichen Partnerschaft war Pater Arnoldus, unser Kaplan, dessen Heimat zuvor das Benediktinerkloster gewesen war. Er stand unserer Burgkapelle vor und war damit für das Seelenheil aller Burgbewohner zuständig. Da Vater die Kapelle aus eigenen Mitteln erbaut hatte, konnte er über das geistliche Personal nach seinem Gutdünken entscheiden und brauchte den Bischof nicht einzuschalten, wenngleich der ihn bei jeder Gelegenheit als Simonisten beschimpfte. Pater Arnoldus war eine wichtige Persönlichkeit auf unserer Burg. Er fungierte als Sekretär für meinen des Lesens unkundigen Vater, als Beichtvater und als Vermittler zwischen Burg und Kloster. Und so manches Mal – so hatte ich den Eindruck – schnüffelte er auch in Dingen herum, die ihn nichts angingen.

Sobald der Abt den Begrüßungstrunk geleert hatte, stiegen er und mein Vater in den tiefen Keller hinab. Stundenlang blieben sie dort unten, sodass ich mich insgeheim darüber wunderte, mit welchem Interesse der Kirchenmann die Vorgänge im Kerker verfolgte. Die qualvollen Schreie des Gemarterten drangen durch die Kerkerlöcher in den Burghof und ließen dort ihr Echo über die Mauern tanzen. Geduckt schlichen die Mägde aus dem Dorf vorbei. Am Abend erzählten sie es dann daheim, und die unheimlichen Geschichten um den Burgkerker, den die Unschuldigen niemals zu Gesicht bekamen, erwachten wieder zum Leben.

Täglich hörte ich die Schreie, und manchmal verfolgten sie mich bis zum Einschlafen. Einmal stellte ich mich verstohlen neben eines der Gitter, um herauszubekommen, was sie dort unten taten. Doch ich hörte nur unverständliches Gestammel aus heiserer Kehle und Vaters zornige Stimme, mit der er seinem Knecht Befehle erteilte. Den Abt hörte ich nicht. Ein kalter Schauder jagte mir den Rücken hinunter, und rasch verließ ich die Ecke wieder.

Was immer sie aus dem Gefangenen herauspressen wollten, es schien ihnen nicht zu gelingen. Vater wurde wütend, weil er nicht bekam, was er wollte. Er stürmte durch die Burg wie ein gereizter Stier, jede Spinne an der Wand brachte sein Blut zum Kochen, sodass wir ihm so weit wie möglich aus dem Weg gingen. Seine schreckliche Laune verdarb uns allen das Weihnachtsfest, obwohl wir uns wirklich Mühe gegeben hatten. Das von mir erdachte Mahl – sechs Gänge, darunter ein mit Mandeln gestopfter Hirsch und Fisch in einer Sauce aus Pflaumen und Zimtstangen – war gelungen, der Wein ausnahmsweise richtig temperiert und mit feinsten Gewürzen versehen, und die Diener überschlugen sich fast vor Eifer. Auch Pater Arnoldus begegnete Vater mit äußerster Vorsicht, wohl aus Furcht um seinen neuen Sessel aus geschnitztem Lindenholz. Einige Jahre zuvor nämlich hatte Vater im Zorn den Sessel mitsamt Priester zusammengeschlagen – seither behandelte Pater Arnoldus den Grafen stets mit vorzüglicher Hochachtung.

Ein freundliches Wort hatte jener nur für Emilia, die in wollene Decken verpackt ausnahmsweise neben ihm an der Tafel saß, wo sie von den Süßspeisen naschte und über die Scherze der Ritter lachte.

Am Weihnachtsmorgen lief ich nach der heiligen Messe, die Pater Arnoldus mit Inbrunst in der Burgkapelle zelebriert hatte, in die Küche, wo die Almosenkörbe bis an den Rand gefüllt bereit standen. Allerhand Volk hatte sich in Erwartung des Speiseregens, der auf es niedergehen würde, seit dem frühen Morgen vor dem Burgtor versammelt. Meine Mutter hatte am Christfest immer besonders großzügig Almosen verteilt, hatte sogar in Truhen und Verschlägen nach alten Schuhen und Kleidern für die Frierenden vor dem Tor gesucht. Und nie hatte sie vergessen, in die Verliese hinabzusteigen und die Gefangenen zu speisen. Das geschah stets gegen den Willen des Grafen, doch war ich fest entschlossen, die Barmherzigkeit meiner Mutter gegen Arme und Gefangene nach ihrem Tod fortzusetzen. Dieses Jahr gab es nur einen Gefangenen. Er fesselte Vaters ganze Aufmerksamkeit. Und er lebte tatsächlich noch immer.

Mit einem Korb Äpfel, einem Pastetenrest und einem kleinen Kuchen beladen, im Arm einen Krug mit warmem Gewürzwein und um die Schultern einen fehgefütterten Umhang gegen die eisige Kälte, so gerüstet begab ich mich zum Donjon, unserem mächtigen Bergfried, unter dem der Kerker lag. Respekt einflößend erhob sich der steinerne Turm am Rande des Felsplateaus, auf dem unsere Burg errichtet war. Er beherbergte die Männer der Burgwache und das Waffenarsenal und bot in Kriegszeiten Platz für alle Burgbewohner. Dann jedoch wurde es entsetzlich eng – ich erinnere mich, dass wir einmal während einer Belagerung einen ganzen Monat dort hatten ausharren müssen. Mutter war zum Schluss dem Wahnsinn nahe gewesen.

Vorsichtig stieg ich die feuchte Treppe zum Kerker hinab. Landolf, jener grobschlächtige, kahlköpfige Mensch, der so gut mit glühenden Zangen umzugehen wusste, erkannte mich und ließ mich passieren. Die Wände warfen ein schauriges Echo meiner Schritte voraus. Wasser tropfte von den Wänden und platschte auf den Boden. Eine heruntergebrannte Pechfackel ließ die Wände unwirklich glänzen, ihr Licht reichte jedoch kaum bis auf den Boden. Hinter mir ging der Wachmann und rasselte mit den Kerkerschlüsseln.

»Gott segne Euch für Eure Gutherzigkeit, Herrin«, nuschelte er in seinen ungepflegten Bart, »aber ich glaube, sie wird dem Kerl nicht mehr viel nützen. Euer Vater hat ihm ordentlich zugesetzt. Seht selber …« Quietschend öffnete sich die schwere Holztür. Landolf steckte die Fackel in eine Wandhalterung und ließ mich eintreten.

Der Gestank, der mir aus der Zelle entgegenschlug, raubte mir fast die Besinnung. Ich rang nach Luft und suchte an der glitschigen Mauer Halt. Zunächst schien die Zelle leer zu sein, doch dann konnte ich an der gegenüberliegenden Wand den Gefangenen erkennen. Ich trat näher. Er kniete zusammengekauert und nur mit Lumpen bekleidet auf einem Bündel aufgeweichten Strohs. Den Kopf zwischen den Armen vergraben, schwankte er hin und her und stieß leise Klagelaute hervor. Neben ihm sah ich einen Napf mit brackigem Wasser und einen Kanten schimmelndes Brot. Einige Ratten, die sich daran gütlich taten, stoben erschrocken auseinander, als ich ihnen zu nahe kam. Der Gefangene reagierte nicht. Ich räusperte mich. Da fuhr er zusammen, drückte sich wie ein verschrecktes Tier an die Wand und drehte den Kopf langsam zu mir.

Aus dem Dickicht verfilzter Haare, die ihm in langen Strähnen vom Haupt herunterfielen und in einen ebenso schmutzigen Bart übergingen, blinzelten mir rot geränderte Augenschlitze entgegen, die sich nach der langen Dunkelheit des Kerkers nur schwer an das Licht gewöhnten. Er hob die Hände und rieb sich unbeholfen die Augen. Ich hörte, wie er vor sich hin murmelte. Schließlich ließ er die Hände sinken und hob den Kopf … und der Blick aus seinen Augen ließ mich erstarren. War das möglich? Ungläubig sah ich, wie hinter den fettigen Strähnen zwei helle Punkte aufschimmerten, Augen von einem Blau, wie ich es in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte, blau wie ein Sommerhimmel, wie ein Meer blühenden Flachses, das sich im Wind wiegt, kleine Kränze aus Kornblumen, die sich zu drehen begannen und mir rund und blau und voller Leben aus dem modrigen Kerkerdunkel entgegenleuchteten …

Stille umgab uns. Die Fackel zauberte Schattenfiguren an die Wand. Reglos hockte er da. Eine Ratte huschte an uns vorbei. Ich erinnerte mich, warum ich hergekommen war. Langsam setzte ich meinen Korb auf den Boden und stellte den Weinkrug daneben. Er sah mich immer noch unverwandt an. Der Ausdruck in seinen Augen veränderte sich, wurde erstaunt, dann neugierig. Sein Atem wurde heftiger, kam stoßweise.

»Ein gesegnetes Christfest wünsche ich dir«, murmelte ich etwas verstört und bemühte mich, meinen Blick von diesem Gesicht loszureißen. Sein Körper zeigte Spuren von Folter und Misshandlung. Den Rücken bedeckte eine verkrustete Schicht aus Blut und Schmutz, darunter hatten Peitschen und glühende Eisen tiefe Kerben im Fleisch hinterlassen. An einigen Stellen schien man ihm regelrecht Hautstreifen abgezogen zu haben. Seine Fußsohlen waren von Schlägen mit dem Rohrstock geschwollen und aufgeplatzt. Rund um die Schultern schillerten Blutergüsse in allen Farben, wie sie entstehen, wenn man wiederholt an den Armen aufgehängt wird. Die verkrümmten Finger waren blutigschwarz an den Kuppen, weil man ihm die Fingernägel herausgerissen hatte. Seine Knochen jedoch schienen unversehrt, Daumenschrauben und Spanischer Stiefel waren ihm erspart geblieben, ebenso ein Messer in den Eingeweiden – Vater wusste ganz gut, wie man Menschen befragt, ohne sie umzubringen.

Dennoch hatte der Kerkermeister ganze Arbeit geleistet. Faulende Geschwüre, knöcheltiefer, zum Himmel stinkender Unrat, der die Würde eines Menschen für alle Zeiten verschlang. Wie eine Lackschicht überzog getrocknetes Blut die helle Haut. Ungeziefer wimmelte in den verfilzten Haaren, hangelte sich auf der Suche nach Blut auf den Körper herab. Fette weiße Maden schimmerten im Licht der Fackel, und der stechend-scharfe Gestank nach Exkrementen, vermischt mit süßlichem Eitergeruch, ließ eine Welle der Übelkeit in mir hochsteigen. Noch nie hatte ich eines von Vaters Opfern so nahe vor mir gehabt, hatte mich – anders als Mutter – immer geweigert, die Auswüchse seines Rechtsempfindens zur Kenntnis zu nehmen. Und nun stand ich vor diesem Elend und rang nach Fassung. Das war nicht recht. Was immer dieser Mann verbrochen haben mochte, solche Quälerei konnte Gott nicht gutheißen … Mit dem Fuß schob ich den Weinkrug noch ein Stück näher und nickte ihm zu. Nimm schon. Schwerfällig wie ein alter Mann versuchte er daraufhin, seine kauernde Haltung auf dem Boden zu verändern. Die Pastete rutschte aus seinen kraftlosen Händen. Eine Ratte kam aus dem Dunkel hervor und wollte die Beute schon davonschleppen, da warf er sich mit einem Laut der Verzweiflung über das Almosen und schlug nach dem Tier, hieb mit der flachen Hand auf den Boden, dass es klatschte, wieder und wieder, bis er ermattet liegen blieb. Ich sah die Augen der Ratte heimtückisch aufglänzen, als sie floh. Grauen stieg mir wie ein Tier mit spitzen Klauen den Rücken hoch.

Da bewegte sich der Gefangene wieder, raffte die Pastete an sich und stopfte sich das ganze Stück in den Mund. Krümel stoben durch die Luft, zwischen seinen Fingern quoll in schmalen Strängen Gemüsebrei hervor, den er, bevor er im Stroh landen konnte, mit der anderen Hand auffing und in den Mund zurückschob, er schmatzte, kaute hastig, schlang die Pastete mit weit aufgerissenen Augen hinunter, schnaufte, würgte, leckte sich mit seiner hellroten Zunge gierig die Finger ab, während er mit der anderen Hand auf dem Boden nach Krümeln suchte, im Stroh zwischen den Halmen herumfuhr. Dann sah er mich an, jetzt mit Tränen in den Augen, fasste sich entsetzt an den Leib und erbrach die Pastete vor meine Füße.

Wie erstarrt blieb ich stehen. Das hustende Bündel Lumpen zuckte unter neuerlichem Würgen, es roch durchdringend nach Galle, und ich glaubte, ein Schluchzen zu hören, hart vor Verzweiflung, eine Faust ballte sich vor dem dampfenden Erbrochenen …

Das Stroh bewegte sich, als ich einen Schritt nach hinten tat, und er sah auf. Sah Spritzer auf meinem Schuh, griff an sein zerlumptes Hemd und riss es unbeholfen entzwei, um damit den Schuh sauber zu wischen – ich versuchte, ihn davon abzuhalten, bückte mich zu ihm, legte die Hand auf seine Schulter, aufhören sollte er, Allmächtiger …

Unsere Gesichter waren auf gleicher Höhe, ich roch seinen säuerlichen Atem, spürte den Blick, obwohl ich seine Hand am Boden verfolgte, die immer noch meinen Schuh umklammerte. Dann ein Laut. Ein Wort? Oder doch nur ein Ton? Ein Ton, der einer Bitte gleichkam, flehend und kurz – ich musste ihn ansehen.

Sein ganzer Körper bebte, als er zu flüstern begann, heiser und hastig, ohne mich loszulassen. Vorsichtig zog ich den Fuß weg, in der Hocke um Gleichgewicht bemüht. Da verstummte er, in seinem Gesicht zeigte sich Verzweiflung, wieder glänzten Tränen in dem Meer aus Blau, seine Zähne klapperten – vor Kälte, Fieber, Schmerzen, ich wusste es nicht –, doch es ging mir durch Mark und Bein. Und so löste ich die goldene Fibel meines Umhangs, zog ihn aus und legte ihn dem Mann um die Schultern. Er wich zurück, ich strauchelte, verlor das Gleichgewicht. Da packte er zu und bewahrte mich davor, über ihn in das stinkende Stroh zu fallen. Erschrocken taumelte ich gegen die Wand und riss mich los. Die Kerkermauer im Rücken war eiskalt, Flechten malten einen feuchten Kringel auf meine Tunika. Er sah mich an. Brennend grub sich der Blick in mein Gedächtnis. Ich schluckte erregt. Bei Gott – diese Augen waren so lebendig, sie überwanden Blut und Schmutz, fanden stumme Worte und drangen in meine Gedanken ein … Worte aus einer anderen Welt, verwirrend, verheißungsvoll – Alienor, hüte dich vor dem Bösen!

Ich machte ein paar unsichere Schritte auf den Ausgang zu. Klirrend kippte der Krug um, und der Wein gluckerte ins Stroh. Fort von hier – sieh dich nicht um! Der Umhang raschelte hinter mir. Ich fuhr herum und stolperte rückwärts: Dem Mann war es gelungen, sich zu erheben, und – bei allen Heiligen, war er groß! Ein Hüne, für den die Zelle viel zu niedrig war – und stand nun schwankend, unsicher auf seinen verletzten Füßen, den Umhang mit einer Hand zusammenhaltend, während er mit der anderen nach mir zu greifen versuchte. Aus dem Haargestrüpp drang brüchig-heiseres Geflüster, drängend klang es, so drängend – ich wich noch ein Stück zurück – was tat er da, was wollte er von mir –, draußen stand Landolf, würde er kommen, wenn ich um Hilfe schrie …?

Seine Arme sanken herab. Ungeschickt strich er sich die fettigen Haare aus dem Gesicht, doch sie fielen sogleich wieder zurück. Ich biss mir auf die Lippen und tastete nach der Kerkertür. Als ich wieder zu ihm hinsah, stand er nur da und lächelte mich an, weiße Zähne blitzten, und seine Augen tanzten wie zwei Sterne zwischen den verfilzten Strähnen.

Und ich verstand, was er auf Französisch sagte: »Deus vos bensigna, dame chière.« Gott schütze Euch.

Ich drehte mich um und floh aus dem Kerker nach draußen in die kalte, klare Winterluft.

Just in diesem Moment ritt der Benediktinerabt in den Burghof. Vielleicht hatten ihn die duftenden Pasteten herbeigelockt, die meine Mägde aus den Resten des Christmahls bereitet hatten. Vielleicht wollte er auch nur Zehntgeschäfte besprechen, bei einem Becher Wein aus Vaters viel gerühmten Fässern … Ich fand, dass er sich auffallend oft zum Essen bei uns einfand. Natürlich unterließ er es nie, während der Mahlzeit fromme Predigten zu halten, ganz als wäre er daheim im Refektorium – mal las er aus dem Evangelium, mal sang er uns mit seiner wohltönenden Stimme Psalmen vor oder erzählte Heiligenviten – doch kam es mir bei aller Frömmigkeit so vor, als wäre das gute Essen der eigentliche Grund seines Kommens. Gott möge mich strafen für meine vorlaute Zunge …

Würdevoll stieg Abt Fulko vom Pferd und reichte die Zügel seinem Pferdeburschen. Noch ganz außer Atem versank ich in einem ehrfürchtigen Knicks vor ihm in einer Schneewehe.

»Deus hic. Mein liebes Kind, habt Ihr Barmherzigkeit walten lassen, wie es Eure Mutter – Gott nehme sich ihrer guten Seele an – immer zu tun pflegte? Diesmal hättet Ihr Eure Gaben besser alle im Dorf verteilt. An diesen Menschen deucht mir Eure Nächstenliebe verschwendet.« Er hob mich mit seinen schlanken weißen Händen aus dem Schnee und musterte mich prüfend.

»Aber – was hat er getan? Was wünscht Ihr denn von dem Gefangenen zu erfahren?«, wagte ich zu fragen, obwohl mich dies nichts anging. Doch der Abt war in Christfestlaune und sah über meine Neugier großmütig hinweg.

»Wir möchten seinen Namen wissen, nichts weiter. Findet Ihr es nicht ungewöhnlich, wenn ein Mensch seinen Namen verheimlicht? Für das Unrecht, das er beging, wird er seine Strafe erhalten, wie es das Gesetz vorschreibt – warum sagt er uns dann nicht, wer er ist? Allein der Teufel nennt seinen Namen nicht! Seht Ihr, es ist wichtig herauszufinden, wen wir da im Kerker haben.«

In der Tat seltsam, dass der Gefangene schwieg. Genauso seltsam fand ich es jedoch, dass die beiden diesen Namen um den schrecklichen Preis der peinlichen Befragung erfahren wollten, wo ihr Opfer doch nur ein Wilddieb war. Aber auf dieser langweiligen Eifelburg konnte man an Winterabenden durchaus auf seltsame Gedanken verfallen …

»Was, wenn er ein Totschläger ist, einer, der Frauen schändet und unschuldige kleine Kinder schlachtet, wie die Juden, um ihr Blut noch warm zu trinken?«, drang die schmeichelnde Stimme Fulkos zu mir. Kleine Kinder schlachten … Überrascht sah ich Fulko an. Wie ein Mörder hatte der Gefangene nicht ausgesehen, vor allem, wenn ich an die blauen Augen dachte … Die Augen des Bösen …? Nein. Nein, offen und ehrlich waren sie gewesen, und meine Angst eben im Keller ziemlich dumm, wo doch der Wächter gleich nebenan gewartet hatte. Andererseits, musste ein Übeltäter immer gleich auch böse aussehen?

»Ich würde ihn kopfüber hängen lassen, wie einen Dieb.« Fulko machte eine geringschätzige Handbewegung. »Fort mit ihm. Man bringt ja doch nichts aus ihm heraus, Albert sollte das einsehen. Was immer er verbirgt – dieser Mann wird Unglück über die Burg bringen. Er ist böse, das sehe ich in seinen Augen. Und er wird uns alle mit ins Unglück ziehen.« Er schwieg und suchte meinen Blick. »Versteht Ihr, Alienor? Er ist einer von denen, die der Allmächtige am Jüngsten Tage richten wird. Er wird ihn in die Hölle schicken, verdammen! Er ist jetzt schon fluchbeladen, Alienor. Lasst ihn uns zum Teufel jagen, für alles, was er getan hat, was er noch tun kann, wenn wir ihn leben lassen. Zum Teufel … Und in der Hölle wird er dann im siebenten Kreise schmoren und ewige Pein erleiden, wie er sie noch nie erlebt hat, grausamen Durst und Hunger nach Gottes Gnade, die ihm jedoch auf immer verwehrt bleiben wird, Schmerz und das Wissen um die ewige Einsamkeit im Angesicht des unendlich tiefen Höllenschlundes …« Fanatisch blickten die schwarzen Augen des Klerikers gen Himmel. Die Arme hatte er in die Höhe gerissen, schwarz und gebietend wie ein Engel der Verdammnis, und verharrte so einen langen Moment. Und betroffen schwieg die Erde angesichts seiner düsteren Worte …

Dann flog ein Spatz laut kreischend über unsere Köpfe. Ich schloss eilig den Mund und kam zu mir. Deus vos bensigna.

Deus vos bensigna. Welch gepflegter Ausdruck – Maria und Josef! Deus vos bensigna! Wie vertraut klangen die Worte in meinen Ohren, Worte, die meine normannische Mutter mich vor langer Zeit gelehrt hatte – warum fiel mir das jetzt erst auf? Der Gefangene sprach Normannisch, die Sprache, die mein Vater nie hatte lernen wollen. Und nun hatte er einen normannischen Gefangenen in seinem Kerker – und merkte es nicht einmal! Ich stellte mir vor, was dort unten im Kerker geschehen war, sah meinen Vater vor mir, wie er seine Gerätschaften begutachtete und mit fast wissenschaftlichem Interesse einsetzte. Vielleicht wollte der Fremde ja ein Geständnis ablegen, doch niemand verstand, was er sagte … Die Vorstellung widerte mich an. Es war nicht gerecht.

Das Gewand des Abtes flatterte im Wind. Ich fuhr aus meinen Gedanken hoch. Fulko hatte mich schon eine ganze Weile beobachtet. Nun lächelte er mir, offenbar befriedigt von der Wirkung seiner Worte, freundlich zu, neigte den Kopf und ließ mich stehen. Ich starrte dem Schwarzgekleideten hinterher. Sie würden den Gefangenen töten. Vater verbat sich jede Einmischung in seine richterlichen Angelegenheiten, selbst Mutters Liebreiz hatte nur selten etwas ausrichten können. Ich beschloss, den Vorfall zu vergessen. Maia trat ins Freie und winkte mir, mit ihr die schweren Almosenkörbe zum Tor zu tragen, und so machte ich mich auf den Weg zu den zerlumpten Gestalten. Doch noch lange plagte mich die Vorstellung, dass ich meinen Mantel einem Mörder gegeben haben könnte …

Der Abend in der Halle begann friedlich. Die Spielleute hatten Lieder für uns gesungen und stritten sich am unteren Ende der Tafel nun lautstark um die letzten Brocken. »Und an Stephanus erfüllte sich die Prophezeiung Jesu …« Pater Arnoldus, unser Kaplan, nahm noch einen Schluck Wein, bevor er seine Lieblingsgeschichte weitererzählte. »Die Prophezeiung, die da lautete: ›Wenn sie euch aber vor die Synagogen und die Machthaber führen, sorgt euch nicht, wie oder womit ihr euch verteidigen sollt! Denn der Heilige Geist wird euch zu ebender Stunde lehren, was ihr sagen sollt.‹ Und der Heilige Geist kam über Stephanus und gab ihm die Worte, zu der Obrigkeit zu reden, und anstatt sich zu verteidigen, klagte er sie an, Christus getötet zu haben: ›Ihr, die ihr halsstarrig und an Herzen und Ohren unbeschnitten seid, ihr widerstrebt allezeit dem Heiligen Geist, wie eure Väter, so auch ihr –‹«

Onkel Richard grunzte laut auf, als sein Kopf im Schlummer gegen die Lehne fiel. Der Bruder meiner Mutter vertrug das deutsche Bier nicht und schlief oft nach dem Essen schon am Tisch ein. Zwei der Spielleute untersuchten kichernd ihre Ohren, ob sie wohl beschnitten seien, einer von ihnen zog gar ein kleines Messer, doch Frau Gertrudis vereitelte den Verstümmelungsversuch im Keim. Kopfschüttelnd steckte mein Beichtvater seine Nase wieder in den Pokal und verstummte. Abt Fulko bedachte ihn mit einem strengen Blick, weil er so leicht zum Schweigen zu bringen war. Vater sah unseren Kaplan stirnrunzelnd an, ließ sich aber durch dessen Verhalten nicht von seiner Unterredung mit Herrn Gerhard abbringen. Der Waffenmeister schmunzelte nur. Jeder am Tisch kannte Pater Arnoldus’ liebste Heiligenviten inzwischen auswendig und hätte nicht wenig dafür gegeben, einen neuen Märtyrer kennen lernen zu dürfen. Doch der Pater hatte seine eigenen Vorstellungen, was die christliche Unterweisung seiner Schäfchen anging. Unter dem Tisch knurrten sich zwei Hunde über den Knochen an. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie die Mägde in der Ecke tuschelten und kicherten, anstatt ihre Arbeit zu tun, aber ich hatte keine Lust, aufzustehen und sie zur Ordnung zu rufen. Dumme Gänse, sie würden ja doch nur auseinander flattern und in einer anderen Ecke Maulaffen feilhalten …

»Ich höre, du warst im Kerker, bei dem Wilddieb?«, wandte Vater sich an mich und strich seine Tunika glatt. Er war seit einiger Zeit dazu übergegangen, wie die Priester lange Kleider mit kostbar bestickten Obergewändern zu tragen. An diesen Anblick musste ich mich erst noch gewöhnen. »Der ehrwürdige Fulko traf dich vor dem Bergfried, wie er mir berichtete.«

»Ich habe Almosen verteilt. Mutter tat das auch immer um diese Zeit«, gab ich zur Antwort. »Ich werde für seine Seele beten. Er muss großen Hunger gehabt haben, dass er zu wildern wagte.« Vater murmelte darauf etwas von »Lumpenpack« und »Mundraub«, während er seinen Becher bis zum Rand mit Bier auffüllen ließ.

»Auch Hunger rechtfertigt das Wildern nicht.« Pater Arnoldus setzte wieder sein Gelehrtengesicht auf. Seine Nase glühte rot. »Schon der heilige Eligius von Noyen hat gesagt, dass Gott, der Allmächtige, alle Menschen reich erschaffen hätte können. Aber er wollte, dass es auf dieser Welt Arme gibt. Und die Armen mögen sich bescheiden mit dem, was die Reichen ihnen geben. Alles andere wird, wie Ihr wisst, Diebstahl genannt, meine Liebe.« Mit zwei Fingern steckte er sich einen Krümel Brot in den Mund und hob die Brauen. »Wie oft muss ich Euch noch ermahnen, dass Euch Kritik an der Ordnung des Allmächtigen nicht ansteht.«

»Ich kritisiere ja gar nicht –«

»Ihr erhebt Eure Stimme zu Dingen, zu denen ein Weib besser schweigt. Gottes Ordnung ist vollkommen. Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen, lehrt Paulus. Und ein Wilderer muss bestraft werden.« Der Pater reckte seine schmächtige Gestalt. »Ihr solltet Eure Gebete heute Abend besonders ernst nehmen, Fräulein Alienor. Man kann es Euch nicht häufig genug sagen: Gott sieht Euch, Er ist Zeuge all Eurer sündigen Worte und –«

»Na na, beruhigt Euch, Pater«, ermahnte Vater meinen Beichtvater gutmütig. »Sie wollte barmherzig sein, so lasst sie doch gewähren. Ihr seid manchmal ein wenig zu streng mit meiner Tochter. Und seine gerechte Strafe wird der Wilddieb schon erhalten, macht Euch da keine Sorgen. Wir klopfen ihn erst weich wie ein Stück Pökelfleisch, und dann …«

»Wusstest du eigentlich, dass er Normanne ist?«, unterbrach ich ihn, erleichtert, dass er des Paters Strafpredigt abgekürzt hatte, und ließ meinen Blick auf dem Tisch herumwandern auf der Suche nach einem weiteren leckeren Happen. Ein Löffelchen Grütze? Oder noch ein Stück Pastete?

»Normanne?« Vater beugte sich vor. »Woher weißt du das?« Ich entschied mich für einen Kanten Brot.

»Ich habe mit ihm gesprochen.«

»Du hast mit ihm gesprochen? Im Kerker? Was hat er gesagt?« Seine Stimme wurde hart. »Was hat er dir gesagt?«

»Nichts hat er gesagt. Nur einen Satz, und den sprach er, wie Mutter es immer getan hat.«

»Was sagte er? Was?«

»Er sagte: ›Deus vos bensigna‹. Mehr nicht.« Dame chière hatte er mich noch genannt. Liebe Dame. So ein Unsinn. Ich war keine Dame. Dame chière … Das brauchte Vater nicht zu wissen. Gedankenvoll zerpflückte ich das Brot. Wie er gestunken hatte, und seine Haare, so voller Läuse, und dann diese widerliche Ratte!

Ein Diener brachte einen Topf voll duftender Kochfleischstücke. Ich roch den Salbei, den ich im Frühsommer selbst getrocknet hatte, und all die anderen Kräuter – Hmm, verführerisch … Mit meinem Messer stach ich schwungvoll in ein rosiges Fleischstück, um es zu meinem Brot herüberzuheben, als Vater sein Schweigen brach.

»Lass es dir nur schmecken, mein Kind. Das Essen ist köstlich wie immer.« Ich sah auf. Mit zusammengekniffenen Augen hatte er mich beobachtet, lächelte aber, als er meinem Blick begegnete, und legte seine Hände sorgfältig übereinander. Unbehagen stieg in mir auf – ich kannte meinen Vater zu gut, um nicht zu ahnen, dass er irgendetwas im Schilde führte …

»Alienor, ich möchte dir etwas schenken!«

Hatte ich’s doch gewusst …

»Die Tatsache, dass mein Gefangener ein Normanne ist, eröffnet uns völlig neue Möglichkeiten. Völlig neue …« Er betrachtete seine Nägel einen Moment aufmerksam. »Ja. Völlig neue Möglichkeiten. Ich habe mir daher überlegt, den Mann nicht zu töten – ich werde ihn dir stattdessen schenken. Er soll dein Diener sein, und du magst über ihn verfügen, wie es dir beliebt.« Erwartungsvoll sahen seine kleinen schwarzen Äuglein mich an. »Nun?«

Das Fleischstück schwebte immer noch über dem Tisch. Ohne mich zu rühren, starrte ich ihn an. Hatte ich da gerade richtig gehört – er wollte mir diesen schmutzigen, blutverschmierten Riesen schenken? Einen halb toten Wilden, der obendrein nicht mal unserer Sprache mächtig war? Kaum mochte ich jetzt glauben, dass er Normanne war. Ich sah ihn wieder vor mir, stinkend, riesig, Furcht einflößend, wie ein Geschöpf des Waldes, vielleicht mit zauberischen Kräften ausgestattet, vielleicht ein Troll, der sich unter die Menschen verirrt hatte – ich roch den Gestank in der Zelle, sah im Geiste die Ratten, seine Augen, die im Licht der Fackel unheimlich schimmerten …

»Na, freust du dich denn gar nicht? Gleich morgen wird er den Kerker verlassen und dir bald zu Diensten sein. Ich hatte da an eine Vereinbarung gedacht …«

Meine Ahnung hatte mich also nicht getrogen. Vater verschenkte nie etwas, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Und nun war es ausgerechnet dieses Wesen, das kaum als Mensch zu erkennen war. Warum konnte er mir nicht einmal etwas schenken, was mir auch gefiel? Unwillig runzelte ich die Stirn und ließ das Fleischstück in den Topf zurückfallen. Mir war der Appetit vergangen.

»Ich will ihn nicht. Er macht mir Angst.«

Vater lachte gönnerhaft und prostete mir zu. »Er wird dir nichts tun, dafür sorge ich. Er wird ans Burgtor genagelt, wenn er –«

»Ich will ihn nicht!«

»Ihr könnt Eure Tochter doch nicht diesem Menschen anvertrauen! Einem Gottlosen, einem Verbrecher – Herr Albert, kommt zur Besinnung!«, bekam ich unerwartet Hilfe von meinem Beichtvater, der halb über dem Tisch hing, die hellen Augen entsetzt aufgerissen. »Bedenkt Euch noch einmal, Ihr –«

»Seid nicht albern, Pater, es geht doch nur um einen Diener.«

»Vater, ich will ihn nicht haben!«