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„Die Weihnachtsgeschichte: Bibel Reloaded“ lässt die bekannteste Erzählung der Welt in einem neuen Licht erstrahlen. Der Roman verbindet die zeitlosen Ereignisse rund um die Geburt Jesu mit lebendigen Details, eindringlichen Bildern und emotionalen Erzählsträngen. Von den Herausforderungen Marias und Josefs bis zur Reise der drei Weisen, die dem Stern folgen, um den neugeborenen König zu finden – jedes Kapitel lädt dazu ein, die Geschichte mit neuen Augen zu sehen. Durch die Begegnungen mit Hirten, Engeln und den drei Weisen werden zentrale Themen wie Glaube, Hoffnung und Liebe zum Leben erweckt. Die Figuren werden in einer lebendigen und greifbaren Weise dargestellt, die ihre Beweggründe, Konflikte und Hoffnungen eindrucksvoll spürbar macht. Ihre Suche wird zu einer tiefgehenden Allegorie für die universelle Sehnsucht nach Frieden und Sinn. Dabei bleibt die ursprüngliche Botschaft der Weihnachtsgeschichte erhalten: die Wunder des Göttlichen, die selbst in der Dunkelheit strahlen. Dieses Buch richtet sich an Leserinnen und Leser, die sich von klassischen Stoffen inspirieren lassen möchten, aber gleichzeitig nach neuen Perspektiven suchen. Ein Muss für alle, die Freude an Geschichten mit tiefer Bedeutung haben. Fans von historischen Romanen, biblischen Erzählungen und literarischen Neuinterpretationen werden begeistert sein. Ob als neue Entdeckung der Weihnachtsgeschichte oder als Geschenk, das Herz und Geist gleichermaßen berührt – dieses Buch ist für jeden geeignet. Mit einer bildhaften und atmosphärischen Erzählweise lässt der Autor die Zeit der biblischen Ereignisse lebendig werden. Dieses Buch ist eine Einladung, die Ursprünge des Weihnachtsfestes neu zu entdecken und die Botschaft dahinter zu erleben – ein Geschenk für Herz und Geist gleichermaßen.
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Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Maria
Zweites Kapitel: Elisabeth
Drittes Kapitel: Josef
Viertes Kapitel: Das Paar
Fünftes Kapitel: Der Himmel über Babylon
Sechstes Kapitel: Die Karawane
Siebtes Kapitel: Von Nazareth nach Bethlehem
Achtes Kapitel: Die Herberge
Neuntes Kapitel: Die Hirten
Zehntes Kapitel: Jerusalem
Elftes Kapitel: Herodes
Zwölftes Kapitel: Gold, Weihrauch und Myrrhe
Dreizehntes Kapitel: Der Traum
Impressum
Die Winde knarrt leise, während das Seil über sie gezogen wird, die Fasern reiben knirschend über das abgenutzte Holz. Langsam schwebt der Eimer nach oben, der Strang vibriert leicht in der warmen Luft, während das Wasser in der Tiefe des Brunnens leise plätschert. Die Steine um den Brunnenrand sind glatt und warm, vom stetigen Gebrauch abgenutzt, das Sonnenlicht lässt sie hell aufleuchten, während der Eimer im Dunkeln nur zu erahnen ist.
Eine Hand, schmal und doch kräftig, das Seil im festen Griff, zieht mit gleichmäßigem, ruhigem Zug, während die Winde bei jeder Drehung leicht ächzt. Die Haut der Hände ist gerötet von der Arbeit, doch die Finger bewegen sich mit der Gelassenheit eines vertrauten Rituals. Noch ein Zug und der Eimer taucht aus dem dunklen Brunnen auf, das Wasser darin schwappt sanft und spiegelt das Licht der Sonne wider.
Die Hände gehören einer jungen Frau, die sich mit geschmeidiger Leichtigkeit nach vorne beugt, als sie nach dem Eimer greift. Ihr schlanker Körper bewegt sich fließend, als wäre die Arbeit ein natürlicher Teil ihrer Anmut. Dunkle Haarsträhnen, vom Wind zerzaust, legen sich sanft über ihre Stirn, während ihre Haut im goldenen Sonnenlicht schimmert. Der Schweiß glänzt wie feine Perlen auf ihrer Haut, doch er scheint eher ihre Frische zu betonen als die Anstrengung der Hitze. Ein leichtes Lächeln umspielt ihre Lippen, warm und ruhig, es lässt ihre Augen aufleuchten hebt und ihre jugendliche Unbeschwertheit trotz der drückenden Hitze hervor.
Maria richtet sich auf, einen Krug neben sich bereit, um das klare Wasser hineinzufüllen. Die Sonne steht hoch am Himmel, sengend und die Hitze drückt auf ihre Schultern, doch in ihrem Herzen ist Leichtigkeit. Sie denkt an Josef. Ihr Verlobter wird bald wieder zu ihr kommen, mit seinem ruhigen Lächeln und den starken Händen, die sie oft beim Bau ihres Hauses beobachtet hat. Das Leben ist gut und die Zukunft liegt vor ihr wie ein offenes Buch, noch ungelesen, doch voller Verheißung.
Sie hebt den Eimer an den Rand des Brunnens, schüttet das frische, kühle Wasser in den Krug aus Ton und ihre Gedanken verbleiben bei Josef. Bald wird es so weit sein und sie werden einander das Ja-Wort geben. Josef arbeitet so hart, mit einer Hingabe, die sie jedes Mal aufs Neue bewundert. Ihr Herz schlägt schneller bei dem Gedanken, dass er schon bald ihr Ehemann sein wird. Sie kann es kaum erwarten, den Rest ihres Lebens mit ihm zu teilen, als seine Frau, in ihrem eigenen Heim. Ihre Augen leuchten im Licht der Sonne, alles scheint so einfach, so klar, die Hochzeit, das gemeinsame Leben, vielleicht Kinder, in einem Haus, das Josef mit seinen eigenen Händen gebaut hat. Der Gedanke daran erfüllt sie mit einer tiefen, friedlichen Freude, dann lässt sie den Eimer wieder zurück in den Brunnen fallen.
Doch in dem Moment, als sie den schweren Krug vom Rand des Brunnens heben möchte, regt sich etwas am Rande ihres Blickfelds. Sie hält inne, nimmt die Hände vom Krug, lässt ihn stehen und dreht besorgt den Kopf.
Ihr Blick schweift umher, doch zunächst kann sie nichts Ungewöhnliches erkennen. Sie runzelt die Stirn, mustert die Umgebung. Was war es, das sie in ihrer Arbeit unterbrochen hatte? Nur die weiten Felder unter der sengenden Sonne und das leise Rascheln des Windes in den Olivenbäumen. Maria runzelt die Stirn, unsicher, was sie genau gespürt hat. Sie will sich wieder dem Krug zuwenden, doch da, am Rande ihres Blickfelds, erfassen ihre Augen erneut eine Bewegung.
Diesmal ist es deutlicher. Ein Blinken und Blitzen aus dem Schatten der Bäume, so hell, dass es sie zwingt, die Augen zusammenzukneifen. Es scheint eine zweite Sonne zu sein, ein Licht, das zu strahlend ist, um es ertragen zu können. Marias Finger zittern, sie schwankt einen Schritt zurück, greift mit der Hand nach den stützenden Steinen des Brunnens, während das Licht beginnt sich zu verdichten und sich langsam zu einer Gestalt formt.
Ein Mann tritt aus dem gleißenden Licht hervor, doch es ist keiner der Männer, die sie aus Nazareth kennt. Er trägt die weite, lose Kleidung der Beduinen, aber sein Kopf ist unverhüllt, er trägt keinen Keffiyeh. Sein Gesicht ist makellos, seine Gestalt leuchtend und eine mystische Aura geht von ihm aus, die die Luft um ihn herum erfüllt. Das Licht um ihn herum schimmert wie flüssiges Gold und während er in aller Stille auf sie zukommt, scheint die Welt selbst in Ehrfurcht zu verharren.
Maria weicht unwillkürlich einen Schritt zurück, ihre Hand auf ihre Brust gelegt, das Herz rast. Wer ist dieser Fremde? Sie spürt, wie ihr Mund Worte formt, doch eine lähmende Stille hat sich über den Platz gelegt, eine Stille, die jedes Geräusch unhörbar macht.
Der Mann lächelt nicht, doch seine Augen strahlen Frieden aus, als ob es die Welt um ihn herum nicht gäbe. Schließlich spricht der Fremde und seine Stimme klingt klar und hell, schwebt greifbar durch die Stille. „Fürchte dich nicht, Maria,“ sagt er mit einer Sanftheit, die sie durchdringt. „Denn du hast Gnade bei Gott gefunden.“
Ihre Knie zittern. „Wer seid ihr?“ Ihre Stimme ist kaum ein Flüstern. Der Fremde, dessen Gesicht so hell ist, neigt den Kopf leicht. „Ich bin Gabriel, gesandt von Gott.“ Maria taumelt einen weiteren Schritt rückwärts, ihr Herz hämmert in ihrer Brust. Die Worte des Engels hallen in ihrem Innern wider, so klar, so stark, dass sie ihren Körper erschüttern.
Und so werden ihre Knie weich, als sie seinen Namen auf ihren Lippen formen will – Gabriel. Der Engel Gottes. Sie versucht, tief durchzuatmen, doch ihre Brust hebt sich kaum. Es fühlt sich an, als wäre die Luft um sie herum schwer geworden, zu schwer, um sie einzuatmen.
Gabriel blickt sie an, ruhig und sanft. „Gott hat dir große Gnade erwiesen“, fährt er fort, „du wirst ein Kind empfangen und einen Sohn gebären. Du sollst ihm den Namen Jesus geben. Er wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden. Der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben und er wird über das Haus Jakobs herrschen ewiglich. Sein Reich wird kein Ende haben.“ Maria steht still, doch in ihr tobt ein Sturm. Die Worte des Engels sind zu groß, zu unglaublich, um sie sofort zu fassen. Ein Kind? Ein Sohn? In ihr? Sie atmet schwer, als sie versucht, die Bedeutung dessen zu verstehen. „Wie kann das sein?“, fragt sie schließlich, ihre Stimme kaum mehr als ein Zittern, sie sucht Halt in ihrer Jungfräulichkeit.
Gabriel zeigt ein Lächeln, das sanft und beruhigend ist. „Der Heilige Geist kommt über dich und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten“, sagt er und die Worte hallen durch die Weite um sie herum, sie dröhnen in ihren Ohren. „Deshalb wird auch das Heilige, das durch dich geboren wird, Sohn Gottes genannt werden.“
Marias Gedanken rasen. Ein Kind. Es klingt unmöglich und doch, vor ihr steht der Engel, strahlend wie das Licht selbst und sein Blick ist voller Gewissheit. Marias Atem stockt und sie spürt, wie ein tiefes Wissen in ihr erwacht. Etwas, das sie vorher nicht wusste, das aber immer da gewesen zu sein scheint.
„Siehe,“ fährt Gabriel fort, „auch deine Verwandte Elisabeth, die unfruchtbar genannt wurde, hat in ihrem Alter einen Sohn empfangen. Denn bei Gott ist nichts unmöglich.“
Maria spürt, wie die Worte tief in ihr widerhallen. „Bei Gott ist nichts unmöglich.“ Ihr Verstand ringt noch mit dem, was er ihr gesagt hat, aber in ihrem Herzen spürt sie, dass es wahr ist. Es gibt keinen Zweifel. Es ist Gottes Wille. Sie atmet tief ein, das Zittern in ihren Fingern lässt nach und sie fühlt eine unerwartete Ruhe in sich aufsteigen. In ihrem Herzen spürt sie eine tiefe Gewissheit. Sie hebt den Kopf, ihre Augen glänzen feucht im Licht des Engels. „Ich bin die Magd des Herrn“, sagt sie leise, aber fest. „Mir geschehe, wie du es gesagt hast.“
Für einen Moment fühlt sie nur Ruhe. Der Wille Gottes ist klar und in ihrer Brust spürt sie jetzt Erleichterung und Frieden. Dann, als sie die Augen hebt und den Blick des Engels auf sich gerichtet sieht, trifft sie ein anderer Gedanke. Josef. Wie soll sie ihm erklären, was geschehen ist? Ein Sturm bricht aus in ihrem Kopf, ein Durcheinander von Befürchtungen und Gefühlen, die sich überschlagen. „Wie wird er reagieren? Was wird die Stadt sagen? Wird er sie verstoßen?“ Die Fragen schießen wie Pfeile durch ihr Bewusstsein, der Boden unter ihren Füßen scheint zu schwanken.
Ihre Hände greifen nach dem Brunnenrand, die Welt um sie herum beginnt zu verschwimmen, ihr Herz schlägt unregelmäßig und das Chaos in ihrem Kopf tobt. „Ich kann nicht...“, flüstert sie im Protest, aber die Worte verhallen. Die Gedanken an Josef, die Angst vor der Zukunft, die Macht des Wunders, es wird alles zu viel. Ihre Knie geben nach, sie spürt, wie der Boden sich ihr entgegenneigt, spürt, wie die Dunkelheit anfängt, sie zu verschlingen.
Im Augenwinkel sieht sie das Licht des Engels hell flackern, doch die Dunkelheit hat sie fast erreicht. Gabriel rührt sich nicht, seine Augen voller Frieden, während Maria in einer letzten verzweifelten Bewegung versucht, Halt an den festen Steinen der Brunnenumfassung zu finden, vergeblich, von ihren Kräften verlassen bricht sie zusammen.
Kein Wort kommt über die Lippen des Engels, kein Ausdruck der Sorge verdunkelt sein Gesicht. Denn er weiß, dass alles, was geschehen solle, bereits geschehen ist. Das Licht um ihn verblasst langsam, bis es nur noch ein flüchtiger Glanz ist, der sich mit der Sonne vermischt. Dann ist er fort.
Ein warmer Windhauch streift sanft über ihr Gesicht, Maria kommt verwirrt zu sich und blinzelt. Sie spürt den rauen Boden unter sich, die kleinen, warmen Kiesel, die sich in ihre Haut drücken. Langsam öffnet sie die Augen, das Licht der Sonne blendet sie, sie muss sich für einen Moment orientieren. Das erste, was sie bemerkt, ist der Brunnen, nur wenige Schritte von ihr entfernt. Der schwere Krug liegt umgekippt auf dem Boden am Rand des Brunnens, das Wasser hat sich in den Sand ergossen und eine dunkle Spur hinterlassen.
Eine vertraute Stimme durchbricht die Stille. „Maria, bist du in Ordnung?“ Es ist eine Frau aus dem Dorf, die auf sie zugelaufen kommt, ihre Augen vor Sorge geweitet. Maria spürt, wie sie sanft am Arm berührt wird, die Hände der Frau streichen besorgt über ihre Stirn.
Maria setzt sich langsam auf, der Kopf fühlt sich schwer an, das Bild von Gabriel, das blendende Licht, ist noch lebendig in ihren Gedanken. Sie öffnet den Mund, will etwas sagen, aber die Worte bleiben ihr im Hals stecken. Was war gerade passiert? Wer würde ihr glauben? Mit einer Mischung aus Entsetzen und Vorfreude fasst sie sich intuitiv mit der Hand an den Bauch.
„Du bist wohl gestürzt“, sagt die Frau und hilft ihr auf die Beine. Maria schwankt, ihre Knie fühlen sich immer noch weich an. Ihre Augen schweifen über die Felder, den Olivenhain, die ruhige Landschaft, als hätte sich nichts verändert. Doch in ihr tobt ein Wirbelsturm.
„Nein, ich...“, beginnt sie zögernd und hebt zitternd eine Hand, deutet in die Richtung, aus der Gabriel erschienen ist. „Da... von da kam jemand auf mich zu.“
Die Frau folgt ihrem Blick, runzelt die Stirn und schaut in die Ferne. Der Sand ist unberührt, sie sieht keine Anzeichen dafür, dass dort jemand gewesen ist. „Da?“ fragt sie verwundert. „Aber es sind keine Spuren im Sand.“
Maria starrt auf den sandigen Boden, als ob sie den Augenblick erneut durchleben wolle. Ihr Herz schlägt schneller, doch sie lässt ihr Geheimnis darin verborgen, es ist nur für sie selbst. Sie spürt, dass es keinen Sinn hat, mehr zu sagen. Nicht jetzt. Nicht so.
„Es... es war nichts“, flüstert sie schließlich und senkt den Blick. Sie schüttelt den Kopf, als wollte sie die letzten Reste des Erlebten von sich abwenden. „Ich war wohl nur... erschöpft.“
Die Frau nickt, doch in ihrem Gesicht bleibt ein Ausdruck des Zweifels. Sie wirft noch einen letzten Blick auf die unberührte Sandfläche, dann hilft sie Maria, den Krug aufzuheben. „Es ist heiß“, murmelt sie, „der Krug voll Wasser ist schwer, vielleicht hast du dich überlastet. Komm, ich bringe dich nach Hause.“
Maria lässt sich führen, sie spürt, dass sie ihre Geschichte für sich behalten muss. Sie atmet tief ein, als sie sich noch einmal verstohlen in die Richtung umdreht, aus der der Engel erschienen war. Der Sand liegt still und ruhig und gibt sein Geheimnis nicht preis.
Maria steht vor der dunklen Holztür, die sich in die grob verputzte Mauer schmiegt. Ihr Herz schlägt schneller, als sie ihre Hand hebt und leise an das raue Holz klopft. Die Erleichterung über das Ende der beschwerlichen Reise mischt sich mit einer sanften Vorfreude. Endlich würde sie Elisabeth sehen, endlich würde sie mit jemandem sprechen, der verstehen könnte, was mit ihr geschehen ist. Die Luft ist schwer und warm und ein flüchtiger Windhauch trägt den Duft der Olivenbäume, die auch in dieser Gegend so zahlreich sind, zu ihr herüber.
Das Knarren der Tür lässt sie zusammenzucken. Langsam, viel zu langsam, öffnet sie sich. Dahinter steht ein Mann, für einen Moment muss Maria blinzeln. Sie erkennt ihn nicht sofort. Sein Gesicht ist von tiefen Furchen durchzogen, die Sorgen und Zweifel in seine Züge gegraben haben. Er starrt sie an, als würde er sie nicht sehen, als wäre er fern obwohl er so nah vor ihr steht. Keine Begrüßung, kein Lächeln, nur Stille, bedrückend und schwer.
„Zacharias?“ fragt Maria leise, doch ihre Stimme klingt zu laut in der erdrückenden Stille. Der Mann reagiert nicht. Sein Blick bleibt auf ihr ruhen, leer und unergründlich. Maria spürt, wie ihr Herz schneller schlägt, irgendetwas stimmt nicht.
Ohne ein Wort zu sagen, stößt Zacharias stößt die Tür auf, dreht sich um und zieht sich ein paar Schritte in die Dunkelheit des Hauses zurück, die ihn fast verschluckt. Maria tritt aus dem strahlend hellen Tag zögerlich in das Zwielicht des kühlen Hauses ein. Es ist nicht das fröhliche, erleuchtete Heim, das sie erwartet hatte. Der Mann weicht vor ihr zurück, ihre Schritte hallen leise auf dem steinernen Boden wider, als sie ihm durch den düsteren Flur folgt.
Die Anspannung in ihrer Brust wächst, die Vorfreude und Erleichterung, die sie eben noch gefühlt hat, verblassen. Etwas stimmt nicht, doch Maria kann es nicht genau benennen. Ihr Blick hängen an Zacharias, der sie mit langsamen und schweren Schritten schweigend durch den Flur führt.
Dann, am Ende des Flurs, eine Tür. Er öffnet sie geräuschlos und tritt einen Schritt zurück. Maria tritt angespannt näher, wagt es nicht, ihm zu nahe zu kommen und lugt um die Ecke in den Raum hinein. Elisabeth! Maria spürt, wie ihre Anspannung nachlässt, als sie ihre Verwandte erblickt. Doch nur für einen Moment, denn auch Elisabeth wirkt anders. Ihre Augen, die Maria früher immer strahlend in Erinnerung hatte, sind jetzt tief und müde, aber in ihnen liegt ein Glimmen, ein Funken, den Maria nicht deuten kann.
Trotz des befremdlichen Eindrucks, den Elisabeth hinterlässt, lässt Maria nun ihrer Erleichterung freie Lauf. Ohne zu zögern eilt sie an Zacharias vorbei, überwindet sie die wenigen Schritte, die sie von ihrer Verwandten trennen und schließt sie fest in die Arme. All die Sorgen und Ängste, die sich in ihr angestaut haben, scheinen für einen Moment zu weichen. Das Gefühl der Nähe und Vertrautheit beruhigt sie, die unerwartete Stille des Hauses ist für diesen Moment vergessen.
Maria steht dicht vor Elisabeth, sie halten sich an den Händen fest, noch ganz in dem Moment des Wiedersehens vertieft, die Gesichter nah beieinander. Plötzlich zuckt Elisabeth zusammen und lässt einen leisen Ruf des Erschreckens erklingen, ihre Hände löst sich, die Maria so viel Trost gaben. Elisabeths Hände legt sich schützend auf ihren Bauch, ihre Augen weiten sich. „Das Kind...“ flüstert sie, ihre Stimme bebt leicht. „Es ist... es ist gehüpft vor Freude, Maria.“ Elisabeths Gesicht verändert sich, als ob sie plötzlich etwas Erhabenes erkennt, eine Wahrheit, die ihr bisher verborgen blieb. Für einen Augenblick stehen sie sich einfach nur gegenüber, beide Frauen, die ein unfassbares Geheimnis teilen, das ihnen gleichzeitig Angst und Hoffnung schenkt. Das Hüpfen des Kindes, so unscheinbar und doch so kraftvoll, bringt die Wahrheit mit einer Wucht, die Maria den Atem nimmt.
Maria spürt, wie sich etwas in ihrem Bewusstsein verändert hat, ein Moment des tiefen Verstehens. Nun legt sie eine Hand auf den Bauch ihrer Verwandten, unsicher, was geschehen ist, aber wissend, dass es etwas Bedeutendes ist.
Zacharias, hinter der offenen Tür stehend, sich durch die Deckung des Türrahmens schützend, hat die Szene still beobachtet. Er hat erkannt, was geschehen ist. Er sieht Elisabeths Augen, ihre plötzlich aufkommende Freude und das Wunder in ihrem Bauch. Dann nickt er zufrieden. Sein stummes Nicken sagt alles, er versteht, dass dies Teil des göttlichen Plans ist. Ohne ein weiteres Zeichen dreht er sich um, schließt leise die Tür und lässt die beiden Frauen allein. Das Wissen, das er brauchte, hat er nun erhalten.
Die beiden Frauen sind nun ganz bei sich in diesem Raum, die Stille, die zuvor bedrückend wirkte, ist nun erfüllt von einer tiefen, freudvollen Bedeutung.
Diese Stille schafft den Raum für die Erkenntnis, die jetzt unaufhaltsam in beiden Frauen emporsteigt. Maria sieht Elisabeth an, ihre Augen treffen sich und ohne, dass ein Wort gesprochen wird, wissen sie beide: Es ist wahr. Alles. Die Begegnung mit Gabriel, die Verkündigung, das göttliche Wunder in ihnen. In diesem Moment gibt es keine Zweifel mehr. Was sie über die vergangenen Tage so sehr in Atem gehalten hat, was sie zerrissen und voller Fragen zurückgelassen hat, ist Wirklichkeit. Und nun, hier in Elisabeths Gegenwart, fühlt Maria sich zum ersten Mal verstanden – wirklich verstanden.
Elisabeths Gesicht ist eine Mischung aus Erstaunen und tiefer Erkenntnis. Marias Herz schlägt schneller, aber es ist kein unruhiger Schlag mehr. Eine neue Art von Ruhe legt sich über sie, als ob sich ein Knoten in ihrem Innern langsam auflöst. Sie atmet tief ein, ihre Finger zittern sich in die Entspannung. Die Belastung der vergangenen Tage, die langen Nächte voller Zweifel, schmelzen in dieser Erkenntnis dahin: Sie ist nicht allein.
Maria wagt es kaum, den Gedanken zu fassen, aber sie spürt es, das Wunder, das in ihnen beiden lebt, ist kein Geheimnis mehr, das ganz alleine ihre Brust einengt. Elisabeth kennt es auch, sie versteht es. Eine tiefe Erleichterung macht sich in Maria breit und sie schließt für einen Moment die Augen, um die innere Stille in sich aufzunehmen. Es ist, als ob ein schwerer Nebel sich hebt und der helle Schein des Lichts bis auf den Boden durchbricht. Sie ist nicht allein und Elisabeth ist nicht allein. Ihrer beiden Leben, die plötzlich so anders geworden sind, sind Teil eines göttlichen Plans, der größer ist als ihre Ängste.
Beide Frauen sagen nichts, denn Worte wären in diesem Moment zu wenig. Maria spürt die Nähe zu Elisabeth, die nicht mehr nur ihre Verwandte ist, sondern ihre Schwester im Geiste, eine Verbündete in einem Wunder, das sie beide verändert hat. Die Last, die sie getragen hat, wird leichter, weil sie sie nun nicht mehr allein tragen muss.
Dann brechen beide Frauen gleichzeitig in ein erleichtertes Lachen aus. Es ist ein Lachen, das all die Anspannung und Angst der letzten Tage löst, das sich in freudvoller Erleichterung entlädt.
Ohne ein weiteres Wort fallen sie sich erneut in die Arme, doch diesmal ist die Umarmung nicht von Unsicherheit oder Angst begleitet, sondern von reiner Freude und tiefer Verbundenheit. Sie halten sich fest, stützen sich gegenseitig, als würden sie ihre neu gewonnene Stärke miteinander teilen. Die Leichtigkeit des Augenblicks trägt sie beide und sie fühlen die Nähe, die aus der gemeinsamen Erfahrung eines göttlichen Wunders erwächst.
Langsam lassen sie sich auf den Boden sinken, ihre Bewegungen sind fast synchron, als ob sie sich ohne Worte absprechen würden. Unter ihnen liegen einfache Matten aus gewebtem Stoff, die den kalten Steinboden bedecken. Während sie sich niederlassen, stützen sie einander, ihre Hände finden Halt an Armen und Schultern, das Gefühl der Nähe verstärkt sich immer mehr.
Maria sitzt dicht neben Elisabeth, ihre Knie berühren sich leicht. Sie spüren beide die Wärme des anderen, als sie nebeneinandersitzen, die gemeinsame Stütze in diesem Moment der inneren Ruhe. Ihre Atemzüge gleichen sich an und sie wissen, dass sie diesen Weg, so beschwerlich er auch noch werden mag, nicht mehr allein gehen müssen.
Plötzlich kommt ihre entspannte Ruhe zu einem abrupten Ende –durch einen plötzlichen Strom von Fragen und Worten, der aus beiden Frauen gleichzeitig hervorquillt. Elisabeth lehnt sich leicht vor und stößt in einem Atemzug hervor: „Maria, warum bist du hier? Was hat dich so plötzlich zu mir gebracht?“ Ihre Stimme ist voller Neugier, doch ohne eine Antwort auch nur zu versuchen, entlädt sich Marias Glück in eigenen Fragen. „Warum hat Zacharias nicht mit mir geredet?“ Marias Augen weiten sich, als sie die Worte ausspricht. „Ist er krank? Was ist geschehen?“
Immer mehr Fragen fliegen hin und her, aber nicht aus der Vernachlässigung des anderen, sondern aus purer Dringlichkeit und dem Bedürfnis, endlich Klarheit zu bekommen. Beide reden gleichzeitig weiter, ihre Stimmen überschneiden sich in einem freudigen, aufgeregten Durcheinander, als sich die Fragen häufen. „Wie fühlt es sich an, Mutter zu werden?“ – „Was ist mit deinem Mann passiert?“ – „Was hast du erlebt?“ – „Was hast du gesehen?“
Dann, plötzlich, wird ihnen das Chaos bewusst. Ihre Augen treffen sich, für einen Moment verstummen beide, ihre Worte hängen unvollendet in der Luft. Sie starren sich an und dann, ohne Vorwarnung, brechen beide wieder in Lachen aus. Es ist ein Lachen, das aus der reinen Freude über die Nähe der jeweils anderen geboren wurde. Sie wissen beide, dass es viel zu sagen gibt, viel zu erklären, doch in diesem Moment ist es die Erleichterung, die sie sich dem Lachen hingeben lässt.
„Du zuerst,“ sagt Maria atemlos, ihre Augen funkeln. Doch bevor Elisabeth antworten kann, hebt auch sie die Hand. „Nein, du zuerst.“
„Nein, wirklich, du solltest anfangen,“ entgegnet Maria und das freundliche Hin und Her setzt sich fort, bis beide wieder in eine Mischung aus Lachen und Worten versinken. Das Chaos ist glücklich, sie wissen, dass sie die Zeit haben, all ihre Fragen zu klären, zusammen, ohne Eile, in dem Wissen, dass sie jetzt nicht mehr allein sind.
Elisabeth holt tief Luft, ihre Hände ruhen auf ihrem Bauch, sie wirft Maria einen kurzen, nachdenklichen Blick zu, bevor sie zu sprechen beginnt. „Es ist... schwer in Worte zu fassen,“ sagt sie leise und ihre Stimme zittert leicht. „Es war vor vier Tagen, als Zacharias ins Heiligtum ging, um zu opfern.“
Maria nickt leicht, sie spürt die Spannung in der Stimme ihrer Verwandten und weiß, dass etwas Besonderes kommen wird. Vor vier Tagen! An genau dem Tag, als sie ihre Begegnung mit Gabriel hatte.
„Er war so lange dort,“ fährt Elisabeth fort. „Und dann, als er zurückkam konnte er nicht mehr sprechen. Ich wusste nicht, was geschehen war. Er hat mich nur angesehen, aber es war kein Blick, den ich jemals zuvor gesehen hatte. Da war Wissen in seinen Augen, etwas, das ich nicht verstehen konnte. Er versuchte, mir mit Gesten zu erklären, was passiert ist.“
„Gesten?“ fragt Maria, ihre Augen weiten sich. „Was hat er dir gezeigt?“
Elisabeth lächelt schwach. „Es war schwer, ihn zu verstehen. Zuerst dachte ich, er hätte sich im Tempel verletzt, aber dann deutete er immer wieder auf seinen Mund und zeigte auf den Himmel. Ich konnte es nicht sofort begreifen. Doch dann, es war, als hätte ich eine Eingebung. Ich spürte plötzlich, dass in mir etwas wuchs. Ein Kind.“
„Ein Kind?“ flüstert Maria, ihre Hand gleitet unwillkürlich zu ihrem eigenen Bauch.
„Ja,“ sagt Elisabeth und sieht sie an, ihre Augen glänzen, sie hatte die Bewegung Marias Hand bemerkt. „Ich wusste es in dem Moment, als ich es spüren konnte. Es war, als ob ich von einer unsichtbaren Kraft geführt wurde. Zacharias konnte es mir nicht sagen, aber ich fühlte es. Der Herr hat mich mit einem Sohn gesegnet, Maria.