Die weiße Festung - Orhan Pamuk - E-Book

Die weiße Festung E-Book

Orhan Pamuk

3,0

Beschreibung

Ein junger Venezianer wird in die Türkei entführt, um dort einem Schriftgelehrten zu dienen. Die beiden ähneln sich auf nahezu unheimliche Weise und der Herr ist begierig, von seinem Diener mehr über die Kultur, die Erfindungen und die erworbenen Kenntnisse des Abendlands zu erfahren. Nach den absonderlichsten gemeinsamen Erfindungen und einem vergeblichen Feldzug des Sultans trennen sich nach vielen Jahren ihre Wege - einer kehrt nach Venedig zurück, der andere in die türkische Provinz ... Ein Roman über das Zusammentreffen zweier Kulturen im Istanbul des 17. Jahrhunderts.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 276

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
3,0 (14 Bewertungen)
1
4
4
4
1
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Hanser E-Book

Orhan Pamuk

Die weiße Festung

Roman

Aus dem Türkischenvon Ingrid Iren

Carl Hanser Verlag

Die türkische Originalausgabe erschien 1985unter dem Titel Beyaz kale bei Can Yayınları in Istanbul.

Die Übersetzung wurde vom Kulturkreisim Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.,Köln, angeregt und gefördert.

Dieses Buch erschien erstmals 1990 im Insel Verlag und wurde für die vorliegende Ausgabe durchgesehen.

ISBN: 978-3-446-25235-6

© İletiş im Yayıncilık A.Ş.

Alle Rechte der deutschen Ausgabe:

© Carl Hanser Verlag München Wien 2005/2016

Schutzumschlaggestaltung: Peter-Andreas Hassiepen, München unter Verwendung einer französischen Buchmalerei, um 1400, © AKG, Berlin

Unser gesamtes lieferbares Programm und viele andere Informationen finden Sie unter www.hanser-literaturverlage.de

Erfahren Sie mehr über uns und unsere Autoren auf www.facebook.com/HanserLiteraturverlage oder folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/hanserliteratur

Datenkonvertierung E-Book: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Für Nilgün Darvinoğlu(1961–1980)ein guter Mensch,eine gute Schwester

Sich vorzustellen, daß eine Person, die uns interessiert, Zugang hat zu einer unbekannten Lebensweise, die ihres Mysteriums wegen für uns um so attraktiver ist; zu glauben, daß wir zu leben beginnen werden nur durch die Liebe dieser Person – was anderes ist dies als die Geburt einer großen Leidenschaft?!

Marcel Proust nach einerFehlinterpretation vonY. K. Karaosmanoğlu

Einführung

Dieses Manuskript fiel mir 1982 in die Hände. Ich fand es tief am Boden einer mit Verordnungen, Grundbucheinträgen, Gerichtsakten und amtlichen Registern vollgestopften staubigen Truhe, als ich, wie jeden Sommer, für zwei Wochen in dem verrotteten »Archiv« des Landratsamtes Gebze herumstöberte. Da das Manuskript einen traumhaften, blauen ebruverzierten Einband hatte, gut leserlich geschrieben war und zwischen den verschossenen Amtspapieren hervorleuchtete, erregte es sofort meine Aufmerksamkeit. Eine vermutlich fremde Hand hatte, wie um meine Neugier zu steigern, auf die erste Seite einen Titel gesetzt: »Steppdeckenmachers Stiefkind«. Weitere Überschriften gab es nicht. Ich las das Buch sofort mit großem Vergnügen. Auf freie Stellen der Seiten hatte eine Kinderhand Männchen mit winzigen Köpfen in dichtgeknöpften Kleidern gemalt. Das Manuskript gefiel mir sehr, doch da ich zu faul war, es zu kopieren, mißbrauchte ich das Vertrauen des Amtsdieners, der mich aus Respekt unbeaufsichtigt ließ, und stahl es aus diesem Abfallhaufen, den nicht einmal der junge Landrat noch als »Archiv« bezeichnen konnte, indem ich es kurzerhand in meine Tasche stopfte.

Zuerst wußte ich mit dem Buch nicht viel mehr anzufangen, als es wieder und wieder zu lesen. Da Geschichte für mich noch etwas Zweifelhaftes war, interessierte ich mich weniger für den wissenschaftlichen, kulturellen, anthropologischen, ja, schlechthin »historischen« Wert des Manuskripts als vielmehr für die Erzählung an sich. Und das führte mich natürlich zu dem Verfasser der Erzählung. Da wir, meine Freunde und ich, die Universität hatten verlassen müssen, war ich auf den Beruf meines Großvaters, eines Enzyklopädikers, verfallen. Damals kam mir der Gedanke, einen Paragraphen über den Verfasser des Buches in der »Enzyklopädie bekannter Persönlichkeiten« unterzubringen, für deren historischen Teil ich verantwortlich war.

So habe ich dann jene freien Stunden, die die enzyklopädische Tätigkeit und der Alkohol mir ließen, dieser Arbeit gewidmet. Aus den einschlägigen Quellen der Periode ersah ich sofort, daß manche der in der Erzählung geschilderten Ereignisse wohl kaum der Wahrheit entsprechen konnten. So war in den fünf Jahren Amtszeit Köprülüs als Großwesir in Istanbul zwar ein großer Brand ausgebrochen, doch für eine größere Seuche, besonders wie die im Buch beschriebene, lagen keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Namen einiger Wesire dieser Periode waren falsch geschrieben, manche miteinander verwechselt, andere sogar ganz geändert worden. Was die Namen der Sterndeuter betraf, so stimmten sie nicht mit denen in der Serail-Registratur überein, doch mit Rücksicht auf die Bedeutung, die gerade diesem Punkt innerhalb des Buches zukam, ging ich darüber hinweg. Andererseits wurden die geschilderten Ereignisse im allgemeinen durch unser »historisches Wissen« bestätigt. Sogar im kleinsten Detail erkannte ich manchmal diese »Richtigkeit«, denn die Hinrichtung des Sterndeuters Hüseyin Efendi oder auch die Hasenjagd Mehmets IV. in der Umgebung des Mirahor-Schlößchens z.B. sind bei Naima in ähnlicher Weise beschrieben. Ich erwog auch die Möglichkeit, daß der Autor, dem Lesen und Wunschträumen offensichtlich besonders gelegen hatten, für seine Geschichte diese Art von Quellen sowie etliche andere Bücher herangezogen und ihnen so manches entnommen haben könnte. Vielleicht hatte er nur die Schriften von Evliya Çelebi, den er zu kennen vorgab, gelesen. Dann aber meinte ich wieder, an anderen Beispielen zu sehen, das Gegenteil könnte zutreffen, und versuchte mich an die Hoffnung zu klammern, daß ich die Spur des Verfassers meiner Geschichte doch noch finden würde, aber meine Nachforschungen in den Istanbuler Bibliotheken enttäuschten diese Erwartungen. Ich entdeckte keine einzige Abhandlung und kein einziges Buch, die zwischen 1652 und 1680 erschienen und Mehmet IV. gewidmet waren, weder unter den Beständen des Topkapi-Serails noch in irgendeiner der anderen Bibliotheken, auf die sie meiner Ansicht nach hätten verstreut sein können. Lediglich auf einen Hinweis stieß ich: Andere Werke des in der Erzählung erwähnten »linkshändigen Kalligraphen« befanden sich in diesen Bibliotheken. Eine Zeitlang ging ich der Sache nach, doch schließlich wurde mir das alles zuviel. Die Antworten der von mir mit Briefen überhäuften italienischen Universitäten waren entmutigend. Meine Nachforschungen auf den Friedhöfen von Gebze, Cennethisar und Üsküdar nach dem Namen des Autors, der aus dem Buch selbst hervorging, ihm aber nicht vorangestellt war, blieben ebenfalls ohne Erfolg. So gab ich die Spurensuche auf und schrieb den Paragraphen für die Enzyklopädie aufgrund der Geschichte selbst. Wie ich befürchtet hatte, wurde er nicht gedruckt, doch nicht etwa wegen des fehlenden wissenschaftlichen Nachweises, sondern weil die beschriebene Person zu unbekannt war.

Vielleicht wurde dadurch meine heftige Liebe zu dem Buch gesteigert. Einmal dachte ich sogar daran zu kündigen, doch ich hing an meiner Tätigkeit und an meinen Freunden. So kam es, daß ich meine Geschichte eine Zeitlang jedem, der mir begegnete, voll Begeisterung erzählte, als hätte ich sie nicht gefunden, sondern erfunden. Um das Interesse zu mehren, sprach ich von ihrem symbolischen Wert, sagte, sie berühre im Grunde genommen unsere heutige Wirklichkeit, ich hätte unsere Gegenwart erst durch diese Geschichte verstanden und dergleichen mehr. Die jungen Leute, die sich eigentlich eher für Themen wie Politik, Gewalt, Orient und Westen und Demokratie interessierten, wurden zwar aufmerksam, doch, wie meine Trinkgenossen, hatten auch sie nach kurzer Zeit die Geschichte wieder vergessen. Ein befreundeter Professor, der auf mein Drängen hin das Manuskript durchgesehen hatte, meinte bei der Rückgabe, in den Holzhäusern der Gassen von Istanbul gebe es Zehntausende von Handschriften, die vollgepackt seien mit Geschichten dieser Art. Falls die Bewohner sie nicht im Glauben, es sei der Koran, hoch oben auf einen Schrank geschoben hätten, würden sie Seite um Seite herausreißen und den Ofen damit heizen.

So beschloß ich, ermutigt auch von einem bebrillten Mädchen mit ewig brennender Zigarette in der Hand, diese Erzählung, die ich immer und immer wieder gelesen hatte, zu veröffentlichen. Um einen besonderen Stil habe ich mich beim Übertragen des Buches nicht bemüht, wie der Leser sehen wird. Wenn ich ein, zwei Sätze des vor mir auf einem Tisch aufgeschlagenen Manuskripts gelesen hatte, ging ich in ein anderes Zimmer, wo ich an einem anderen Tisch in heutigen Worten sinngemäß zu Papier zu bringen versuchte, was mir im Gedächtnis haftengeblieben war. Der Titel des Buches stammt nicht von mir, sondern wurde von dem Verlag bestimmt, der sich zur Veröffentlichung bereit erklärte. Vielleicht wird sich, wer die voranstehende Widmung liest, fragen, ob sie von besonderer Bedeutung ist oder nicht. Nun, alle Dinge in wechselseitiger Beziehung miteinander zu sehen ist wohl die Krankheit unserer Tage. Da auch ich von dieser Krankheit befallen bin, veröffentliche ich diese Geschichte.

Faruk Darvinoğlu

I.

Von Venedig nach Neapel ging unsere Fahrt, als wir von türkischen Schiffen aufgebracht wurden. Wir hatten nur drei Schiffe, bei ihren aus dem Nebel auftauchenden Galeeren aber war kein Ende abzusehen. Sogleich herrschten Furcht und Verwirrung an Bord, unsere Ruderer, Türken und Maghrebiner zumeist, stießen Freudenschreie aus, unser Gleichmut versagte. Wie die anderen beiden, so wandte auch unser Schiff den Bug landwärts nach Westen, doch beschleunigten wir nicht, wie sie, unsere Fahrt. Unser Kapitän fürchtete die Bestrafung, sollte er sich ergeben müssen, und so zögerte er, die Rudersklaven mit der Peitsche antreiben zu lassen. Viele Male dachte ich später daran, daß die Feigheit unseres Kapitäns mein ganzes Leben verändert hatte.

Heute aber meine ich, in Wirklichkeit hätte sich mein Leben wohl damals verändert, wenn unser Kapitän nicht von dieser kurzwährenden Feigheit befallen worden wäre. Die meisten Menschen wissen, daß nichts im Leben vorherbestimmt ist, daß in der Tat alle Begebenheiten nichts weiter sind als eine Kette von Zufällen. Dennoch beurteilen auch die Wissenden jene wie zufällig erlebten Dinge als notwendige Fügung, wenn sie Rückschau halten in einer Phase ihres Lebens. Auch für mich trifft das zu: Jetzt, während ich versuche, hier an einem alten Tisch mein Buch zu schreiben und mir die Farben der im Nebel so gespenstisch auftauchenden türkischen Schiffe vorzustellen, jetzt, denke ich, ist die rechte Zeit gekommen, um meine Geschichte von Anfang bis Ende aufzuzeichnen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!