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Zum Ursprung des Christentums: Text, Kontext, Lektüre Unter 'Großer Erzählung' fasst Ton Veerkamp 'eine von der Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder erkannte und anerkannte Grunderzählung, in der sie ihre einzelnen Lebenserzählungen miterzählt wissen, durch sie einen Platz in der Gesellschaft zugewiesen bekommen und so die gesellschaftliche Grundstruktur mit ihren Loyalitäten und Abhängigkeiten verinnerlichen'. Alle großen Volksreligionen sind somit Große Erzählungen. Die Lektüre alter Texte aus einer fremden Kultur verlangt Kenntnisse ihrer sozial-ökonomischen, politischen und ideologischen Umwelt einerseits und der Struktur der Texte selber andererseits. 'Die Verwandlung der Großen Erzählung' leistet beides. Sie zeigt die Geschichte eines Grundtextes der westlichen Kultur, die bei der ersten Zerstörung Jerusalems im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung anfängt und bei der endgültigen Etablierung des Christentums als herrschende Ideologie im 5. Jahrhundert unserer Zeitrechnung endet. Unter dicken Schichten christlicher Dogmatik treten die Äußerungen von Menschen hervor, die den Entwurf einer von Autonomie und Gleichheit geprägten Gesellschaftsordnung formulierten. In der Großen Erzählung Israels, aus der das Alte Testament entstand, ging es um die Ermöglichung der Egalität, um eine klassenlose Gesellschaft, alternativ zur herrschenden Ordnung der orientalischen Antike. Kundig und eingängig zeigt Veerkamp, wie die Idee der gerechten Gesellschaft immer mehr ins Jenseits (Messianismus, Christentum) verlegt wurde. So wurden die Großen Erzählungen in Große Religionen verwandelt, wurde aus einer radikalen Alternative zu damals bestehenden Grundordnungen Affirmation von Herrschaft im Diesseits. Es gilt, diese heute ziemlich verborgene Radikalität neu zu entdecken, sie wieder auszugraben, damit die Große Erzählung für die Menschen wieder zu einem Haus werden kann und nicht nur Sprache bleibt. 'Die Verwandlung der Großen Erzählung' leistet damit auch ein Stück Erinnerungsarbeit, um zurückzuerobern, was wir verloren haben. Das Buch ist eine Übung für eine Lektüre, die Text und Kontext zusammenhält, und will ein Zeugnis für die Unverwüstlichkeit Großer Erzählungen sein.
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Ton Veerkamp
Die Welt anders
Politische Geschichteder Großen Erzählung
Argument / InkriT
Berliner Beiträge zur kritischen Theorie Band 13
Alle Rechte vorbehalten
© Institut für Kritische Theorie Berlin e.V.
© Argument Verlag 2012, 2022
Weitergabe und Vervielfältigung dieser Publikation oder von Teilen daraus sind nicht gestattet, zu welchem Zweck und in welcher Form auch immer, allenfalls mit ausdrücklicher schriftlicher Genehmigung des Instituts für Kritische Theorie Berlin e.V.
Lektorat: Christine Berberich
ISBN 978-3-86754-822-9 (E-Book)
ISBN 978-3-88619-354-7 (Buch)
Für Huub Oosterhuis
Die großen Geschichten sind die,
die man gehört hat und wieder hören will
Arundhati Roy
Wer seine Herkunft nicht weiß, der weiß nicht, wohin er geht. Das gilt für diejenigen, die noch Christen sind; es gilt aber auch für die, die keine Christen waren, keine Christen sind und keine Christen sein wollen. Denn das Christentum hat uns alle geprägt, sei es positiv, sei es negativ. Und es begleitet uns noch auf Schritt und Tritt. Seine spärlich besuchten Mausoleen werden zwar längst von den Kathedralen der Banken und der großen Firmen und von Wohnsilos überragt, aber sie stehen unter Denkmalschutz. In ihnen ist noch das nachhallende Echo der Großen Erzählung zu hören. Das Buch, das wir hier vorlegen, erzählt die Geschichte der Großen Erzählung, aus der das Christentum einst hervorging, von der es sich freizumachen versuchte und zu der es immer wieder zurückkehren musste. Die Geschichte, die wir nacherzählen, beginnt bei der ersten Zerstörung Jerusalems, sechs Jahrhunderte vor dem Anfang unserer Zeitrechnung, und sie endet in Chalzedon im fünften Jahrhundert. Dort vollendete das Christentum sein Lehrgebäude, in dem es bis tief in die Moderne den Menschen des Westens ideologisch Obdach bot.
Das Buch ist eine Übung in politischer Lektüre. Denn die Große Erzählung war der politische Entwurf des jüdischen Volkes für eine Gesellschaft, in der niemand Sklave und niemand Herr sein soll. Das Christentum hob ihn von der harten Erde in den Himmel der Volksreligionen. Zwar schützte es die Erzählung vor der Zerstörung, zahlte aber dafür den Preis der oft hemmungslosen Anpassung an eine Welt der Ungleichheit und Unfreiheit. Auslöschen konnte es die Sehnsucht nach Freiheit und Gleichheit nie. Sind auch die großen Diskurse und die großen Entwürfe immer wieder zerschellt an der erbarmungslosen Macht derer, die ohne Sklaven nicht auskommen, die Erzählung bleibt. Unsere Geschichte der Großen Erzählung begleitet, so hoffen wir, die Menschen, die »auf dem endlosen Weg zum Hause des Nachbarn« gehen, wie Johannes Bobrowski schrieb.
Entstanden ist das Buch aus den zahlreichen Versuchen in politischer Lektüre, die wir seit den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts mit der Zeitschrift »Texte und Kontexte« unternahmen. Ohne die Menschen, die diese Zeitschrift bis heute am Leben erhalten, und ohne die Menschen, mit denen ich in den Lehrhäusern in Amsterdam, Antwerpen, Bad Herzfeld, Berlin und Münster zusammen war, hätte dieses Buch nicht geschrieben werden können. Dick Boer, Klara Butting, Ulrich Duchrow und Gerhard Jankowski haben das Manuskript teilweise oder ganz gelesen und mich vor manchen Irrwegen bewahrt. Christine Berberich hat nicht nur Korrektur gelesen, sondern auch wiederholt auf inhaltliche Ungereimtheiten aufmerksam gemacht. Frigga und Wolf Haug haben mich ermutigt, das Buch im Argument Verlag zu veröffentlichen. Ihnen allen danke ich von ganzem Herzen. Dem Verein Lehrhaus und seinem Geschäftsführer Andreas Bedenbender danke ich für den Druckkostenzuschuss, dem Verlag für die Betreuung der Veröffentlichung.
Gewidmet ist das Buch Huub Oosterhuis, seit mehr als einem halben Jahrhundert Freund und politischer Weggefährte.
Ton Veerkamp
Als französische Philosophen Ende der siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts das Ende der Moderne ankündigten, sahen sie zugleich das Ende der, wie sie sagten, »Großen Diskurse« gekommen. Ein »Großer Diskurs« war für sie die Aufklärung, die eine Epoche des mündigen Menschen ankündigte, eine Epoche, in der die Menschen frei von Bevormundung jeder Art und einander gleich ihr Leben autonom bestimmen, ein Diskurs, ein rationales Gespräch, über Freiheit und Gleichheit. Aber die Französische Revolution hat noch ein drittes Schlagwort: Fraternité, Brüderlichkeit. Dieses dritte Schlagwort macht aus dem Programm Liberté, Egalité, aus einem Großen Diskurs, eine Große Erzählung. Die Bourgeoisie übernahm vom Adel die politische Macht, legte das Programm Freiheit und Gleichheit auf ihre Weise aus; für sie hieß die Parole der Revolution nunmehr: Freiheit, Gleichheit und Konkurrenz. Mit dieser eigenwilligen Uminterpretation, die sie im Thermidor 1794 mit der Hinrichtung von Robespierre, Saint-Just und anderen vornahm, mochten sich Vorläufer der Arbeiterbewegung wie Gracchus Babeuf nicht zufrieden geben. Auch Babeuf starb 1797 unter der Guillotine. Für die Arbeiterbewegung hieß die Parole: Freiheit, Gleichheit und Solidarität. Solidarität ist mehr als Brüderlichkeit, allein schon aus dem Grund, dass sich so die Schwestern in die Erzählung aufgenommen wissen können. Die zweite Durchführung der Französischen Revolution fand im Jahr 1848 statt. Hier hatte das plebejische, ja proletarische Element deutlich mehr Anteile als in den Jahren 1789–1793. Aber auch hier setzte sich die bürgerliche Uminterpretation durch. Was im Februar 1848 begann, wurde schon im Juni des gleichen Jahres abgebrochen. Gustave Flaubert hat der Revolution von 1848 in seinem Roman L’éducation sentimentale ein Denkmal gesetzt. Über das, was in den Monaten April bis Juni 1848 in Paris geschah, schrieb er: »Also, das Eigentum erstieg im öffentlichen Ansehen das Niveau der Religion und vermischte sich mit Gott. Die Angriffe, die man gegen das Eigentum unternahm, schienen Gotteslästerung zu sein, fast Kannibalismus«. Besser kann man es auch heute nicht sagen. Vollständigkeitshalber sei die dritte Durchführung der Französischen Revolution im Jahr 1871 erwähnt, die Pariser Kommune. Aber trotz alledem blieb es beim Ersatz der Fraternité durch die Concurrence. Die exklusive Parole der bürgerlichen Gesellschaft heißt jetzt, und ungebrochen seit 1980, Propriété et Concurrence, Eigentum und Wettbewerb. Eigentum heißt: mein, nicht dein; Konkurrenz bedeutet: ich, nicht du. Große Erzählungen sind inklusiv: mein und dein, ich und du. Nur das politische Gegengewicht durch die Arbeiterbewegung konnte ein Stück Inklusivität einfordern. Durch den Abgang der Arbeiterbewegung von der politischen Bühne erhielten Eigentum und Wettbewerb das Monopol des gesellschaftlichen Diskurses. Was die französischen Philosophen um 1980 ahnten, war nicht nur das Ende der Großen Diskurse und der Großen Theorien, sondern eine Gesellschaft ohne Große Erzählung.
Ich nenne Große Erzählung eine von der Mehrheit der Gesellschaftsmitglieder erkannte und anerkannte Grunderzählung, in der sie ihre einzelnen Lebenserzählungen miterzählt wissen, durch die sie einen Platz in der Gesellschaft zugewiesen bekommen und so die gesellschaftliche Grundstruktur mit ihren Loyalitäten und Abhängigkeiten verinnerlichen. Jede große Volksreligion ist eine solche Große Erzählung. Die großen Volksreligionen wiesen den Menschen einen Ort in ihren jeweiligen Gesellschaften zu; ihre Erzählungen bewirkten Akzeptanz der herrschenden gesellschaftlichen Grundordnung und somit gesellschaftliche Kohärenz nach innen, aber auch Abgrenzung und Intoleranz nach außen. Die Moderne kannte ihre eigene, nicht-religiöse Große Erzählung in doppelter Gestalt: die bürgerliche Erzählung vom mündigen Menschen und der Emanzipation aus traditionellen Abhängigkeiten sowie, auf ihr aufbauend, die Erzählung der Arbeiterbewegung von der Befreiung aus der Abhängigkeit vom Privateigentum an Produktionsmitteln und von der Solidarität der Menschen. Eine Gesellschaft, die die menschlichen Beziehungen nur als Beziehungen zwischen konkurrierenden Individuen sehen kann und für die Freiheit im Wesentlichen Freiheit zur Anhäufung privaten Reichtums ist, hat keine Große Erzählung. Die so entstehende Gesellschaft der Freiheit des Geschäfts ohne Grenzen bietet den Menschen keinen Wohnort mehr, sie macht sie unbehaust. Das hat die französische Philosophie am Ende des 20. Jahrhunderts mit ihrer Parole Ende der großen Diskurse, Ende der Moderne zum Ausdruck gebracht. Die Philosophie der Postmoderne entstand nicht zufällig nach dem Abtritt der Arbeiterbewegung von der politischen Hauptbühne. Die Postmoderne hat keine großen Diskurse und erst recht keine Große Erzählung. Aus der Not »der Verwesung der großen Erzählungen« machte Jean-François Lyotard eine Tugend, die Tugend der Vernetzung (1979, 31).
In diesem Buchreden wir also über die vergangene Bewohnbarkeit der Welt. Sie ist daher Erinnerungsarbeit, ja, Trauerarbeit. Wir erinnern uns an die Orte unserer Ursprünge.
Vergleicht man das Auftreten Nechemjas (Nehemias) in Jerusalem um 440 v.u.Z. mit dem Auftreten Solons in Athen um das Jahr 600 v.u.Z., dann scheinen die Unterschiede nicht groß zu sein. Nechemja stieß auf ein Problem, das Solon vertraut war. In Attika mit seinem Hauptort Athen zerfiel die Gesellschaft in eine dünne Oberschicht von wohlhabenden Großgrundbesitzern und eine breite Schicht von unfreien Bauern. Das Maß der bäuerlichen Unfreiheit war unterschiedlich, aber den Bauern war gemeinsam, dass sie nicht länger über die vollen Bürgerrechte verfügten und sich nicht gegen das ihnen geschehene Unrecht wehren konnten (Woodhouse 1977, 136ff). In diesen Zustand waren sie vor allem durch Verschuldung geraten. Viele griechische Staaten befanden sich während des späten 7. und frühen 6. Jahrhunderts v.u.Z. in einem Zustand der Stasis. Das Wort deckte alles ab, was zwischen Krawall und revolutionärem Aufstand lag. Gegen die Stasis suchte sich die Aristokratie mit dem Instrument der Tyrannis zu schützen: einer aus der Aristokratie erhielt diktatorische Vollmachten. Viele dieser Tyrannen setzten soziale Reformen durch, mit dem Ziel, die Klassenstrukturen der Gesellschaft vor dem Zusammenbruch zu retten. Solon war nie Tyrann, sondern Archōn, gewählter Vorsteher der Staatsverwaltung. Er packte die Stasis an ihren Wurzeln: der Verschuldung der ehemals freien und über die vollen Bürgerrechte verfügenden Bauern. Der Ruf nach Gleichheit war schon im Jahrhundert vor Solon laut geworden und seine Gesetzgebung hatte sicher mit Egalität als gesellschaftlichem Ziel zu tun. Deswegen war der Ruf nach sozialer Egalität keine Erfindung der Tora, sondern das Resultat einer gesellschaftlichen Entwicklung, die überall die Mehrheit der Menschen in die Falle der Verschuldung trieb und durch die die gesellschaftlichen Ressourcen, vor allem der Boden, in die Hände immer weniger Familien gerieten. Autonomie und Egalität waren weltweit Anliegen der Völker. Wie dieses Anliegen fundiert wurde, war jeweils anders, strukturell anders. Auf die Probleme, die die strukturelle Differenz aufwirft, sucht die »Wissenschaft vom Text« eine Antwort zu finden.
Solon schaffte die Klassengesellschaft nicht ab. Er war von den aristokratischen Grundeigentümern in sein Amt eingesetzt worden und er durfte ihre Position nicht angreifen, ohne seine eigene Position zu gefährden (Will 1977a, 113ff). Er suchte und fand Mittel, die Unteren vor der Maßlosigkeit der Oberen (Hybris) zu schützen. Insofern waren die Maßnahmen Solons nicht völlig verschieden von dem, was wir aus der Tora kennen. Das ist nicht verwunderlich. Die Agrarökonomie der Antike verursachte überall gleichgelagerte Probleme. Auch Nechemja schaffte die Klassengesellschaft nicht ab. In beiden Fällen suchten die Gesetzgeber die herrschenden Klassen zu zwingen, ihre Verantwortlichkeit für die Gesellschaft anzunehmen, politisch, nicht moralisch. Die herrschenden Klassen wurden an Recht und Gesetz gebunden und das setzte in beiden Fällen beim Gesetzgeber politische Macht voraus. Nechemja musste keine Rechtsordnung erfinden. Er griff zurück auf ein Recht, das die Opposition als ihre soziale Vision gegen eine korrupte Obrigkeit hütete. Nechemja veranlasste, wie wir sehen werden, einen Schuldenerlass und eine Bodenreform. In Jehuda hat man vorgeschlagen, den Schuldenerlass zu institutionalisieren: Alle sieben Jahre sollen die Gläubiger auf die Eintreibung der noch ausstehenden Schulden verzichten, indem die Gläubiger den Schuldnern die verpfändeten Sicherungen auch ohne geleisteten Schuldendienst zurückerstatten. Diejenigen, die Dtn 15.1ff formulierten, sahen ihren eigenen Vorschlag skeptisch; das Kreditwesen – die Bereitschaft, auszuleihen – würde einer solchen Institutionalisierung des Schuldenerlasses nicht standhalten, 15.9. Lev 25 hat daher die Erlassperiode von sieben auf sieben mal sieben Jahre ausgedehnt, ohne das Problem zu lösen. Gegen Ende jeder Periode würde die Bereitschaft, Kredite zur Verfügung zu stellen, gegen null tendieren. Sobald die Familienbetriebe durch nicht beeinflussbare Faktoren – Krankheit, Missernten, Naturkatastrophen – in eine Schieflage kamen, konnten sie ihre Not nur durch Kredite in der Form von Sachleistungen, später von Geld, überbrücken, in der Hoffnung, diese Notlage sei eine vorübergehende. Ohne ein effektives und somit rechtlich reguliertes Kreditwesen konnte – und kann bis heute – keine Wirtschaft funktionieren. Sehr oft aber waren die Kredite nicht tilgbar, weil die meisten Betriebe Subsistenzwirtschaften waren. Neben Kreditgesetzen bedarf es Regulierungen bei Zahlungsunfähigkeit. Die wichtigste war die Institution der Ge´ula, Auslösung. Verwandte seien verpflichtet, den verschuldeten »Bruder« (Lev 25.25ff) auszulösen, d.h. seine Schulden zu übernehmen.Der Verschuldetemusste seine Schulden abarbeiten; seine Freiheit blieb so lange eingeschränkt, bis die Schulden abgearbeitet waren, aber er wurde nie zum Sklaven.
Sonst blieb es in der ganzen Antike bei Schuldenerlassen von oben, anlässlich der Thronbesteigung eines neuen Monarchen oder in ausgesprochenen Notlagen. Nur im alten Judäa wurde eine Periodisierung der Schuldenregulierung ins Visier genommen. Verschuldung und Schuldenerlass, Bodenakkumulation und Bodenreform sind ein Ostinato in der Politik der Antike. Auch Solon suchte ein Rechtssystem einzuführen, das auch in Zukunft schwerwiegende gesellschaftliche Verwerfungen verhindern sollte. Das Mittel war die Seisachtheia, Abschüttelung der Lasten, also Schuldenerlass. Schuldenerlass sollte aber nicht ein einmaliger Gnadenakt sein. Vielmehr muss die Verhinderung massenhafter Versklavung das oberste Anliegen des Rechtssystems sein. Es wurde verboten, sich selbst als Sicherheit für ein Darlehen anzubieten. Zwar sollen die Schuldner nach wie vor personell haften, aber nicht mit ihrer Freiheit. Wir erfahren aber nichts über Maßnahmen, die verhindern sollten, dass sich die von der Schuldenlast befreiten Bauern nicht innerhalb kürzester Zeit in der gleichen Situation wiederfanden. Verloren sie nicht ihre persönliche Freiheit, so verloren sie doch ihren Boden und somit ihre Existenzgrundlage. Aber über eine Periodisierung der Schuldenregulierung erfahren wir in den Berichten über Solon nichts.
Es gab gravierende Unterschiede zwischen Judäa des 5. und Attika des 7. und 6. Jahrhunderts v.u.Z. Attika war ein autonomes Gemeinwesen, das über seine eigene politische Ordnung entscheiden konnte und zeitweise unter einem »demographischen Druck« (Will 1977a, 101) – sprich Überbevölkerung – litt. Hellas suchte Erleichterung, indem die hellenischen Stadtstaaten menschenleere oder schwach bevölkerte Küstengebiete im Mittelmeergebiet mit der überschüssigen Bevölkerung besiedelte und Tochterstädte (»Kolonien«) gründete. Die phönizischen Stadtstaaten verfuhren in Nordafrika nicht anders, etwa bei der Gründung Karthagos. Judäa war dagegen ein Gebiet, das sich durch Krieg, Entvölkerung und Zerstörung in einem katastrophalen Zustand befand und tributpflichtiger Teil eines asiatischen Großreichs war, also alles andere als autonom. Anders als in Attika musste Judäa einen Großteil seines Wirtschaftsproduktes an eine auswärtige Zentralregierung abtragen. Dennoch waren die fundamentalen ökonomischen Probleme in beiden Gebieten vergleichbar. Wie Attika hat auch Judäa danach gestrebt, die mit Verschuldung und Versklavung verbundenen Probleme dauerhaft zu lösen nach der Maxime: keine Gnade, sondern Recht. Dennoch hat es in beiden Gebieten einen völlig verschiedenartigen ideologischen Überbau gegeben. Warum hat Judäa das Recht im Rechtswillen seines Gottes verankert, statt es als Menschenwerk zu sehen und zu würdigen? Warum ist der Gott Israels durch die legendäre und nicht historische Gestalt Mosche der eigentliche Gesetzgeber und nicht ein vernünftiger und weiser Mensch wie Solon? Anders gefragt: Warum ist die gesellschaftliche Grundordnung der Freiheit und Gleichheit – also »Gott« – selbst die Quelle des Rechts, statt durch das positive Recht die Exzesse einer Ordnung der prinzipiellen Ungleichheit und der Unfreiheit der Vielen einzudämmen wie in Hellas? Warum ist die Textwelt des TeNaK2 eine völlig andere als die der griechischen Tragödien? Warum wurde aus Jephta kein Agamemnōn, aus Schimschon (Samson) kein Herakles, aus dem Tod Abimeleks vor Sichem kein Tod des Pyrrhos vor Argos, trotz der Tatsache, dass die Erzählstoffe jeweils verwandt sind? Warum findet im TeNaK zwar Untergang statt, sind immer wieder Wehrufe zu hören, warum findet aber niemals eine Tragödie statt, warum sind die Menschen in Judäa für die Folgen ihres Handelns immer selber verantwortlich, warum regiert hier niemals das Verhängnis? Warum haben wir völlig andere Texte? Sicher, in späten Texten wie Weisheit des Jeschua ben Sira oder Weisheit Salomos finden wir Berührungspunkte mit der Philosophie der Stoa (Hengel 1973, 241ff). Aber auch dort ist der Unterschied größer als die Übereinstimmung.
Die Große Erzählung in Hellas war eine durch und durch aristokratische Erzählung. Die liturgischen Aufführungen der Tragödien waren Veranstaltungen von Aristokraten für Aristokraten. Diese konnten zwar in bestimmten Perioden Demokraten sein, aber auch in einer Demokratie wie die Athens unter Themistokles und Perikles war nur eine Minderheit der Bevölkerung an der politischen Beschlussfassung beteiligt. Die Tychē, das Verhängnis, oder die Anankē, das eiserne Gesetz der Notwendigkeit, sind das eine Strukturelement der Tragödien: alle handelnden Personen bewirken das Gegenteil dessen, was sie sollen und wollen. In ihrem Verhängnis sind sie verstrickt, obwohl sie sich frei wähnen. Das andere Moment ist die Hybris, mit der die aristokratischen Personen genau das zerstören, was sie bewahren wollen. Das dritte Moment ist das vernünftige Maß3, das einzuhalten allen auferlegt ist und das allein fähig ist, die Gesellschaft vor ihrer Selbstzerstörung zu bewahren. Das zeigt sich vor allem in den Tragödien des Sophokles über die Figuren des thebanischen Sagenkreises: Oidipous steht für die Anankē, Kreōn für die Hybris und Antigonē für das Maß. Das Maß setzt die Notwendigkeit nicht außer Kraft, sondern vermittelt die Einsicht in die Notwendigkeit und schiebt der Hybris einen Riegel vor.
Die Große Erzählung Israels hat eine völlig andere Struktur. Dort konnte nie ein Sophokles aufstehen. In der Großen Erzählung ist nie der tragische, in Tychē und Anankē gefangene »Held« das Subjekt. Ihre Rechtsordnung ist der rationale Gott (Ez 18) und ihre Gesetze können jederzeit von allen Menschen in Israel verstanden und daher befolgt werden. Die Menschen sind immer und überall voll verantwortlich für das, was ihnen geschieht. Die Autonomie der Menschen, sowohl des menschlichen Kollektivs, des Volkes (`am)4, als auch des einzelnen Menschen, ist immer gewährleistet: sie können, was sie müssen. In der Tora wird erzählt, wie ein Volk zum Erstgeborenen aller Völker wird, ins Sklavenhaus musste, daraus durch seinen »Gott« – durch seine gesellschaftliche Grundordnung der Gleichheit und Freiheit – befreit wurde, diesem »Gott« dienstbar wurde und die Dienstbarkeit als Disziplin der Freiheit leben soll. Zum Volk gehört das Land als Lebensort befreiter Sklaven in der Disziplin der Freiheit. Dieses Volk verspielte grob fahrlässig die Freiheit und musste verdientermaßen und nicht tragisch untergehen. Die Hybris Einzelner kennt auch die Große Erzählung, wie die Hybris Davids in 2Sam 24, aber sie führt nie in eine Tragödie. Davids Aktion, eine Volkszählung mit dem Ziel der Steuerveranlagung der ganzen Bevölkerung, war in der Erzählung nie einem Verhängnis geschuldet, sondern eine vermeidbare Verfehlung (chat´a, »Sünde«).
Beide Großen Erzählungen stammen aus der gleichen Epoche, sie entstanden in der Zeit der großen Umbrüche im Alten Orient und im östlichen Mittelmeerraum seit 600 v.u.Z. Solon war ein Zeitgenosse von Jirmejahu (Jeremia) und Jechesqel (Ezechiel). Die ionische Philosophie in Milete – Ursprung des abendländischen Wissens – entstand im gleichen Jahrhundert, in dem die Tora erste Konturen annahm. In der Philosophie ging es um das Verstehen der Welt, wie sie geworden ist zu der, die sie ist und sein wird. Peri physeōs nannten sie ihre Werke, über das Werden, und peri archēs, über den Ursprung. Der Ursprung oder die Archē alles Werdens (physis)ist dasjenige in der materiellen Welt, aus dem alles entstand und aus dem alles zusammengesetzt ist und bleibt. Die Aufgabe ist, dieses materielle Urprinzip zu ermitteln und das Werden aus ihr zu verstehen. Die Erkenntnis des Entstehens und Vergehens alles Seienden ist für die hellenischen herrschenden Klassen wesentlich, um ihre Lebensvollzüge zu begreifen, das heißt in den Griff zu bekommen. Die Grundstruktur: Tyche, Hybris, mēden agan (Maß), muss erkannt werden, das Irrationale in der Physis und im Verhalten des einzelnen Menschen (Hybris) ist nur rational zu bewältigen. Wurde vor dieser Zeit die Welt in Erzählungen (Mythos) erfahrbar gemacht, so mussten die Erzählungen jetzt begriffen (Logos) werden. Man hat das den Schritt von der Mythologie zur Philosophie genannt. Aber Homer blieb der Grundtext der Großen Erzählung der hellenischen Antike, eine Behausung in einer unwirtlichen Welt. Die Große Erzählung von Hellas passte in die globale antike Wirtschafts- und Sozialordnung. Sie lag in großen Zügen fest, eine andere Weltordnung war nicht möglich. Die Welt ist ein Verhängnis, was aus ihr wird, ihre Tyche,legt die Moira (die Göttin des Schicksals) fest.5 In dieser Welt war Freiheit keineswegs eine Chimäre; sie war aber das Privileg weniger und diese Wenigen und Mächtigen mit ihrer Freiheit hatten nur die Wahl zwischen dem Maß und der Hybris. Allgemein kann man die antike Produktionsweise beschreiben als eine Ordnung, die vorwiegend agrarisch ist und worin sich einzelne gesellschaftliche Gruppen das Mehrprodukt dieser Wirtschaft aneignen und zu ihren eigenen sozialen und politischen Zwecken nutzen. Kennzeichnend ist, dass in all diesen Gesellschaften ein außerordentlich großes Machtgefälle zwischen den Hauptklassen besteht, also zwischen denen, die sich das Mehrprodukt aneignen, und denen, die das Mehrprodukt produzieren. Man nennt diese Gesellschaften Klassengesellschaften. Die altgriechische Variante zeichnet sich durch die Zähmung der Hybris, also des Machtmissbrauchs der Herrschenden aus. Deswegen hat sie einen sehr großen Einfluss auf die Gesellschaften der Großregion ausgeübt.
Die Große Erzählung Israels kennt, wie gesagt, kein Schicksal, keinen eisernen Zwang, der allen unentrinnbar auferlegt ist. In ihr sind die Menschen frei, aber ihre Freiheit ist keine Wahl zwischen Maß und Machtmissbrauch, sondern prinzipiell Freiheit von der Sklaverei. Das »Gesamt« oder das Volk (`am) soll nach der Großen Erzählung Israels frei sein, das heißt ohne Sklaven und dementsprechend ohne Herren. Die Gesellschaft soll klassenlos sein, obwohl – oder vielleicht weil! – Israel immer als Klassengesellschaft lebte. Aber es hat sein empirisches Dasein als Klassengesellschaft unter die radikale Kritik seiner Großen Erzählung gestellt. Hellas hat die Klassenstruktur, die Ungleichheit in der Verfügung über das gesellschaftliche Produkt, fast durchgehend als unabänderliches Schicksal (Tychē) wahrgenommen. Sein Recht zähmte die Exzesse dieser Struktur, Israels Recht war weitreichender, weil es über jede Herrschaftsstruktur hinauswies. Da sich die Völker dieser unabänderlichen Herrschaftsstruktur unterwerfen und diese Unterwerfung als Tychē oder Anankē verinnerlichen mussten – selbst ihre Götter sind ihr unterworfen –, muss sich Israel von ihnen trennen. Israels ging den anderen Weg.
Man kann natürlich das 5. Kapitel des Buches Nehemia als den Versuch sehen, die Hybris der Chorim wseganim, der Freien und Verwaltungsvorsteher, zu brechen, und Nechemja als klassischen Tyrannen im Sinne eines benevolenten Diktators (Smith 1977, 313ff), also das Buch Nehemia griechisch lesen.Aber der Gesamtzusammenhang des TeNaK, in den die Memoiren Nechemjas aufgenommen wurde, erlaubt diese griechische Lektüre nicht. Das zeigt die Tatsache, dass die Form der Memoiren Nechemjas in Kap 8–10 durchbrochen wird, beim Referendum bzw. einer öffentlichen Volksversammlung, der die Tora zur Entscheidung vorgelegt wurde. Dies geschah nicht mit einer einfachen Akklamation, vielmehr wird die Grundordnung (Tora) »abschnittsweise erklärt« (Neh 8.8). Die Akzeptanz der Grundordnung war ein rationaler Prozess. Im Gemeinwesen Israels, also in Judäa, werden die Priester und die Schriftgelehrten den Ton angeben, im Gelingen nicht weniger als im Versagen. Das Buch Nehemia ist keine Memoirensammlung einer herausragenden Persönlichkeit, die Nechemja ohne Zweifel war; es hat Aussagekraft nur noch im Rahmen eines großen und strukturierten Ganzen, der Großen Erzählung Israels. Die Tendenz der Erzählung Israels ist die klassenlose Gesellschaft, die Tendenz der griechischen Erzählung ist die Hinnahme der Klassenstruktur, die Sklaverei prinzipiell zulässt, aber ihre Exzesse zähmt. Die Erzählung Israels ist die Ermöglichung von Egalität, die Erzählung Griechenlands ist die Zähmung der Tyrannen. Die Erzählung Griechenlands ist prinzipiell kompatibel mit den heroischen Strukturen der Erzählungen anderer Völker und Kulturen. Nicht, dass Israel keine Helden kannte; ihre »heilige Schrift« ist voll mit »epischen« Stoffen. Die alten Richter und nach ihnen vor allem Scha`ul (Saul) und David sind keine von sich aus prinzipiell anderen Figuren als die im Nibelungenlied und der Ilias. Aber in der Gesamtstruktur des TeNaK verlieren die Figuren ihre Konturen als Helden, gar als tragische Helden. Die Differenz zwischen den Erzählungen der Völker und der Erzählung Israels ist die zwischen »der Ordnung der Klassen« und »der Ordnung einer klassenlosen Gesellschaft«. Deswegen ist die Große Erzählung Israels prinzipiell inkompatibel mit den Erzählungen der Völker, Israels Gott inkompatibel mit den Göttern der Völker. Hier liegt der tiefste Grund für das Gebot der Trennung von den Völkern. Israel hat andere »Texte« geschrieben, anders als das Gilgameschepos des alten Mesopotamien, anders als die Ilias, anders als die Avesta des alten Iran, anders als die Upanischaden des alten Indien. Aber was sind eigentlich »Texte«?
Der Text
»Der Text«, schrieb die französische Linguistin Julia Kristeva, »hat also eine doppelte Orientierung: das System der Bezeichnung, in dem er sich selbst produziert (Sprache – langue –und Sprachgestus – langage –einer bestimmten Gesellschaft und Epoche), und der Sozialprozess, an dem er als Diskurs teilnimmt. Seine zwei Register [das Bezeichnungssystem als Sprache und der Sozialprozess], die autonom funktionieren, können sich in einer untergeordneten Praxis auseinanderbewegen. Dabei lässt eine Umformung des Systems der Bezeichnung die ideologische Repräsentation [des Sozialprozesses], die sie überbringt, intakt, oder umgekehrt. Sie schließen sich aber wieder zusammen in den markanten Texten der historischen Blöcke« (1969, 10). Der Text leistet seinen Eingriff in die Diskurse eines Sozialprozesses durch die Sprache und den Sprachgestus einer bestimmten Gesellschaft und Epoche. In unserem Fall ist Sprache und Sprachgestus zusammen das, was wir die Große Erzählung nennen. Nur so, als diese Sprache und in dieser Sprache, kann die als Text fixierte Große Erzählung an seinem Sozialprozess teilnehmen. Als Bezeichnungssystem, der im Text Gestalt annimmt, greift es in den sozialen Prozess ein. Eminent wichtig ist die Autonomie beider Register. Sozialprozess und Bezeichnungssystem haben beide ihre eigenen Gesetze. Man kann daher einen Text nicht direkt aus dem Sozialprozess ableiten, sondern man muss das Bezeichnungssystem, also die Struktur des Textes, genau analysieren, um dann den Prozess, durch den sich die beiden Register »in den markanten Texten der historischen Blöcke« zusammenschließen, begreifen zu können. In unserem Fall muss man die Sprache (langue)und den eigentümlichen Sprachgestus (langage)der biblischen Texte einerseits und die ökonomischen, sozialen und politischen Prozesse, an denen diese Texte »als Diskurs« teilnehmen, andererseits genau kennen, beide für sich und beide zusammen.
Die »markanten Texte« des alten Judäas sind Elemente eines strukturierten Ganzen. Im Text der Großen Erzählung Israels artikuliert sich die gesellschaftliche Grundordnung Judäas als radikale Alternative zur herrschenden Grundordnung der orientalischen Antike. Sie schreibt sich negativ als das zwingende Gebot der »Trennung von den Völkern« in den Text ein. Die Texte sind daher Formen der Artikulation der radikalen Alternative, sei es auch, dass die Artikulation in den verschiedenen Texten unterschiedlich geschieht. Sie sind aber Artikulation einer Totalität, eines Ganzen, in dem z.B. die einzelnen Rechtssammlungen nicht länger für sich stehen, sondern ihrerseits nur noch Elemente dieses Ganzen sind. Das Ganze ist vor den Teilen, es formatiert die einzelnen Texte zu Teilen überhaupt, denn es gibt keinen Teil, wo es kein Ganzes gibt. Es ist nützlich, sich hier an Hegels Wissenschaft der Logik zu erinnern: »Das Ganze ist das Selbständige, die Teile sind nur Momente dieser Einheit; aber ebenso sehr sind sie auch das Selbständige, und ihre reflektierte Einheit nur ein Moment; und jedes ist in seiner Selbständigkeit schlechthin das Relative eines Anderen« (1969, 169). Die Teile sind Momente des Ganzen, das Ganze aber auch Moment der Teile. Die Selbständigkeit der Teile ist daher relativ, die Teile sind immer nur aufeinander und miteinander auf das Ganze bezogen. Das Ganze ist aber nur das Ganze in den Teilen, die Teile sind immer nur Teile eines Ganzen. Deswegen ist die Herausarbeitung der Konkordanz einzelner Texte mittels der einzelnen Schlüsselwörter als »Technik« der Textentschlüsselung zwingend vorgeschrieben.
Im Ganzen des TeNaK artikuliert sich der absolute Neuanfang, den die großen Propheten Jechesqel (Ezechiel), Jirmejahu (Jeremia), »Deuterojesaja« forderten. Der Sozialprozess des radikalen Neuanfangs ist das Grundregister, sozusagen der Basso continuo der Großen Erzählung. Er trägt die Oberstimmen mit ihren unterschiedlichen Sprachen (langues)des Rechtssatzes, der Klage, des Hymnus, der einzelnen Geschichtserzählungen usw., er bewirkt ihren einheitlichen Sprachgestus (langage). Durch ihn wird die Relektüre der eigenen Geschichte in Gang gesetzt, durch ihn werden die Rechtstexte zu Revolutionstexten, durch sie wird der unvermeidliche Kult an rigide Regelungen gebunden, damit er sich nicht verselbständigen kann. So wird aus den vielen Texten das Ganze der Großen Erzählung, so heterogen ihre Ausrichtung und ihre Herkunft gewesen sein mag, so widersprüchlich sich einzelne Texte zueinander verhalten, so weit die beiden Register auch auseinanderdriften mögen. Weder die Heterogenität noch die Widersprüchlichkeit werden ausgelöscht, sie werden vielmehr aufgehoben in dem Ganzen – abgeschafft, bewahrt und auf ein höheres Niveau gehoben zugleich.
Die Große Erzählung erzählt sich durch ihre Struktur: Sprache im umfassenden Sinne des Wortes (langue/langage) und als »doppelte Orientierung« (Sozialprozess/Sprache). Das eine Strukturelement, der soziale Prozess des Textes, schreibt sich in das andere Strukturelement ein, in den eigenen Körper der Sprache, den wir Große Erzählung nennen. Die Große Erzählung als dieser Sprachkörper artikuliert den eigenen und keinen anderen Sozialprozess, der Sozialprozess artikuliert sich im Sprachkörper der Großen Erzählung – und nicht in etwas anderem. Die gesellschaftlichen Prozesse schaffen sich ihren eigenen Sprachkörper, dieser Sprachkörper formatiert die einzelnen Teiltexte, denen ihre Selbständigkeit gelassen wird, zu Teilen eines Ganzen. Ein Psalm ist etwas anderes als eine juristisch gefasste Kultvorschrift, sie sprechen ihre eigene Sprache und greifen auf je verschiedene Weise in den Sozialprozess ein. Der Sozialprozess wiederum artikuliert sich im Psalm und in der Kultvorschrift, aber er tut das jeweils anders. Das Verhältnis zwischen den Teilen und dem Ganzen und zwischen den beiden Registern des Textes als Totalität ist daher dialektisch. »Indem der Text die Oberfläche der Sprache durchbricht, ist er das ›Objekt‹, das erlaubt, einen konzeptuellen Mechanismus, der eine historische Linearität voraussetzt, zu zerschlagen und stattdessen eine geschichtete Geschichte (histoire stratifiée) zu lesen mit ihrer zerschnittenen, rekursiven, dialektischen Zeitlichkeit, die nicht zu einen einmaligen Sinn reduziert werden kann, sondern Typen einer Bezeichnungspraxis (pratique signifiante)schafft, deren mehrfache Reihe ohne Ursprung und Ziel bleibt« (Kristeva 1969, 13). Die Bezeichnungspraxis macht aus der Wirklichkeit eine bezeichnete Wirklichkeit. Daher ist alle Geschichte bezeichnete Geschichte, indem die Menschen durch ihre Texte die Geschichte mit jenen Zeichen versehen, die sie verständlich, lesbar machen. Der Text setzt die Geschichte als Ensemble von Zeichen, er macht Geschichte in seiner einzigartigen Weise lesbar, nur das. Die Chronologie, die historische Linearität an sich, macht Geschichte nicht lesbar.6
Versuchen wir, den Vorschlag Kristevas zu verdeutlichen. Erstens: Der strukturierte Text – Element eines strukturierten Ganzen – eröffnet die Möglichkeit, die Geschichte als »geschichtet« zu lesen. Eine einzelne Geschichte wie die des Umsturzes durch einen gewissen Jehu in Samaria um 850 v.u.Z. liest sich in 2Kön 9–10 als Auftakt zu einer Revolution, die vier Jahrhunderte später stattfand. Der Text erzählt, was er nicht erzählt, und er erzählt nicht, was er erzählt. Kristeva: »So entfaltet sich eine andere Geschichte, indem sie sich unter der linearen Geschichte durchsetzt: die Geschichte der Bezeichnungen, ›rekursiv geschichtet‹. Ihre kommunikative Sprache und die ihr zu Grunde liegende Ideologie (soziologisch, historizistisch oder subjektivistisch) repräsentieren nur die oberflächlichen Facetten.« (a.a.O.) Das heißt: 2Kön 9–10 repräsentiert nur oberflächlich ein bestimmtes Ereignis. Vielmehr weist dieser Text, der eine konkrete Historie erzählt, erst im Ganzen zurück auf das, was und warum erzählt wird, warum sie erzählenswert ist: den revolutionären Neuanfang im 5. Jahrhundert. Dieser Rekurs erlaubt eine Relektüre eines Ereignisses aus dem 9. Jahrhundert v.u.Z. Das heißt rekursiv geschichtete Geschichte.Die erzählte Geschichte hebt sich im Ganzen selber auf, gibt sich selber immer wieder einen neuen Sinn, sie ist »dialektisch«. Anders gesagt: Geschichte an sich ist ohne Sinn und Verstand. Erst wenn sie erzählt und dadurch, wie und warum sie erzählt wird, erhält sie einen Sinn.
Der Text bricht die Linearität der Zeitabläufe und die Homogenität des erzählten Sinns der Geschichte auf. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, eine konkrete Geschichte zu schreiben, also mit Zeichen zu versehen. Jene »mehrfache Reihe« der Bezeichnung ein und derselben Geschichte erlöst unsere Lektüre vom Zwang, den einen wahren absoluten Sinn eines Textes zu suchen, bzw. eine einzig sinnvolle, homogene Bezeichnungspraxis zuzulassen, also auch vom Zwang, jede Texteinheit einer bestimmten sozialen Schicht zuordnen zu müssen und sie so auf einen eindeutigen, für immer festlegenden Sinn zu reduzieren.
Die Lektüre
Man kann unsere Texte universal- oder heilsgeschichtlich lesen, wie es in der christlichen Exegese gang und gäbe war. Für sie dokumentieren die Texte eine universalgeschichtliche Große Erzählung, die im Schöpfungsbericht anfängt und beim Letzten Gericht endet. Die Texte haben eine andere Bedeutung als die, die sie auf den ersten Blick haben, und es geht bei der Metalektüre darum, dieses Andere, den anderen und wahren Sinn der Textes herauszuarbeiten. Die Methode nennt man Allegorese. Sie ist die Methode, die dem Mittelalter des christlichen Abendlandes und seiner Großen Erzählung angemessen war. Aber ist nicht jede Relektüre eine Allogerese ? Jede Beschäftigung mit Geschichte liest etwas anderes, wir lesen auch immer uns in jenem anderen, das der Text ist. Der König Jehu wurde von den Erzählern der Königsbücher als einer von ihnen, als ein Revolutionär des 5. Jahrhunderts, gelesen. Die Christen lesen im TeNaK sich selbst, für sie ist das »alte Testament« ein Buch, das nur verständlich wird, indem es als ein entscheidender Schritt in die Richtung des Christentumsgelesen wird. Das Problem ist nicht die Allegorese an sich, das Problem ist diese spezifische, eben christliche Allegorese.Die Methode dieser spezifischen Allegorese dient nicht nur der Legitimierung der christlichen Erzählung, sondern auch der Delegitimierung einer anderen Lektüre, nämlich der Lektüre der Juden. Die Juden lasen jene Texte, die ihnen und den Christen gemeinsam sind, nicht in einer universalen, »heilsgeschichtlichen« Perspektive, sondern in Bezug auf das eine Volk Israel und seinen Platz in der Welt der Völker. Die Tora ist das Fundament einer ganz bestimmten Lebensführung einer ganz bestimmten Gruppe von Menschen, eben der Juden, und nicht der Völker. Die christliche Lektüre muss die jüdische Lektüre delegitimieren, weil sonst die christliche Lektüre ihre universalistischen Ansprüche aufgeben und zugeben müsste, das einige, aber nicht alle Wege nach Rom führten. Der Theologe und Seelsorger Augustin (356–430) las die Texte universalgeschichtlich, die Texte betreffen alle Menschen, weil Jesus Christus für alle Menschen gestorben ist, und für die Juden nur dann, wenn sie nur bereit wären, ihre Texte nicht länger jüdisch, sondern christlich zu lesen. So fungierte die christliche, universalgeschichtliche oder »heilsgeschichtliche« Lektüre als universelle (auf Griechisch: katholische) Ideologie, die das neue Imperium Romanum Christianum seit Konstantin verinnerlichungsfähig machte. Wir müssen immer bedenken, dass eine effektive Delegitimierung politische Macht voraussetzt. Als das Römische Reich unter Theodosius dem Christentum ein ideologisches Monopol zubilligte, bedeutete das die endgültige Delegitimierung nicht nur des Judentums, sondern auch des sogenannten »Heidentums«. Die antike Kultur verschwand nach dem sechsten Jahrhundert, die Juden blieben. Die Delegitimierung der jüdischen Lektüre der Texte bedeutete politisch für die jüdischen Menschen ihre Herabstufung auf Menschen minderen Rechtes, mit entsetzlichen Folgen. Die Lektüre transportiert in die Geschichte den Sinn, den der Lektor gesehen haben will, und wenn er mit absoluter Macht ausgestattet ist, den einzig legitimen Sinn. Lektüren sind selten harmlos.
Die heilsgeschichtliche Lektüre mit ihrer allegorischen Methode wurde im Zeitalter der bürgerlichen Gesellschaft durch die historische Kritik ersetzt. Man hat entdeckt, dass die ersten fünf Bücher Mose nicht von einem einzelnen Autor geschrieben sein konnten. War erst einmal eine Bresche in die Mauer um die dogmatische Burg der Heilsgeschichte geschlagen, konnte niemand mehr das immer weiter um sich greifende Zerlegen und das weitere Zerlegen vom bereits Zerlegten aufhalten. Auch hier bezweckte die historisch-kritische Methode die Delegitimierung einer anderen Lektüre, der traditionellen Exegese der christlichen, vor allem der römisch-katholischen Kirche. Die historisch-kritische Methode, also die bürgerliche Relektüre, diente der Entmachtung des »zweiten Standes«, der römisch-katholischen Geistlichkeit, die in der vorbürgerlichen Gesellschaft mit dem Adel die politische Macht ausübte. Die historische Kritik war die politische Lektüre des »dritten Standes«. Der einheitliche Grundtext der Großen Erzählung des christlichen Abendlandes wurde zerschlagen, übrig blieben Einzeltexte, die miteinander nur lose oder gar nicht zusammenhingen. In einem berühmten Aufsatz schrieb 1938 Gerhard von Rad: »Ein gewiss fast allenthalben interessanter Auflösungsprozess, aber eben ein Auflösungsprozess großen Stiles, hatte seinen Lauf genommen, und das dumpfe oder klare Wissen von seiner Unumkehrbarkeit lähmt heute viele« (von Rad 1965, 9). Zwar hat man inzwischen durchweg die Theorie der vier Hauptquellen, die man in den ersten fünf Büchern des TeNaK am Werke sah und denen sich im Laufe der Zeit viele weitere Quellen zugesellten, aufgegeben, zwar wurden weitere Methoden der Aufarbeitung in Angriff genommen, Formgeschichte, Redaktionsgeschichte, Religionsgeschichte, Gattungsgeschichte, Sozialgeschichte usw., die Zerlegung in Schichten und Zuordnung einzelner Textfragmente zu Formen, Gattungen, Institutionen und sozialen Schichten hielt – und hält bis heute – an. Die Geburtsstunde der modernen historischen Kritik schlug 1696, als Pierre Bayles Dictionaire historique und critique erschien (Haug 2004, 375ff)7. Sie hatte große Verdienste. Sie brach festgefügte und erstarrte Formen der Lektüre auf, d.h. sie realisierte, dass der Sozialprozess, aus dem die Texte der christlichen Lektüre hervorgingen, vor dem Kollaps stand und die Texte jetzt anders zu lesen sind. Haug schrieb zu Recht: Die historisch-kritische Frage »… macht es nötig und möglich, die ›Geistesgeschichte‹, zuvorderst die weltweit hegemonial gewordene europäische, gegen den Strich zu lesen« (a.a.O. 392). Auch wir lesen die biblischen Texte »gegen den (geistesgeschichtlichen) Strich«. Aber die historische Kritik zerschlug mit ihrer anderen Lektüre den Gesamttext in einer Weise, die ihn unlesbar machte. Die lebendige Einheit, die die Fragmente damals bildeten, wurde nahezu vollständig aufgegeben. Die »Unumkehrbarkeit« der durch die historische Kritik geschaffenen Verhältnisse »lähmt« auch jetzt noch »viele«.
Tatsächlich können wir nicht zurück zu einer universalgeschichtlichen Lektüre, weil es das christliche Abendland nicht mehr gibt und nicht mehr geben kann. Im »Norden« und in weiten Teilen des »Südens« hat sich die bürgerliche Gesellschaft mit ihrer kapitalistischen Wirtschaftsweise durchgesetzt. Gleichwohl rufen ihre Zerstörungen traditioneller Sozialstrukturen weltweit – und nicht nur im Süden – fundamentalistische Reaktionen hervor. Die Frage, die bereits die Arbeiterbewegung im 19. und 20. Jahrhundert stellte, bleibt: Wie kommen wir über die bürgerliche Zerstörung der sozialen Strukturen hinaus? Die Frage können wir nicht beantworten – erst recht nicht im Rahmen einer politischen Lektüre der Großen Erzählung.Wir müssen andere, bescheidenere Fragen stellen: Wie kommen wir über die Fragmentierung der Texte durch die historische Kritik hinaus? Wie fassen wir den Text des TeNaK als Ganzes auf, ohne in die universalistischen Befangenheiten früherer Zeiten zurückzufallen? Die bis jetzt immer noch als entscheidend angesehene, historisch-kritische Frage »Wer hat was wann wo und aus welchem Grund bzw. aus welchem sozialen Partikularinteresse geschrieben?« schreibt die Fragmentierung fest. Wir brauchen stattdessen ein effektives Defragmentierungsprogramm. Die Frage ist: »Wie sind die Einzeltexte Teile dieses und keines anderen Ganzen? Aus welchem gesellschaftlichen Grund ging das Ganze als solches hervor, wie hat es als Ganzes in die gesellschaftlichen Diskurse seiner Zeit eingegriffen?« Dies sind die Fragen, die aus den historisch-kritischen Dilemmata hinausführen können. Was wir in unseren Tagen tun können – und dann auch müssen –, ist die Aufhebung vergangener Lektüren, ihre Überwindung und Bewahrung, indem wir zum Text – und nur zum Text – zurückkehren.
The medium is the message, sagte Marshall McLuhan 1965 über das Fernsehen, und in seiner Nachfolge sagen wir: Das Medium Text ist die Botschaft und nicht das, was hinter dem Text steht. »Der Text hat immer Recht. Außerhalb des Textes kein Heil. Es nicht besser wissen wollen als der Text. Ihm unbeschränkten Kredit geben«, schrieb der römisch-katholische Alttestamentiker Han Renckens (1988, 69). Mit der Begrifflichkeit der rekursiv geschichteten Geschichte und der Wahrnehmung der beiden Register (Sprache/Sozialprozess) jedes markanten Textes ist eine strukturale Zuordnung der Texte als Teile eines strukturierten Ganzen zum umfassenden politischen, sozialen, ökonomischen und ideologischen Projekt einer radikalen Alternative zu den Ausbeutungsordnungen des Alten Orients möglich geworden.
Bei Texten aus analphabetischen Gesellschaften nahm die Lektüre prinzipiell die Gestalt des Hörens an. Die Texte waren nicht für das Lesen bestimmt, sondern für das laute Vorlesen. Der TeNaK wurde »ausgerufen«; das Verb qar´a bedeutet rufen. Der König Joschijahu und der Priester Esra »riefen« das Buch des Bundes bzw. der Tora »aus« (wajjiqr´a, 2Kön 23.2, Neh 8.3), das heißt, sie »lasen« laut und in der Öffentlichkeit »vor«. Das Gleiche gilt für den Koran (arab. qur´an), das »Auszurufende«. Damit die Hörenden das Vorgelesene behalten sollen, sind Wortwiederholungen Strukturelemente und müssen bei Übersetzungen tunlichst immer durch die gleichen Worte wiedergegeben werden. Der jüdische Exeget und Philosoph Martin Buber hat sich bei seiner »Verdeutschung der Schrift« von dieser fundamentalen Einsicht leiten lassen. Sinneinheiten sind bei ihm Atemeinheiten, auf einer Zeile kann höchstens so viel stehen, als in einem Atemzug ausgesprochen werden kann. Das wird das Prinzip Kolometrie genannt (Breukelman 1980). Die Anwendung einer idiolekten8Übersetzungsmethode und die Entdeckung der Kolometrie durch Martin Buber hat bei einer Reihe von Exegeten in den Niederlanden, allen voran Frans Breukelman, zu einem gründlichen Umdenken in der Exegese beider Testamente geführt. Auch wir bemühen uns um eine Lektüre, die dem Hören näher steht als dem Lesen. Lesen kann man notfalls allein, hören kann man nur, wenn eine(r) da ist, der/die vorliest und mit dem/der das lernende und lehrende Gespräch beginnt, also nur im Lehrhaus. Aus diesem Grund schreiben wir in dieser Arbeit die Texte, die wir besprechen, so viel wie möglich aus, in der Hoffnung, dass die Lesenden die Texte sich selber bzw. anderen vorlesen.
Der Text und seine Geschichte
Eine Geschichte der biblischen Texte ist keine »Geschichte Israels«. Letzteres gehört zum Metier der Geschichtswissenschaft. Der TeNaK ist aber kein historisches Dokument, sondern eine Erzählung. Ihre Geschichte zu erzählen ist das Metier der »Wissenschaft vom Text«. Wir präzisieren: »Wissenschaft der Lektüren des Textes«. Man begann in der Nachfolge Albrecht Alts bei der »Religion der Väter« und ihrem historischen Hintergrund, einer aramäischen Völkerwanderung in den letzten Jahrhunderten des zweiten Millenniums v.u.Z., bzw. bei einem Ausbruch hebräischer Sklaven aus Ägypten um 1300–1200 v.u.Z. Die Erinnerungen an angebliche vorgeschichtliche Begebenheiten, die in mündlich weitergegebenen Erzählungen festgehalten wurden, sind aber keine historischen Dokumente, denn die Generationen, die sie weitergeben, tun das aus ihrem jeweiligen sozialen Prozess heraus. Sie lasen ihre Geschichte jeweils anders. Alle mündliche Überlieferung ist flüchtig. Sobald die letzten Worte verklungen sind, bleiben sie nur in der Erinnerung der Menschen, die jeweils in anderen Situationen leben mussten. Die beiden großen Geschichtswerke in der »Bibel« – das deuteronomistische Geschichtswerk (die Bücher Josua, Richter, Samuel, Königesowie die prophetischen Bücher) einerseits, das Geschichtswerk der Begebenheiten der Tage (Chronik mit den Bücher Esra und Nehemia) andererseits – unterscheiden sich voneinander, weil sie in einer jeweils anderen Situation entstanden. Das deuteronomistische Geschichtswerk entstand in einer Zeit, die noch vom Pathos des großen Neuanfangs bestimmt war, bevor das erst jüdische Gemeinwesen, die Republik des Nechemja, in der Mitte des 5. Jahrhunderts gegründet wurde. Es gab noch Hoffnungen, dass der Norden – Samaria – und der Süden – Jerusalem/Judäa – zueinanderfinden würden. Die Politik des »einen Hauses« war noch eine reale Option. Es war die Politik der großen Propheten und ihrer Schüler. Das chronistische Geschichtswerk hatte diese Hoffnungen längst aufgegeben. Die Gründung der Republik Nechemjas war zugleich das Ende der Politik des »einen Hauses«. Israel war nur noch Judäa und Jerusalem. Die Republik wurde geführt durch die Priester, und ihre Politik bestimmte die Sicht auf die Geschichte Israels. Die neue Republik, eine Republik, in der die Tora, priesterlich gelesen, Verfassung des Gemeinwesens war, bewahrte die Große Erzählung der Propheten und änderte sie zugleich. Der TeNaK (vulgo »Altes Testament«) und die messianischen Schriften (»Neues Testament«) sind das fixierte Resultat einer Reihe von Lektüren. Der TeNaK ist eine Lektüre der Geschichte im Lichte der jeweiligen Gegenwart (des persischen Reiches und des Hellenismus), die messianistischen Schriften eine Lektüre der Gegenwart (Römisches Reich) auf eine revolutionierende Zukunft hin. Beide sind durch das bestimmt, was wir Große Erzählung Israels nennen. Die Geschichte des Textes ist die Geschichte seiner Lektüren.
Das Material der Texte ist keine Geschichte und hat keine Geschichte. »Die Knospe verschwindet in dem Hervorbrechen der Blüte, und man kann sagen, dass jene von dieser widerlegt wird«, sagt Hegel in der Vorrede zur Phänomenologie des Geistes (1967, 10). Es gibt keine Blüte ohne Knospe, aber nur das, was in der Knospe steckt, kann in den Blüte sichtbar werden. Das Bild hat seine Tücken; aus der Knospe der Großen Erzählung Israels entstanden nicht nur eine, sondern viele Blüten, eben viele »Judentümer« und viele »Christentümer«. Das, was sich durchgesetzt hat, das rabbinische Judentum und das Christentum, sind Resultate, aber sie widerlegen nicht die Knospe. Die Wortführer der neuen Großen Erzählungen tun zwar, als ob die erfolgreichen Blüten das, was in der Knospe steckt, widerlegen, aber sie wurden immer wieder von den Geschichten, die sie veranlassten, überholt. Es gab und gibt immer wieder neue Blüten, d.h. neue Lektüren.
Der Text, den wir auslegen, der TeNaK und die messianischen Schriften, sind selber der Beweis. Sie bringen nicht nur eine Lektüre, sondern viele, zum Teil sogar widersprüchliche Lektüren. Sie lassen sie nebeneinander stehen, ewige Wahrheiten sind hier nicht zu haben. Das Judentum zeigt sich viel »schriftgemäßer« als das Christentum. Die Lehre des Judentums hat immer die Form des Disputs: Rabbi A sagt, Rabbi B sagt das Gegenteil und Rabbi C hat wiederum eine ganze andere Auffassung; die Meinungen sind gleich gültig, obwohl sie nicht gleichgültig sind. Sonst wurde nicht so leidenschaftlich diskutiert, wie es im Talmud geschieht. Das ist ein biblisches Verfahren. Das Christentum dagegen duldete bis zur Moderne keine Widersprüche, seine Lektüre der Großen Erzählung ist orthodox, es gibt nur eine einzigerechte Meinung (orthē doxē). Das Christentum hatte sein eigenes Grunddokument, die messianischen Texte, geglättet und den TeNaK auf dieses glatte Resultat hin gelesen. In ihm hatte sich die Große Erzählung Israels in eine orthodoxe Lehre verwandelt, die dem seinerseits verwandelten Römischen Reich als Staatsideologie dienen konnte. Auch hier scheint die Blüte die Knospe zu widerlegen, aber auch das Christentum musste wiederholt erfahren, dass in der Knospe mehr steckte als Ideologie der jeweils herrschenden Verhältnisse.
Den Prozess der Verwandlung der Großen Erzählung zeichnen wir in diesem Buch nach. Im ersten Teil unserer politischen Lektüre der Großen Erzählung behandeln wir die Periode zwischen der Einrichtung der zwei neuen Staatsgründungsfeste, des Festes des Pesach unter König Joschijahu und des Hüttenfestes (Sukkot) unter Esra und Nechemja (etwa von 620–440 v.u.Z.). Es ist die Periode, in der das Programm der Trennung von den Völkern höchste politische Priorität erhielt. Diese Trennung ist der Versuch, sich von der Normalität der altorientalischen Ausbeutungsordnung zu verabschieden. Im zweiten Teil zeigen wir, wie dieser politische Ausbruch aus der altorientalischen Normalität durch die Macht des hellenistischen Weltsystems vom späten vierten Jahrhundert v.u.Z. bis zur beginnenden römischen Zeit zunichtegemacht wurde. Schon im dritten, unübersehbar im zweiten Jahrhundert v.u.Z. verbreitet sich in einer textproduzierenden Minderheit die Meinung, dass das Projekt der Tora mit den gängigen Mitteln der Überzeugungsarbeit politisch nicht mehr durchführbar war. Die apokalyptischen Texte aus dieser Zeit wendeten neue sprachliche Mittel an, die Sprache der Großen Erzählung nahm expressionistische Züge an. Das Projekt einer Gesellschaft von Gleichen und Freien wurde unter den Verhältnissen im globalen Hellenismus und im Römischen Reich praktisch undurchführbar. Der Messianismus erhofft die Durchsetzung der »anderen Welt« nur noch »vom Himmel her«. Er hält an der Notwendigkeit einer anderen Welt fest, sieht aber keine politische Möglichkeit, sie durchzusetzen. Vom Widerspruch zwischen Notwendigkeit und Möglichkeit handelt der dritte Teil. Er beschäftigt sich mit jenen Texten, die noch ganz und gar innerhalb des Universums der Großen Erzählung Israels bleiben, in denen aber die Bruchlinien sichtbar werden, an denen die Große Erzählung auseinanderbrechen wird. In einem vierten und letzten Teil geht es dann um die Entstehung des Christentums. Anders als im Judentum, das auf direktem Wege aus der Großen Erzählung Israels hervorging, war im Christentum die Bezugnahme auf die Große Erzählung ein sehr komplizierter Prozess. Da es die Politik der Trennung von den Völkern aufgegeben hatte, musste es die spätantike Begriffs- und Vorstellungswelt in Anspruch nehmen, um so den Bezug zur Großen Erzählung Israels begreifen zu können. Zwar stand der Bezug immer im Mittelpunkt der Bemühungen – wir werden es die »Einheit der beiden Testamente« nennen –, aber auf diesem Umweg entstand eine völlig andere Große Erzählung. Das Christentum wurde zur Staatsideologie jenes Reiches, dessen radikale Alternative es ursprünglich herbeigesehnt hatte, eine Ideologie, die ihre Herkunft aus einer erhofften Ordnung von Autonomie und Egalität niemals ganz überwunden hat. Dieser Prozess heißt: die Verwandlung der Großen Erzählung. Das Christentum hat die Gesellschaften des Abendlandes wie auch des byzantinischen Reiches über mehr als tausend Jahre hegemonial bestimmt.
Die bürgerliche Revolution der Moderne hat die Große Erzählung des Christentums delegitimiert. In ihrer letzten, globalisierenden Phase delegitimiert sie sämtliche Große Erzählungen, nicht ohne auf den Paroxysmus traditionalistischer Gegenwehr zu stoßen. Warum denn glauben wir, dass wir unsere Große Erzählung immer noch nacherzählen müssen? Ist unsere Aufgabe darin zu suchen, die Große Erzählung für spätere Zeiten und spätere Generationen »aufzuheben« – zu bewahren und gleichzeitig zu entgiften? Hat uns nicht der Ausbruch aus der Enge des christlichen Hauses die ungeahnte Weite der Freiheit geschenkt oder müssen wir, mit dem bitteren Geschmack der Trauer und der Wehmut im Munde, Abschied von der Großen Erzählung des Christentums nehmen, um uns, unbehaust und, wie der Menschensohn, nicht wissend, »wo den Kopf hinzulegen« (Mt 8.20), durch eine feindselige Welt zu schlagen? Wie können wir uns auf den Weg nach einer neuen Behausung begeben, wenn wir nicht einmal ahnen, wie sie aussehen soll? Diese Fragen beantworten wir nicht, weil wir die Antwort nicht kennen, weil wir niemanden kennen, der die Antwort wüsste. Wir leben nicht, wie unsere Eltern lebten, wollen es nicht, und wenn wir in Augenblicken der Schwäche es auch wollten, könnten wir es nicht. Aber ihre Geschichte ist wert, gedacht zu werden. Wie könnten wir leben, ohne unserer Herkunft zu gedenken, auch und gerade dann, wenn Ankunft für immer ein fremdes Wort bleibt?
*
Wir machen eine Schlussbemerkung, die der Verständlichkeit der Texte, die wir besprechen werden, dienen soll. Wir werden die Bezeichnung des Gottes Israels durch die großgeschriebene Vokabel NAME wiedergeben. Wir übernehmen die jüdische Praxis, den Gottesnamen JHWH (Jahweh) nicht auszusprechen. Stattdessen sprechen die Juden die vier Buchstaben JHWH als Adonaj (mein Herr) aus. Die christlichen Übersetzungen haben deswegen »der Herr«, in der Nachfolge der ersten griechischen Übersetzung des TeNaK. Diese Praxis verstößt eindeutig gegen das Verbot, den Gott Israels in irgendeiner Weise bildlich darzustellen; jede Gottesvorstellung ist daher unzulässig. Die Vokabel »Herr« produziert unweigerlich die Vorstellung eines männlichen, herrschaftlichen und durchweg tyrannischen Oberwesens. Wir umschreiben daher den Gottesnamen mit der Vokabel »NAME« und übernehmen so den Vorschlag des niederländischen Theologen K.H. Miskotte (1977). Dieser folgte der Praxis im Judentum. In den Synagogen wurde bei den Lesungen der »IHWH« als Adonaj (mein Herr), beim Studium als Ha Schem (Der NAME) ausgesprochen. Unter der Vokabel »NAME« können wir uns nichts vorstellen, und gerade dieses Nichts ist erwünscht. In unserer Übersetzung der biblischen Zitate stützen wir uns auf die »Verdeutschung« Martin Bubers, freilich nicht ohne deutliche Korrekturen vorzunehmen, sowohl was die Syntax, als auch was das Vokabular betrifft. Siegfried Krakauer (1977, 173ff) hatte schon bei der Besprechung der ersten Ausgabe der Buber’schen Verdeutschung moniert, Bubers Deutsch zeige einen ähnlichen archaischen Manierismus wie Richard Wagner in seinen deutschtümlichen Opern. Darüber hinaus hat Buber statt »Jahweh« oder »Herr« das betonte Pronomen ER oder DU. Zwar wird der NAME hebräisch immer männlich dekliniert, aber das Buber’sche ER transportiert unüberhörbar das eindeutig Männliche. Wir verwenden daher die Vokabel NAME. Wir gehen davon aus, dass der TeNaK ein Text ist, der nicht aus unserer Zeit, nicht aus unserer Gesellschaftsformation und nicht aus unserer Kultur stammt, wir haben es mit einem buchstäblich fremden Text zu tun. Deswegen muss unsere Übersetzung dieses Fremde transportieren und schreiben wir u.a. die Namen der wichtigsten biblischen Figuren und Personen in einer hebräischen Transkription: wir haben es nicht mit alten Bekannten, sondern mit fremden Menschen zu tun. Wir sollten uns diese Fremdheit zumuten.
Wir legen keine historischen Dokumente aus. Die Buchrolle, über die 2Kön 22 berichtet, ist nicht erhalten geblieben, ebenso wenig die Verordnungen des Königs, den Buchfund und dessen Folgen betreffend. Wir haben eine Erzählung. Aufgeschrieben wurde sie nach dem Wiederaufbau des zerstörten Heiligtums, wann genau, wissen wir nicht. Zwischen den Ereignissen der Erzählung und der Erzählung selber liegen dramatische Vorgänge: der Untergang der jehudischen Monarchie, die vollständige Verwüstung der Stadt mit ihrem Heiligtum und ihren Palästen, die Zerschlagung uralter Reiche, der mühselige Wiederaufbau, nachdem die Perser eine neue politische Ordnung in der Großregion des Nahen und Mittleren Orients etabliert hatten. Diese Vorgänge bestimmten die Wahrnehmung und Deutung der Ereignisse in der Erzählung. Der »historische Kern« in dieser Erzählung verbirgt sich im Nebel der Vergangenheit. Ausgangspunkt war vielleicht die Umstellung der Politik in Jerusalem, die durch den Zusammenbruch des assyrischen Reiches ermöglicht wurde. Dieses Reich herrschte mit eiserner Hand über seine Eroberungen. Manchmal gewährte es den traditionellen Königen die Verwaltungshoheit in ihrem Gebiet, freilich zum Preis absoluter Loyalität. Nach dem Zusammenbruch Assurs habe der damalige Jerusalemer König Joschijahu die Gelegenheit wahrgenommen und die politische Autonomie der Stadt und seines Umlandes Jehuda (Judäa) gefestigt. Die Umstellung müsste den Staatskult ergreifen – denn im Staatskult wurden alle politischen und gesellschaftlichen Loyalitäten gebündelt. Der Kult im Heiligtum war zwischen der Mitte des 8. Jahrhunderts mit einer kleinen Unterbrechung um 700 v.u.Z. bis zum Ende des 7. Jahrhunderts ein assyrisch durchgeformter Staatskult. Dieser sollte abgeschafft und durch einen neuen Staatskult ersetzt werden. So weit der »historische Kern«. Unsere Erzählung bringt nun diese Umstellung in einen Zusammenhang mit der Entdeckung einer »Buchrolle mit der Tora des Mosche«. Der König Joschijahu soll – so will es die Erzählung – seinen Staat auf eine völlig neue Grundlage gestellt haben, eine Grundlage, die angeblich durch die Buchrolle vorgeschrieben wurde. Wie er das tat, erzählt 2Kön 22–23. Wir legen also diese Erzählung aus. Zur Auslegung gehört, dass wir die historischen Realia, die die Erzähler damals als bekannt voraussetzen konnten, mit erzählen. Deswegen heißt Auslegung nicht nur Geschichten, sondern auch Geschichte nacherzählen, das heißt, ihre Verankerung im realen Gesellschaftsprozess, also ihre äußere Struktur darstellen. Die Nacherzählung der einzelnen Geschichten muss sorgfältig ihre innere Struktur aufrufen. Dazu gehört, dass sie in allererster Linie Fragment eines großen Ganzen ist; das Ganze ist nicht nur das Buch Könige, sondern primär die Große Erzählung selber. Das Ganze bestimmt die Teile. Werden sie nicht als Teile des Ganzen wahrgenommen, wird aus der Einzelgeschichte eine Anekdote, die man ohne Zusammenhang nacherzählen kann. Die Verankerung einer Einzelgeschichte im gesellschaftlichen Prozess ist beides: ihre Verwurzelung in konkreten gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, in die sie als Diskurs eingreift, und ihre Behausung im Sprachgebäude des Ganzen, in dem sie sich artikuliert.
Acht Jahre alt war Joschijahu, als er König wurde,
Einunddreißig Jahre war er König in Jerusalem.
Der Name seiner Mutter war Jedida, Tochter `Adijas aus Bozkat.
Er tat, was richtig war in den Augen des NAMENS,
er ging ganz auf dem Weg Davids, seines Vorvaters,
er wich davon nicht ab, weder nach rechts noch nach links.
Es geschah im achtzehnten Jahr des Königs Joschijahu.
Der König schickte Schaphan, Sohn Azaljahus, Sohn Mschullams ins Haus des NAMENS,
er sagte:
Gehe zu Chilqijahu, dem Großpriester,
dieser solle das ganze Silbergeld ausgeben,
die Einkünfte des Hauses des NAMENS, die die Hüter der Türschwelle vom Volk eingesammelt hatten.
Das solle man den Handwerkern, die im Haus des NAMENS angestellt sind, in die Hand geben,
man gebe es den Handwerkern im Haus des NAMENS, damit sie die Schäden reparieren,
den Schmieden, den Bauzimmerern und den Maurern,
damit sie Holz und behauene Steine erwerben, um das Haus zu reparieren
Jedoch solle man mit ihnen nicht vorab das Silbergeld abrechnen, das ihnen in die Hand gegeben werden soll,
vielmehr sollen sie es auf Vertrauen tun.
Da sagte der Großpriester Chilqijahu zu Schaphan, dem Staatssekretär:
»Ich habe im Haus des NAMENS eine Buchrolle mit der Tora des Mosche gefunden.«
Chilqija gab die Buchrolle Schaphan und dieser las daraus vor.
Schaphan, der Staatssekretär, kam zum König und gab dem König Antwort;
er sagte: Deine Diener haben das Silbergeld ausgezahlt, das sich im Haus befand,
es wurde in die Hände der Handwerker gegeben, die im Haus des NAMENS angestellt sind.
Weiter berichtete Schaphan, der Staatssekretär, dem König, er sagte:
Der Priester Chilqija gab mir eine Buchrolle.
Schaphan las dem König daraus vor.
Es geschah:
Als der König die Worte der Buchrolle der Tora hörte, zerriss er seine Kleidung.
Eingeleitet wird der Text mit der Hauptperson der Erzählung. Der Vater des achtjährigen neuen Königs war Amon aus dem Haus Davids. Die Mutter war Jedida, sie stammte aus der Aristokratie des Landvolkes. Diese Notiz ist nicht ohne Belang. Der Vater fiel einer Verschwörung der Höflinge zum Opfer. Die Königin dürfte als Beraterstab für den jungen König Leute aus ihrer Umgebung bestellt haben, da die jehudische Aristokratie (das Landvolk, `am ha´arez