Die Zeit ist der Liebe Tod - Elisabeth Kothe - E-Book

Die Zeit ist der Liebe Tod E-Book

Elisabeth Kothe

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Beschreibung

Eine deutsche Durchschnittsfamilie hat sich mit dem Bau eines Hauses finanziell, körperlich und seelisch übernommen. Für Familienleben und persönlichen Freiraum bleibt weder Zeit noch Lust. Da schlägt das Schicksal zu. Mit einem der größten Lottogewinne die bis dato zur Auszahlung gekommen sind, macht unsere Familie den Reibach. Träume und Sehnsüchte werden wahr. Es ist der Ausstieg aus unserer Konsumgesellschaft. Eine Insel in der Südsee, aber ohne Entbehrung und Verzicht. Der Luxus geht mit. Dazu kommt unverhofft noch mehr Geld. Unvorstellbar. Warum soll man verzichten, selbst wenn der Reichtum nicht gebraucht wird? Doch bald erfahren sie, dass dieser Landstrich seine eigenen Gesetze hat. Alles wiederholt sich. Seinem Schicksal entgeht niemand und jeder nimmt das Seine mit. Dieses Buch entführt dich auf eine Reise, die in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts beginnt und über einen längeren Zeitraum spielt. Es wird dich in die Welt von Miriam Sander versetzen, welche die früher geltende Rolle der Frau verinnerlicht hat. Die brav in allen Dingen ihrem Mann folgt, bis Fortuna in ihr Leben tritt und alles auf den Kopf stellt. Von unsagbarem Glück, über die außergewöhnlichsten Abenteuer, Einsamkeit, Verzweiflung und bis in die Nähe des Todes. All das bestimmt nun ihr Leben und verändert sie. Kann das eine Partnerschaft auf Dauer aushalten?

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© 2020 Elisabeth Kothe

Autor: Elisabeth, Kothe

Umschlaggestaltung: Pro_design37 | Fiverr

Lektorat, Korrektorat: Elisabeth Kothe

weitere Mitwirkende: Frank Kothe

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

Hardcover ISBN:       978-3-3470-7924-3

Paperback ISBN:       978-3-347-12341-0

Ebook ISBN:              978-3-347-12343-7

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet nicht veröffentlicht.

Die Zeit

ist der

Liebe Tod

Ein Roman von Elisabeth Kothe

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Fahrkarte in eine andere Welt

Unerwartet in freudiger Erwartung

Eine alte Romanze im neuem Gewand

Ändere dein Leben und das Lebändert dich

Der Große Sprung

Zwischenstopp in Indien

Eine unerwartete Bekanntschaft

Nicht ohne Hintergedanken

Das Erwachen

Eine lange Fahrt

Inselkauf für Anfänger

Gekauft ist gekauft

Ein neues Leben

Ein Herz zerspring

Auf und ab

Zurück auf der Insel

Zwei Männer ist einer zu viel

Zeitsprung

Das Gesetz der Liebe

Einmal Gold ist nicht genug

Das Buch Ihrer Ladyschaft

Ändere die Welt und sie ändert dich

Ein Landkrankenhaus für Kenia

Eine Safari mal anders

Die Insel gedeiht, aber ich fühle nichts

Ein Wiedersehen in Pakistan

Poseidon spricht

Verlust, Leid, Hoffnung, Liebe… einfach das Leben

Am Ende aller Dinge

EINLEITUNG

Eine deutsche Durchschnittsfamilie hat sich mit dem Bau eines Einfamilienhauses finanziell, körperlich und seelisch total übernommen. Für Familienleben und persönlichen Freiraum bleibt weder Zeit noch Lust. Da schlägt das Schicksal zu. Mit einem der größten Lottogewinne, der jemals zur Auszahlung gekommen ist, macht unsere Familie den Reibach. Träume und Sehnsüchte werden wahr. Für unsere Familie ist es der Ausstieg. Weg aus unserer Konsumgesellschaft. Eine Insel in der Südsee. Aber ohne Entbehrungen und Verzicht? Der Luxus geht mit. Dazu kommt noch mehr Geld, unverhofft und unerwartet. So reich. Unvorstellbar. Warum sollte man verzichten, auch wenn der Reichtum nicht gebraucht wird. Doch bald, sehr bald erfahren sie, dass dieser Landstrich seine eigenen Gesetze hat. Alles wiederholt sich. Seinem Schicksal entgehet niemand. Jeder nimmt das Seine mit.

Mit diesem Buch habe ich begonnen, als ich selbst in einer schweren finanziellen und persönlichen Krise war. Meine Gedanken; was wäre wenn ich jetzt reich wäre? Da das nicht der Fall war, wollte ich mir eine Geschichte schön schreiben. Ich fing an und mein Vorhaben schien zu gelingen. Auf einmal entwickelte mein Buch ein Eigenleben. Nichts wurde so, wie ich es geplant hatte. Im Laufe des Schreibens kam mir die Erkenntnis, dass man nicht weglaufen kann und egal wo man sich befindet, im Endeffekt lebt man sein Leben. Dieses Buch hat mir die Kraft gegeben mein Schicksal endlich anzunehmen und mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu leben.

Alles in diesem Buch ist frei erfunden. Nur Länder, Städtenamen habe ich verwand. Die örtlichen Gegebenheiten entsprechen meiner Phantasie. Sollten Namen oder Geschehnisse irgendeiner Person ähnlich sein, ist es reiner Zufall.

DIE FAHRKARTE IN EINE ANDERE WELT

Heute ist wieder so ein Tag, nur Stress und Hetze. Der Boss ist schlecht gelaunt, die Kunden nörglerisch und ich muss ehrlich gestehen, auch ich bin nicht besonders gut in Form. Heute beginnt wieder einmal das von so vielen geliebte Wochenende. Ich kann dies nicht verstehen, von wegen Erholung und Vergnügen. Nichts von dem erwartet mich. Neidisch höre ich meinen Kolleginnen zu. Sie erzählen vom Ausgehen vom Wochenendurlaub mit tollen Männern. Wie sie verwöhnt werden usw. Ich kann es schon nicht mehr hören. Was erwartet mich? Wäsche waschen, sauber machen, Eltern besuchen, mit den Kindern spielen und im Garten arbeiten.

Dabei hatten wir wirklich einmal ein recht schönes und gemütliches Leben. Als ich meinen Mann Rolf kennen lernte, war ich süße siebzehn und mein Mann zwanzig Jahre. Drei Jahre gingen wir zusammen. Wir waren in einer großen Klicke und hatten viel Spaß. Mit neunzehn hatte ich meine Lehre als Bürokauffrau abgeschlossen und verdiente gutes Geld. Ein bisschen legte ich neben hin. Das meiste wurde aber verbraten, wie man so schön sagt. Rolf hatte eine Stelle als Dreher in einer großen Firma. In seiner Freizeit motzte er mit Freunden Autos auf um sich nebenher noch ein paar Mark zu verdienen. Rolf dachte anders als ich. Er war sehr sparsam, plante für die Zukunft. Er wollte eine Familie, ein Haus und sich beruflich selbstständig machen, indem er seine Meisterprüfung ablegen wollte. Ich wollte gerade das Gegenteil. Leben, genießen, feiern und reisen. Die große Welt sehen und erleben.

Als ich zwanzig war, meldete sich unser Sohn Micha an. Wir beschlossen zu heiraten. Eine kleine Wohnung war schnell gefunden und unter Mithilfe der Eltern richteten wir uns unser kuscheliges Nest ein. Unsere Hochzeit traumhaft. Ich war glücklich.

Nach der Geburt unseres Sohnes ging ich weiter halbe Tage arbeiten. Vier Jahre später meldete sich unsere Tochter Tina an. Nun wurde es etwas eng in unserer Wohnung. Meine Schwiegermutter war mit der Pflege von zwei Kindern überfordert und meine Mutter ging selber noch arbeiten. So beschlossen wir, dass ich vorerst zu Hause bleibe. Wir suchten uns eine größere Wohnung und fanden sie auch. Die Kosten stiegen und das Geld wurde knapper. Es gab keinen Urlaub mehr und auch die Einladungen von Freunden und Bekannten wurden weniger. Mit fadenscheinigen Ausreden sagten wir ab. Meistens hatten wir keinen Babysitter, kein Geld für Geschenke oder Rückeinladungen. So wurde ein Traum meines Mannes immer unwahrscheinlicher. Der Traum vom Eigenheim. Ich hatte vor einigen Jahren in einen kleinen Ort, nahe unserer Wohnung, von einer Großtante ein Baugrundstück geerbt. Hatte ich ganz vergessen. Als dieses erschlossen wurde, beschlossen mein Mann und meine Eltern, sowie Schwiegereltern, dass, wo sowieso Kosten auf uns zukommen würden, nun gebaut werden sollte. Ich wurde eigentlich gar nicht gefragt. Rolf rechnete mir vor, es kommen kaum mehr Kosten auf uns zu, als wir eh bezahlen. Das Grundstück ist da, außerdem ein entsprechender Bausparvertrag mit sehr niedrigen Zinsen. Zu dem wollten uns unsere Eltern unterstützen. Rolf und ich sind Einzelkinder. Also konnten wir bauen, ohne große Probleme, dachten wir.

Es kommt immer alles anders als man denkt. Kosten kamen auf uns zu an die wir im Traum nicht gedacht hatten. Erschließung, Kanal und Anliegergebühren, Architektenkosten sowie Material und Lohnkosten. Von der drastischen Zinserhöhung ganz zu schweigen. So kam es, dass unser geplantes Geld, trotz aller Sparsamkeit, nicht reichte. Der Baukredit musste erhöht werden. Um die Rückzahlungsverpflichtungen tragen zu können, mussten wir in ein halbfertiges Haus ziehen. So sparten wir die Miete ein. Da es finanziell noch immer ziemlich eng war, beschloss ich wieder arbeiten zu gehen. Mit einer Halbtagsstelle war es nicht getan. Ich musste eine Ganztagsstelle annehmen und hatte Glück. Ich konnte wieder in meiner alten Firma arbeiten. Meine Mutter erklärte sich bereit, da sie nun nicht mehr arbeitete, in der Woche auf meine beiden Kinder aufzupassen.

Mutter kam in den ersten Jahre schon morgens um sieben, wenn ich aus dem Haus musste, zu uns und brachte die Kinder in die Schule bzw. in den Kindergarten. Inzwischen gehen sie beide zur Schule und Micha nimmt seine kleine Schwester, zwar unter meckern und murren, mit. Die Schule ist nur ein Straßenzug von der Wohnung meiner Eltern entfernt. Tina findet inzwischen den Weg zur Omi alleine. Wenn ich von der Arbeit komme, hole ich die beiden dort ab. Da weder Rolf noch ich in der Kantine essen, koche ich immer abends noch ein volles Essen. Diese gemeinsame Mahlzeit ist für uns alle sehr wichtig. Danach kommt spülen, Hausaufgaben nachsehen und was sonst noch so anfällt. Zeit für meine Kinder habe ich kaum. Auch die Gespräche zwischen mir und meinem Mann sind auf das Nötigste beschränkt. Für mich ist überhaupt keine Zeit mehr vorhanden. Ein Bummel mit Freundinnen, Kaffeeklatsch oder gar regelmäßige Friseurbesuche, daran ist überhaupt nicht zu denken. Und dann das dauernde schlechte Gewissen gegenüber meinen Kindern und meinem Mann. Ich glaube, sie vermissen mich auch sehr. Die doppelte Belastung forderte von mir Tribut. Ich bin gereizt und nervös, schreie die Kinder, oft ohne ersichtlichen Grund, an oder breche einen Streit um Belanglosigkeiten mit Rolf vom Zaun. Dieser versteht es nicht. Meistens verlässt er postwendend die Wohnung und kehrt später mit einer leichten Fahne wieder zurück. Dann bin ich erst recht sauer. All diese Gedanken gehen mir spontan durch den Kopf.

Endlich ist Feierabend. Ich muss mich beeilen. Schnell raffe ich meine Sachen zusammen, die Tür vom Büro ist offen, nichts als raus. „Au, verdammt“, beinahe hätte ich laut geflucht. Gerade konnte ich einen Fluch noch unterdrücken. Um ein Haar wäre ich mit unserem Nesthäkchen Kati zusammengestoßen, die es eben so eilig hatte wie ich. Stattdessen kommt mir: „Ich wünsche dir ein schönes Wochenende. Fährst du wieder zu deinem Freund?", wie geschmiert über die Lippen. „Nein ich fahre zu Bekannten in den Vogelsberg. Die haben sich da ein altes Bauernhaus gekauft und machen jetzt einen auf Aussteiger. Wenn es meinem Tommi und mir gefällt, machen wir dort mit. So richtig, mit Kühe melken und so.“ „Du unter ner Kuh, das kann ich mir so richtig vorstellen.“ Bei dem Gedanken muss ich unwillkürlich lachen, obwohl so etwas wie Neid in mir aufkommt. Ich habe gar nicht gewusst, dass ich zu solchen negativen Gefühlen überhaupt fähig bin. Julia ist so frei und unkompliziert. Sie sagt was sie denkt, fühlt und tut auch das, was sie für richtig hält. Wenn ihr halt ihr jetziges Leben keinen Spaß mehr macht, steigt sie einfach aus und fängt was Neues an. Ob ich auch den Mut zu solch einer Entscheidung hätte? Ich weiß nicht. Heute ist vielleicht ein komischer Tag. Mir gehen so viele dumme Gedanken im Kopf herum, dabei bin ich sonst doch eher eine Optimistin.

Man, es ist schon sehr spät geworden. Ich muss mich ganz schön beeilen, aber nicht nur denken, sondern es auch tun! Der Fahrstuhl ist übervoll, wie immer. Dann nichts wie die Treppe runter. Gymnastik für die Figur. Gott sei Dank habe ich heute mal das Auto bekommen und muss nicht noch auf Rolf warten, damit er mit mir einkaufen fährt.

Es ist nicht einfach das Auto aus der engen Parklücke herausgefahren. Ich bin ganz schön ins Schwitzen gekommen. Mit meinen Fahrkünsten ist es nicht so weit her, ich fahre zu selten. Eingekauft wird auf dem Nachhauseweg liegenden Supermarkt. Mutti hat mir gestern Abend auch noch ihren ellenlangen Einkaufzettel zugesteckt. Das hält mich zusätzlich auf, aber absagen, das ist nicht drin. Mutti wäre ganz schön beleidigt. Endlich angekommen geht die Suche nach dem Parkplatz los. Da will einer wegfahren. Ich stelle mich schnell mit dem Auto so, dass mir niemand den Platz streitig machen kann. Hinter mir hupt jemand wie verrückt. Na ja, ist mir auch zu blöd. Immer toben lassen, hat bestimmt auch Frust gehabt auf der Arbeit. Den muss er nun wohl irgendwie loswerden. Drauf auf den Parkplatz, raus aus dem Auto und rein ins Gewühl. Hoffentlich vergesse ich nichts. Gemüse, Fleisch, Wurst usw. Irgendetwas fehlt mir noch. Was war es nur? Es will mir einfach nicht einfallen. An der Kasse lasse ich mir noch was zum Naschen für meine beiden und für mich geben. Ich nasche auch für mein Leben gern. An manchen meiner Körperstellen kann man das auch schon recht gut sehen. Weiter geht es mit dem Auto in Richtung Heimat. Mutti steht schon am Fenster und erwartet mich. Ganz vorwurfsvoll schaut sie mir entgegen. Jetzt darf ich sie nicht zu Wort kommen lassen, sonst bekomme ich wieder etwas zu hören?" „Hallo Mama.“ Küsschen auf beiden Wangen. „Wie war es denn heute mit den beiden? Waren sie verträglich oder haben sie sich wieder gezankt?" Aha, die Stirnfalten glätten sich. Jetzt gibt es wenigstens keine dummen Fragen mehr und auch keine Vorwürfe, weil ich etwas spät bin. Alles nur Taktik. „Komm rein.“ Sie dreht sich um und geht in die Küche. „Die Kinder waren ausgesprochen brav. Micha hat noch nicht einmal Tinchen geärgert und das soll schon was heißen. Außerdem hat Micha eine zwei in der Mathearbeit bekommen, was sagst du dazu?“ „Das finde ich großartig. Dafür bekommt er was von mir.“ Ich strahle, als ob ich diese gute Leistung erbracht hätte. Micha besucht das Gymnasium. Er ist ein guter Schüler. Das kann ich sagen, ohne aufzuschneiden. „Möchtest du eineTasse Kaffee und ein frisches Stück Streuselkuchen.“ „Nein danke Mama, ich würde ja gerne, aber Rolf kommt heute früher nach Hause. Wir wollen noch die Bäume pflanzen. Vielleicht gibst du mir etwas Kuchen mit.“ Mutti stimmt zu.

„Mama, Mama, schau mal was wir heute in der Schule gemacht haben!" Meine süße Tina kommt auf mich zu gerannt und hält mir einen Kartoffeldruck unter die Nase. „Sehr schön mein Engelchen“; ich hebe sie hoch und drücke ihr ein Küsschen auf die rosigen Wangen. „Komm, räum schnell deine Sachen zusammen. Papi wartet sicher schon auf uns.“ „Ist Papi schon zu Hause?" Wie ein Wirbelwind ist die Kleine verschwunden. Manchmal könnte man richtig eifersüchtig werden. Tina und Rolf sind ein Herz und eine Seele. Dafür hängt Micha wieder mehr an mir. Das soll ja angeblich normal sein, habe ich gehört. Tina ist schnell wieder zurück und Mama drückt mir die Sachen der Kinder in die Hand und einen Kuss auf die Wange. „Danke Mutsch, wenn ich dich nicht hätte. Ich wünsche dir und Paps ein schönes Wochenende. Komm Tinchen, Micha wartet schon unten auf uns.“

Micha steht schon beim Auto und winkt zur Omi hoch. Ein schlimmer Verkehr ist das heute. Wir brauchen lange um durch die Stadt zu kommen. Um halb fünf kann ich endlich die Haustüre aufschließen. Die Kinder helfen mir noch die eingekauften Sachen in die Küche zu tragen. Rolf ist noch nicht zu Hause. Jetzt wird erst mal ein guter Kaffee aufgestellt, die Zeitung und die Post rein geholt. Hoffentlich ist keine Post da. Meistens sind es doch nur Rechnungen. Wie gedacht, ein komisches Ziehen macht sich im Bauch breit, außer Werbung liegt ein Brief vom Stromversorger im Briefkasten. Dieser Brief kann nichts Gutes verheißen. Die Jahresabrechnung für Strom ist fällig. Wir haben eine Elektroheizung und hatten in diesem Jahr einen sehr kalten Winter. Ich wende den Brief hin und her, als könnte ich damit was an dessen Inhalt ändern. Bevor ich das Schreiben öffne, werde ich mir einen Kaffee einschenken und dann erst den Brief öffnen.

Meine Angst war berechtigt. Das Ergebnis haut mich glatt vom Hocker. Zweitausenddreihundert DM beträgt die nächste Rate. Zweitausenddreihundert DM. Wo soll das Geld denn herkommen? Meine Gedanken drehen sich im Kreis. Immer wieder um dieselbe Frage, nur eine Antwort finde ich nicht. In meinem Kopf fängt es an zu prickeln. Meine Nerven versagen mir den Dienst und ich fange an zu weinen. Ausgerechnet jetzt muss es auch noch klingeln. „Ich geh schon Mama, es ist bestimmt der Papi. Hat wieder den Schlüssel vergessen.“ Micha stürzt schon zur Tür um sie zu öffnen. Ich wische mir schnell die Tränen ab. Aber nicht schnell genug. Meine Männer haben sie gesehen. Sie wollen wissen, was los ist. Ich reiche Rolf das verhängnisvolle Schreiben. Er nimmt es und liest. Micha hat den Arm um mich gelegt und möchte mich trösten. Auch an Rolf geht die Sache nicht vorbei. Er wird weiß wie die Wand. Schnell setzt er sich hin. Ich stelle auch ihm eine Tasse Kaffee hin. Langsam finden wir unsere Fassung wieder. Das Geld ist Ende November fällig. Bis dahin bekommen wir beide unser Weihnachtsgeld. Es war eigentlich schon verplant, aber das können wir nun nicht mehr berücksichtigen.

„Weißt du, man müsste auswandern können, dahin wo man unabhängig ist von solchen Sachen wie Heizung, Stromgeld, Wassergeld, Steuern und all die anderen Sachen die einem das Leben so schwer machen. Aber wo wird es so ein Paradies noch geben? Vielleicht in Australien oder in Kanada im tiefsten Busch? Ich glaube, da gibt es so etwas auch nicht mehr.“ Ich sehe meinen Mann fragend an. „Wenn ich viel Geld hätte, ich würde mir eine Insel in der Südsee kaufen. Palmen, weißer Strand, blaues Meer und immer Sommer.“ Mein Rolf ist am Träumen und ich träume mit. „Vielleicht gewinnst du mal im Lotto, du spielst doch noch, oder?“ Mein Mann schaut mich fragend an. Nun fällt es mir heiß und kalt ein. Das Lotto, das habe ich vergessen. Lotto spielen ist mein Hobby. Obwohl ich noch nie etwas gewonnen habe, spiele ich jede Woche für ein paar Mark. Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass nicht mehr viel Zeit ist. Die Lottoannahmestelle schließt bald. „Micha, Micha.“ „Ja Mama!“ Micha kommt um die Ecke gestürmt und rennt mich fast um. „Hier, bring den Zettel noch schnell weg. Beeil dich, die machen gleich zu.“ Ich halte ihm den Zettel und unsere Karte fürs Lotto hin. „Wird gemacht Mama.“ Micha reißt mir fast den Zettel und die Karte aus der Hand, und schon ist er weg. Rolf und ich unterhalten uns noch ein wenig. „Mama, ich habe großen Hunger. Mach bitte Spagetti. Bitte Mama.“ Tina hüpft von einem Bein aufs andere. „Mal sehen Kleine.“ Ich stelle noch schnell eine Maschine Wäsche auf und mache mich dann ans Kochen. Endlich sind alle satt und zufrieden. So kann ich mich an den einzigen ruhigen Platz in unserem Haus zurückziehen, ins Bad. Mit einem dicken Schmöker genieße ich das wunderbare warme Wasser.

Als ich das Bad verlasse, stelle ich fest, in der Wohnung ist total ruhig. Rolf liegt schon im Bett und wartet auf mich. Ich kuschle mich verliebt in seine Arme und genieße seine zärtlichen Hände auf meiner Haut, aber irgendwie bin ich heute nicht ganz bei der Sache. Die Südsee spukt mir als im Kopf herum. „Du Rolf, meinst du, solche unbewohnten Inseln in der Südsee gibt es noch? Ich meine solche, die wirklich groß genug sind, auf denen man auch wirklich gut leben kann, wo es trinkbares Wasser gibt und was zum Essen und ohne das einem schon die kleinste Flut wegspült.“ Rolf hört verdutzt mit seinen Streicheleinheiten auf und guckt mich intensiv an. „Es muss doch auch sehr einsam sein, wenn man dort leben muss. Was ist, wenn man mal wirklich krank ist und so.“ „Also, wenn ich mal auf so eine Insel ziehen würde, müsste ich mich finanziell schon so gut stehen, dass ich mir allen gewohnten Luxus gönnen könnte. Ein schönes Haus, natürlich im Südseestil. Waschmaschine, Fernseher Videos, die würden wir mitnehmen, Funkgerät, Hochseejacht und auch ein Wasserflugzeug damit man auch mal weg kann, wenn einem die Decke auf den Kopf fällt und man sich so langweilt, wie du sagst. Vieh und Hilfspersonal, alles was man braucht um eine Plantage zu bewirtschaften. Ach was soll`s, warumsich Gedanken um Sachen machen die ja doch nie eintreten werden. So reich werden wir nie sein, um uns so etwas leisten zu können.“ Damit ist für Rolf das Thema anscheinend erledigt und ich gebe mich wieder ganz seiner Zärtlichkeit hin. Morgenfrüh darf ich endlich länger schlafen. Morgen Nachmittag sind wir bei unseren besten Freunden zum Grillen eingeladen. Darauf freue ich mich sehr. Wir haben immer viel Spaß. Zufrieden und müde schließe ich die Augen und träume von Sonne, Wärme und endlos langen Sandstränden. Ein Meer, welches so blau und klar ist, dass man die Fische auf dem Grund hin und her flitzen sehen kann.

Der gestrige Abend bei unseren Freunden, ist recht schön, aber auch sehr anstrengend gewesen. Ich hatte ein bisschen zu tief ins Glas geschaut und zu viel mit Werner geflirtet, glaube ich. Mir ist heute hundeelend und einen mächtigen Kater hab ich auch noch. Noch zwei Stunden habe ich an Schlaf zu gelegt, aber es ist mir immer noch nicht besser. Der Kopf tut mir weh. Ich habe Durst und ich kann nicht schlucken. Ich glaube, mein Kater ist eine ausgewachsene Angina. Ich bringe es nicht fertig aufzustehen, obwohl ich Micha und Tina in deren Küche rumoren höre. Endlich ist Rolf wach. Seine Hand tastet nach mir. Er setzt sich erschrocken auf. „Du glühst ja! Was ist los mit dir? Hast du Fieber?" „Ich glaube ja“, krächze ich mühselig und krame dabei in meiner Nachttischschublade nach dem Fieber-Thermometer. 39° Grad. Das Fieber ist ziemlich hoch und das schon am Morgen. Rolf ruft ohne zu zögern den Arzt. Dieser diagnostiziert, wie ich auch schon vermutet habe, eine ausgewachsene Halsentzündung und verordnet feste Bettruhe und ein Antibiotika. Gegen Mittag holen meine Eltern die Kinder ab und Rolfs Mutter will mich ab morgen pflegen. Ich brauche mir also um nichts und niemanden Sorgen machen. So mache ich ganz einfach die Augen zu und verschlafe den Tag.

Es ist Mittwochmorgen. Rolf hat mir das Telefon ans Bett gestellt, damit ich anrufen kann, wenn irgendetwas nicht in Ordnung ist. Meine Schwiegermutter kann erst gegen Nachmittag kommen. Nun habe ich Durst. Die Wasserflasche neben meinem Bett ist leer. Außerdem habe ich einen schlimmen Geschmack im Mund. Zähneputzen und mich waschen kann sicher nichts schaden. So schleiche ich erst ins Bad. Danach fühle ich mich schon erheblich besser. Der Schritt in die Küche ist schon viel besser. Mit einer Flasche Wasser unter dem Arm, mache ich mich wieder in Richtung Schlafzimmer und Bett. Da schlafen immer noch das beste Heilmittel ist, tue ich es. Aus den tiefsten Träumen reißt mich das wiederholte Klingeln des Telefons. Es dauert etwas bis ich begreife wo ich bin. Wird sicher Rolf oder meine Mutter sein. „Ja, hier Sander“, krächze ich in das Telefon. Dabei bin ich mir nicht sicher, ob der oder die Teilnehmer am anderen Ende der Leitung mich überhaupt verstehen können. Eine männliche Stimme antwortet. „Ist dort Frau Miriam Sander, Frankenweg 13?" Irritiert antworte ich, „ja hier ist Miriam Sander und wer sind sie und was wollen sie?“ „Oh entschuldigen sie, ich muss mich erst vergewissern, ob ich auch die richtige Person am Telefon habe. Mein Name ist Wulff von der staatlichen Lotteriegesellschaft. Frau Sander, darf ich gleich bei ihnen vorbei kommen. Ich denke, sie warten schon auf uns?" Ich bin ganz aufgeregt. „Nein warum, hab ich was angestellt?" Herr Wulff lacht. „Sie wissen also noch nicht, dass sie gewonnen haben, Frau Sander. Ich glaube alle weiteren Erklärungen bekommen sie gleich von mir persönlich. Wir haben ja ihre Adresse durch ihre Spielkarte. In einer halben Stunde bin ich bei ihnen.“ Damit hat der Herr aufgelegt. Ist wohl ein dummer Scherz. Da will mich jemand hochnehmen, oder doch nicht? Ach was soll`s. Ich kann ja mal einen Spaß mitmachen. Langsam ziehe ich mich an. Ich bin gerade dabei mit zitterigen Fingern meine Bluse zuzuknöpfen, da klingelt es auch schon. Man bin ich langsam. Mit wackeligen Beinen wanke ich an die Türe um zu öffnen. Ein leicht untersetzter, älterer Herr steht vor mir. „Frau Sander? Ich bin Herr Wulff.“ Er hält mir einen ziemlich echt aussehenden Ausweis unter die Nase. „Darf ich hereinkommen?" Ich bitte ihn ins Wohnzimmer, wo er gleich auf den Sessel zusteuert, seine Aktentasche auf den Tisch platziert und selbst Platz nimmt. „Frau Sander, sie können sich doch sicher denken, warum ich heute hergekommen bin?" Fragend schaut er mich an. Stumm schüttele ich den Kopf. „Dann setzen sie sich bitte gut hin. Ich habe eine Nachricht für sie die sie sicher umwerfen wird.“ Ich setze mich auf die Sofakante. „Nun, Frau Sander, ich habe die große Freude ihnen mitteilen zu können, dass sie einen der größten Lottogewinne als alleinige Gewinnerin gewonnen haben, der je zur Ausspielung gekommen ist. Es sind sage und schreibe, 17 Millionen DM.“ erzählt der Herr ganz aufgeregt. Ans Lotto habe ich überhaupt nicht mehr gedacht. Was ein Glück, dass ich über die Kontokarte gespielt habe. Da gehen die Gewinne automatisch auf mein Bankkonto, wenn ich sie nicht vorher abhole. Wie das mit so großen Gewinnen ist, weiß ich nicht, aber dadurch ist mein Name bekannt. Ich träume! Mir wird ganz schlecht. Ich glaube ich muss mich übergeben. „Frau Sander! Um Gotteswillen, so kommen sie wieder zu sich!" Von ganz weit her höre ich diese Stimme. Ich habe nicht geträumt. Dieser Herr Wulff ist noch da. Nun wird er sicher erklären, wer ihn zu diesem Streich angestiftet hat. Ich und Lottogewinn und dann soviel, das ist ganz unmöglich. Ich öffne die Augen. Dieser Wulff hat sich über mich gebeugt und tätschelt mir im Gesicht herum. „Mein Gott, haben sie mir einen Schrecken eingejagt, einfach umzukippen, als ich ihnen von ihrem schönen Gewinn erzählt habe. Geht es ihnen jetzt wieder besser?" Ich nicke noch immer benommen mit dem Kopf. „So dann wollen wir einmal zum Ende kommen. Ich brauche nochmals ihre Kontonummer zur Bestätigung der Richtigkeit unserer Daten und ihre Unterschrift damit sie ihr Geld bekommen. Oder möchten sie es in bar?" Noch immer kann ich nicht sprechen. 17 Millionen in bar? Ich schüttele nur den Kopf und fülle die mir vorgelegten Formulare aus. „Und nun bekommen sie noch ihre Gewinnbestätigung, damit können sie zur Bank gehen.“ Es ist alles wie im Traum. Sicher schlafe ich und gleich weckt mich jemand. Ein sicheres Zeichen ist das ich nichts sagen und fragen kann. „Kann ich noch etwas für sie tun, sie sehen so blass aus. Ich möchte sie nicht alleine lassen.“ „Danke Herr Wulff, ichhabe die Grippe. Ich möchte mich bei ihnen bedanken für diese umwerfende Nachricht. Wo und wie darf ich ihnen was zukommen lassen?“ Endlich habe ich meine Stimme wiedergefunden. „Vielen Dank Frau Sander, aber wir dürfen nichts annehmen. Es ist so viel Freude, Überbringer einer guten Nachricht zu sein. Wenn es ihnen recht ist werde ich mich nun verabschieden. Ich wünsche ihnen und ihrer Familie viel Glück und weise Voraussicht.“ „Vielen Dank, Herr Wulff, bitte sind sie mir nicht böse, wenn ich hier sitzen bleibe. Meine Beine sind wie Gummi.“

Endlich hat sich Herr Wulff verabschiedet. Ich sitze immer noch an der gleichen Stelle und bin nicht fähig zu denken oder zu begreifen was da wirklich geschehen ist. Im Lotto gewonnen, 17 Millionen DM. Unvorstellbar, das kann doch gar nicht wahr sein, so was gibt doch nicht. Hier auf dem Zettel steht es schwarz auf weiß. Dicke Tränen laufen mir unaufhaltsam übers Gesicht und meine Nase läuft kräftig mit. Endlich, ich weiß gar nicht wie viel Zeit vergangen ist, fällt mir ein, dass ich Rolf anrufen muss. Nach einer mir endlos erscheinenden Zeit habe ich Rolf am Telefon. Ich kann kaum sprechen. „Rolf, bitte komm sofort nach Hause, es ist was passiert.“ Ich kann nicht weitersprechen. „Um Gotteswillen, was ist los, sag schon.“ „Nein, nein, ich kannnicht, bitte komm sofort nach Hause", schluchze ich und lege schnell auf. Im Nachhinein kapiere ich, was für eine riesen Eselei ich da begangen habe. Rolf denkt nun sicher, dass etwas fürchterlich Schlimmes vorgefallen sein muss. Hoffentlich fährt er trotzdem vorsichtig. Ich weiß nicht, wie lange ich nun hier schon sitze. Ich habe keinen Zeitbegriff mehr. Ich weine und weine, vielleicht vor Freude, oder vor Angst. So wahnsinnig viel Geld kann auch bedrohlich sein. Endlich kommt Rolf ins Wohnzimmer gestürzt. Er nimmt mich sofort in den Arm und spricht beruhigend auf mich ein. Noch weiß er nicht was überhaupt los ist. „Mein Kleines, was ist denn passiert? Sag schon, ist was mit den Kindern, oder den Eltern?" Ich schüttele erst mal den Kopf, putze meine Nase, atme tief durch und endlich kann ich wieder sprechen. „Du, Rolf“, ich flüstere es fast, als könnte mir etwas verloren gehen, wenn ich es zu laut sagen würde. „Wir haben im Lotto gewonnen, stell dir mal vor, über 17 Mio. Es ist wirklich wahr. Ich glaub ich werde verrückt, aber hier ist die Bestätigung der Lottogesellschaft“, platzt es aus mir heraus und dabei halte ich Rolf das Papier unter die Nase. Jetzt ist es an Rolf blass zu werden. „Ich werde nicht mehr. Kneif mich mal.“ Ich tu es und von Rolf kommt ein verdutztes. „Au.“ Er hat es bestimmt nicht so wörtlich gemeint wie ich angenommen habe. Rolf geht zum Wohnzimmerschrank und gießt sich und mir erst mal einen doppelten Cognac ein. Ich halte ihn in der Hand, mag aber nicht trinken. Immerhin habe ich heute Morgen schon starke Medikamente eingenommen. Ich habe mich nun doch beruhigt, wahrscheinlich durch Rolfs Anwesenheit. Dafür ist nun mein Mann ein wenig mehr neben der Spur. Hoffentlich werden wir nicht größenwahnsinnig. „Dass wir so viel Geld haben, dürfen wir niemanden sagen, hörst du!" Rolf scheint mich für ziemlich blöde zu halten. Ich hoffe er verrät nichts. Ich halte ihn nämlich für genauso blöd. Auf alle Fälle wird es uns beiden nicht leicht fallen zu schweigen. „Auch den Eltern und Kindern können wir es noch nicht sagen. Wir machen erst einmal so weiter wie bisher. So wie wir das Geld haben, bezahlen wir erst einmal alle unsere Verpflichtungen und dann werden wir einen richtigen Einkaufsbummel machen. Sich Wünsche erfüllen ohne auf die Mark zu schauen“, sinniert Rolf. „Du, Rolf, ich möchte nicht mehr arbeiten gehen. Bitte kündige für mich, unter irgendeinem Grund. Bitte, ja.“

„Das geht leider nicht, das musst du selber tun. Tut mir leid. Im Moment bist du eh krankgeschrieben. Das hat also Zeit.“ Rolf nickt mir zu und verlässt das Zimmer. Langsam kommt es mir wieder zu Bewusstsein wie mies ich mich fühle. Mein Hals tut sehr weh. Meine Augen bekomme ich auch kaum auf. Ich brauche dringend Ruhe. Mich ins Bett verkriechend, geht mir erst noch einmal alles durch den Kopf. Irgendwie ist das ein toller Gedanke so viel Geld zu haben. Es schläft sich gut damit. Ohne Sorgen.

UNERWARTET IN FREUDIGER ERWARTUNG

Fast eine ganze Woche lang hat mich die Grippe mit hohem Fieber fest im Griff. Habe meine Stelle gekündigt, was mein Chef mit, angeblich großem Bedauern zur Kenntnis genommen hat. Ich wusste gar nicht, dass ich solch einen Stellenwert in unserer Firma hatte. Er hat noch mal angerufen und nachgefragt, ob es mir mit der plötzlichen Kündigung wirklich ernst ist? Rolf und ich haben beschlossen über das Geld und was wir damit anfangen werden, erst zu sprechen, wenn wir es auf unserem Konto haben. Dann sollen auch unsere Eltern und Kinder von unserem Wohlstand erfahren. Das Schweigen fällt uns sehr schwer.

Das Geld ist nun endlich da. Nun glaube ich es wirklich. Es ist kein Traum mehr, sondern Realität. Die Leute von der Bank haben angerufen und gefragt, ob der Direktor persönlich bei uns vorbeikommen soll. Wir lehnen dankend ab und teilten mit, dass wir vorbeikommen. Wie freundlich die Leute auf einmal sind. Was ein Glück, dass es ein Bankgeheimnis gibt, sonst könnten wir uns vor freundlichen Leuten nicht mehr retten. In der Bank angekommen, werden wir sofort zum Direktor geführt. Sehr zuvorkommend empfängt uns der oberste Chef. (Sicher sind wir nun seine reichsten Privatkunden.) „Bitte nehmen sie Platz, darf ich ihnen einen Kaffee bringen lassen?" Dankend nehmen wir an. „Hm“, räuspert sich Direktor Knapp. „Sehr geehrte Familie Sander, tja wie soll ich anfangen. Sie verfügen nun über sehr viel Geld, wissen sie schon was sie damit anfangen wollen? Unsere Bank hat ausgezeichnete Möglichkeiten ihnen bei der gewinnbringenden Anlage ihres Vermögens zu helfen.“ „Vielen Dank, wir werden demnächst auf ihr Angebot zurückkommen. Vorerst haben wir unsere eigenen Pläne. Ich hoffe es gelingt uns, sie in die Tat umzusetzen.“ Rolf blinzelt mir zu, wie ein Verschwörer. Ich verstehe nicht was er meint. Er wird es mir bestimmt erklären. Der Bankchef rechnet uns aus, wie viel Geld wir jeden Monat an Zinsen bekommen. Uns stockt der Atem. Kein Wunder, nun verstehe ich auch das alte Sprichwort „Wo Geld ist, kommt Geld zu.“ Wir können von den Zinsen alleine schon sehr gut leben. Nach freundlicher Verabschiedung begeben wir uns in den Schalterraum. Endlich ist der große Tag da. Wir bezahlen alle unser Schulden auf einen Schlag. Mir kribbelt es richtig im Bauch. Es ist ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Eigentlich möchte ich es jedem zu rufen. He, du, ich bin reich und ohne Schulden. Ich muss mir richtig auf die Zunge beißen. Eine größere Summe lassen wir uns auszahlen für den Familieneinkaufsbummel am Wochenende. Ein neues Auto für sich und eins für mich haben wir auch nicht gekauft und weder unsere Freunde noch Familie wissen etwas von diesem Gewinn und so soll es vorerst auch bleiben. Für heute und morgen hat sich Rolf Urlaub genommen. Jetzt, nach unserem Banktermin, werden wir essen gehen, ganz vornehm und anschließend, wer weiß. Die Kinder sind bei den Großeltern über Nacht. „Wie wäre es wenn du dir mal was ganz tolles zum Anziehen kaufst und dich richtig schick machst?" schlägt mir mein herzallerliebster Mann vor. „Dann musst du dir aber auch ein neues Outfit zu legen, denn ich will auch einen tollen Mann.“ Rolf nickt lachend und so ist es beschlossene Sache. Wir fahren nach Frankfurt. Ich steige in einem Geschäft ab, wo ich mich früher nie rein getraut hätte. Von der Unterwäsche über ein tolles Kostüm und ein Abendkleid, habe ich mir erlaubt mich komplett einzukleiden. Gerade will ich das Geschäft verlassen, als mein Blick auf ein wunderschönes, aber sündhaft teures Neglische fällt. Das muss ich noch unbedingt haben, aber so viel Geld. Mir fällt ein, dass ich nicht rechnen muss, also nehme ich es mit. Man weiß ja nie. Nun ist der Friseur dran. Ein neuer Schnitt. Ich habe naturblondes lockiges Haar. Werde immer darum beneidet. Nun noch etwas Make-Up. Ich erkenne mich selber kaum wieder. Ich bin ja richtig hübsch. Bin mal gespannt was mein Liebling zu seiner neuen Frau sagen wird. Als ich zum vereinbarten Treffpunkt komme, erwartet mich selber eine Überraschung. Ich erkenne meinen Rolf kaum wieder. In schwarzen Hosen, einem senfgelben Jackett mit dazu passendem Hemd und Top modischer Krawatte. Super. Es nimmt mir fast die Luft. Ich starre ihn an wie ein Kaninchen die Schlange, aber diese Schlange starrt genauso zurück. „Toll siehst du aus“, genau dieselben Worte zur selben Zeit platzen uns heraus. Nun müssen wir beide herzhaft lachen.

EINE ALTE ROMANZE IM NEUEM GEWAND

Unser Abenteuer beginnt uns großen Spaß zu machen. Rolf nimmt mich am Arm und begleitet mich wie ein Gentleman zu einem wartenden Taxi. Im besten Hotel der Stadt, in der Fürstensuite, mieten wir uns für eine Nacht ein. Die Dame am Empfang schaut uns etwas pikiert an. Sicher, weil wir nur für eine Nacht und fast ohne Gepäck, uns einquartieren. Sie hält uns wahrscheinlich für ein heimliches Liebespaar. Als Rolf aber die Rechnung im Voraus bezahlt, bei der Summe bekomme ich ein totales schlechtes Gewissen, scheint sie doch beruhigt zu sein. Ein Boy bringt uns zu unserem Luxusreich für eine Nacht. Nach einem reichlichen Trinkgeld sind wir endlich alleine. Rolf nimmt mich zärtlich in die Arme und will mich anscheinend vernaschen. Ich denke mal erst an meine schönen Kleider, die Frisur und vor allen Dingen ans Essen und dass die Mittagszeit fast vorüber ist. Ich habe mächtigen Hunger, aber nicht auf meinen Ehemann. Wie bringe ich es ihm so schonend wie möglich bei. Noch in Gedanken, komme ich plötzlich ins Taumeln, als mich mein ach so geliebter Ehemann unverhofft aus seinen Armen entlässt.

„Bei allem Appetit auf dich mein Häschen, ich verspüre großen Hunger auf ein herrliches Steak. Hast du vielleicht auch solche Gelüste?“ Ich stimme dem zu, froh meine Frisur und Make-Up gerettet zu haben. Im Restaurant werden wir zu einem sehr schön gedeckten Tisch geführt. Der Ober bringt die Karte und wir lassen uns von ihm beraten. Ich möchte am liebsten die Speisekarte von hinten nach vorn durchprobieren. Meine Augen sind größer als mein Magen. Schon immer habe ich von so einem feinen Ambiente geträumt. Wir werden bedient wie Könige. Das Essen ist herrlich und der Wein, das beste was ich jemals getrunken habe. Rolf ist auch richtig aufgekratzt. „Mein liebes Häschen“, was der heute als mit diesen Hoppeltieren hat. „Ich habe eine kleine Überraschung für dich.“ Mit einer großartigen Geste zieht Rolf eine Schatulle aus der Jackentasche. Er macht sie auf und was erblickt mein staunendes Auge! Ein wunderschönes Collier mit einem großen Aquamarin, mein Lieblingsstein gefasst mit kleinen Brillis in Weißgold. Ich bin hin und weg. „Für meine blonde Schönheit. Damit ihre blauen Augen noch blauer strahlen, aber angezogen wird sie erst wenn wir nachher zum Schwofen, ach so wir sind ja heute ganz vornehm, zum Tanzen gehen.“ Ich falle meinem Mann um den Hals und habe es nun ganz eilig wieder auf unser Zimmer zu kommen und mich für den Abend fit und fein zu machen. Rolf kann mir kaum folgen. Wie hatte sich mein Leben in den letzten paar Tagen, nein Stunden verändert, aus der, nach meinem Empfinden, grauen Maus, war ein wunderschöner Schmetterling geworden. Ich bin rundherum überglücklich. So war das Leben schön und so konnte es von nun an weitergehen. Im Zimmer angekommen, zogen wir uns nach einer kurzen Ruhepause, welche jeder in einem Sessel verbrachte, ich weil ich meine tolle Frisur und Make Up nicht zerstören wollte und Rolf sicher aus Bequemlichkeit, schnell um. Ich schlüpfte in mein atemberaubendes blaues Abendkleid mit dem schulterfreien tiefen Dekolletee und Rolf kleidet sich in seinen neuen Smoking als hätte er nie etwas anderes getan. Vor dem Spiegel legt er mir meine neue Kette um. Er tut es nicht ohne mir sanft über den Nacken zu streichen. Wie ich das liebe. Umwerfend sehen wir beide aus. Nun kann es losgehen. Mal sehen wie die Leute hinter unserem Rücken flüstern werden. Die halten uns bestimmt für ein Liebespaar welches nicht zusammen gehört. Ganz schön aufregend das alles. Ich bin sehr neugierig wie es nun weitergeht mit unserem Millionentraum.

Das Restaurant ist wirklich super elegant. Ein Ober führt uns an unseren vorbestellten Tisch und rückt mir den Stuhl zurecht. Nobel, nobel. Wir lassen uns in Bezug auf Essen und Trinken mal wieder beraten und ein tolles Menü zusammenstellen. Ich kann nicht widerstehen, obwohl ich noch sehr satt bin. „Du Schatz, du hast doch von noch einer Überraschung gesprochen? Ich bin nun mal sehr neugierig. Ich möchte nicht mehr bis irgendwann später warten.“ Nicht sehr damenhaft habe ich mit vollem Mund gesprochen, was mir einen kleinen Fleck auf meinem neuen, tollen Kleid eingebracht hat. „Moment mal, erzähl es mir gleich, ich muss mal schnell für kleine Mädchen.“ Suchend blicke ich mich um und siehe da, dass berühmte Schild ist nicht weit entfernt. Schnell stehe ich auf, fast fliegt noch mein Glas mit Wein um. Geistesgegenwärtig fange ich es auf. Im Abmarsch sehe ich, mein Mann schaut mir ganz irritiert nach. Der denkt bestimmt; was ist denn in die gefahren? Es ist ein Fleck in meinem neuen tollen Kleid. Auf der Toilette ist es ein Leichtes ihn mit etwas warmen Wasser und ein Tuch auszureiben, dachte ich. Leider ohne Erfolg. So kehre ich mit einem noch größeren, nassen Fleck im neuen Kleid, an den Tisch zurück. Ich halte raffiniert meine Hand mit der Tasche darüber. Ich bin ja nicht dumm. Beim Hinsetzen schnell die Serviette in den Ausschnitt steckend, fordere ich meinen holden Gatten auf, endlich kein Geheimnis mehr aus dem Geheimnis zu machen.

„Es geht um unseren Traum, von der Insel in der Südsee, weißt du. Es ging mir nicht aus dem Kopf. Ich denke mit dem Geld, welches wir jetzt haben, können wir unseren Traum verwirklichen.“ Rolf sieht sehr ernst aus und ich bin baff. Mit so etwas habe ich nicht gerechnet. Jetzt, wo genug Geld da ist, um uns hier ein schönes Leben zu gönnen. Ich schaue anscheinend sehr unfreundlich. „Was ist, freust du dich nicht, dass ich über die Erfüllung unseres Wunsches nachgedacht habe?“ Rolf sieht mich fragend an. Was soll ich darauf antworten? Prompt, ohne Nachdenken kommt die Antwort. „Das ist es nicht, ich bin nur sehr überrascht von deinem oder besser gesagt, von unserem Traum, dass du an eine Verwirklichung denkst! Hast du schon einmal darüber nachgedacht, wie es gehen soll, mit den Kindern und der Schule, zum Beispiel? Und was ist, wenn uns die Einsamkeit auf den Geist geht, oder wenn einer von uns krank wird? Denk an die vielen schlimmen Stürme, und Erdbeben die es in diesen Regionen gibt.“ Ich mache eine verheißungsvolle Pause und muss mir dabei zwangsläufig eingestehen, dass mich so ein Südseeabenteuer sehr reizt! Rolf setzt sein Lausbubenlächeln auf und ist in seinem Inneren fest davon überzeugt, er kriegt mich rum. „Mein Schatz, auch auf den Südseeinseln, sofern diese bewohnt sind, gibt es Schulen, Krankenhäuser, Ärzte oder zu mindestens einen Medizinmann und freundliche Menschen mit denen man Freundschaft pflegen kann. Sonst noch Probleme?“

„Problem eins; Wie kommt man überhaupt zu so einer Insel, die auch noch groß genug ist und genügend Süßwasser hat? Problem zwei; reicht dann unser Geld überhaupt. Wovon wollen wir leben, wenn es einmal alle ist, oder meinst du, es reicht für alle Ewigkeit. Problem drei: Unsere Kinder werden auch einmal erwachsen. Wie stellst du dir deren Zukunft vor?“ Ich sehe meinen Mann fragend an. „Mein Schatz, das einzig wirkliche Problem ist das Problem Nummer eins. Alles andere kommt dann mit der Zeit, aber eins ist mir klar. Du hast überhaupt keine Vorstellung davon, wie viel Geld wir haben! In den Südseeländern vervielfacht sich die Summe noch, da die täglichen Ausgaben viel geringer sind und auch der ganze Tam Tam, der hier gebraucht wird, absolut keine Rolle mehr spielen. Aber das mit der Insel kaufen, das habe ich mir schon überlegtund sogar schon etwas dafür getan. Ich habe intensiv recherchiert. Es wären für uns drei Inseln darunter in Betracht gekommen. Die erste ist sehr groß. Wir müssten in Dollar bezahlen. Es würde nicht viel übrig bleiben. Außerdem ist die Regierung dort nicht sehr vertrauenswürdig. Die zweite geht zwar preislich, liegt aber weit ab von jeder Zivilisation. Also kommt sie auch nicht in Frage, da du ja Angst hast wir fallen uns auf den Wecker und unsere Kinder bleiben dumm.“ Ich muss nun doch mal lachen. Rolf durchschaut mich fast immer. „Die dritte Insel wäre ideal. Da habe ich über unsere Botschaft Auskunft eingeholt und dort der Botschafter hat mich per Telefon kontaktiert und uns eingeladen Sie ist zirka 80 km lang und 45 km breit. Außerdem hat sie einen Bergzug welcher auf eine Höhe von 500 m über null kommt. Einige Süßwasserquellen sind auch vorhanden und die Entfernung zur größten Insel der Region beträgt nur 80 Seemeilen. Auf der Hauptinsel gibt es eine internationale Schule mit Internat, wo die Kinder ihren Hochschulabschluss machen können, wenn sie gescheit genug sind. Ein Krankenhaus und viele kulturelle Einrichtungen sind vorhanden und es gibt einen sehr beliebten und volksnahen König. Die Hauptinsel ist mit einem hochseetüchtigen Boot leicht zu erreichen. Die Regierung ist beständig und sehr deutsch freundlich. Kosten wurdeuns der Spaß zirka 7 Mio. Dollar. Wir hätten also noch genug Geld um etwas auf die hohe Kante zu legen und auch noch genug um uns eine Existenz aufzubauen. Was meinst du, wollen wir sie uns mal ansehen? So ein schöner Urlaub der würde uns bestimmt gefallen!“ „Die Kinder müssen doch in die Schule. Wir sind ja dann etwas länger unterwegs.“ Ist mein ganzer Einwand. „Ich habe ja auch gedacht, dass nur wir beide, also du und ich, fahren würden. Die Kinder sind doch liebend gerne bei den Eltern. Wir müssen unseren Familien jetzt sowieso reinen Wein einschenken. Auf deren Gesichter, da freue ich mich jetzt schon. Wir laden alle großartig ein und bei dieser Gelegenheit werden wir sie fragen, ob sie auf die Kid´s aufpassen können. Außerdem werden wir sie fragen, ob sie mit uns ziehen möchten oder lieber hier unser Haus bewohnen und verwalten wollen. Wenn die Handwerker mit umbauen fertig sind, können ja beide Familien darin wohnen. Probleme dürfte es da ja nicht geben, denn die vier sind ja dicke Freunde. Was meinst du dazu?“ „Dass du mich überhaupt noch nach meiner Meinung fragst, erstaunt mich nun doch. Es kommt mir vor, als wäre schon alles fest geplant, oder irre ich mich?“ „Das ist nicht wahr. Du sollst dir alles ansehen und dann werden wir gemeinsam entscheiden.“„Weißt du, eigentlich habe ich mich längst entschieden. Ich möchte das Abenteuer erleben. Nur eins musst du mir versprechen, dass immer so viel Geld da ist, dass wir zu jeder Zeit nach Deutschland zurück können und im Alter versorgt sind.“ „Mein Schatz, dass verspreche ich dir hoch und heilig.“ Rolf gibt mir einen Kuss. Ich sehe, als ich aus den Augenwinkeln heraus schiele, wie uns die Leute rundum beobachten. Die meinen bestimmt, wir gehören nicht zueinander. Mir macht dieser Gedanke außerordentlich Spaß. Die zwei sind verheiratet, aber nicht miteinander. Mir ist, als könnte ich diese Gedanken an den Gesichtern lesen. Sie scheinen nicht ohne Neid zu sein. Viele wären so einem verruchten Abenteuer bestimmt nicht abgeneigt. Es ist egal. Wir werden diesen Abend ausgiebig genießen. Nach langer Zeit tanzen wir wie die Weltmeister und nachdem wir morgen ausgeschlafen und gefrühstückt haben, geht es heim.

Eine lange Nacht ist vorüber. Sie war heiß und innig. Wir haben unser Frühstück aufs Zimmer bestellt und genießen es auch noch ausgiebig. Endlich haben wir unseren Kaffee ausgetrunken und können uns auf den Heimweg machen.

ÄNDERE DEIN LEBEN UND DAS LEBÄNDERT DICH

Ich bin gespannt, was die Kinder für Gesichter machen, wenn sie die Sachen auspacken. Die glauben doch es ist Weihnachten und Ostern auf einen Tag. Und die Schwiegermutter und meine Mutter erst, wenn sie die Pelzmäntel sehen. Neulich standen wir drei, als wir einen Stadtbummel machten, vor einem ganz teuren Pelzgeschäft, Da haben die zwei sich gegenseitig vorgeschwärmt. Ich habe mir auch, welch ein Blödsinn, denn in der Südsee brauche ich ihn bestimmt nicht, einen wunderschönen Blaufuchsmantel gekauft, obwohl ich eigentlich nicht für Pelz bin. Nun ja so ein Mantel war trotzdem schon immer ein Traum von mir, genauso wie ein wunderschönen Ring mit einem großen aufgesetzten Blautopas, seidene Unterwäsche, tolle Negligee und noch eine Menge Kinkerlitzchen, welche ich mir gegönnt habe. Für unsere Väter haben wir uns eine andere Überraschung ausgedacht. Ihnen werden wir im Keller unseres Hauses, in dem sie ja bald wohnen werden, eine komplette Werkstatt einrichten. Zu Hause angekommen, ruf ich unsere Eltern an und lade sie zum Essen am Wochenende nach Frankfurt in ein angesagtes Restaurant ein. Anschließend bestelle ich dort ein exklusives Menü für uns alle. Als die Kinder ihre Geschenke sehen, fragen sie was los ist. Nun liegt es an uns, beide vorsichtig auf die anstehenden Veränderungen vor zubereiten. Wir erzählen ihnen von dem vielen Geld, welches wir nun besitzen und das wir beschlossen haben ein neues Leben in einem anderen Land zu beginnen. Die von uns erhoffte Begeisterung bleibt aus. Rolf und ich sehen uns verwirrt an. Micha schaut unter sich und sagt kein Wort und Tina fängt an zu weinen. Das hatten wir nicht erwartet. Wir sind nun doch sehr betroffen. „Aber Micha, freust du dich denn nicht ein bisschen?“ Konnte ich mir diese dumme Frage nicht verkneifen. Vor lauter eigener Begeisterung hatten wir nicht bedacht, dass wir unsere Kinder aus ihrem gewohnten Leben nehmen wollen. Weg von ihren Freunden und allem, was sie mögen. Nun fing auch noch Micha unser fast erwachsener Sohn an zu weinen. „Aber Micha, willst du uns denn nicht sagen, was dir an unseren Plänen so ganz und gar nicht gefällt.“ Nun versucht Rolf unseren Sohn zum Reden zu bringen. „Was soll ich denn in der Südsee? Kann mir das mal einer verraten? Hier sind meine Freunde, meine Schule, auch wenn ich nicht immer gerne hingehe. Wer soll in der Südsee mit mir Fußballspielen. Mit wem soll ich mich nachmittags treffen und so weiter? Kann mir dass einer von euch verraten?“ „Aber Kinder! Ihr werdet selbstverständlich auch dort eine Schule besuchen, neue Freunde finden, vielleicht sogar das große Abenteuer erleben, und eins verspreche ich euch hundertprozentig, einmal im Jahr dürft ihr für einige Wochen hierher zu den Großeltern und euren Freunden. Bevor wir überhaupt umziehen, müssen Mama und ich schauen, ob es dort auch so ist, wie wir uns das vorstellen. Und dann wird es noch eine ganze Zeit dauern, bis alles für einen Umzug vorbereitet ist, Glaubt mir das.“ Rolf hatte die richtigen Worte gefunden. Die Kinder haben sich beruhigt und fangen nun an uns mit Fragen zu bombardieren, welche wir beim besten Willen nicht beantworten können. Es ist sehr spät geworden. Wir sind vor lauter Pläne schmieden recht müde und schleichen uns alle in die Betten. Rolf wird morgen zum Reisebüro gehen und unsere Reise buchen. Wir wollen uns so ganz nebenbei noch ein bisschen die Welt ansehen. Ich bin noch nie geflogen und muss mir ehrlich gestehen, ich habe schon mächtig Angst. Ich erzähle es Rolf. Der macht sich lustig über mich und ich ärgere mich, dass ich überhaupt was gesagt habe. Aber egal, zufrieden wie schon lange nicht mehr, schlafe ich schnell ein.

Bis jetzt konnten wir und auch die Kinder prima dichthalten. Unsere Eltern haben von nichts eine Ahnung. Ganz erstaunt über eine komfortable Einladung haben sie sich herausputzt. Nach dem Essen holt Rolf die beiden Pakete für unsere Mütter herein. Die fallen fast in Ohnmacht als sie die wunderschönen Nerzmäntel sehen. Nun kann sich mein Vater nicht mehr zurück halten und legt richtig los. „Eure Einladung zum Essen war schon enorm, weit über eurem bekannten Limit und nun das! Sagt mal, habt ihr im Lotto gewonnen?“ Als wir „ja“ sagen, die Gesichter kann man nicht beschreiben. „Ich glaub mir wird schlecht‘“, lässt meine Mutter verlauten und sie verliert tatsächlich jede Farbe im Gesicht. Es dauert zu Glück nur wenige Sekunden, dann hat sie sich wieder gefangen. Wir erzählen alles was sich die letzte Zeit zugetragen hat und nun merken sie, dass wir nicht flunkern. Als wir endlich mit unseren Erzählungen von unserer Trauminsel anfangen, merke ich, dass es sie sehr unangenehm berührt. Selbst die Aussicht endlich nicht mehr auf Miete wohnen zu müssen, und auch finanziell sehr gut gestellt zu sein, stimmt sie nicht freudiger. Die Kinder und wir werden ihnen fehlen. Wieder etwas was wir nicht bedacht haben. Sie haben ja nur uns. „Nun ja, wenn ihr es nicht ohne uns aushaltet, kommt ihr ganz einfach mit auf die Insel. Was haltet ihr davon.“ Unsere Idee das Haus nicht zu verkaufen und uns in Deutschland auch noch finanziell abzusichern finden sie recht vernünftig, aber mit uns kommen, wollen sie nicht. Und so endet der Abend doch noch recht harmonisch. Wir planen und planen. Ich habe Angst, meine Lieben wegen fehlender ärztlicher Versorgung zu verlieren und werde Erste-Hilfe Kurse machen.

DER GROßE SPRUNG

Es sind sechs Wochen voller Hektik und Unruhe vergangen. Rolf und ich sitzen nun endlich im Flugzeug. Das große Abenteuer kann beginnen. Unsere erste Station ist Oman. Tausend und eine Nacht in diesem arabischen Ölstaat. Es ist der Luxus pur. Leider verbringen wir hier nur eine Nacht. Aber einen Bummel über den hiesigen großen Basar können wir uns leisten. Es ist wunderbar, diese Gerüche nach fremdartigen Gewürzen, Schmuck, kostbaren Stoffen und vieles mehr. Ich kann nicht widerstehen und ein kostbares breites Kollier aus Gold besetzt mit Rubinen, ist mir. Was mir auffällt, dass man Frauen nur verhüllt, in der sogenannten Burka, sieht. Ich habe mich fast blickdicht angezogen. Auch als Ausländerin muss man sich nach Landessitte kleiden, nur dass ich nicht mein Gesicht verhüllen muss. Nach diesem Bummel und einem opulenten Mahl, fallen wir todmüde in ein wunderbar weiches und angenehm kühles Bett. Es ist mit Bezügen und Decken aus Seide ausstaffiert. Rolf möchte noch Liebe. Ich bin nur noch müde und bekomme es gar nicht mehr richtig mit, dass er noch versucht mich in Stimmung zu bringen. Gute Nacht Liebling.

Eine für mich angenehme Nacht in voll akklimatisierten Zimmer, ist vorüber. Rolf bekommt noch seine Streicheleinheiten und dann geht es nach einem ausgiebigen Bad, in einer Badewanne aus Marmor mit goldenen Hähnen, welche fast die Ausmaße eines kleinen Pools hat, zum Frühstück. Danach werden wir abgeholt und zum Flughafen gebracht. Es ist sehr heiß. Mir wird fast schlecht. Mein Körper hat sich noch nicht umgestellt von dem Herbst in Deutschland auf die Hitze.

ZWISCHENSTOPP IN INDIEN

Es geht weiter nach Mumbai Hier wollen wir einige Tage verbringen. Wir sind noch nicht richtig aus unserem voll klimatisierten Flugzeug ausgestiegen, da überfällt uns die feuchte Hitze dieser Stadt und treibt uns den Schweiß aus allen Poren. Es ist noch schlimmer als im Oman. „Hoffentlich ist es auf unserer Inseln nicht so heiß. Ich glaube das würde ich auf Dauer nicht ertragen. Mir wird ganz schlecht“. Um mich beginnt sich alles zu drehen. „Man gewöhnt sich daran und wenn nicht, läufst du rum, wie Eva im Paradies.“ Rolf lächelt anzüglich und gerade dieses Lächeln bringt meinen kleinen Schwächeanfall zum Verschwinden. Ich bin wütend, dass mein Mann meinen Hilferuf nicht beachtet hat. So sind Männer! Man sagt immer, Wärme stimmt erotisch. Ich merke im Moment nichts davon. Ich bin nur geschafft und wünschte mir, wir wären schon in unserem Hotel. Aber bevor wir so weit sind, müssen wir noch durch die Passkontrolle. Unser Gepäck wird in unser Hotel gebracht. Darum brauchen wir uns nicht zu kümmern. Zum Glück. Unsere Reisegesellschaft hat uns einen deutschsprachigen Führer, für unsere Reise gebucht.

Ich kann nur sehr wenig englisch. Das muss sich die nächste Zeit noch sehr ändern, denn englisch wird die Sprache sein, die wir in unserer neuen Heimat brauchen. Ich möchte keine Sprachprobleme haben. Wie lange wir hier bleiben, weiß ich noch nicht. Ich freue mich sehr, etwas von diesem großen Land mit seiner alten Kultur sehen zu dürfen. Endlich haben wir die Passkontrolle und alle nötigen Formalitäten hinter uns gebracht. Mein Schatz sieht so aus, wie ich mich fühle. Ziemlich fix und fertig. Wir haben Ruhe dringend nötig. Noch sind wir nicht im Hotel. „Hast du gehört? Wir sind aufgerufen worden. Wir sollen zum Schalter eins der Lufthansa kommen.“ Rolf spricht diese Sprache sehr gut und so werde ich, in seiner Begleitung keine Probleme mit der Verständigung haben. Also bin ich notgedrungen, sehr anhänglich. Mir fällt das Reden schon schwer, solch eine bleierne Müdigkeit ist in meinen Knochen. „Der Schalter ist gerade da vorne. Siehst du ihn?“ Ich nicke mit dem Kopf, nehme meine Reisetasche in die Hand und trippele los. Am Schalter werden wir an einen jungen Mann verwiesen, welcher uns hat ausrufen lassen. Rolf geht spontan auf ihn zu: „Sanders ist meinName. Sie haben uns ausrufen lassen. Mit wem habe ich die Ehre?“ Was redet der dann auf einmal so geschwollen daher. So kenne ich Rolf gar nicht. „Münch, Jörg Münch,

stellt sich der junge Mann vor. „Ich bin dazu berufen, sie auf ihrer Reise begleiten zu dürfen.“ Mann, da haben sich zwei gefunden. Das kann ja heiter werden. „Gnä Frau.“ Er beugt sich über meine Hand und haucht mir den ersten Handkuss meines Lebens auf die Fingerspitzen. Ich werde knallrot. Hoffentlich bemerkt er das nicht. „Ich heiße sie herzlich willkommen. Es ist mir eine besondere Ehre, ihnen einige der Schönheiten dieses herrlichen Landes zeigen zu dürfen.“ „Vielen Dank Herr Münch.“ Ich nicke huldvoll mit meinem Kopf, welcher mir bedenklich schwer vorkommt. Nach dieser Begrüßung, so irgendwie gekrönt. Rolf hat die ganze Szene beobachtet und grinst nur dünn. Ich fühle mich wie schon gesagt, als wäre ich eben gekrönt worden. Der junge Mann, wie ich ihn nenne, ist bestimmt älter als er aussieht. Er sieht sehr attraktiv aus. Nicht ganz so groß wie Rolf, blonde Haare ein markantes Gesicht und strahlend blaue Augen. In die könnte man direkt versinken, wie in ein tiefes Meer. Rolf ist, seiner Mimik nach nicht so begeistert, dass wir einen männlichen Begleiter haben. Aber mir gefällt das umso mehr. Endlich bin ich die Henne im Korb, so zwischen zwei Männern, find ich toll. „Ich bin in der Nähe ihres Endreiseziels, an einer Klinik als Chirurg angestellt. Ich habe zurzeit Urlaub und langweile mich ein wenig. Eine Bekannte, welche bei ihrer Reisegesellschaft beschäftigt ist, hat mich gefragt, meine guten Ortskenntnisse voraus gesetzt, ob ich mich nicht für einige Tage für sie hier und dann auf der Weiterreise zu meiner Heimatinsel, als Reiseleiter verdingen möchte. Natürlich war ich begeistert von diesem Vorschlag und nun bin ich hier. Aber ach, ich rede zu viel. Ich sehe, sie sind ja beide todmüde. Ich werde sie auf dem schnellsten Weg zu ihrem Hotel bringen. Wenn es ihnen recht ist, werde ich sie morgen gegen zehn Uhr abholen.“ Mir ist im Moment alles recht. Hauptsache ich komme schnellst möglich in irgendein schönes weiches Bett, so müde wie ich bin. Eigentlich wollte ich noch etwas von dieser Stadt sehen, aber ich kann meine Augen einfach nicht mehr aufhalten. Streichhölzer habe ich nicht und so mache ich sie einfach zu, den Kopf an Rolfs Schulter gelehnt: Unsanft werde ich aus meinem Schlaf gerüttelt. „Willst du denn gar nicht mehr wach werden? Wir sind da und müssen aussteigen.“ Wo sind wir da? Ich brauche einen Augenblick um mich in der Welt zurecht zu finden. Langsam dämmert es mir wieder.

Wir sind nicht zu Hause und ich muss aus einem Taxi aussteigen. Müde taumele ich aus dem Taxi und sofort umgibt mich ein Höllenlärm und Hitze, fremde Gerüche, Autohupen, Fahrradklingeln und so weiter. Es ist nicht zu beschreiben.

„Hoffentlich haben wir nicht irgend so eine Absteige erwischt, wo es Kakerlaken und so widerwärtiges Zeug gibt! Herr Münch ist besseres einfallen, als dein liebes Frauchen zu erschrecken. Meinst du nicht auch?“ Ich bin richtig herausfordernd, von Müdigkeit keine Spur. Jörg, ich meine Herr Münch, beruhigt mich. Er erklärt mir, dass unser Hotel das Beste in der Stadt ist. Das kann ich nun auch erkennen, nachdem ich meine Augen wieder ein wenig aufmachen kann, um zu sehen. Ich bin baff. In mir ist immer noch die Frau die mit jedem Pfennig rechnen muss. Hier ist es sicher sehr teuer. Rolf und Herr Münch sind schon bei der Anmeldung. Ein Boy rennt eilfertig zum Taxi, holt unser Handgepäck und bringt diese auf unsere Zimmer. „Hier gibt man jedem Trinkgeld, aber immer angemessen an seinem Stand in der Hierarchie des Dienstes in dem er steht. Also, einem Pagen weniger als dem Kellner und diesem weniger als dem Empfangschef.“ Der Münch erzählt und erzählt, ob der denn nicht merkt, dass ich gar nicht mehr zuhören kann, vor lauter Müdigkeit. Ich nicke immerzu mit dem Kopf. Ich komm mir schon fast vor wie ein Huhn beim Körner picken. Endlich sind wir im Fahrstuhl. Mein Mann nimmt mich in seinen Arm. Ich kann mich an ihn kuscheln. Das tut vielleicht gut. Unsere Zimmer sind sehr schön und vor allen Dingen voll akklimatisiert. Ein riesiges Doppelbett lässt mich auf dumme Gedanken kommen. Das Bad ist aus weißem Marmor, der Boden aus braunen und goldenen Mosaiken mit orientalischen Bildern. In der Mitte des Raumes befindet sich eine große, runde Wanne, fast wie in Oman. Die lädt mich gerade Wegs zum Baden und verwöhnen ein. Ein Zimmermädchen räumt unsere Koffer aus und ordnet die Wäsche oder Kleider in die Schränke und Truhen. Obst steht auf einem kleinen Tisch bei der Wanne und auch eine Karaffe mit einer Limonade. Ich habe Durst. Ich trinke gleich aus der Flasche. Nun lasse ich mir ein schönes, nicht zu heißes Bad ein. Wo jetzt das Wasser läuft, ziehe ich mir die durchschwitzten Sachen, langsam, mit Genuss, vom Körper. Was für eine Erleichterung. Erschreckt fahre ich herum. Hinter mir steht mein hinterlistiger Mann und fährt mir doch tatsächlich mit einem Eiswürfel über den Rücken. „Ach das erfrischt ja herrlich“, quieke ich um nur nicht zuzugeben, dass es mir nicht gefällt und ich mich zu dem erschreckt habe; „aber eigentlich könnte dir mit deinen riesengroßen Händen etwas Besseres einfallen. Meinst du nicht auch?“ Die Idee ist mir so eben gekommen. „Wie wäre es denn mal zur Abwechslung mit der Wanne. Platz für zwei ist da ja?“ Rolf nimmt mich in die Arme und lässt mich langsam in das lauwarme Wasser gleiten. Nun zieht er sich selber aus und kommt schnell zu mir. Er küsst mir zart die Wassertropfen vom Nacken, Hals und vom Brustansatz, es ist wie im Rausch. Rolfs Hände sind überall. Ich habe das Gefühl, die Welt versinkt, nur unser Sein zählt noch. Schon lange waren wir uns nicht mehr so nahe.