Die zufällige Biographie einer Liebe - João Tordo - E-Book

Die zufällige Biographie einer Liebe E-Book

João Tordo

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Beschreibung

Eine melancholisch-sinnliche Geschichte von Portugals erfolgreichstem Gegenwartsautor - für Leser von Javier Marías, Mario Vargas Llosa und Sándor Márai Vor sieben Jahren hat sie ihn verlassen, aber der mexikanische Dichter Miguel kann Teresa, die Liebe seines Lebens, nicht vergessen. Als er von ihrem Tod erfährt, muss er sich eingestehen, dass er ihr unerwartetes Verschwinden nie verwunden hat. Zugleich wird ihm bewusst, dass er die Frau, die er liebte und die sein Leben bis heute bestimmt, nicht wirklich kannte. Sein Freund, ein spanischer Literaturdozent, versucht, Miguel nach dessen Zusammenbruch wieder neuen Lebensmut zu geben. Doch das kann er nur, wenn er mehr über die Vergangenheit und die Liebesgeschichte des Dichters herausfindet. Und so begibt er sich auf die Suche nach dieser geheimnisvollen Frau. Auf seiner Reise, die ihn von London über Kanada bis nach Lissabon führt, stößt er auf ein Geheimnis, das Teresa verzweifelt gehütet hat. Bis zur Selbstaufgabe.

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João Tordo

Die zufällige Biographie einer Liebe

Roman

Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita

Knaur e-books

Über dieses Buch

Vor sieben Jahren hat sie ihn verlassen, aber der mexikanische Dichter Miguel kann Teresa, die Liebe seines Lebens, nicht vergessen. Als er von ihrem Tod erfährt, muss er sich eingestehen, dass er ihr unerwartetes Verschwinden nie verwunden hat. Zugleich wird ihm bewusst, dass er die Frau, die er liebte und die sein Leben bis heute bestimmt, nicht wirklich kannte. Angesichts dieser Erkenntnis verfällt er in tiefe Niedergeschlagenheit.

Sein Freund, ein spanischer Literaturdozent und der namenlose Erzähler dieser Geschichte, versucht, Miguel nach dessen Zusammenbruch wieder neuen Lebensmut zu geben. Doch das kann er nur, wenn er mehr über die Vergangenheit, mehr über die Liebesgeschichte des Dichters herausfindet. Und so begibt er sich auf die Suche nach dieser geheimnisvollen Frau. Auf seiner Reise, die ihn von London über Kanada bis nach Lissabon führt, stößt er auf ein ungeahntes Geheimnis, das Teresa verzweifelt gehütet hat. Bis zur Selbstaufgabe.

Inhaltsübersicht

WidmungMottoDie hartnäckige Melancholie des Saldaña ParísDas ErwachsenendaseinDas Manuskript von BriónDie Zeit kämpft gegen ihre Lilien und ihre RosenAchtzehnDas Echo der Papiergespenster14. Dezember 201015. Dezember 201017. Dezember 201022. Dezember 2010Der Schrei der alten Schrecken31. Dezember 20104. Januar 2011Der Schatten unserer SchritteDie Gedichte und Prosatexte [...]Danksagung
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Für Luísa und Matias

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To have been always what I am – and so changed from what I was.

Samuel Beckett

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Die hartnäckige Melancholie des Saldaña París

Gemeinsam hatten wir das Wildschwein getötet. Wir hatten es nicht töten wollen, aber das Tier war quer über die Straße in sein Unglück hineingelaufen, hatte die Stoßstange des Wagens demoliert und Teile seiner selbst wie herrenlose Satelliten rings um die zwei Sonnen der vorderen Scheinwerfer geschleudert. Seine keilförmige Schnauze war blutend zerborsten. Unmittelbar vor dem Aufprall hatte es uns wie um Erbarmen flehend angeschaut. Alles war in der Stille der Autobahn AP-9 erstarrt. Einen Moment lang hatte Saldaña París neben mir sich nicht gerührt, so als würde er noch nach dem Grund für das jähe Bremsmanöver suchen. Dann hatte er mich angeblickt, als ob ich eine Erklärung dafür hätte oder mehr über das Tier wüsste, das plötzlich mitten auf der Straße aufgetaucht war wie das Licht eines Kometen, das die Dunkelheit der Nacht zerreißt.

»Du hast keine Schuld«, sagte er zu mir. Durch den Aufprall war seine Brille verrutscht. »Du hättest unmöglich rechtzeitig bremsen können. Das Tier wollte sterben.«

Die Polizei stimmte mit uns überein, viel war nicht mehr zu machen. Zwei Beamte in Leuchtwesten waren erschienen, die mit Lichtzeichen und Warnkegeln den Verkehr umlenkten und das Wildschwein an den Straßenrand schleiften. Es war Herbst, und der Wald roch nach Meer, vermutlich wegen der nahe gelegenen Bucht, der Ría de Arousa. Es war der Geruch nach Brackwasser und nach den Gezeiten, die die Felsen erodierten. Saldaña París hatte sich hingekniet und betrachtete eine Weile lang das Wildschwein. In der Haltung des Mexikaners lag etwas Feierliches, und aus seinem Blick sprachen zugleich Mitleid und Abgestumpftheit angesichts des unvorhergesehenen Todes des Tieres. So als hätte es uns zu Waisen gemacht.

»Wollen Sie es mitnehmen?«, fragte einer der beiden Polizisten.

»Sie machen wohl Witze«, antwortete ich.

»Wo Sie es schon überfahren haben, können Sie es auch aufessen.«

»Wir begraben es im Wald«, erwiderte Saldaña París.

»So eine Schnapsidee«, sagte der zweite Polizist. »Wahrscheinlich sollen wir auch noch den Pfarrer rufen, damit er ihm die letzte Ehre erweist.«

Einer der beiden Beamten war aus Pontevedra, wo wir wohnten, der andere aus Vilanova de Arousa. Nachdem sie telefoniert hatten, damit jemand kam, um das sterbende Tier abzuholen – keiner von uns hatte zu überprüfen gewagt, ob es wirklich tot war –, baten sie uns, auf der Rückbank des Streifenwagens Platz zu nehmen. Ein Abschlepptransporter sollte kommen und mein Auto abholen, aus dessen Motorhaube Rauchschwaden aufstiegen. Auf der Fahrt zur Polizeiwache sahen wir in der kalten, trostlosen Nacht die bedrohlichen Schatten des Waldes an uns vorüberziehen. Wir konnten es noch immer kaum glauben, denn um ein Haar wären wir an einem Sonntagabend um diese Uhrzeit gar nicht auf dieser Straße unterwegs gewesen. Um ein Haar hätten wir das Wildschwein nicht überfahren. Und um vielleicht noch weniger als ein Haar hätte der Mexikaner nicht von den Dingen zu sprechen begonnen, über die er bis dahin geschwiegen hatte.

Auf einer Bank des Polizeipostens von Caldas de Reis, der nächstgelegenen Ortschaft, warteten wir die Formalitäten ab. Der Unfall hatte sich bei Kilometer 110 der Autobahn AP-9 ereignet, wir hatten weniger als ein Drittel des Weges nach Santiago de Compostela zurückgelegt. Normalerweise fuhr ich die Strecke montags noch vor Tagesanbruch alleine, denn mein Unterricht am Lehrstuhl für Englische Sprache und Literatur begann morgens um neun Uhr. An diesem Sonntagnachmittag jedoch hatte Saldaña París mich sehr verstört angerufen, so als ob er im nächsten Augenblick einen Wutanfall und zugleich eine Panikattacke bekommen würde. Er rang nach Luft, und seine Stimme schraubte sich in schrille Höhen. Wir hatten uns getroffen, hatten miteinander geredet, ich hatte vergebens versucht, ihn zu beruhigen. Aus Angst, ihn alleine zu lassen, aber auch, weil mir in dem Augenblick alles von einer immensen Monotonie zu sein schien, schlug ich ihm vor, an diesem Tag gemeinsam mit mir nach Santiago de Compostela zu fahren, wo wir zu Abend essen und anschließend ein Bier trinken und in einem Gasthof übernachten könnten, der einer Freundin von mir gehörte. An seinen hinter extrem dicken Brillengläsern verborgenen blauen Augen hatte ich ablesen können, wie sehr die Idee ihn aufmunterte oder zumindest doch aus seiner morbiden Stimmung riss. Und dann hatten wir das Wildschwein überfahren, als es unvorsichtigerweise über die Straße gelaufen war und den stolpernden, dem der Menschen so unähnlichen Strom seines Lebens unterbrochen hatte, und wir hatten gespürt, dass auch unser Leben unterbrochen worden war, obwohl wir weiterhin existierten und die entlegene Polizeiwache irgendwo im tiefsten Galicien zumindest vorerst nicht das Fegefeuer war. Während wir darauf warteten, dass jemand kam, um mit uns zu sprechen und uns über die inzwischen unserer Kontrolle entglittene Lage zu informieren – wir mussten eine Aussage machen, und ich musste wissen, was mit meinem Auto geschehen war –, begann Saldaña París zu reden und richtete schließlich die merkwürdigste Bitte an mich, die mir je gestellt worden war.

 

Er bat mich zu lesen. Merkwürdig ist nicht, dass ein Mann einen anderen darum bittet, etwas zu lesen, vor allem dann nicht, wenn es sich bei dem einen um einen Dichter und bei dem anderen um einen Universitätsdozenten handelt. Es wäre naheliegend gewesen, dass wir Bücher getauscht hätten, es wäre normal gewesen, wenn zwischen unserer beider Leben oder unseren Betätigungen eine Nähe bestanden hätte. Was indes er mich zu lesen bat, war nicht das Buch irgendeines Schriftstellers, war kein Roman oder Essay, war kein einzigartiges Werk der Weltliteratur und auch nicht das Manuskript eines vielversprechenden jungen Autors. Was zu lesen er mich bat, war eine Art Requiem, ein Text, den ihm eine Frau hinterlassen hatte, die bereits gestorben und mit der er fünf Jahre lang verheiratet gewesen war.

Der Umstand, dass er verheiratet gewesen war, war mir neu, obgleich wir uns bereits einige Monate, seit er nach Pontevedra gekommen war, kannten. Er, der aus der fünfundzwanzig Millionen Einwohner zählenden Riesenstadt Mexico City stammte, lebte nun in Pontevedra, einer Gemeinde mit achtzigtausend Seelen. Ich war noch nie in Mexiko gewesen, aber er hatte mir von seiner Heimatstadt erzählt und in mir das überaus befremdliche Gefühl zurückgelassen, in meinen Träumen bereits dort gewesen zu sein: Im Traum hatte ich mich in seiner Wohnung (so, wie ich sie mir vorstellte) im zweiten Stock eines Hauses in einer ruhigen Straße mit Orangenbäumen befunden, deren Blätter die Gitter des kleinen Balkons berührten. Mitten in der Nacht war ich von dem ohrenbetäubenden Lärm, mit dem Saldaña París’ nervöse Finger auf die Tasten einer alten Schreibmaschine einhämmerten, erwacht. Ich hatte den Kopf vom Kissen gehoben und ihn gesehen, wie er mit bloßem Oberkörper, schweißtriefend, mit leicht herunterhängender Unterlippe, die Augen weit aufgerissen, ganz hinten im Wohnzimmer saß und zu mir sagte: Ich bin fast fertig. Dann war ich aufgewacht und hatte mich nach dem Grund für diesen Traum gefragt. Da ich keine Antwort fand, vergaß ich ihn wieder, so wie immer, wenn der Tag beginnt und das beruhigende Gewebe der Wirklichkeit uns umfängt.

In jener Nacht auf der Polizeiwache erzählte er mir, dass er die Frau in London geheiratet und mit ihr dort gelebt hatte. Später einmal hatte sie achtzehn Stunden in Mexico City verbracht, vermutlich weniger Zeit, als ich in meinen Träumen dort gewesen war. Ich fragte ihn, ob sie Engländerin war, aber er verneinte. Sie war Portugiesin gewesen, geboren in Lissabon.

»Oh, Lissabon kenne ich«, sagte ich. »Ich bin ein paarmal dort gewesen.«

»Tja, ich war nie dort«, erwiderte er.

Der dicke Polizist hinter seinem Schreibtisch ignorierte uns. Er saß auf einem Stuhl, der schon bessere Tage gesehen hatte, und seine schweren Stiefel, die er ausgezogen hatte, standen neben dem Tisch wie zwei schwarze Porzellankatzen. Damals dachte ich, dass es möglicherweise das Wildschwein gewesen war, das in Saldaña París das Bedürfnis nach diesem Bekenntnis geweckt hatte. Das Bild von einem toten Tier ist etwas anderes, als ein totes Tier leibhaftig vor sich zu sehen. In der Gegenwärtigkeit liegen Tiefe, Geruch, Berührung, die Art und Weise, wie der Körper sich beim Ableben in eine mausgraue Farbe kleidet und das Haar sich plötzlich legt wie das Segel eines Bootes bei Windstille. Mit dem Sterben kehrt eine Art Ruhe ein, wenigstens für ein Tier, und vielleicht hatte Saldaña París das gespürt. Bei seiner enormen Feinfühligkeit – er war ein Mann, dessen Nerven blank lagen – hatte ihn das möglicherweise aus seiner Abgestumpftheit geweckt. Vielleicht hatte das tote Wildschwein ihn daran erinnert, dass auch wir gedankenlos aus dem Leben scheiden werden. Oder vielleicht hatte ihn all das an eine andere Zeit erinnert, an eine Zeit, die zu vergessen er sich nach Leibeskräften bemühte, und an eine Frau, die zu dieser Zeit gehört hatte wie der Kiel zu einem Boot. Der Kiel, ohne den das Boot unweigerlich untergeht.

In dieser Nacht ließ er noch einmal einige Umstände seiner Beziehung zu Teresa (nun erfuhr ich ihren Namen) Revue passieren: Sie hatten sich 1998 im Zug nach Barcelona kennengelernt und sich auf der Stelle ineinander verliebt. In einer Pension an der Carrer del Duc hatten sie drei Wochen damit verbracht, sich zu lieben und sich über europäische Filme zu unterhalten, und er hatte zu begreifen versucht, welches Mysterium ihm da widerfuhr. Als sie sich getrennt hatten, war Saldaña París in eine nie zuvor verspürte Niedergeschlagenheit verfallen – mit Teresa sah er auch die ganze Welt entschwinden und ihn im Stich und im schwärzesten aller Löcher zurücklassen. All das spulte er mit weit aufgerissenen Augen in rasendem Tempo herunter, das bürstenkurze Haar stand ihm zu Berge, und seine Stirn glänzte im Kunstlicht der Polizeiwache.

Ich fragte mich, aus welchem Grund er mir das alles erzählte. Und warum tat er es dort, auf einer unbequemen, viel zu schmalen Bank vor einer kalten Wand? Was veranlasste einen Menschen dazu, so lange ein Geheimnis zu wahren, um es dann, wie von einer unsichtbaren Kugel getroffen, derartig wirr herunterzurattern? Um mir schließlich zu eröffnen, dass Teresa in Galicien gestorben war, vor nicht einmal einem Jahr, an einem unheilbaren Krebsleiden. Er hatte erst vor drei Monaten von ihrem Tod erfahren, als jemand bei Teresas Habseligkeiten mehrere Bücher gefunden hatte, die ihm gehörten und in denen sein Name stand, ebenso wie ein Manuskript in einem verschlossenen, an ihn adressierten Umschlag. Eines Tages hatte Saldaña París einen Telefonanruf aus Santiago de Compostela erhalten. Er war inzwischen nach Mexico City zurückgekehrt, wo sein Leben die reine Hölle war, eine Nicht-Existenz, und er ein Toter, der nach seinem Platz unter den Lebenden suchte, auf die gleiche Weise, wie ein Regentropfen an der Scheibe eines geschlossenen Fensters herabrinnt und Einlass begehrt. Der Anrufer war ein galicischer Bibliothekar gewesen, der ihm mitgeteilt hatte, dass Teresa gestorben war und ihm etwas hinterlassen hatte.

Diese Hinterlassenschaft, dieses Manuskript in dem Umschlag, den er geöffnet hatte, das zu lesen er in seiner krankhaften Liebe und seiner Verhaftung in der Vergangenheit aber nicht imstande gewesen war, sollte nun ich lesen.

 

Das erste Mal hatte ich ihn gesehen, als er auf einer Bank mitten auf der Straße saß und auf einer braunen, viersaitigen, ramponierten Gitarre klimperte. Zwei Leute waren vor der Bank stehen geblieben. Links von uns spielten auf dem Rund des Platzes die in Stein gemeißelten kleinen Mädchen in ewiger Kindheit mit einem metallenen Reifen neben der Skulptur eines Knaben, der aus einer Fontäne trank. Es war Ende April oder Anfang Mai (an das genaue Datum erinnere ich mich nicht), aber der Winter wollte offenbar nicht vergehen. Die Fußgänger in der Innenstadt von Pontevedra trugen Jacken, denn ein schneidend kalter Wind wehte über das Pflaster hinauf zu den bedrohlich über der Stadt hängenden Wolken.

Ein Mann, der ihm zuhörte, stieß einen Seufzer aus und sagte: »Das ist ja grauenhaft. Sie müssen erst mal Gitarre spielen lernen, Mann.«

Ich hörte ihm weiter zu, zusammen mit einem Mädchen mit Mütze und Rucksack. Dann ging auch das Mädchen fort. Der Mann klimperte auf dem Instrument herum, aber was er spielte, klang unschön und dissonant. Während ich ihn betrachtete, sein eingefallenes und zerfurchtes, dabei noch junges Gesicht, die auf der kleinen Nase nach unten gerutschte Brille und die herabhängende Unterlippe, kam mir der Gedanke, dass ihm das Instrument vielleicht gar nicht zum Musikmachen diente, sondern dass er damit einen Schmerz lindern wollte. Er hörte auf zu spielen und blickte mich überrascht an, so als wenn meine Anwesenheit dort nicht vorgesehen war, ebenso wenig wie die der Straße und des Platzes und der kleinen Mädchen, die für immer mit dem Reifen spielten.

Ich versuchte, ihn anzulächeln, aber vermutlich verzog ich nur das Gesicht. Dann ging ich weiter. Zerstreut, wie ich war, achtete ich nicht auf den Weg und machte mir an der Fontäne die Schuhe und den Hosensaum nass. Tags darauf sah ich ihn wieder, ging aber nicht zu ihm hin. Es war Sonntag, und ich war müde und nur in die Stadt hinuntergelaufen, um ein paar Lebensmittel einzukaufen und für einige Tage etwas im Kühlschrank zu haben. Auf diese Weise war ich gezwungen, am Dienstag wieder einkaufen zu gehen, denn es tat mir gut, nach den Stunden in der Universität einen Spaziergang zu machen. Ich sah ihn schon aus der Ferne. Dieses Mal spielte er nicht. Es nieselte leicht, und der Mann mit dem jungenhaften Gesicht saß neben seiner Gitarre, las sehr vertieft in einem Buch und schlenkerte dabei, ohne es zu merken, mit dem rechten Bein.

Mir war danach, ihn anzusprechen, ich tat es aber nicht. Ich zögerte einige Sekunden, ging sogar einen Schritt vorwärts und dann wieder zurück und fragte mich, was mich wohl dazu veranlasste, mit einem Unbekannten sprechen zu wollen, auch wenn in Pontevedra ein Unbekannter, der mehr als einmal an derselben Stelle auftaucht, zu einem Einheimischen oder zumindest doch zu einer lokalen Sehenswürdigkeit wird. Entmutigt machte ich mich auf den Heimweg. Ich überquerte die Straße und wählte ungewollt eine längere Strecke als gewöhnlich, indem ich über die von Kamelien bestandene Praza da Ferrería ging, das von Touristen und den üblichen betagten Stammgästen halb besetzte Straßencafé passierte und dann in die Rúa Benito Corbal einbog. Während ich vor mich hin schlenderte, sinnierte ich über den Mann auf der Bank und über mein Leben und blieb immer wieder auf dem Bürgersteig stehen, ohne die Menschen, die Schaufenster oder den Einbruch der Dunkelheit zu bemerken. Ganz automatisch überquerte ich die Rúa Castelao. Ich stellte mir den Schriftsteller Castelao vor, wie er auf das Geländer eines schmalen Balkons gestützt dastand, in einer hell erleuchteten Wohnung im zweiten Stock mit Blick auf eine Art kleinen Platz. Ich stellte mir vor, wie Castelao die in Schiefer geschnittene Skulptur seiner selbst betrachtete (meines Erachtens von zweifelhaftem und ziemlich düsterem Geschmack – nicht selten traf ich Castelao in einem Alptraum an, gebeugt von der Last des Franquismus schnaubte er mir Gelehrtheiten ins Ohr), aber die Skulptur weigerte sich, seinen Blick zu erwidern: Der eine Blick war echt und bestand aus Iris und Hornhaut, der andere aus kaltem Stein.

Ich korrigierte meine Route, und als ich mich endlich auf dem Weg zur Rúa Joaquín Costa befand, dachte ich wieder an den Mann mit der Gitarre. Ich dachte auch an Andrea, die wahrscheinlich auf dem Sofa saß und eine Zeitschrift las oder sich hingelümmelt hatte und in der für sie typischen Haltung fernsah, ein Bein auf der Sofalehne, ein Arm herunterbaumelnd. Ich kann mich erinnern, dass ich, nachdem ich die drei Stufen ins Treppenhaus hinaufgestiegen war, die Wohnung betrat und ihren Namen rief. Es kam keine Antwort. Ich durchquerte die Diele und bog im Flur anstatt nach rechts ins Wohnzimmer nach links in die Küche, und noch bevor ich die Taschen abgestellt hatte, deren Griffe mir tiefe Furchen in die Hände gegraben hatten, konnte ich bereits den Zigarettenrauch riechen. Mit vier oder fünf entschlossenen Schritten stand ich vor Andreas Zimmertür. Ich klopfte an. Sekunden später machte sie auf. Ihre Augen waren blutunterlaufen, und sie hatte das Haar mit einem quer darin steckenden Bleistift zu einem Knoten zusammengefasst. Sie trug einen schmuddeligen Overall und hielt einen Pinsel in der rechten Hand. Ihr Zimmer war ein einziges Chaos. Die weiße Leinwand in seiner Mitte sah aus, als hätte ein Kind sie vollgeschmiert, und auf der Fensterbank brannte in einem Aschenbecher eine Zigarette.

»Was habe ich dir zum Thema Rauchen gesagt?«, fragte ich sie.

Andrea zuckte mit den Schultern. Ihre sich erst seit kurzem wölbenden Brüste bewegten sich unter dem Overall.

»Du rauchst doch selbst.«

»Ich habe geraucht. Und du bist erst sechzehn.«

»Ich bin fast siebzehn, gehe also praktisch auf die fünfzig zu.«

Wir sahen uns einen Moment lang stumm an. Das passierte oft. Während ich nach den richtigen Worten suchte, legte sie es darauf an, mich zu provozieren. Es war ein Kräftemessen, bei dem ich von vornherein verloren hatte. Mir kam in den Sinn, ihr von dem Mann zu erzählen, der jetzt immer auf dem Platz mit den reifenspielenden Mädchen saß und dass ich ihn in meine Radiosendung einladen wollte, aber an den zusammengekniffenen Augenbrauen meiner Tochter konnte ich erkennen, dass es zwecklos war. Meine Worte wären nicht mehr gewesen als meinem Mund entströmende Luft, die von Gleichgültigkeit verschluckt worden wäre.

»Dann rauch bitte draußen«, verlangte ich.

Ich ging ins Wohnzimmer und betrachtete am Fenster stehend den Mond zwischen den Wolken und ab und an mein Spiegelbild in der Scheibe. Krumm, mit hängenden Schultern und herausgestrecktem Bauch stand ich da, obwohl ich mager war. Früher, bevor ich Andreas Mutter kennengelernt hatte, fanden die Frauen mich attraktiv. Jetzt war ich mir sicher, dass mich in einem Raum voller Menschen niemand bemerken würde. Aus Andreas Zimmer erklang die höchst seltsame Musik zu mir herüber, die sie in letzter Zeit immer hörte, melancholische Lieder in mir unbekannten Sprachen, und ich wünschte mir, was ein Vater sich niemals wünschen sollte: dass bald der nächste Tag käme, der Tag, an dem ihre Mutter sie abholen würde und ich sie eine Woche lang nicht sehen müsste. Sie hatte sich zu einem schwierigen Fall in meinem Leben entwickelt. Bis zur Pubertät war sie ein liebes, schüchternes, etwas stilles Mädchen und eine fleißige Schülerin gewesen. Sie war auf eine katholische Schule gegangen, wogegen ich mich anfänglich erfolglos gewehrt hatte. Auf Drängen von Paula war die Herz-Jesu-Schule von Pontevedra während ihrer Kindheit und der folgenden Jahre zu Andreas zweitem Zuhause geworden. Vielleicht als Antwort auf diese Erziehung war Andrea eines Tages mit einer Tätowierung nach Hause gekommen, einem Raben, der auf einem um ihre Fessel gewundenen Draht hockte. Ich hatte über die Zeitung gebeugt am Küchentisch gesessen und es sofort bemerkt. Es war Sommer, meine Tochter trug den Rock der Schuluniform, und die Tätowierung war noch ganz frisch, denn die Haut ringsherum war entzündet und fast violett.

»Was ist das?«, fragte ich sie.

»Ein Käsebrötchen«, erwiderte sie und ging in ihr Zimmer.

Es war das erste Mal, dass Andrea so mit mir redete. Selbstverständlich sollten viele weitere folgen. In dem Moment jedoch begriff ich, dass ich nicht nur meine Ehe verloren hatte, sondern auch meine Tochter. Einige Zeit später rief ihre Mutter mich an und verkündete mir mit grollender Stimme, ganz so, als ob ich schuld an der Verwandlung wäre, Andrea habe sich einen Freund zugelegt (den sie als Asozialen beschrieb), sei zynisch und patzig geworden und weigere sich, an ein Studium zu denken. Sie habe angekündigt, nach der Schule auf Reisen gehen zu wollen. Um sie davon abzubringen, versuchte ich, meine Tochter in lange Gespräche zu verwickeln, aus denen letztlich Monologe wurden. Ich führte sie zum Abendessen ins Long Fon aus, ein chinesisches Restaurant, in das sie sonst sehr gerne gegangen war, und als dieser Trick nicht funktionierte, nahm ich sie ins Alameda mit, wo ich alsbald meinen Fehler einsehen musste. Wenn Andrea sich entfernt und die unsichtbare Schwelle zu dem Zwischenreich überschritten hatte, das dem Erwachsenendasein vorausgeht, so würde es nicht ein gediegenes Restaurant mit fliegenbewehrten Kellnern und zu Fächern aufgefalteten Servietten sein, das uns einander wieder näherbrächte.

»Ein gruseliger Laden«, sagte sie, kaum dass sie sich hingesetzt hatte. Das Haar fiel ihr ins Gesicht und verdeckte ihre fein geschnittenen Züge.

»Es ist eines der besten Restaurants der Stadt.«

»Total kitschig. Und was sollen diese Riesengläser? Willst du Goldfische daraus trinken?«

»Du könntest dich wenigstens vernünftig benehmen.«

»Hör auf, mit mir zu reden, als wenn ich sie nicht alle beieinanderhätte«, erwiderte sie. »Sonst ziehe ich mich auf der Stelle aus.«

Ich warf ihr einen warnenden Blick zu. Eine Sekunde lang lachte sie, wurde dann aber rasch wieder ernst.

»Ich habe gesehen, du hast angefangen zu malen«, bemerkte ich.

»Ja, und?«

»Es gibt hier in der Stadt eine Kunstschule und in Vigo die Kunsthochschule, das ist nicht so weit weg.«

Sie verzog abschätzig das Gesicht.

»Wie weit ist es?«

»Von wo aus?«

»Von Pontevedra nach Vigo.«

»Mit dem Auto? Eine halbe Stunde.«

Andrea blies die Backen auf, prustete und verdrehte die Augen. Dann machte sie sich über das Brot und die Oliven her.

»Also gibt es für mich wohl keinen Grund, dorthin zu gehen, oder? So nahe bei dir und Mama, da kann ich ja gleich weiter zu Hause wohnen bleiben. Eingeengt von allen Seiten.«

»Deine Mutter arbeitet zwölf Stunden täglich in der Klinik, und ich verbringe die Hälfte der Woche in Santiago. Wir haben wohl kaum die Zeit, dich einzuengen.«

Ein Kellner mit blütenweißer Serviette über dem linken Unterarm kam zu uns an den Tisch.

»Nur eine Minute noch«, bat ich.

»Nein, warten Sie«, widersprach Andrea. »Ich möchte mich beschweren.«

»Beschweren?«, fragte der Kellner.

Die Gäste am Nebentisch schauten schon zu uns herüber.

»Dieser Herr hier belästigt mich. Haben Sie einen anderen Tisch?«

»Achten Sie nicht auf sie«, sagte ich. Mir war bewusst, dass ich rot geworden war. »Sie ist in einem schwierigen Alter.«

Der Kellner ging wieder. Ich weiß noch, dass ich einen Moment lang versucht war, meine Tochter am Arm zu packen und sie aus dem Restaurant zu schleifen. Ich atmete tief durch und hielt mich zurück. Wir bestellten, das Essen kam, und während Andrea aß, fragte ich sie nach langen Minuten des Schweigens nach ihrem Freund. Ich bemühte mich, interessiert zu wirken oder zumindest doch die Besorgnis in meiner Stimme zu unterdrücken. Ich wusste, dass er Carlos hieß, aber nicht, ob sie auf dieselbe Schule gingen oder wie sie sich sonst kennengelernt hatten. Allerdings war mir bekannt, dass er achtzehn Jahre alt war und Paula zufolge in der Vergangenheit Probleme mit der Polizei gehabt hatte. Andrea hörte auf zu kauen, und zum ersten Mal schien eine Zerbrechlichkeit in ihr auf, die sie zu verbergen suchte, indem sie den Blick abwandte und ihn auf einer Kerze ruhen ließ, die still in einer Ecke bei einem Wandregal voller Weinflaschen brannte.

»Was willst du wissen?«

»Wo er zur Schule geht, zum Beispiel«, sagte ich.

»Hier und da«, antwortete sie und zuckte mit den Schultern.

»Du bist meine Tochter. Ich möchte dich ungern mit einem x-beliebigen Kerl zusammen sehen.«

»Carlos ist kein x-beliebiger Kerl«, erklärte sie. »Er ist das Gegenteil von einem x-beliebigen Kerl.«

»Was soll das heißen?«

»Das soll heißen, dass er das Gegenteil von jemandem wie dir ist.«

Wir verstummten. Dann fragte ich nach:

»Was verstehst du unter jemandem wie mir?«

»Jemand, der sich vom Leben verabschiedet hat. Der glaubt, dass das Leben für ihn schon vorbei ist und der deshalb aufgegeben hat. Du lebst, als wenn das Dasein eine Last oder eine Niederlage wäre. Das sieht man allein schon an deinem Gang: Du gehst nicht, du schlurfst und bist ganz krumm. Wie ein alter Mann.«

»Ich bin ein alter Mann. Verglichen mit dir bin ich uralt. Aber ich habe dir die Erfahrung voraus. Du fängst ja gerade erst an zu leben.«

Beleidigt fügte ich hinzu: »Du bist wie jemand, der Geige lernt, aber schon im Orchester mitspielen will.«

»Was für eine hübsche Metapher«, entgegnete sie.

Ich trank den Rest Wein aus, der noch in meinem Glas war.

»Und damit hast du wie üblich meine Frage nicht beantwortet.«

Sie legte das Besteck auf den Teller, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.

»Frag, was du willst.«

»Was macht er?«

»Er ist Apotheker.«

»Wirklich?«

»Nein. Er arbeitet in einer Autowerkstatt in Vilagarcía de Arousa.«

»Mir reißt gleich die Geduld.«

Irgendetwas an meinem Ton hatte sich wohl verändert, denn sie schien ihren Hang zum Sarkasmus zu zügeln.

»Hat er etwas mit der Reise zu tun, die du nach Abschluss der Schule zu unternehmen gedenkst?«

»Wir fahren zusammen.«

»Wohin?«

»Das wissen wir noch nicht. Vielleicht nach Südamerika. Er hat Verwandte in Paraguay.«

»Und von welchem Geld willst du die Reise finanzieren?«

»Ich habe dir doch schon gesagt, Carlos arbeitet.«

»Aber du arbeitest nicht. Willst du ganz von ihm abhängig sein?«

»Wenn man sich liebt, hängt man immer voneinander ab.«

Ich griff mir an die Stirn und senkte den Blick. Darauf war ich nicht gefasst gewesen.

»Du weißt ja nicht, wovon du redest. Die Liebe ist grausam und vergeht im Nu. Was bleibt, ist nichts als Leere, eine Mauer oder eine Sackgasse. Dieser Carlos, den du für den Mann deines Lebens hältst, wird bald schon nicht mehr sein als eine Erinnerung. Und Erinnerungen machen niemanden satt. Sie bringen kein Essen auf den Tisch und leisten uns in der Nacht keine Gesellschaft.«

»Sprichst du von mir«, fragte sie und beugte sich wieder über den Tisch, »oder von dir?«

»Ich spreche von allen Menschen.«

»Du kennst nicht alle Menschen.«

»Ich vermute, es hat keinen Zweck, dich darum zu bitten, dass du ihn mir vorstellst.«

»Da vermutest du ganz richtig.«

Wir schwiegen, während der Kellner abräumte. Auf Nachtisch und Kaffee verzichteten wir, und ich zahlte. Auf dem Nachhauseweg durch die Rúa Michelena – in der Ferne erhoben sich die mondbeschienenen Fialen der Igrexa de San Francisco – hatte ich das Gefühl, dass uns jemand folgte, es war, als ob ich das Echo von Schritten hörte, die nicht die unseren waren. Ich blickte mich um. Die Straße war menschenleer, erhellt von den Nachtlaternen und der Dauerbeleuchtung einiger Geschäfte. Als wir unser Ziel fast erreicht hatten, sagte meine Tochter:

»Komisch. Ich hatte gedacht, du würdest als Erstes fragen, ob wir schon miteinander ins Bett gegangen sind.«

Ich seufzte. Ich war dieses Gespräch leid. Ich war sie leid.

»Das zu fragen wäre mir als Allerletztes in den Sinn gekommen.«

»Sind wir aber«, sagte sie lächelnd. »Ich bin nicht mehr Jungfrau.«

Am nächsten Morgen machte ich mich in aller Herrgottsfrühe auf den Weg nach Santiago de Compostela. Darauf, Andrea das Frühstück zu bereiten oder mich von ihr zu verabschieden, verzichtete ich ebenfalls.

 

Seit über drei Jahren hatte ich eine Sendung im Radio. Sie wurde einmal wöchentlich ausgestrahlt und hatte eine verschwindend geringe Zuhörerschaft. Der Sender hieß Radio Pontevedra, und die Sendung trug, obgleich sie nachts von eins bis halb drei übertragen wurde, den Titel Glückliche Tage und hatte mit Glück nur sehr wenig zu tun. Ich hatte zwar Literaturwissenschaft studiert, wäre aber eigentlich gerne Journalist geworden. Mit vierundzwanzig hatte ich ein Volontariat bei El País in Madrid absolviert, das zu einer kurzen, ruhmlosen Karriere bei der Regionalpresse geführt hatte. Über einen Freund erhielt ich anschließend das Angebot, in Santiago de Compostela zu unterrichten. Seit 1990 übernahm ich alljährlich im Herbst die Studenten des dritten Jahrgangs und dozierte über William Butler Yeats, T. S. Eliot, W. H. Auden, James Joyce, Virginia Woolf, A. S. Byatt und, je nach den literarischen Neuerscheinungen und meiner Laune, über Ian McEwan oder Kazuo Ishiguro oder Martin Amis. Doch die Universität ermüdete mich. Der sich ständig wiederholende Lesestoff langweilte mich, und die Studenten schienen sich von Semester zu Semester weniger von der Literatur berühren zu lassen und immer stärker abgelenkt zu werden von den Banalitäten einer eintönigen Welt – oder wer weiß, vielleicht war es auch meine eigene Eintönigkeit, die alles in eine neutrale Farbe tauchte. Womöglich hatte ich sie angesteckt. So stellte die Radiosendung die einzige mir bekannte Möglichkeit dar, diesem Sumpf zu entkommen und eineinhalb Stunden lang fern der eingefahrenen Gleise der Universität und der Wechselfälle meines Lebens eines geschiedenen Mannes aufzuatmen.

Die Glücklichen Tage waren dafür verantwortlich, dass ich Saldaña París kennenlernte. Oder besser gesagt: Ich sah ihn wieder, als ich gerade über die Radiosendung nachdachte. Ich erinnere mich nicht mehr genau, wie viel Zeit seit dem Wochenende vergangen war, an dem ich ihn auf dem kleinen Platz zum ersten Mal gesehen hatte. Ich weiß nur, dass ich eines Morgens, als das Wetter sich endlich gebessert hatte und eine verschämte Frühlingssonne die Straßen beschien, durch die Altstadt gebummelt war. Es war Mittwoch, mein unterrichtsfreier Tag, und als ich um die Ecke auf die Praza de Méndez Núñez bog, betrachtete ich lange das Gebäude des Café Universo, dessen violett gestrichene Fassade auf elegante Weise gegen das Blau des Himmels abstach. Die Farben beruhigten mich. Dann erblickte ich ihn. Vornübergebeugt stand er vor der Statue von Valle-Inclán und studierte eingehend das Gesicht des Schriftstellers: den rautenförmig auslaufenden Bart, die metallene Brille, den Hut, die spitze Nase. Ramón María del Valle-Inclán, der Dichter und Romanautor, der mit dreiunddreißig Jahren seinen linken Arm verloren hatte. Wenn die Bronzeskulptur auf dem gepflasterten kleinen Platz in Pontevedra eine getreue Nachbildung des Schriftstellers war, dann war er von sehr kleiner Statur gewesen, und Saldaña París war kaum größer als er. Ich beobachtete ihn, wie er den linken Arm der Skulptur berührte, den bronzenen Jackenärmel, der dünner war als der andere und leer in der Jackentasche steckte. Sanft strich er über das Metall. Er trat einen Schritt zurück, holte einen Notizblock aus der Hosentasche und kritzelte irgendetwas darauf. Unfähig, meine Neugier weiter zu zügeln oder dieses mir unvermeidlich erscheinende Zusammentreffen weiter hinauszuzögern, ging ich zu ihm hin und stellte mich vor. Er streckte mir seine Hand entgegen, die verglichen mit meiner sehr zierlich war. Ich begann, ihm allerlei Allgemeinplätze über Valle-Inclán zu erzählen, bis er mich unterbrach.

»Valle-Inclán hat vor fast einhundertzwanzig Jahren in meinem Heimatland gelebt. Einigen Berichten zufolge ist er von Galicien aus dorthin gereist und hat sich als Übersetzer und Korrespondent niedergelassen. Er hat in Veracruz gelebt, der Stadt, in der mein Großvater mütterlicherseits geboren wurde, der Miguel hieß, genau wie ich. Allerdings Miguel Agapito, ein Name, auf den er keineswegs stolz war.«

Er steckte den Notizblock zurück in die Gesäßtasche. In den letzten Tagen hatte er sich einen Schnurrbart stehen lassen, der es allerdings nicht über ein paar mickrige Härchen hinausgebracht hatte. Seine Augen waren blau, sehr blau und sehr traurig.

»Anscheinend hat Valle-Inclán sich auf ein Duell mit einem reaktionären, antiliberalen Journalisten eingelassen«, fuhr er fort, »und ist in Veracruz in eine Schlägerei geraten, was zu jener Zeit durchaus nicht ungewöhnlich war.«

»So hat er seinen linken Arm verloren«, sagte ich. »Bei einem Streit mit einem Journalisten, der gewaltsam geendet hat.«

»Genau, mit Manuel Bueno Bengoechea im Café de la Montaña im Hotel París in Madrid. Er hat auf Valle-Inclán mit dem Spazierstock eingeschlagen und ihm mehrere Knochen gebrochen. Sein linker Unterarm starb ab und musste amputiert werden«, fügte er hinzu. Er sprach mit leichtem Akzent und einer dünnen, fast femininen Stimme.

»Über Journalisten regte Valle-Inclán sich des Öfteren auf, und er duldete es nicht, wenn einer unverschämt wurde oder eine andere Meinung vertrat als er, ohne diese zu begründen. Ich kann das verstehen. Wenn die Zeiten anders wären, würde ich es genauso machen. Heute ist es schwieriger, denn wenn du in Mexiko lebst, wo in den Nachtklubs jeden Samstag die Hölle los ist, zieht dein Gegenüber einen Revolver und schießt dir schlicht und einfach eine Kugel in den Kopf. Und zugegebenermaßen mag es sich lohnen, wegen einer Meinungsverschiedenheit einen Arm einzubüßen, aber nicht das Leben.«

Ich lud ihn auf einen Kaffee ein. Langsam schlenderten wir über die Praza da Leña und gingen dann die Rúa Figueroa hinunter zur Praza da Peregrina. Er lief schweigend, die Hände auf dem Rücken verschränkt, und beobachtete alles mit hin und her schwirrenden Augen, zwei unruhigen, blauen Libellen. Währenddessen erzählte ich ihm etwas über die Geschichte der Stadt und der Gebäude. Saldaña París nickte dazu und blieb zuweilen stehen, um etwas auf seinem zerdrückten Block zu notieren. Schließlich gelangten wir in den neuen Teil von Pontevedra und gingen ins Café Moderno. Beim Betreten des Lokals bekundete er größtes Interesse an einer Skulpturengruppe, der lebensgroßen Nachbildung von sechs Männern, die rings um einen Tisch herum saßen. In Wahrheit war es die Replik einer Replik, denn ein ganz ähnlicher Zirkel Herren saß in Bronze gegossen draußen auf dem Platz, angeführt von dem Geiger Carlos Quiroga in ihrer Mitte. Die anderen waren Valentín Paz-Andrade, Alfonso Daniel Rodríguez Castelao, Carlos Casares, Alexandre Bóveda und Ramón Cabanillas, lauter galicische Schriftsteller und Intellektuelle. Die Repliken drinnen waren bunt angemalt und hatten rote, blaue und grüne Krawatten, einer trug eine Fliege, ein anderer einen Hut.

»Eine tolle Truppe«, sagte Saldaña París. »Sie sehen aus wie kafkaeske Legomännchen.«

Ich zeigte ihm das Café dieser sechs Modernisten. Die ausgefallenen Gemälde an den Wänden interessierten ihn nicht, aber eines von Laxeiro, Die Quelle des Lebens, gefiel ihm sehr.

»Das ist ein guter Titel für ein Buch«, bemerkte er.

Wir setzten uns neben ein altes Pärchen, bestellten Bier und unterhielten uns weiter über Valle-Inclán. Er bestand darauf, dass der Galicier während seiner ersten Reise über den Atlantik in Mexiko zum Schriftsteller geworden war. Dann fragte ich ihn, was ihn in diese Gegend verschlagen hatte. Der Mexikaner antwortete ausweichend mit einer Gegenfrage.

»Woher kommst du?«

»Ich bin von hier. Aber meine Eltern sind aus Rosal de la Frontera.«

»Wo liegt das?«

»In Andalusien. Direkt an der Grenze zu Portugal.«

»Dann bist du also quasi Portugiese.«

»Da bin ich gerade noch einmal drum herumgekommen«, witzelte ich. »Zur Franco-Zeit sagte mein Vater immer, im Grunde hätten die Spanier Glück, zumindest seien sie keine Portugiesen.«

»Ich mag die Portugiesen«, entgegnete er.

»Mein Vater hat viel Unsinn von sich gegeben.«

»Das Café kommt mir vertraut vor«, sagte er, als der Kellner die beiden Biergläser auf den Tisch stellte. Ich zahlte. Er rührte keinen Finger.

»Mir ist, als wenn ich schon einmal hier gewesen wäre, und dabei bin ich mir sicher, dass es nicht so ist.«

»Das Gefühl haben viele Leute«, erwiderte ich und nahm einen Schluck Bier. »Bis zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts war das hier ein Kino. Am ersten Tag wurden einundsechzig Filme vorgeführt.«

»In Mexiko hätten sie so etwas während der Revolution in Brand gesteckt.«

»Du scheinst ja eine ziemlich schlechte Meinung von deinem Heimatland zu haben.«

»Nicht ohne Grund«, entgegnete er und ergriff das Bierglas. Dann erklärte er mir, was er von den Mexikanern hielt: Sie seien allesamt Banditen, lauter Kaziken, Trunkenbolde, Untertanen, die sich vor Angst in die Hosen machten, lauter Mörder, lauter Nieten. Wenn das Ende gekommen wäre und die Welt für immer ausgelöscht würde, wären die einzigen überlebenden Geschöpfe die Mariachis in ihren lächerlichen Kostümen und mit ihren selbstgebauten Instrumenten, die bis in alle Ewigkeit ihre Lieder singen würden.

»Ein hübsches Bild«, sagte ich. »Bist du Musiker?«

»Ich bin vor allem Dichter«, antwortete er. »Oder vielleicht bin ich Musiker, und das, was ich schreibe, sind Liedtexte. Obwohl meine Lieder ziemlich schlecht sind. Als ich achtzehn Jahre alt war, wollte ich Rechtsanwalt werden, aber dann habe ich Bioy Casares gelesen und beschlossen, Schriftsteller zu werden. Anschließend habe ich Borges gelesen und begriffen, dass ich niemals einen fiktiven Text zustande bringen würde, dieser Hurensohn hatte bereits alles geschrieben, was geschrieben werden musste, also entschied ich mich wieder um und wollte doch Anwalt werden. Ich immatrikulierte mich in Mexico City an der Universität und studierte zwei Jahre lang Jura. Dabei lief ich die ganze Zeit die Avenida de los Insurgentes rauf und runter, bloß um nicht in die Vorlesung gehen zu müssen, bis sie mir zu Hause sagten – mein Vater sagte es mir, denn meine Mutter war damals mit ihrem Liebhaber bereits nach Tijuana durchgebrannt –, dass ich, wenn ich weiter zu Hause wohnen wolle, entweder studieren oder arbeiten müsse.«

»Und, was hast du gemacht?«

»Ich habe alles vorhergesehen. Hast du schon mal etwas von Roberto Bolaño gelesen?«

»Ja, ein paar Sachen.«

»Nun, ich kannte ihn damals noch nicht. Vielleicht hatte er zu der Zeit auch noch gar nichts veröffentlicht. Als ich ihn sehr viel später las, habe ich festgestellt, dass er zahllose Male meine Geschichte aufgeschrieben hat. Unsere Geschichte: die Geschichte der in Mexiko verschollenen Mexikaner, wie er uns bezeichnet hat. Anstatt weiter zu studieren, bin ich gereist. Von der Idee, Rechtsanwalt zu werden, habe ich mich endgültig verabschiedet und das Studium abgebrochen. Ich bin durch die Wüste gestreift, habe die Städte im Landesinneren kennengelernt, bin nach Tehuantepec und Matamoros gefahren. Von meinem Onkel hatte ich Geld geerbt, zwar nicht viel, aber ich brauchte auch nicht viel. Und ich habe zu schreiben begonnen, das heißt, ich habe aufgehört herumzuschreibseln und richtig zu schreiben begonnen. Ich habe eine Reihe Gedichte, die ich in Cafés verfasst hatte, zu einem Literaturwettbewerb für junge Schriftsteller in Guadalajara geschickt und gewonnen. Gleich auf Anhieb. Ich war wirklich sprachlos: Ich, der ich noch nie irgendwo irgendetwas veröffentlicht hatte, hatte plötzlich mit ein paar Dutzend zusammengeschusterten Seiten Geld verdient.«

Seine Traurigkeit war verflogen, das Sprechen bereitete ihm jetzt Freude, so als wenn er monatelang zum Schweigen verurteilt gewesen wäre und endlich eine Möglichkeit gefunden hatte, sich zu befreien. Wir tranken unser Bier. Seit mehreren Tagen schon schwebte mir eine Bitte vor, die ich an ihn richten wollte, es war nur noch nicht der richtige Moment dafür gekommen.

»Und, was hast du mit dem Geld gemacht?«

»Das ist eine gute Frage. Nachdem ich zu Hause angerufen und mein Vater mir von dem Brief der Jury aus Guadalajara erzählt hatte, bin ich nach Mexico City zurückgekehrt. Es war das einzige Mal, dass ich ihn habe schwach werden sehen, das heißt, das einzige Mal, bei dem er sich von seinem Gefühl hat leiten lassen. Was ich geschrieben hatte, war ihm natürlich völlig gleichgültig. Aber sein Sohn hatte etwas gewonnen, er befand sich auf der Seite der Sieger. Zu Hause angekommen, habe ich den Scheck genommen, den Koffer gepackt und bin nach Las Vegas geflogen, um das Geld zu verjubeln. Etwas Besseres ist mir nicht eingefallen. Und in Las Vegas hatte ich abermals Glück und habe einen Haufen Geld gewonnen, von dem ich dann nach Europa gereist bin. An einem Morgen im September 1993 bin ich völlig verschlafen in Madrid gelandet und habe erst zehn Jahre später wieder mexikanischen Boden betreten.«

»Warte«, unterbrach ich ihn und beugte mich nach vorne. Seine Augäpfel traten hervor, als litte er unter einer Krankheit.

»Ich möchte, dass du mir all das erzählst, aber an einem anderen Ort. Und nicht jetzt, sondern morgen zwischen Mitternacht und zwei Uhr in der Frühe.«

»Wie bitte?«

»Ich werde es dir erklären.«

 

Am nächsten Tag kehrte ich um zehn Uhr abends aus Santiago zurück. Ich aß zu Hause alleine zu Abend, bei laufendem Fernseher mit abgestelltem Ton. Während ich aß, stellte ich mir Paula vor, wie sie mit ihrem Freund im Bett lag, sie mit einer Zeitschrift, er mit der Sportzeitung, und ich war froh, dass ich allein war. Es stimmte, an den Sendetagen war ich zufriedener und fühlte mich weniger als Versager, aber an diesem Donnerstag war ich zusätzlich beflügelt von der Aussicht auf meinen Gast. Ich gestehe, dass ich nicht weiß, was ich Besonderes in ihm sah. Auf den ersten Blick war Miguel Saldaña París ein nichtssagender Typ, nicht sonderlich einfallsreich gekleidet und mit Gesichtszügen, die von übermäßiger Angst und Unruhe zeugten. Ein kleiner, ungelenker Mensch, den nirgendwo auf der Welt jemand bemerken würde. Sehr viel später – als es bereits zu spät war, als ich mich bereits zu sehr auf ihn eingelassen hatte – begriff ich, dass es genau diese Eigenschaften waren, die mich an ihm faszinierten.

Es war seine Melancholie, die mich verzauberte, eine Melancholie, die er nicht zu verhehlen suchte, eine dauerhafte, hartnäckige Melancholie, die gekommen war, um zu bleiben. Dieser ungesunde Zustand, der Geister herbeiruft und die felsenfestesten Überzeugungen erschüttert. So ganz und gar entgegengesetzt zu dem Zustand, in dem ich mich befand, der noch nicht einmal als Melancholie zu bezeichnen war, eher als Unzufriedenheit oder Erschlaffung. Saldaña París war wirklich melancholisch: ein Mann aus einer anderen Zeit, in der er gefangen war, ein Mann aus einer Zeit, in der das Glück noch keine Pflicht war, sondern das Schicksal von ein paar Narren.

Als ich bei Radio Pontevedra eintraf, wartete Saldaña París bereits vor der Eingangstür des Gebäudes auf mich. Es war halb zwölf Uhr abends. In einem schwarzen Etui hatte er die Gitarre dabei und in der Gesäßtasche seinen Block. Der Frühling war ebenfalls gekommen, die Luft war erfüllt vom Duft der Kamelien und des Wassers vom Lérez-Fluss. Wir begrüßten uns und gingen hinein. Er wirkte nicht nervös, eher neugierig, und stellte mir etliche Fragen zur Sendung, auf die ich antwortete, während wir das Studio betraten und uns an den runden, mit Kopfhörern und Mikrophonen ausgestatteten Tisch setzten. In einer Ecke oben unter der Decke liefen in einem Fernseher die Nachrichten.

»Ich lade jede Woche jemanden ein«, erklärte ich ihm. »Das Konzept besteht darin, dass es jemand Unbekanntes sein muss. Die Sendung soll insgesamt einen Kontrast zu den Sendungen vom Tag darstellen, in denen die Gäste normalerweise berühmte oder beim Publikum doch einigermaßen bekannte Leute sind.«

»Dann kannst du ganz beruhigt sein. Mich kennt niemand, weder hier noch in Mexiko. Selbst für die Frau in der Pension, in der ich wohne, bin ich nur die Achtzehn.«

»Die Achtzehn?«

»Das ist meine Zimmernummer. Die Frau ist uralt. Wahrscheinlich hat sie schon den Fall Roms miterlebt, aber die Hand dafür ins Feuer legen kann ich nicht.«

Saldaña París hatte seine Gitarre und den Notizblock auf den Tisch gelegt. Er begann, sich an den Kopfhörern zu schaffen zu machen und probierte sie aus. Jenseits der Glasscheibe konnte ich Julia Montel erkennen, die im Produktionsraum elegant von der Tür zum Mischpult glitt und einige Knöpfe bediente. Wir hörten ihren andalusischen Akzent aus den Boxen widerhallen:

»Hallo, ihr beiden«, sagte sie.

Verwirrt blickte der Mexikaner hoch. Julias schmale Gestalt betrat das Studio. Sie war wunderschön, ein Eindruck, der mich jedes Mal bestürmte, wenn ich ihr donnerstags begegnete und sie heimlich beobachtete, die Art und Weise, wie sie im Laufe der Sendung ihr braunes Haar mit verschiedenen Spangen zusammennahm, während ich meine Interviewpartner frei über das sprechen ließ, wonach ihnen der Sinn stand. Am Ende der Sendung hatte sich ihr hüftlanges Haar in eine abstrakte, mit Drähten fixierte Skulptur verwandelt, aus der hier und da ein paar Strähnen herunterhingen. Auffallend an ihr waren die Sommersprossen und die grünen, beinahe durchschimmernden Augen. Sie hatte die Schönheit und die Jugend auf ihrer Seite – Julia war zwanzig Jahre jünger als ich und hatte erst kürzlich ihr Studium in Vigo beendet, dort, wohin ich Andrea gerne für ein paar Jahre hätte verschwinden sehen. Gegen sie sprach, dass sie mich verwirrte und ich zu ängstlich war, um ihr zu sagen, wie sehr ich sie mochte.

»Ich bin heute Nacht für die Produktion zuständig«, verkündete sie und begrüßte Saldaña París.

Zum ersten Mal bemerkte ich die sinnliche Seite des Dichters, die ich nicht erwartet hatte. Unvermittelt stand er auf, ergriff Julias Hand sehr viel fester als vermutet und führte sie zu seinen Lippen. Ohne je den Blick über den Brillenrand von ihr abzuwenden, drückte er ihr einen Kuss auf den Handrücken und setzte sich erst wieder, als sie perplex den Raum verließ.

Das Licht wurde heruntergedimmt, und elf Minuten später waren wir auf Sendung.

 

[…]

 

Über deine Kindheit und Jugend haben wir schon gesprochen. Letztere war zweifellos geprägt von dem Literaturpreis für Poesie aus Guadalajara, den du gewonnen hast.

 

Das würde ich so nicht sagen. Es gab in meiner Jugend andere, wichtigere Dinge, die mich geprägt haben.

 

Was zum Beispiel?

 

Zum Beispiel das, was ich mit dem Preisgeld gemacht habe.

 

Wie hoch war es?

 

Ungefähr fünfzigtausend Pesos. Lass mich nachdenken. Das sind drei- oder viertausend Euro, was damals in Mexiko ein Vermögen war.

 

Aber nicht in den USA.

 

Genau das wollte ich erzählen. Mit dem Geld, das ich gewonnen habe, bin ich nach Las Vegas geflogen. Ich wusste nicht, was ich sonst damit anfangen sollte, und das war noch die vernünftigste Idee, die ich hatte. In meinem Heimatland habe ich es nicht mehr ausgehalten. Wäre ich einen Tag länger dortgeblieben, ich wäre vermutlich kriminell geworden, oder schlimmer noch, ein Mariachi. Einer von diesen Musikern, die in Restaurants für betrunkene Ehepaare musizieren und sie überallhin verfolgen, sogar auf die Toilette. Also bin ich fortgegangen. Mir war klar, dass ich in den USA drei- oder viermal so viel Geld brauchen würde. Kein einfaches Unterfangen, denn ich hatte ja noch nie gespielt und wusste instinktiv, dass mir das Spielen zuwider sein würde. Außerdem war ich noch nie im Ausland gewesen. Aber ich konnte Englisch, ein Luxus, den man hat, wenn man als Diplomatenkind in Colonia Roma aufgewachsen ist. Und so bin ich dann wenige Tage nach meiner Rückkehr nach Mexico City wieder aufgebrochen. Ich weiß noch, dass ich einen Koffer für eine Woche packte. Für die Zeit hätte mein Geld gereicht, wenn ich alles, was ich einzusetzen gedachte, verloren und nichts gewonnen hätte.

 

Und dann bist du erst zehn Jahre später wieder zurückgekehrt.

 

Ganz genau.

 

Was in Las Vegas passiert, bleibt in Las Vegas?

 

Ich hatte mich in einem Hotel am Rande der Wüste einquartiert. Es war nicht so einfach, aber es war das, was ich mir leisten konnte. Die Wüste ist höllisch. Ich bin ein Mexikaner aus der Stadt, was bedeutet, dass ich praktisch ein Engländer oder fast ein Russe bin. Ich kann Hitze nicht ausstehen, Durst versetzt mich in einen Zustand ständiger Panik, Sand bereitet mir Hustenkrämpfe. In der Ferne konnte ich den Eiffelturm, die ägyptische Sphinx und eine schwarze Pyramide sehen. Ich dachte, ich würde wahnsinnig, weil ich nicht schlafen konnte und alles mir wie ein surrealer Alptraum vorkam. In die Casinos wird Sauerstoff gepumpt, um die Gäste wach zu halten, aber ich begann zu hyperventilieren. Ein paar Tage lang tingelte ich durch die Spielbanken und verlor mal hier, mal dort ein paar Dollar. Was dann geschah, passiert einem nur, wenn man keinerlei Erwartungen hat. Am Ausgang eines Casinos sah ich eine Dame im Rollstuhl, die versuchte, von der Straße auf den Gehsteig zu gelangen. Ich beschloss, ihr behilflich zu sein. Ich musste jemanden berühren, um die Wirklichkeit zu spüren. Ich half ihr im Rollstuhl auf den Gehsteig, und wir unterhielten uns eine Weile lang vor dem Eingang des Casinos. Sie war sehr alt, ihr Gesicht war faltig wie zersprungenes Glas und die Hände riesig und voller Adern und brauner Flecken. Ihre Augen konnte ich nicht erkennen, da sie eine dunkle Brille trug, aber ich erinnere mich noch an den Anishauch ihres Atems. Ich ging mit ihr spielen, schob ihren Rollstuhl von Tisch zu Tisch und stellte fest, dass die Alte nicht nur gelähmt war, sondern auch einsam und verrückt. Sie spielte alles: Automaten, Baccara, Poker. Beim Roulette haben wir dann den Jackpot geknackt. Ich war schon drauf und dran gewesen aufzugeben. Ich wusste, dass ich am nächsten Morgen gleich nach dem Aufstehen zum Flughafen eilen und nach Colonia Roma zurückkehren musste, bankrott und ohne ein Fünkchen Stolz im Leib. Ich setzte alles ein, was ich noch hatte: über zweitausend US-Dollar. Und wir gewannen. Nicht nur das Doppelte und auch nicht das Drei- oder Vierfache des Einsatzes. Wir gewannen fast fünfzigtausend Dollar. Es fehlte nur noch, dass die Alte aufgestanden wäre und getanzt hätte. Mir drehte sich alles: Die Welt vollführte Pirouetten, ich sah die Pyramide kopfstehen und sich in die Erde bohren, sah den Eiffelturm durch die Wüste rennen. Ich ließ mich total volllaufen und wachte am nächsten Tag mit einem tierischen Kater und einem Umschlag voller Geld auf.

 

Hast du die Dame im Rollstuhl jemals wiedergetroffen?

 

Nein, ich kannte nicht einmal ihren Namen. Ich blieb noch drei Tage in Las Vegas, zog in ein anständiges Hotel um, und das Einzige, wozu ich plötzlich Lust hatte, mit all dem Geld ganz für mich allein, war, zu schreiben. Ich schrieb ein langes Gedicht mit dem Titel Aufzeichnungen eines Glückspilzes, das ich in dem Hotelzimmer zurückließ. Ich fraß und soff, bis ich mich übergeben musste. Dann, als ich genug hatte, stieg ich ins Flugzeug. Nur dass ich, anstatt nach Mexico City zurückzukehren, nach Europa geflogen bin.

 

Wohin genau?

 

Nach Madrid.

 

Und was hast du dort gemacht?

 

Nichts, oder fast nichts. Ich habe an der Puerta del Sol und auf der Gran Vía herumgelungert und darauf gewartet, dass irgendwas passierte, eine prima Entschuldigung, um dort zu sein. Ich habe sehr viel getrunken und fast alles vergessen. Die Nächte verbrachte ich schlaflos und mit großen Ängsten, als wenn der Umstand, dass ich mich in Europa befand, etwas Geld besaß und das Leben eine Unbekannte war, zugleich eine unerträgliche Last, ein unüberwindbarer Schmerz und eine Quelle außergewöhnlicher Macht wären. Beim Verlassen vom Angel Sierra, einer Kneipe in Chueca im Zentrum von Madrid, lernte ich ein junges Mädchen kennen. Sie hieß Camila und war kaum älter als ich. Sie war bildhübsch. Oder zumindest ist sie mir so in Erinnerung geblieben: bildhübsch. Ihre Augen und ihr Haar waren honigfarben. Und sie hatte einen deutschen Freund, einen Riesen von einem Akrobaten namens Leo.

 

Hast du dich in sie verliebt?

 

Vielleicht. Ich glaube ja. Als ich in die beiden hineinstolperte, war ich betrunken. Einer der Kellner hatte mich des Tresens verwiesen, weil ich störte. Wenn ich trank, holte ich für gewöhnlich Gedichte aus der Tasche und fing an, sie laut zu deklamieren. Am nächsten Tag schämte ich mich sehr und zerriss die Gedichte, sofern ich sie nicht sowieso irgendwo verloren hatte. Nun, das ist nicht so wichtig. Ich habe gesagt, dass ich in sie hineingestolpert bin, und genauso war es. Vor der Tür der Kneipe hatten Camila und Leo einen Meter über dem Boden ein Seil gespannt, dessen Enden sie an einem Laternenpfahl und einem Baumstamm befestigt hatten. An diesem Spätnachmittag stolperte ich über das Seil und fiel hin. Es war Camila, die mir aufhalf. Wir gingen zusammen etwas trinken, und die Nacht endete sehr spät. Sie mussten mich auf den Schultern in mein Hotel tragen. Später schrieb ich dann ein Gedicht darüber, es hieß Der Seiltänzer, aber es taugte nichts, und am Ende habe ich es zerrissen. Mir wurde sehr schnell klar, dass ich sie wiedersehen musste, und so ging ich abermals zum Angel Sierra, wo man mich nicht hereinließ und mich wie einen Hund behandelte. Die beiden waren dort. Wir wurden Freunde und ließen uns zusammen ein paar Wochen lang in der Stadt treiben: Sie traten vor Kneipen und auf kleinen Plätzen auf, und ich schrieb und trank am Tresen oder im Straßencafé. Ich erzählte ihnen, dass ich ein freier Mann sei, und wir teilten alles, einschließlich meines Hotelzimmers, in dem wir nun wohnten, um Geld zu sparen.

 

Der Dichter und die Akrobaten. Das hört sich an wie der Titel eines französischen Theaterstücks.

 

Die Geschichte hat kein gutes Ende genommen.

 

Das tun Geschichten selten.

 

Als wir von Madrid genug hatten, sind wir herumgereist. Mit der Eisenbahn, per Anhalter, kilometerweit zu Fuß. Ohne zu wissen, was wir taten, durchquerten wir etliche Länder. Wir reisten in den Osten, dorthin ging man damals. Ins gerade entdeckte Osteuropa. Keiner wusste, was man dort vorfinden würde, und wir fanden alles Mögliche. Reisende, Landstreicher, Betrüger, Taschendiebe, Prostituierte. Wir trafen auch anständige Leute, aber die zogen weiter ihres Weges und hielten sich nicht damit auf, mit uns zu reden oder zu versuchen, Geld von uns zu erpressen oder eine Nacht lang mit uns zu feiern. Als wir nach Belgrad kamen, verkomplizierten sich die Dinge. Ich war dabei, eine Art Reisetagebuch zu verfassen. Lyrik zu schreiben war ich nicht in der Lage, denn ich hatte festgestellt, dass ich dafür Ruhe brauchte, eine Ruhe, die ich nur fand, wenn ich mich fernab von der Welt in die Stille begab und zu meiner normalen Verfassung zurückkehrte.

 

Was für eine Verfassung ist das?

 

Ich würde sie als Myopie, als Kurzsichtigkeit, bezeichnen. Sozusagen eine existenzielle Kurzsichtigkeit. Dieses Unvermögen erzeugt in mir eine metaphysische Unruhe, ein Bedürfnis, die Dinge klar und scharf zu sehen, das dem Bedürfnis, zu leben oder die Welt in ihrem Naturzustand zu erfahren, entgegengesetzt ist. Auf unseren Reisen herrschten ständig Unruhe und ein fortwährendes Verlangen, ein nicht enden wollender Motorenlärm, der die Suche nach Klarheit zu einem zwecklosen Unterfangen machte, das leicht durch einen weiteren Kilometer, ein weiteres Glas, eine weitere chaotische Nacht wettgemacht werden konnte.

 

Du hast gesagt, die Dinge hätten sich dann verkompliziert.

 

In Belgrad gerieten wir in eine Sackgasse. Ich habe dir ja schon gesagt, dass ich in Camila verliebt war, auch wenn ich versuchte, es nicht zu zeigen. Ich fühlte mich eingeschüchtert von Leo, einem durchtrainierten Riesen mit lauter nervtötenden Eigenschaften. Es gibt nichts Schlimmeres als gutaussehende, zuvorkommende Männer. Man findet sie unverzüglich dumm oder vermutet doch, dass sie dumm sind, da die Realität mit ihnen sehr viel freundlicher umgeht als mit den anderen, die weder gut aussehen, noch sonderlich zuvorkommend sind. Das war bei mir der Fall, und noch heute frage ich mich, aus welchem Grund die beiden mit mir zusammen gereist sind. Ich tobte ständig vor Wut, schloss mich in den Herbergen im Zimmer und im Zug auf der Toilette ein, fluchte zum Himmel, dass ich Einsamkeit brauchte, beschimpfte sie als Störenfriede. An den schlimmsten Tagen redeten wir nicht miteinander, und ich lag irgendwo herum, während Camila und Leo ihre albernen Zirkusnummern aufführten. Als ich eines Tages aus einem alarmierenden Traum über das Ende aller Zeiten erwachte, saß plötzlich Leo neben mir auf dem Bett. Er hielt mein Tagebuch in den Händen und blätterte darin herum. Zu der Zeit schrieb ich auf Englisch, vielleicht beeinflusst durch meinen Vater, einen Briten, den es nach Mexiko verschlagen hatte. Leo hatte die Seiten gelesen und darin die fürchterlichen Dinge entdeckt, die ich über ihn geschrieben hatte, aber auch die anderen, die über Camila.

 

Was für Dinge waren das?

 

Ausgemachte Pornographie. Natürlich war Camila die Protagonistin und ich ihr Partner. Diese Seiten wechselten sich ab mit dem abgeschmacktesten Dichterblödsinn, den ich aufschrieb, als hätte ich die Liebe gefunden.

 

Scheint so, als würdest du es bereuen.

 

Bereuen wir denn nicht fast alles? Vor allem alles Schriftliche, das wir hinterlassen und das uns überdauern wird. Unsere Handlungen nicht, die sind vergänglich, und irgendwann erinnert sich niemand mehr an sie. Aber wenn wir so dumm sind, etwas auf Papier zu hinterlassen, dann ändert sich die Sache. Natürlich war ich nicht verliebt. Und es war genauso offenkundig, dass ich nicht die Liebe gefunden hatte. Vielleicht wünschte ich sie mir sehnlichst, und das führt ja bekanntlich zu allen möglichen Arten von Irrtum. Was ich empfand, war Gekränktheit, war Neid, vielleicht fühlte ich mich nicht wertgeschätzt. Also trennten wir uns an diesem Tag, und wir haben uns nie wiedergesehen. Leo sagte mir, er könne mir nicht trauen. Ich antwortete ihm, dass ich ihm ebenfalls nicht trauen könne. Sie zogen weiter gen Osten, und ich kehrte zurück nach Westeuropa.

 

Wohin genau?

 

Ich blieb einige Jahre in Paris, lernte Französisch und schrieb. Als ich ankam, hatte ich nur noch wenig Geld, aber es reichte aus, um mich dort niederzulassen. Ich mietete ein Zimmer nahe Poissonnière, stellte einen Band Gedichte auf Spanisch und Englisch zusammen und schickte ihn an sämtliche Verlage, die ich im Telefonbuch finden konnte. An keinem Ort der Welt gibt es mehr Verlage als in Paris. Ich gab dem Buch einen dummen Titel: Inútil – Nichtsnutz. Natürlich meinte ich damit mich selbst. Es wurde nie veröffentlicht. Allerdings erhielt ich einige Zeit später einen Brief von einem gerade gegründeten Verlag mit dem Namen Éditions de l’Inutile. Sie hatten es witzig gefunden, ein Buch zugeschickt zu bekommen, das genauso hieß wie der Verlag, obgleich sie mir ohne Umschweife sagten, dass sie es nie verlegen würden, ich glaube, weil sie meine Texte für frauenfeindlich hielten. Aber sie gaben mir Arbeit; anfangs las ich Bücher im englischen und spanischen Original, später übersetzte ich auch. Damit habe ich mich lange Zeit über Wasser gehalten.

 

So wie Valle-Inclán in Mexiko.

 

Ja, so in der Art.

 

Und was kam nach Paris?

 

Marseille, Barcelona und London. Von London aus bin ich dann nach Mexico City zurückgekehrt. Sechs oder sieben Jahre lang war ich nicht in Europa und wollte eigentlich nie wieder herkommen. Aber leider ist das Leben ebenso unbelehrbar wie ein Kind, das ständig bockig ist, es gräbt die Toten wieder aus und dergleichen mehr. In Mexiko fing ich auf Bitten meines Vaters an, zum Psychologen zu gehen. Es war sehr lustig, denn jedes Mal, wenn ich aus der Praxis kam, war mir übel, und ich ging in den Park, um mich hinter einem Gebüsch zu übergeben.

 

Und die Liebe, hast du sie irgendwann gefunden?

 

Wie bitte?

 

Du hast gesagt, du seist gekränkt gewesen oder neidisch. Ich frage dich, ob du irgendwann später die Liebe gefunden hast.

 

Darüber möchte ich nicht sprechen.

 

Wir sind fast am Ende unserer Zeit angelangt.

 

Gut.

 

Möchtest du zum Schluss noch erzählen, was dich nach Galicien und insbesondere nach Pontevedra geführt hat?

 

Nach meiner Ankunft habe ich zunächst ein paar Tage in Santiago de Compostela verbracht. Aus verschiedenen Gründen bin ich dann hierhergekommen. Sagen wir, ich habe genügend Distanz und bin nahe genug.

 

Wovon?

 

Ich dachte, die Zeit wäre zu Ende.

 

Und das ist sie auch. Danke, Miguel.

 

[…]

 

Das Interview hatte eine halbe Stunde gedauert. Anschließend rezitierte Saldaña París ein Gedicht und begleitete sich dabei selbst auf der Gitarre. Das Instrument hatte einen schrillen, leicht enervierenden Klang, harmonierte letztlich aber mit der überraschend festen, monotonen Stimme, mit der er deklamierte.

Deine Füße tragen das Alter dessen, was blutet,

Geschwollen von der Sonne und den Insekten,

Rissig vom Salz und vom Gehen.

Deine Füße tragen das Warten, eingebrannt wie ein Zeichen,

Und in der Höhle der Menschenfresser wühlen

Wespen und Eidechsen, die dich ersinnen.

Deine Füße tragen zum Zeichen die Nacht,

Und sie erlahmen, wo die Wege sich kreuzen.

Als er fertig war, schien er wie aus einem Trancezustand zu erwachen. Auf der anderen Seite der Glasscheibe signalisierte Julia Montel ihm mit erhobenem Daumen ihre Zustimmung. Er wirkte völlig ausgelaugt, wie kurz vor einem Zusammenbruch, als wenn eine halbe Stunde Unterhaltung und ein Gedicht herkulische Anstrengung verlangten. Die Sendung ging noch weiter, und die Leere musste mit einer Stimme gefüllt werden, so dass ich die folgenden zwanzig Minuten damit verbrachte, von literarischen Neuerscheinungen, Treffen mit Schriftstellern, Musikern und Filmemachern zu berichten und zwei oder drei kürzlich von galicischen Autoren veröffentlichte Werke vorzustellen. Ich bemerkte, wie Julia auf Zehenspitzen ins Studio kam und Saldaña París zur Tür brachte. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie er grußlos hinausging. Als die Sendung zu Ende war, kam Julia wieder ins Studio und zündete sich eine Zigarette an.

»Und wenn der Feuermelder in einer Frühlingsnacht«, witzelte ich und nahm den Kopfhörer ab.

Sie setzte sich mir gegenüber.