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Was machte man in Amsterdam während des Zweiten Weltkriegs, wenn ein Jude vor der Tür stand, der sich verstecken musste? Man ließ ihn herein, telefonierte und versuchte mit Code-Worten, ihn auf dem Land unterzubringen. Man hatte einen geheimen Raum im Haus, der bei Razzien übersehen wurde. Man übte, nachts aus dem Schlaf gerissen zu sagen: Man wisse von nichts. Corrie ten Boom (1892–1983) erzählt, wie sie mit ihrer ganzen Familie Verfolgten Schutz bietet, selbst zur Verfolgten wird und schließlich 1944 im KZ Ravensbrück inhaftiert wird. Anders als ihre Schwester überlebt sie die Qualen und kommt 1945 frei. Trotz alledem ist sie nach dem Krieg weltweit als Botschafterin der Versöhnung unterwegs. Für ihren Einsatz wurde sie mehrfach ausgezeichnet. Von der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem erhielt sie den Ehrentitel "Gerechte unter den Völkern", und die niederländische Königin verlieh ihr den "Orden von Oranien-Nassau". Der internationale Bestseller erscheint in der 31. deutschen Auflage erstmalig in einem größeren Format.
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Seitenzahl: 401
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»Es war ein Jude Anfang dreißig mit dem typischen breitrandigen schwarzen Hut und dem langen schwarzen Mantel. Doch worauf aller Augen starrten, war das Gesicht dieses Menschen. Es war verbrannt. Vor seinem rechten Ohr hing eine graue, angesengte Locke, die an das Haar eines uralten Mannes denken ließ. Der übrige Bart war verschwunden, und an seiner Stelle sah man nur noch das rohe, wunde Fleisch.
›Das ist Herr Gutlieber‹, sagte Willem auf Deutsch. ›Er ist erst heute morgen in Hilversum eingetroffen. Herr Gutlieber, mein Vater.‹
›Er ist auf einem Milchwagen aus Deutschland herausgekommen‹, erklärte uns Willem schnell auf Holländisch. ›Sie haben ihn an einer Straßenecke überfallen – junge Leute aus München – und seinen Bart angesteckt.‹
Vater hatte sich von seinem Stuhl erhoben und schüttelte Herrn Gutlieber kräftig die Hand.
Ich brachte ihm eine Tasse Kaffee und einen Teller mit Keksen.
Herr Gutlieber setzte sich steif auf die Kante eines Stuhls und starrte auf die Tasse auf seinem Schoß.«
Dies war der erste Jude, der bei der Amsterdamer Uhrmacherfamilie ten Boom Zuflucht suchte. Bald darauf baute Corrie ten Boom (1892–1983) eine Untergrundorganisation auf, die vielen Juden das Leben rettete.
Der SCM-Verlag ist eine Gesellschaft der Stiftung Christliche Medien, einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für die Förderung und Verbreitung christlicher Bücher, Zeitschriften, Filme und Musik einsetzt.
ISBN 978-3-7751-7269-1 (E-Book)ISBN 978-3-7751-5630-1 (Lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book: Beate Simson, Pfaffenhofen a.d. Roth
Dieser Titel erschien zuvor als Taschenbuchausgabe mit der ISBN 978-3-7751-5284-6.
© der deutschen Ausgabe 2010 und 2015 SCM-Verlag GmbH & Co. KG · Max-Eyth-Straße 41 · 71088 Holzgerlingen Internet: www.scmedien.de · E-Mail: [email protected]
THE HIDING PLACE © 1971 Originally published in English under the title: THE HIDING PLACE by Corrie ten Boom with John and Elizabeth Sherrill. Published by Chosen Books LLC., Mount Kisco, New York USA. All rights reserved. Übersetzung: Dr. Hansjürgen Wille und Barbara Klau
Umschlaggestaltung: Kathrin Spiegelberg, Weil im Schönbuch Titelbild: Corrie ten Boom: © Corrie ten Boom House Foundation, Amsterdam: shutterstock.comSatz: Breklumer Print-Service, Breklum
»Es war ein Jude Anfang dreißig …«
Vorwort
Die Hundertjahrfeier
Das Kind
Karel
Der Uhrenladen
Invasion
Der geheime Raum
Eusie
Sturmwolken ziehen auf
Die Razzia
Scheveningen
Der Leutnant
Vught
Ravensbrück
Der blaue Pullover
Die drei Visionen
Als wir Material für ein Buch über Bruder Andrew sammelten, stießen wir immer wieder auf einen Namen: Corrie ten Boom. Diese Holländerin – als wir zum ersten Mal von ihr hörten, war sie Mitte siebzig – war Bruder Andrews liebste Reisegefährtin. Ihm fielen so viele faszinierende Geschichten über sie ein, dass wir schließlich die Hände heben mussten, um seinen Erinnerungsstrom zu stoppen. »Sie würde nie in das Buch passen«, sagten wir. »Man müsste ein Buch über sie allein schreiben.« Man sagt so etwas dahin, ohne es eigentlich ernst zu meinen.
Im Mai 1968 wohnten wir einem Gottesdienst in Deutschland bei. Ein Mann sprach über seine Erlebnisse in einem Nazi-Konzentrationslager. Sein Gesicht erzählte die Geschichte beredsamer als seine Worte: Augen, in denen sich noch erlebte Qualen spiegelten, zitternde Hände, die nicht vergessen konnten. Ihm folgte am Lesepult eine weißhaarige Frau von breiter Gestalt und mit einem Gesicht, das Liebe, Frieden, Freude ausstrahlte. Aber – die Geschichte, die diese beiden Menschen berichteten, war die gleiche. Auch sie war in einem Konzentrationslager gewesen, hatte die gleiche Grausamkeit erlebt, die gleichen Verluste erlitten. Seine Reaktion war leicht zu verstehen. Aber ihre?
Wir blieben nach dem Gottesdienst noch, um mit ihr zu sprechen, und da ging uns auf, dass es niemand anderes als Andrews Corrie war. Cornelia ten Booms weltweite Mission, zu trösten und zu raten, hatte dort in dem Konzentrationslager begonnen, wo sie »einen Schild vor dem Wind, eine Zuflucht vor dem Sturm … den Schatten eines großen Felsens in einem elenden Land« gefunden hatte. Sie musste aber erst noch entdecken, dass, wenn das Schlimmste geschieht, das Beste noch vor einem liegt.
Bei weiteren Besuchen lernten wir diese erstaunliche Frau gut kennen. Zusammen besuchten wir das verwinkelte kleine holländische Haus – ein Zimmer breit –, wo sie bis in ihre Fünfzigerjahre das ereignislose Leben einer unverheirateten Uhrmacherin führte und, während sie für ihre ältere Schwester und ihren alten Vater sorgte, nicht einmal im Traum ahnte, dass große Abenteuer ihrer harrten. Wir besuchten den Garten in Südholland, wo die junge Corrie ihr Herz für immer verschenkt hatte. Besuchten das große Ziegelhaus in Haarlem, wo Pickwick mitten im Krieg echten Kaffee servierte … Und die ganze Zeit hatten wir das seltsame Gefühl, dass wir nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft blickten. Als sprächen diese Menschen und Orte nicht von Dingen zu uns, die bereits geschehen waren, sondern von der Welt der Siebzigerjahre, die da noch vor uns lag. Und schon entdeckten wir, dass wir das, was wir von ihr lernten, in die Praxis umsetzten:
Mit der Trennung fertig werden. Mit weniger auskommen können. Sicherheit inmitten der Unsicherheit. Vergebung. Wie Gott Schwäche benutzen kann. Mit schwierigen Menschen fertig werden. Dem Tod ins Auge sehen. Wie man seine Feinde liebt. Was tun, wenn das Böse siegt.
Wir sprachen mit ihr darüber, dass ihre Erinnerungen ein Licht auf Probleme und Entscheidungen zu werfen schienen, vor denen wir im Augenblick standen. »Aber«, sagte sie, »dafür ist die Vergangenheit da. Jedes Erlebnis, das Gott uns schenkt, jeder Mensch, den er uns im Leben schickt, ist die vollkommene Vorbereitung auf die Zukunft, die allein er sehen kann.«
Jedes Erlebnis, jeder Mensch … Vater, der jede Uhr zu reparieren vermochte und dann die Rechnung zu schicken vergaß. Mama, deren Körper ein Gefängnis wurde, deren Seele sich aber frei emporschwang. Betsie, die aus drei Kartoffeln und zweimal benutzten Teeblättern ein Festmahl zaubern konnte. Als wir in die blitzenden blauen Augen dieser durch nichts zu entmutigenden Frau blickten, wünschten wir, dass diese Menschen auch zu unserem Leben gehörten.
Und dann, natürlich, wurde uns klar, dass sie es könnten …
John und Elizabeth Sherrill, Chappaqua, New York
Als ich an diesem Morgen aus dem Bett sprang, bewegte mich nur die eine Frage: Sonne oder Nebel? Gewöhnlich war es im Januar in Holland neblig, feucht, kalt und grau. Aber manchmal, an einem jener seltenen, zauberhaften Tage, brach eine weiße Wintersonne durch. Ich beugte mich, so weit ich konnte, aus dem einzigen Fenster meines Schlafzimmers hinaus; es war immer schwer, vom Beje den Himmel zu sehen. Kahle Ziegelmauern blickten mich an, die Hinterfronten anderer alter Häuser in diesem dicht bevölkerten Zentrum des alten Haarlem. Aber als ich den Hals reckte, sah ich über den komischen Dächern und schiefen Schornsteinen ein viereckiges Stück blassblauen Himmels. Zu Ehren der Feier würde es ein sonniger Tag werden!
Ich versuchte, mich im Walzertakt zu drehen, als ich mein neues Kleid aus dem alten Schrank herausnahm. Vaters Schlafzimmer war direkt unter meinem, aber mit siebenundsiebzig hatte er einen gesunden Schlaf. Das war einer der Vorteile des Altwerdens, dachte ich, während ich in die Ärmel schlüpfte und dann auf den Spiegel in der Schranktür schaute. Obwohl manche Holländerinnen 1937 ihre Röcke knielang trugen, reichte meiner noch bis fast an die Schuhe.
»Du wirst nicht jünger«, sagte ich zu meinem Spiegelbild. Vielleicht war es das neue Kleid, das mich mir gegenüber kritischer machte als sonst: fünfundvierzig Jahre alt, unverheiratet, von schmaler Taille schon lange keine Rede mehr. Meine Schwester Betsie hatte noch, obwohl sie sieben Jahre älter war als ich, die anmutige Schlankheit, die Leute auf der Straße sich nach ihr umdrehen und ihr nachblicken ließ. Es hatte wirklich nichts mit ihrer Kleidung zu tun; aber wenn Betsie ein Kleid anzog, geschah etwas wie ein Wunder damit.
Bei mir gingen Säume auf, rissen Strümpfe und zerknitterten Kragen – bis Betsie sich ihrer annahm. Aber heute, dachte ich, als ich, so weit ich es in dem kleinen Zimmer konnte, von dem Spiegel zurücktrat, stand mir dunkelbraun sehr gut.
Unten an der Haustür klingelte es. Besuch? Vor sieben Uhr morgens? Ich öffnete meine Schlafzimmertür und lief die steile, sich windende Treppe hinunter. Diese Treppe war erst später in dieses seltsame alte Haus eingebaut worden. In Wirklichkeit waren es zwei Häuser. Das Vorderhaus war ein typisches kleines Althaarlemer Haus, drei Stock hoch, zwei Zimmer tief und nur ein Zimmer breit. Irgendwann in seiner langen Geschichte hatte man die Hinterwand durchbrochen, um es mit dem noch schmaleren, höheren Haus dahinter zu verbinden – jenes Haus hatte nur drei Räume, einer über dem anderen, und diese schmale Wendeltreppe zwängte sich zwischen die beiden.
So schnell ich auch lief, Betsie war vor mir an der Haustür. Ein riesiger Blumenstrauß füllte die Tür. Als sie ihn in Empfang nahm, wurde ein kleiner Botenjunge sichtbar.
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