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Hast du auch Träume, die du nie jemandem mitteilst? Schreibst du sie auf? Was, wenn jemand sie liest und beschließt, sie wahr werden zu lassen? Charlotte hat Fantasien, die sie mit niemandem teilt. Nicht mal mit ihrem Ehemann. Sie ist sicher, er würde sie dafür verurteilen, sie verachten. Als eines Tages bei einem Einbruch jedoch ihr Notebook verschwindet, gelangen ihre Geschichten, ihre dunkelsten Fantasien, in die Hände eines anderen. Eines Fremden, dessen Mails deutlich machen, dass sie nicht allein mit ihren Wünschen ist. Triggerwarnung: In Dirty Dreams geht es um consensual nonconsent, zu deutsch einvernehmliche Nicht-Einvernehmlichkeit. Opfer von sexualisierter Gewalt könnten getriggert werden. Seitenanzahl Printbuch: 220 Seiten
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Dirty Dreams
Margaux Navara
© 2021 Margaux Navara – alle Rechte vorbehalten.
Coverfoto ©AY_PHOTO Depositphotos.com
Margaux Navara
c/o easy-shop K. Mothes
Schloßstraße 20
06869 Coswig Anhalt
margauxnavara.com
Inhaltsverzeichnis
Dirty Dreams_Margaux Navara für Tolino
Impressum
Triggerwarnung
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Nachwort
Lust auf mehr?
Sex on Board - Kink-Trip im Mittelmeer
TRIGGERWARNUNG
Dirty Dreams ist dem Thema consensual nonconsent gewidmet. Einer Facette des BDSM, die auf einvernehmlicher Nicht-Einvernehmlichkeit basiert und auch innerhalb der BDSM-Szene nicht unumstritten ist.
Diese Geschichte versucht, dem Leser ein Gefühl für eine Spielart dieser Facette zu geben, die für die meisten eine reine Fantasie bleiben wird, weil die psychischen Folgen nicht absehbar sind.
Ich weise explizit darauf hin, dass dieses Buch für Vergewaltigungs- und Missbrauchsopfer belastend sein kann, da diese sich durch diverse Situationen im Verlauf der Handlung getriggert fühlen können.
Bitte sei achtsam dir selbst gegenüber und entscheide, ob du diese Geschichte lesen möchtest.
Wenn du Hilfe brauchst, weil du mit sexualisierter Gewalt Erfahrungen hattest, wende dich bitte an eine Traumafolgen-Ambulanz, den Weißen Ring oder eine/n Psychologen/-in.
Mein Herz rast wie wild. Aus der Küche kommt ein Geräusch, ein Schlurfen oder Schnaufen. Ich kann es nicht besser definieren, weil mir das Blut so stark in den Ohren rauscht.
Es muss ein Einbrecher sein, es gibt keine andere Möglichkeit. Ich habe vor dem Schlafengehen noch mit meinem Mann telefoniert, der sich in Wien, also rund fünfhundert Kilometer entfernt befindet, also kann er es nicht sein. Sonst hat niemand einen Schlüssel. Das Handy! Wo ist es? Mist, es liegt noch im Wohnzimmer, gleich neben dem Festnetztelefon, mit dem ich ihn zuerst angerufen hatte.
Was tun? Ich habe keinen Baseballschläger im Schlafzimmer, nicht einmal einen festen Schuh zum Werfen. Mein Buch auf dem Nachttisch ist nur ein Taschenbuch ohne hartes Cover, der Wecker ist zu winzig. Soll ich mich verstecken? Unter dem Bett ist kein Platz und im Schrank sucht er doch zuerst. Aus dem Fenster kann ich nicht, wir haben vor zwei Jahren Gitter anbringen lassen, weil darunter die Garage ist, von der aus man so einfach hereinklettern könnte. Warum haben wir nicht die Küche vergittert? Ist er überhaupt dort eingedrungen?
Egal, egal, was soll ich nur tun? Mich schlafend stellen? Hinter der Tür verstecken? Schreien? Blödsinn! Kein Mensch weit und breit, der mich hören könnte. Thomas wollte das Haus der Eltern behalten, das ganz am Ortsrand steht, eigentlich schon im Wald, abgesetzt von allen anderen.
Was könnte der Einbrecher suchen? Kommt er überhaupt hier herein? Meine Handtasche steht im Flur auf einem Tisch, dort findet er meinen Geldbeutel, das wird ihm doch genügen ... Wir haben nur wenige Wertgegenstände, der Fernseher ist einer davon, aber der ist zu groß zum Abtransportieren. Der Laptop vielleicht, den ich auf dem Couchtisch stehen ließ.
Ich höre jetzt deutlich Schritte. Sie bewegen sich durch den Flur, kommen näher. Ich verfalle in eine Schockstarre, habe alle Fluchtmöglichkeiten vergessen und keine Verteidigungsstrategie parat. Wenn er jetzt hereinkommt, sieht er mich im Bett sitzen und ihn anstarren wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Nur, dass ich nackt bin, kein Fell verbirgt mich. Ein irres Kichern steigt in mir auf. Mein Fell bietet keine Tarnung, die gebräunte Haut, auf die ich so stolz bin, stellt einen extremen Kontrast zu der weißen Bettwäsche dar. Ich wünsche mir Streifen, Punkte, quatsch, ein Albino müsste ich sein, um mit dem Weiß zu verschmelzen.
Mein Kopf hat seine eigene Strategie gefunden, um mit dem Stress umzugehen. Gedanken rasen mit Lichtgeschwindigkeit und hinterlassen Spuren aus Sternenstaub, Ideen, die verglühen, ehe sie überhaupt formuliert sind. Ich stehe neben mir und beobachte mich, sehe meine starre Haltung und weiß um das Rasen in meinem Kopf und wundere mich über beides. Tu doch was!
Ich habe nichts getan. Bin nicht ohnmächtig geworden und habe nicht gekämpft, bin nicht geflohen und habe keinen Weinkrampf bekommen. Irgendwann war ich wieder bei mir, konnte klar denken und stellte fest, dass nichts mehr zu hören war. Stille, lange, ununterbrochene Stille.
Es dauert bestimmt eine Stunde, bis ich mich aus dem Schlafzimmer traue und, bewaffnet mit Buch, Wecker und Hausschuhen, durch das Haus schleiche. Das kleine Fenster im Gästeklo war aufgebrochen worden. Dort also war er oder sie eingestiegen. Hatte ich es offen stehen lassen? Gekippt vielleicht? Ich bin noch nicht fähig, meinen Abend zu rekonstruieren, das kann ich später versuchen. Jetzt will ich erst einmal sichergehen, dass wirklich niemand mehr im Haus ist. Ich füge also meiner Sammlung beide Telefone hinzu, drücke schon einmal die Tasten für den Notruf, ohne die Verbindung herzustellen, und suche noch die restlichen Räume ab. Nichts.
Ich bin so erleichtert, dass ich unbedingt Wasser lassen muss, weil jetzt alle Muskeln sich entspannen. Ich halte dabei immer noch die Telefone umklammert, aber Buch und Wecker kann ich ablegen. Die Hausschuhe ziehe ich lieber an, meine Füße sind nur noch Eisklumpen.
Ich mache Inventur. Es wird kaum von Nutzen sein, die Polizei zu rufen, der Einbrecher ist längst über alle Berge. Tatsächlich ist mein Geldbeutel ausgeräumt. Etwas über hundert Euro sind also weg. Die Kreditkarten hat er dagelassen, was ich als gutes Zeichen sehe.
Im Arbeitszimmer meines Mannes sieht auf den ersten Blick alles aus wie immer, aber dann fällt mir der leere Fleck auf, an dem seine Kamera gelegen hat. Nun gut. Tausend Euro Schaden und große Enttäuschung. Thomas liebt seine Kamera. Hat er seinen Laptop eigentlich mitgenommen? Bestimmt, oder? Macht er eigentlich immer. Was gibt es noch? Ach ja, er hat ja noch das kleine Tablet, eigentlich unnötig und kaum verwendet liegt es in seiner Schreibtischschublade.
Lag es. Ich muss Thomas aber erst fragen, ob er es zufällig doch mitgenommen hat. Es war nicht sehr teuer, ein Sonderangebot, Auslaufmodell. Vielleicht hundert Euro.
Im Wohnzimmer fällt mir sofort auf, dass er natürlich meinen Laptop mitgenommen hat. Hätte ich auch getan. Der war neu, erst drei Monate alt. Und noch nicht einmal passwortgeschützt. Herzlichen Glückwunsch zum Erwerb dieses neuwertigen Teils, Herr Arschloch von Dieb!
Aber gut, es ist kein Weltuntergang, ich habe mir von Thomas zeigen lassen, wie ich meine Dateien jeden Abend in die Cloud kopieren kann. Nichts ist verloren. Außer weiteren achthundert Euro. Scheiße, das summiert sich ganz schön.
Ich weiß jetzt, dass ich an der Polizei nicht vorbeikomme, wenn ich von der Versicherung auch nur einen Cent sehen will. Seufzend rufe ich an und schildere die Situation. Dann ziehe ich mich an und harre der Dinge, die da kommen.
Während ich schreibe, ertönt das Ping, mit dem sich eine Mail ankündigt. Da es gerade nicht so gut läuft, meine Finger sich ständig verknoten und Fehler sich an Fehler reiht, nutze ich die Gelegenheit zum Aufhören. Es ist auch schon nach elf, Zeit fürs Bett.
Thomas ist mal wieder unterwegs. Nachdem er für etwa drei Wochen nach dem Einbruch keine auswärtigen Termine angenommen hatte, ist er jetzt wie zuvor Wochen am Stück auf Dienstreise. Die Schonzeit war schneller vorüber als gedacht.
Da ich aber kein ängstliches, kleines Mädchen bin, sondern eine erwachsene Frau, kann ich alleine sein, ohne weinen zu müssen. Ich schlafe zwar noch schlecht, aber das war zu erwarten. Immerhin haben wir jetzt Gitter vor dem Küchenfenster und dem Bad im Erdgeschoss, sodass die Wahrscheinlichkeit, dass nochmal jemand eindringt, recht gering ist. Ich rechne mit Wahrscheinlichkeiten, weil ich noch nicht so weit bin, mir sicher zu sein. Vielleicht in weiteren acht Wochen.
Die Mail ist von einer unbekannten Adresse, dreamscometrue. Ich will sie gerade in den Spamordner schieben, als mir auffällt, dass sie an mich adressiert ist. Ich meine, an meinen vollen Namen. Nun ja, nicht an Charlotte, den Namen, der im Pass steht, sondern der, den ich für meine Geschichten verwende. Wie kann das sein? Niemand kennt diesen Namen. Verwirrend. Jedenfalls macht es mich neugierig genug, die Mail auch zu öffnen.
Fairy, beginnt das Schreiben. Mein Pseudonym, unter dem ich meine Geschichten schreibe, die ausschließlich für mich gedacht sind, lautet Fairy Tale. Ammenmärchen. Ich schreibe Fantasiegeschichten. Nicht Fantasy, sondern Fantasien. Von einer erwachsenen Frau für eine erwachsene Frau. Mich.
Das, was in der Mail steht, ist allerdings nicht meiner Fantasie entsprungen.
Fairy,
deine Geschichten gefallen mir. Ich habe sie genossen, Nacht für Nacht, Tag für Tag.
Manche habe ich zwei- oder dreimal gelesen, andere vielleicht hundertmal. Ich habe mir vorgestellt, wie du daliegst, unter mir, bebst und zitterst, wie deine Heldin – oder sollte ich sagen: das Opfer? – es tut. Wie du mit angstvollen Augen zu mir aufsiehst, während du dein Schicksal erwartest, vordergründig fürchtest, aber insgeheim herbeisehnst.
Entsprechend reagiere ich auch. Sehr real. Mit Herzklopfen und Schnappatmung.
Es gibt nur eine Lösung für das Rätsel. Der Einbrecher hat meinen Laptop nicht bereinigt und verkauft, sondern er hat ihn behalten. Und alles gelesen, was ich geschrieben habe. All meine Fantasien, nur für mich gedacht, nie veröffentlicht, nie jemandem gezeigt, nicht einmal Thomas. Zu meinem Vergnügen, meinem sehr heimlichen Vergnügen, waren sie gedacht, nie für die Augen eines anderen.
Ich wusste, dass er sie auf dem Laptop finden könnte, doch es war eine weit entfernte Möglichkeit, Wahrscheinlichkeit unter drei Prozent, wie ich mir ausgerechnet hatte. Welcher Dieb liest die Dokumente auf dem gestohlenen Gut? Er will doch Geld verdienen, will vielleicht seine Drogensucht bezahlen oder seine Kinderschar ernähren. Dafür muss man einen PC aber verkaufen, und damit er nicht als Diebesgut zu erkennen ist, muss man alle Daten löschen. Ist doch einleuchtend, oder?
Wenn ich nicht aufpasse, hyperventiliere ich. Also ruhig werden, runterkommen, die Augen nicht schweifen lassen, ich muss den Text bedachtsam lesen. Er will etwas von mir, so viel ist klar. Wieso eigentlich er? Es kann auch eine Frau sein.
Blödsinn, korrigiere ich mich. Unmöglich. Eine Frau würde sich nicht an diesen Fantasien aufgeilen, zumindest würde sie nicht die Rolle des Täters übernehmen, sondern sich mit der Frau identifizieren, von der ich schreibe.
Es nutzt alles nichts. Ich muss weiterlesen.
Und weißt du was, Fairy? Deine Fantasien sind jetzt auch meine Fantasien. Deine Geschichten sind jetzt in mir, in meinem Kopf und weiter unten, in meinem Schwanz. Sie haben sich ihren Weg gebahnt, ehrlich gesagt sind sie direkt von meinen Augen zu meinem Schwanz, dann erst in den Kopf und später auch in mein Herz geflossen. Jedes Wort von dir hat mich angemacht, erregt, erhitzt, geil gemacht, hart gemacht.
Ich habe immer gerne gelesen, weil sich die Geschichten in mir zu einem Film zusammensetzten, der mit jedem Lesen genauer wird, Ausschmückungen erfährt, Tiefe gewinnt, Farben erhält.
So sind deine Geschichten jetzt. Filme in meinem Kopf. HD High resolution, 3D mit Full surround Ton.
Oh ja, der Ton. Ich höre deine Worte in meinen Ohren. Dein Flehen, deine Schluchzer, deine Seufzer. Aber vor allem das Klatschen. Meine Hand schmerzt alleine bei dem Gedanken daran. Wenn ich sie anschaue, erwarte ich, die Röte zu sehen, die Hitze zu spüren, die der Schlag ausgelöst hat, doch da ist nichts.
Ich kann nicht verhindern, dass ich nass werde. Genauso nass wie sonst vom Lesen meiner eigenen Storys. Oder vom Schreiben. Mir scheint, dieser Einbrecher ist selbst ein Künstler. Seine Art zu schreiben gefällt mir.
Gänsehaut macht sich breit. Wieso denke ich über seinen Stil nach? Ich müsste mich vor Panik im Keller verstecken, nicht hier sitzen und mein Höschen feucht machen! Wie krank ist das denn?
Aber nicht ich bin krank, er ist es! Dieser Kerl, der sich an meinen Fantasien aufgeilt, und es mir auch noch mitteilen muss, der ist eindeutig gestört.
Warum wird mir jetzt erst unwohl? Ach ja, dass er mir seine Reaktionen mitteilt, bedeutet, dass er auch meine Mails lesen kann, all meine private Post. Kann er auch sehen, was ich im Internet angeschaut habe? Scheiße. Er kann sogar auf einige passwortgeschützte Seiten, weil ich eben jenes Passwort abgespeichert habe. Er weiß also, dass ich auch mal Pornos anschaue. Weiß er auch, welche? Mir wird so langsam kalt. Nicht äußerlich, sondern eher als eisiger Knoten aus meinem Bauch, der sich wie ein Virus bis in alle Gliedmaßen ausbreitet.
Warum nur habe ich meine Dokumente nicht geschützt? Hinter Firewalls, Passwort-Tresoren, mit Verschlüsselung und Kinderschutz?
Zu spät. Nun muss ich die Folgen tragen. Welche sind das? Was will er von mir?
Wir werden das ändern. Du, Fairy, und ich, wir werden zusammen das tun, wovon du bisher nur geträumt hast. Weißt du, warum? Weil ich der Mann deiner Träume bin.
Ich bin der, der nachts in dein Zimmer kommt, wenn du alleine bist. So wie heute.
Ich bin der, der im Wald auf dich wartet, wenn du joggen gehst, wie morgen früh.
Ich bin der, der hinter der Hecke steht auf dem Weg hinterm Haus, wenn du montags abends vom Kochkurs nach Hause kommst.
Okay.
Panik.
Volle Kanne.
Herzrasen. Kammerflimmern. Blutdruck bei zweihundertfünfzig. Scheiße! Scheiße, scheiße, scheiße. Ich bin unfähig, den Blick von diesen Worten loszureißen. Lese sie wieder und immer wieder.
Meine Ideen. Meine Albträume. Meine Wunschträume. Die ich gesponnen habe an Abenden wie diesem, alleine zu Hause, geil und unbefriedigt, im Schutz der Dunkelheit. Nur das blaue Licht des Bildschirms vor mir, ein Glas Wein zur Hand wie jetzt auch. Manchmal mit einer Hand im Slip, eine kurze Unterbrechung, hektisches Rubbeln, Hitze, Pulsieren, dann dieser Krampf, der kein Krampf ist, Zucken und Feuchte und Schweben und Fallen und lautes Keuchen aus trockener Kehle.
Was willst du, Arschloch?
Wir werden nichts weiter tun, als deine Fantasien nachzuspielen. Einvernehmlich.
Ich lache, aber es ist ein hysterisches Kreischen, das ich sofort mit der Hand ersticke. Mir ist schlecht. Ich kann nicht weiterlesen.
Es kommt nichts hoch. Ich wollte alles ausspucken, was ich heute gegessen und getrunken habe, aber es geht nicht. Ich wasche mir das Gesicht mit eiskaltem Wasser.
Zum Glück hatte ich alle Vorhänge geschlossen, die Rollläden im Untergeschoss sind heruntergelassen und die Haustür mit dem zusätzlichen Riegel versperrt. Routine seit acht Wochen. Ich hatte schon das aufgebrochene Fenster vor mir gesehen, die Vorhänge, die im Wind wehen, das leise Atmen gehört. Schon wird mir wieder schlecht beim Gedanken daran.
Schluss damit. Er ist nicht hier, nicht im Haus zumindest. Vielleicht draußen irgendwo, aber das ist eher unwahrscheinlich. Er hat ja eben erst seine Mail geschickt. Aber kann man die nicht so programmieren, dass sie zu einer bestimmten Uhrzeit gesendet wird? Ich weiß es nicht, damit kenne ich mich nicht aus.
Das Leuchten des Laptops aus dem Wohnzimmer wirkt jetzt wie ein Friedhofslicht. Oder ein Irrlicht, dem der Wanderer folgen muss, weil es das einzige Licht ist, weil es seine einzige Hoffnung ist.
Hoffnung auf was? Will ich etwa meine Fantasien wahr werden lassen? Nein, niemals. Ich möchte nicht vergewaltigt werden, möchte nicht von einem Fremden angefasst, geschweige denn mit Gewalt genommen werden. Oder? Ich habe diese Ideen schon so lange in meinem Kopf, früher fest verschlossen in einem dunklen Kämmerlein hinter irgendwelchen ungenutzten Hirnlappen, heute eben gespeichert auf meinem PC, in einer Wolke, vor den Augen dieses Mannes.
Genau da liegt das Problem. Ich hatte mir schon mal vorgestellt, so ein Szenario auszuleben, aber nie mit einem Fremden. Vielleicht mit meinem Mann. Wenn ich denn in ungefähr tausend Jahren einmal den Mut finden würde, ihm diese Fantasie zu schildern.
Das ist Blödsinn. Thomas‘ Fantasie reicht höchstens so weit, sich vorzustellen, dass Pep Guardiola irgendwann mal Dortmund trainieren könnte. Und das ist für ihn etwa wie Herr der Ringe für Tolkien, eine Welt voller Möglichkeiten.
Also doch ein Fremder? Dieser hier?
Ich bin die Motte und muss zurück, mache hinter mir alle Lichter aus, vorgeblich aus Angst, er könne mir zusehen, aber eher, weil ich mich inmitten der Dunkelheit wohler fühle, weil ich so in die Fantasie eintauchen kann, mich im dunklen Wald finde oder auf dem Gartenweg oder in der Garage.
Wo und wann wirst du nicht wissen. Wie es sein wird, schon. Du hast es geschrieben. In allen Details niedergeschrieben und bis ins Kleinste ausgeführt. Natürlich wird es Variationen geben. Ich lasse mir nur ungern vorschreiben, was ich sagen soll, geschweige denn, was ich tun soll. Also werde ich gewisse Feinheiten einfügen, Änderungen vornehmen, die eher meinem Naturell entsprechen. Zum Beispiel mag ich dich nicht würgen. Das hinterlässt so hässliche Spuren.
Was ich aber sehr mag und sicher länger und fester einbauen werde, als du es dir wünschst, ist das Schlagen. Mit der Hand, aber auch mit Instrumenten. Es gibt so wundervolle Dinge, die man hierfür verwenden kann. Du bist da ein wenig einfallslos, Fairy. Immer wieder der Gürtel. Sicher, er ist bequem zur Hand, aber wenn mir die Hose auf die Knie rutscht, sieht das eher lächerlich aus.
Überlass diese Dinge einfach mir, ich kenne mich da aus.
Meine Gefühle schwanken zwischen Angst, Entsetzen, Geilheit, Empörung, Faszination und Ärger. Ja, inzwischen kommt auch Ärger auf. Wer würde sich nicht darüber ärgern, wenn seine Fantasien auseinandergerupft werden?
Und was meint er damit, dass er sich auskennt?
Du hast ein unsagbares Glück, dass du in meine Hände fallen wirst. Ich weiß, wie fest ich schlagen muss, wie hart ich zupacken muss, wie ich dich bändigen kann, ohne dich zu verletzen.
Sieh dich also um, wenn du alleine bist, wie heute. Höre auf meine Schritte. Achte auf kleine Zeichen, die dir verraten, dass ich hinter dir bin, über dir und zuletzt in dir.
Kein Name, keine Grußformel. Wäre auch zu schön, wenn er seine Visitenkarte angehängt hätte oder einen Link zu Facebook.
Ich lese die ganze Mail noch zweimal. Ich habe mich inzwischen ein wenig beruhigt. Einer, der den Mund reichlich voll nimmt. Er kennt sich aus. Aha. Er weiß alles über mich. Na, wohl kaum. Ein paar Fantasien mögen eine grobe Vorstellung geben, aber doch nicht alles von mir bloßlegen. Ich bin mehr als meine Sexualität, erst recht mehr als meine nicht ausgelebten Träume. Eine Frau definiert sich nicht über Gewaltszenarien, sondern über das Leben, das sie in den 23 Stunden und 55 Minuten dazwischen lebt. Und das besteht aus ganz anderen Dingen. Meinem Job, Gesprächen mit meinem Partner, Treffen mit Freunden. Einkaufen und ...
Kochen. Joggen. Schlafen.
Mist. Schon bin ich wieder kurz vor einer Panikattacke. Meine Arme schlingen sich um meinen Körper, als wollte ich mich zusammenhalten. Noch immer sitzt der Knoten im Magen und das Herz spüre ich wie einen Dampfhammer in der Brust.
Was soll ich tun? Soll ich zur Polizei gehen?
Wie von einem Blitzlicht erhellt sehe ich die Szene vor mir. Die Polizisten, die sich um meinen Laptop drängen und gierig die Storys lesen, weil sie Beweise sind in einer Ermittlung. Mein Mann, der befragt wird.
"Was sagen Sie zu der Sache? Wussten Sie von den Geschichten? Haben Sie sie dazu inspiriert? Spielen Sie die Szenen nach?"
Okay. Ich drücke die mentale Löschtaste. Nie im Leben lasse ich mich von denen zerrupfen und sezieren. Dann schon lieber das Spiel mitspielen.
Ich könnte ihm antworten, ihn provozieren, bis er sich verrät. Scheinbar auf sein Spiel eingehen, dann ihm auflauern und ihm eins über die Rübe ziehen. Aber wohin mit der Leiche? Im Wald verrotten lassen?
Dummes Zeug, dazu habe ich weder den Mumm noch die Mittel. Zu klein, zu schwach.
Welche Alternativen gibt es noch? Die letzte Lösung schiebe ich schnell zur Seite. Nein, kommt nicht infrage.
Ich könnte das Haus nicht mehr verlassen. Oder mich bewaffnen. Einen Selbstverteidigungskurs machen und den schwarzen Gürtel.
Dieser Kerl will den Gürtel nicht verwenden, weder einen schwarzen noch einen andersfarbigen. Dass der Spuren hinterlässt, bin ich mir sicher. Ich habe mir immer Spuren gewünscht. Noch für Tage. Und Schmerzen beim Hinfassen. Beim Sitzen. Beim Ficken.
Aber das geht auch mit anderen Sachen. Paddlen, Floggern oder Peitschen. Sogar mit Haarbürsten. Mit Rohrstöcken. Birkenruten.
Der Wald. Ich mag den Wald hinterm Haus, ich nutze ihn zum Joggen oder Spazierengehen, zum Sammeln von Hutzeln oder Pilzen oder Pflücken von Bärlauch. Es ist ein Mischwald, der lichte Laubwald mit vereinzelten hohen Kiefern wechselt sich ab mit dunklen Tannenhainen, dicht bepflanzt und undurchdringlich. Es gibt viele Wege, einige davon nur selten benutzt von Menschen wie mir, die keine Angst haben, auch einmal querfeldein zu wandern und über Baumstümpfe oder entlang von Brombeerhecken zu stapfen. Soll ich mir das nehmen lassen? Nie wieder in den Wald gehen wegen der Drohung eines Unbekannten?
Also gut, ich werde ihm antworten. Versuchen, ihn von seinem Plan abzubringen. Immerhin redet er von Vergewaltigung!
Was denken Sie sich eigentlich? Haben Sie keinen Gedanken an Ihr Opfer verschwendet? Glauben Sie wirklich, ich wollte vergewaltigt werden?
Das klingt alles so blöd. Er denkt schon, und zwar an mich, wie ich hilflos vor ihm liege. Also lösche ich den Text wieder. Was kann ich schreiben?
Sie reden von Vergewaltigung. Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich dem zustimmen würde?
Nun ja, er hat mich nicht nach meiner Zustimmung gefragt. Er glaubt, sie aus meinen Fantasien entnehmen zu können. Ich muss ihm klarmachen, dass diese nie so gemeint waren.
Ich habe Fantasien aufgeschrieben, das ist richtig. Aber das heißt keineswegs, dass ich diese in echt nachspielen will. Selbst wenn, dann würde ich das nur mit einem mir bekannten Mann tun, dem ich voll vertrauen kann. Und erst nach Absprache.
Ich werde das Gefühl nicht los, dass er aus einem derartigen Bekenntnis doch wieder nur herauslesen würde, dass ich nicht grundsätzlich gegen ein solches Erlebnis eingestellt bin. Obwohl ich sonst gerne formuliere, wollen mir hier nicht die richtigen Worte einfallen.
Ich speichere meine Entwürfe. Und sende nur einen Satz:
Ich möchte das nicht.
Irgendwie lahm. Nicht ausdrucksstark genug. Warum habe ich nicht deutlich gemacht, dass ich das nicht will? Es hört sich an wie eine Dame im Café, die Milch im Kaffee ablehnt.
Soll ich ihm noch eine Nachricht senden? Nein. Jede Kommunikation mit einem möglichen Vergewaltiger könnte mir hinterher als freiwilliger Kontakt ausgelegt werden.
Diese Nacht verläuft sehr unruhig. Ich habe den Laptop gleich nach dem Absenden der Mail abgeschaltet. Doch seine Worte verfolgen mich bis ins Bett. Ich habe alle Fenster und Türen dreimal kontrolliert, zuletzt noch die Schlafzimmertür abgeschlossen, was gar nicht so einfach war, da ich den Schlüssel erst suchen musste. Wir verschließen uns nicht hinter Türen, es gab keine Dramen in diesem Haus.
Bis jetzt.
In meinem einsamen Bett dämmere ich vor mich hin. Abwechselnd jagen mich Albträume von einem schwarz gekleideten und maskierten Mann, der sich über mich beugt, dann wieder wache ich auf und bin hocherregt. Nun, zumindest dem Letzteren kann ich abhelfen. Erst mit den Fingern, dann noch einmal mit einem starken Vibrator. Ich unterdrücke jegliche Geräusche bei der Vorstellung, er könne dort draußen lauern und nur auf einen Hinweis warten, dass ich tue, was ich tue.
Noch vor dem Frühstück öffne ich das Mailprogramm. Seine Antwort ist da, abgeschickt nur wenige Minuten nach meiner.
Fairy,
ich will dich nicht vergewaltigen. Ich werde dich mit Gewalt nehmen. Hart. Ohne Rücksicht. Mit deinem Einverständnis.
Wie kommt er auf die absurde Idee, er hätte mein Einverständnis?
Ich werde dich festhalten, dich am Schreien hindern, wie du es möchtest. Deine Kleidung wird dir keinen Schutz bieten. Willst du, dass ich sie zerreiße? Ich höre schon das Geräusch des Stoffs, der unter dem Druck meiner Hände nachgibt. Knöpfe lösen sich, springen davon. Nähte reißen. Wirst du einen Slip tragen? Bitte tu es. Je mehr Stoff anfangs zwischen uns ist, desto länger wird es dauern, ihn zu entfernen, desto länger können wir es genießen.
Meine Hand ist in die locker sitzende Yogapants gekrochen, unter den Slip, und reibt hektisch über meine Klit. Nicht nur er kann Kopfkino.
Zuletzt werde ich deine Brüste befreien, damit ich sie mit meinen großen Händen quetschen und mit groben Fingern deine Nippel packen kann. Vielleicht sollte ich sie mit ein paar gezielten Schlägen zum Schwingen bringen. Du hast üppige Brüste, die besonders schön vibrieren werden. Erst recht, wenn du vornübergebeugt vor mir stehst. Ein gutes Ziel für einen Stock. Es wird mir ein Vergnügen sein, deine Nippel zu treffen. Ich übe bereits meine Schlaggenauigkeit. Eine Kirsche auf einem Brett. Sie hat die gleiche Größe wie deine Nippel, wenn sie geschwollen sind.
Ich kann sie schon schmecken, heiß und pulsierend in meinem Mund, wenn ich sie mit den Zähnen packe und grob daran zerre wie ein Hund, der Fleisch vom Knochen reißt.
Ich komme. Diesmal nicht leise, sondern mit einem gutturalen Stöhnen. Nur ein winziger Teil in mir verachtet mich dafür. Der größere Teil ist noch im Rausch und findet nur langsam in die Realität zurück.
Kein Schlaf für mich. Dafür rotiere ich in meinem Bett genauso schnell wie die Gedanken in meinem Kopf. Die Bettdecke wickelt sich dabei so fest um meine Beine, dass ich in meinem völlig übernächtigten Hirn glaube, er habe mich schon gepackt, mich gefesselt, wehrlos gemacht. Wie eine Besessene kämpfe ich mit dem Stoff, verheddere mich noch mehr und bin nass geschwitzt, bis ich endlich keuchend dasitze, Gänsehaut am ganzen Körper und von hilflosen Schluchzern geschüttelt.
Diese Zerrissenheit macht mich fertig. Der Verstand, der mir sagt, dass es Wahnsinn sei, der Körper, der danach lechzt. Nicht nur er. Auch ein Teil meines Denkens oder eher der Gefühle. Die gesamte emotionale Hälfte, die doch bei Frauen so ausgeprägt sein soll. Sie entzieht sich jeglicher Logik. Sagt mir, ich solle am Morgen das Haus verlassen wie sonst auch, solle in den Wald laufen, wie ich es dreimal die Woche seit vier Jahren tue. Sagt: Da ist nichts. Und sagt: Hoffentlich doch!