Diversity Management - Patrick Peters - E-Book

Diversity Management E-Book

Patrick Peters

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Beschreibung

Das Thema Diversity und damit der Komplex der Gendergerechtigkeit ist ideologisch aufgeladen. Gerade deshalb kommt Diversity in weiten Teilen des Alltags nur eine Nischenexistenz als Lippenbekenntnis zu, obwohl es im Moment auf der gesellschaftspolitischen Agenda weit oben steht. Wie immer man zu dieser Thematik und ihren Protagonisten steht, im ökonomischen Kontext, insbesondere in Unternehmen, ist Diversity relevant. Diversity zielt nicht ausschließlich auf ethnisch-kulturelle Vielfalt, sondern bezieht sich auch auf Merkmale wie Alter, Geschlecht, Weltanschauung und sexuelle Identität. Im (betriebs-)wirtschaftlichen Kontext und hier vor allem in den Bereichen Strategie, Führung/Leadership, Personal und Öffentlichkeitsarbeit erweitert Diversity die bisherigen interkulturellen Ansätze, indem Vielfalt als ein wirtschaftliches Potenzial und eine wirtschaftliche Chance genutzt werden soll: Ein Unternehmen soll attraktiver, kreativer, innovativer und als Marke wahrnehmbarer werden - jedoch steht der Theorie die mitunter komplizierte Praxis gegenüber, in der meist Unkenntnis oder Unsicherheit herrscht, wo und wie Diversity in betriebliche Entscheidungen einfließen kann und soll. Dieses Know-how vermittelt der Band sachlich und in konstruktiver Form, ohne dabei die "offenen Flanken", argumentativen Lücken und "seltsamen Blüten" zu verschweigen.

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Wirtschaftkontrovers

herausgegeben von Patrick Peters

Martin Bauer/Patrick Peters

Diversity Management

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten© W. Kohlhammer GmbH, StuttgartGesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:ISBN 978-3-17-043353-3

E-Book-Formate:pdf: ISBN 978-3-17-043354-0epub: ISBN 978-3-17-043355-7

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhalt

Einleitung

1

Diversity: Begriff und Grundlagen

2

Rechtliche Grundlagen und öffentliche Wahrnehmung

3

Gender Studies und Bürgerrechtsbewegungen als Basis der Diversity?

4

Diversity in der Gesellschaft gestern und heute

5

Diversity als strategische Entscheidung: Diversity-Management-Leitlinie

Messung der Diversity-Maßnahmen

6

Wie die Wirtschaft Diversity umsetzen kann

6.1

Leadership

6.2

Employer Branding

6.3

Purpose- und Wertemanagement

6.4

Reputations- und Vertrauensmanagement

6.5

Fazit: Mehr Diversity für mehr Performance

7

Diversity kontrovers: Ist das alles wirklich nötig?

Literaturverzeichnis

Einleitung

Wer sich heute in Medien gehobener Qualität und einschlägigen Business-Plattformen umsieht, der stolpert unweigerlich und häufig über die Begriffe Diversity und Diversity Management. Diversity ist also zu einem breit diskutierten Schlagwort in Wirtschaft und Gesellschaft geworden. Und wie bei jedem neuen Begriff, gerade internationaler Herkunft, stellt sich die Frage: Was ist das eigentlich und muss ich hier etwas tun? Denn um Diversity zu verstehen, zu fördern und die Akzeptanz für eine neue Lebenshaltung im privaten und organisationalen Kontext zu erhöhen, sollten erst einmal so viele Menschen wie möglich verstehen, worum es sich dabei handelt, wo und wann sie mit Diversity in Berührung kommen, wie sie damit umgehen und welche Integrationsbereitschaft hier von ihnen im täglichen Leben gefordert ist.

Kurz gesagt: Das Diversity-Konzept umfasst Akzeptanz von und Respekt vor Vielfalt. Diversity ist das umfassende und nachhaltige Verständnis, dass jeder Mensch einzigartig ist und individuelle Unterschiede beispielsweise hinsichtlich Rasse, ethnischer Zugehörigkeit, Geschlecht, sexueller Orientierung, sozioökonomischen Status, Alter, körperlicher Fähigkeiten, religiöser und politischer Überzeugungen etc. keine Rolle spielen.

Allerdings emergieren hier, wie bei vielen gesellschaftlich determinierten Themenstellungen, mehrere große polarisierende Herausforderungen: Auf der einen Seite wird Diversity enthusiastisch als das allein Seligmachende für die Weltgemeinschaft herausgestellt oder als Fantasie einer „links-grünen Woke-Bubble“ abgetan. Was beide Pole eint: Details werden ebenso wie die wirkliche Bedeutung ignoriert, miteinander problematisch vermischt und einfach bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt – ob bewusst oder unbewusst. Und nicht minder problematisch ist die wachsende Zahl von vermeintlichen Expert:innen für Diversity. Bar jeder Kenntnis der historischen Ursprünge und der relevanten Theorien von Diversity werden fadenscheinige, oberflächliche und politisch motivierte, also mithin aktivistische Statements abgegeben, fragwürdige Beratungsprogramme vermarktet oder auch in Form einer anbiedernden, nach Aufmerksamkeit heischenden selbstreferentiellen Esoterik in eine persönliche Leidens- bzw. Entwicklungsgeschichte gepresst. Was leider allzu selten vorkommt, ist echte Kenntnis in der Sache gepaart mit einem individuellen, praxisorientierten und wissenschaftsbasierten Ansatz, der die Relevanz von Diversity und Diversity Management für Wirtschaft und Gesellschaft herausstellt und die Systematik einer diversityorientierten Unternehmens- und Mitarbeiter:innenführung akzentuiert.

Relevanz und Adäquanz im Umgang mit Diversity und Diversity Management entstehen nicht, indem man sie ungefiltert bejubelt oder verunglimpft, und genauso hat die emotionalisierte Präsentation persönlicher Betroffenheit (tatsächlich oder gefühlt) nichts mit einem professionellen Umgang zu tun. Das lässt sich z. B. anhand vielfältiger Einträge im Business-Portal LinkedIn nachvollziehen: Jüngere User:innen beklagen sich u. a. häufig darüber, von „alten weißen Männern“ nicht ernstgenommen zu werden. Das passiert in der Regel unbegründet, wodurch Diversity-Merkmale nur gegeneinander ausgespielt werden, ohne dass es zu einer sinnvollen Diskussion über dieses hochrelevante Thema kommen kann und kommen soll.

Wir wollen Diversity und Diversity Management mit einem anderen Blick betrachten. Als wissenschaftlich tätige Autoren ist uns eine theoriefeste Basis genauso wichtig wie ein abgesicherter Blick auf die praktische Umsetzung im Unternehmen oder jeder anderen Organisation. Unsere Betrachtung basiert nicht auf Spekulation oder Hörensagen, sondern auf theoretisch und praktisch erprobtem Wissen und Können. Und genauso liegt der Fokus auf einem emotions- und bewertungsfreien Ansatz: Unsere Aufgabe als Autoren ist es nicht, eine Pro- oder Contra-Position einzunehmen, dabei zu emotionalisieren und zu personalisieren, sondern die Bandbreite von Diversity darzustellen, die Ideen miteinander zu vernetzen und die Brücke in die Praxis zu schlagen. Das ist auch ganz im Sinne der Reihe „Wirtschaft kontrovers“, in der dieser Band erscheint. Ziel ist es, die beiden Seiten einer Medaille zu zeigen, zu analysieren und zu bewerten. Denn Diversity kann nicht per se „gut“ oder „schlecht“ sein, da die Grenzen zwischen „gut gemeint“ und „gut gemacht“ fluid sind – und allzu oft kann es passieren, dass diese Grenze überschritten wird und damit Kontroversen ausgelöst werden. Kontroversen, die wiederum zum Teil so erbittert geführt werden, dass die gute Idee hinter Diversity – nämlich Gleichberechtigung und Fairness für alle Menschen ohne Beachtung von Herkunft, Hautfarbe, Weltanschauung oder sexueller Identität – völlig erdrückt und zwischen den oft unversöhnlichen Fronten zermalmt wird.

Wir wollen also mit dem vorliegenden Band zeigen, was Diversity in der ganzen Vielfalt des Begriffes bedeutet, wie öffentliche, privatwirtschaftliche und gemeinnützige Organisationen Diversity integrieren und managen könn(t)en und welche Vorteile ihnen daraus entstehen – und letztlich auch, wo die Grenzen von Diversity gerade in der praktischen Umsetzung liegen und welche Kontroversen damit eben verbunden sein können. Man denke an fragwürdige und teilweise demokratiegefährdende Entwicklungen wie Cancel Culture an Hochschulen und im öffentlichen Raum, wo bestimmte Gruppen Wissenschaftler:innen, Autor:innen, Institutionen etc. aufgrund vermeintlicher bzw. individuell gefühlter Verstöße gegen Diversity-Gebote so massiv unter Druck setzen, dass Veranstaltungen, die diesen oft aktivistisch agierenden Gruppen nicht zusagen, abgesagt und damit die Möglichkeit des öffentlichen Diskurses unmöglich gemacht wird.

Der Band „Diversity Management“ in der Reihe „Wirtschaft kontrovers“ nimmt also breit Stellung, ohne Partei zu ergreifen. Vielmehr will das vorliegende Werk Sie als Leser:innen qualifizieren und begleiten, sich eine eigene Meinung zu bilden und bestimmte Entwicklungen besser einordnen zu können. Ebenso sollen Sie, sofern Sie in Ihrer Organisation für Diversity Management, Personalentwicklung oder ein ähnliches Gebiet verantwortlich sind, das grundsätzliche Handwerkszeug erhalten, um Diversität zu verstehen, zu implementieren, zu administrieren, zu messen und zu optimieren. Und nicht zuletzt sollen auch Studierende und wissenschaftlich tätige Personen von diesem Band profitieren und eine aktuelle Einführung in das Thema erhalten, das aufgrund der meinungsfreien Ausrichtung in jedem Kontext auch zitierfähig ist. Um es nochmals zu verdeutlichen: Wir wollen informieren und aufklären, ohne zu missionieren, wir wollen Zugänge eröffnen und für eine begründete Diskussion qualifizieren. Unser Ziel ist es, dass Sie nach der Lektüre dieses Buches Diversity und Diversity Management verstanden haben und in der Praxis damit umgehen können. Und sie sollen vor allem zwischen argumentativ und theoretisch abgesicherten Aussagen und Standpunkten einerseits und emotional-aktivistisch getriebenen Äußerungen andererseits unterscheiden können, um eine begründete Position einzunehmen und sich nicht von gegebenenfalls fragwürdigen Haltungen beeinflussen zu lassen.

Daher gliedert sich das Buch in mehrere Teile. Zunächst befassen wir uns mit Begriffen und Grundlagen von Diversity und schließen die rechtlichen Grundlagen und die Beschreibung und Bewertung der öffentlichen Wahrnehmung an. Um die theoretische Basis zu erweitern, werden wir uns dann mit den Gender Studies als Hinleitung zur Diversity befassen. Das ist ein relevanter Aspekt, denn Gender und Diversity sind nicht nur aufgrund der heute so virulenten Gender-Debatte eng miteinander verbunden. Vielmehr stammt vieles, das wir gegenwärtig unter diesem Begriff subsumieren, historisch aus der Gender-Theorie bzw. der Sozialgeschichte. Apropos Geschichte: Wir zeigen auch die Entwicklung von Diversity in der Gesellschaft im historischen Kontext auf und bilden damit die Brücke vom Gestern ins Heute. Diese Herleitung im Kontext von Diversity in der Gesellschaft ist insofern relevant, als auch die Bandbreite von Diversity im zyklisch konfligierenden gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Verständnis dargestellt wird. Diese Widersprüchlichkeit ist nur im soziohistorischen Kontext zu verstehen. Sodann stellen wir die hochaktuelle Frage, warum di Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie Diversity brauchen. Das soll die Relevanz von Diversity für sozial und ökonomisch Handelnde akzentuieren und steht in enger Verbindung zu einem weiteren Großkapitel, das Diversity in der unternehmerischen Praxis referiert und verschiedene Kategorien wie Leadership, Employer Branding, Werte- und Purpose-Management, Performance-Attribution, Stakeholder-Management, interkulturelles Management/Integrationsmanagement, Reputations- im Positionierungsmanagement vorgestellt. Auch die Betrachtung von Diversity als strategische Entscheidung und die exemplarische Umsetzung einer Diversity-Management-Leitlinie ist in diesem Zusammenhang wichtig und soll ein praxisnahes Instrument zur weiteren Vertiefung im Unternehmens- und Organisationskontext liefern. Daraus leitet sich der nachfolgende Diskurs ab, wo Schwachstellen für die Gesellschaft und in weiterer Folge für Unternehmen liegen können – denn wie bereits angesprochen, wird durch Diversität und das diesbezügliche Management nicht per se alle Probleme lösen kann. Das Kapitel soll die Grenzen von Diversity auch anhand praktischer Beispiele aufzeigen und zur Diskussion anregen.

Zum Abschluss wird die provokante Frage gestellt: Brauchen wir das wirklich? Ist das alles wirklich nötig? Das schließt die Klammer zum Titel der Reihe „Wirtschaft kontrovers“ – denn dass Diversity auch kontrovers diskutiert werden kann und muss, ist wahrscheinlich schon auf diesen wenigen Seiten klargeworden.

1Diversity: Begriff und Grundlagen

Die Gesellschaft, Unternehmen, Organisationen und jede einzelne Person müssen sich auf den mittlerweile konstanten Wandel der Lebens-, Sozial-, Arbeits- und Lernumfelder einstellen. Diese sind durch zahlreiche Entwicklungen/Veränderungen/Herausforderungen im Bereich von Gesundheit, Demografie, Politik, Migration, veränderten Medien sowie Mobilitäts- und Kommunikationsmöglichkeiten, Internationalisierung, Globalisierung, neuen Arbeitsformen und -modellen und der rasant fortschreitenden Digitalisierung geprägt. Der demgemäß unaufhaltsame Umbau unserer Gesellschaft spielt daher auch in dieser Publikation eine wegweisende Rolle. Gleichzeitig scheint uns ein Thema besonders zu beschäftigen: Diversität und der gezielte Umgang mit Diversitätsmanagement im Bereich der Wirtschaft und der Industrie (im Folgenden auch Diversity und Diversitymanagement).

Was ist nun Diversität, woher kommt sie und ist sie gekommen, um zu bleiben? Ist sie wichtig für uns? Wer oder wie oder von wem wird Diversität gemanagt?

Etymologisch leitet sich Diversität aus dem lateinischen Begriff „diversitas“ ab und bedeutet so viel wie Unterschiedlichkeit und Verschiedenheit. (Huesmann 2021, S. 247 f.) Er stammt ursprünglich aus der Biologie, im Speziellen aus der angewandten Pflanzenbiologie, und bezeichnet eine Vielfalt von Pflanzenarten und ökologischen Systemen. Grundsätzlich lässt sich Diversity/Diversität mit Begriffen wie Vielfalt, Verschiedenheit, Mannigfaltigkeit, Vielgestaltigkeit oder auch Heterogenität übersetzen. Der Diversity-Begriff stammt aus den USA der 1980er Jahre, wo er als Unterscheidungskriterium in der Arbeiterschaft und verschiedenen Minderheiten diente. „Diese stießen einen gesellschaftspolitischen Diskurs an, der schließlich in den gesetzlich manifesten Anspruch auf Förderung gesellschaftlicher Chancengleichheit mündete.“ (Feuser 2019, S. 75)

Im deutschsprachigen Raum kamen der wissenschaftliche Diskurs und damit die fokussierte Auseinandersetzung mit Diversität Mitte/Ende der 1990er an. Bis heute ist die Bedeutungsvielfalt sowie Dehnbarkeit dieses Begriffes beträchtlich und bringt somit „ein terminologisches Präzisionsdefizit mit der Gefahr beliebiger Benutzung für Beschreibungen, Erklärungen und Handlungsempfehlungen mit sich.“ (Knoth 2006, S. 8) Es fanden und finden nun vor allem auch konzeptionell verwandte Begriffe wie Gender Mainstreaming, Chancengleichheit, Corporate Social Responsibility und Interkulturelles Personalmanagement nachhaltige Verwendung. Franken (2015, S. 39) ergänzt, dass Diversität auch als das Vorhandensein von vielfältigen Identitäten und Lebensstilen verstanden werden will und damit als Sammelbegriff für relevante Unterscheidungsmerkmale von Menschen dient. Die Deutungsmöglichkeiten erstrecken sich von der Vielfalt, der Ungleichheit, der Unterschiedlichkeit, der Individualität und der Besonderheit bis hin zur Gleichheit von Menschen. (Taus et al. 2011, S. 6)

Diversität und Diversitätsmanagement haben seit der Jahrtausendwende an Beachtung und Bedeutung gewonnen und das in einer unglaublich rasanten Geschwindigkeit. Dies macht es auch notwendig, ja unumgänglich, sich mit dieser Thematik verstärkt, detailliert, diskursiv und auch mit einem durchaus kritischen Blick auseinanderzusetzen. In den vergangenen 15 Jahren hat vor allem in der betriebswirtschaftlich und soziologisch orientierten Forschung die Beschäftigung mit den verschiedenen nachhaltig emergierenden Themenstellungen der Diversität (Bendl 2010, S. 17 ff.) und des Diversitätsmanagements zugenommen. Gründe dafür sind u. a. die gesellschaftlichen, politischen, persönlichen und ökonomischen Herausforderungen, die sich der ersten Welt nun stellen, verstärkt durch die pandemisch geprägten letzten Jahre. Als Auswirkungen oder auch Konsequenzen dieser Emergenz können die verschiedensten gesetzlichen Vorgaben, zu denen im Verlauf dieses Buches noch detailliert Stellung genommen wird, verstanden werden, aber auch die starke Intensivierung des öffentlichen und teilweise sogar gewaltsam geführten Diskurses über Diversität und der damit zusammenhängende Wandel der Lebenswelten jedes Individuums und jeder damit beschäftigten Unternehmung. Sie alle sind gefordert, einen professionellen, äquidistanten sowie praxis- und handlungsorientierten Umgang mit dieser Themenstellung zu entwickeln.

Kurz zusammengefasst lässt sich Diversität also im weitesten Sinne als sensibilisierte Haltung zu Vielfalt und/ oder Unterschiedlichkeit von, zu und für Menschen bezeichnen. Das Konzept bzw. das Paradigma von Diversity umfasst damit eine große und kaum überschaubare Vielfalt an Aspekten, Perspektiven und Heterogenitätsdimensionen, darunter Geschlecht, Rasse, ethnische Herkunft, sexuelle Orientierung, Alter, physische Fähigkeiten, Religion, politische Überzeugungen und sozioökonomischer Status. Im Kontext einer globalisierten Welt ist Diversity mittlerweile zu einem, wenn nicht sogar zum zentralen Thema geworden, das nicht nur in der Politik, der gesamten Gesellschaft, in Unternehmen und Organisationen (auf der höchsten Managementebene, in der Personalentwicklung und inzwischen in allen Bereichen der Arbeitgebenden und -nehmenden) sowie in den privaten Lebensräumen aller Individuen große Aufmerksamkeit erfordert, sondern gleichzeitig so stark polarisiert wie kaum ein anderes Thema. Zunächst soll der Versuch geeigneter Definitionen unternommen werden.

Als Definitionen und Arbeitsgrundlagen für diese Publikation können die nun folgenden Begriffsbestimmungen herangezogen werden:

Diversity bezieht sich auf die Anerkennung und Wertschätzung von Unterschieden in Alter, Geschlecht, Hautfarbe, ethnischer Herkunft, körperlichen Fähigkeiten und Qualitäten, Rasse, sexueller Orientierung, religiösen Überzeugungen, Bildungshintergrund usw. (Charta der Vielfalt 2023, o. S.) Die Idee hinter Diversity ist es, eine inklusive Umgebung zu schaffen, die Unterschiede akzeptiert, respektiert und nutzt.

Im Kontext von Unternehmen, Organisationen und allen wirtschaftlich sowie gemeinnützig tätigen Entitäten bezieht sich Diversity auf die Anerkennung und Wertschätzung von Unterschieden unter allen Mitarbeitenden. Diversität erhöht in diesem Zusammenhang die Kreativität und Problemlösungsfähigkeit sowie die Mitarbeitendenzufriedenheit und führt zu einem verbesserten Ruf des Unternehmens. Es ist jedoch wichtig, dass Diversity von den obersten Führungsebenen einer Organisation unterstützt bzw. glaubhaft und nachhaltig gelebt wird und dass sie in die Kultur und die Strategien der Organisation eingebettet ist. (BAM 2022, o. J. o. S.)

Diversity Management ist die Gestaltung von Vielfalt und Differenz unter der Prämisse eines organisationalen und/ oder gesellschaftspolitischen Kontextes und Ziels. Diversity Management analysiert und unterstützt individuelle und kollektive Ressourcen und fragt im organisationalen und/ oder gesellschaftspolitischen Zusammenhang nach dem „verbindenden Element“ zwischen den unterschiedlichen Akteur:innen. „Diversitätsmanagement ist ein (sic) der jeweiligen organisationalen Zielerreichung dienender multidimensionaler Managementansatz, welcher gezielt Vielfalt von MitarbeiterInnen sowie für die Organisation relevanter Anspruchsgruppen (KundInnen, KooperationspartnerInnen etc.) wahrnimmt, fördert und nutzt.“ (Bendl/Hanappi-Egger 2009, S. 559)

Unsere Begriffe der Diversität und des Diversitätsmanagements schließen damit, entsprechend dem Four-Layers-of-Diversity-Ansatz nach Gardenswartz und Rowe (1998, ► Dar. 1) und dem Modell des Ganzheitlichen Diversitätsmanagements nach Feuser (2019, S. 75–86, ► Dar. 2), alle individuellen, sozialen, gesellschaftlichen, strukturellen und begreifbaren Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeiten – somit alle möglichen Dimensionen – aller Persönlichkeiten, Menschen und Gruppen, mit ein.

Dar. 1: Erweiterte und adaptierte „Layers of Diversity“ (eigene Darstellung in Anlehnung an Gardenswartz und Rowe (1998) nach Charta der Vielfalt e. V.)

Welche der in Darstellung 1 angeführten Dimensionen auf die jeweilige Situation wirkt, ist abhängig vom Kontext, der Situation, den beteiligten Individuen und dem Zweck. Diese basieren auf den jeweils geltenden Gesetzen, welche insbesondere die Elemente der Inneren Dimension (Alter, Geschlecht, Sexuelle Orientierung, Physische und Psychische Beeinträchtigung, Soziale Herkunft, Ethnische Zugehörigkeit, Religion und Weltanschauung) (Charta der Vielfalt 2023, o. S.) vor Diskriminierung schützen. Im Folgenden wird ein Auszug dieser Richtlinien, Gesetze, Vorschriften usw. präsentiert:

Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG § 1)

Behindertengleichstellungsgesetz (BGG § 1)

Sozialgesetzbuch Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – (Artikel 1 des Gesetzes v. 23. Dezember 2016, BGBl. I S. 3234)

Landesgesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (§ 1)

EU-Vertrag (Art. 1)

Grundgesetz (Art. 1 und 3)

UN-Menschenrechte (Art. 2 [Verbot der Diskriminierung])

Gesetz zur Verwirklichung der Chancengleichheit (ChancenG § 1)

UN-Behindertenrechtskonvention (Art. 1 und Art. 3)

Richtlinie 2000/43/EG des EU-Rates vom 29. Juni 2000

Im Weiteren und ausgehend von der Persönlichkeit eines Individuums sollen hier vorerst überblicksmäßig die wichtigsten Dimensionen, beginnend mit der Inneren Dimension, erläutert werden:

Alter: Das Element Alter beinhaltet jedes biologische, psychologische, soziale, chronologische, kalendarische und soziokulturelle Alter. Es schließt auch generationsspezifische kulturelle Werte, Normen und altersbezogene Rollenerwartungen mit ein.

Geschlecht: Das Element Geschlecht impliziert aus multi-, trans- und interdisziplinären sowie medizinisch/ biologisch determinierten Perspektiven alle sozialen, chromosomalen, selbstbestimmten, präsentierten, gesetzlich normierenden, biologischen sowie kollektiv- und subjektiv-mentalen Repräsentationen des Denkens, Fühlens, Seins und Handelns in all ihren Interaktionsmustern, ihrer Körpersprache und ihrer sprachlichen Performanz (Abdul-Hussain 2012, S. 61). Alle Dimensionen des Elements Geschlecht (Gender) verstehen sich in mehrdimensionaler Rekursivität. Es wird gegenwärtig in vielen Bereichen von einer Vielfalt von Gender- und Geschlechtsidentitäten sowie von einer Begehrensvielfalt ausgegangen. Dieses Vorgehen soll die Genderintegrität von allen damit befassten Individuen wahren.

Sexuelle Orientierungen: Dieses Element kann im Kontext der Diversität auch als Baustein der sexuellen Identität eines Individuums verstanden werden. (Abdul-Hussain/Hofmann 2013, o. S.) Es bezeichnet einerseits die emotionale und sexuelle Anziehung zwischen Individuen gleichen und/ oder unterschiedlichen Geschlechts (Handl 2017, S. 22) und ist andererseits als grundlegendes Selbstverständnis der Menschen, wer sie als geschlechtliche Wesen sind, wie sie sich selbst wahrnehmen (wollen/können) und wie sie von anderen wahrgenommen werden (wollen) zu verstehen. Die sexuelle Identität umfasst somit die Dimensionen „[…] Sexuelle Orientierung, Begehren, Sexualität und Geschlechteridentität.“ (Abdul-Hussain/Hofmann 2013, o. S.)

Physische und Psychische Beeinträchtigung(en): Physische und psychische Beeinträchtigungen können zeitweise, episodisch oder dauerhaft zur Lebenswelt bzw. -situation eines Individuums gehören. Die Möglichkeit, gesundheitsgerechte, teilindividualisierte Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die Teilhabe von Individuen mit Beeinträchtigung(en) und chronischer/n Erkrankung(en) in allen Bereichen des Lebens zu bieten, soll als Teil eines gerechten und menschlichen Selbstverständnisses gesehen und nachhaltig gelebt werden. Weiterhin sind physische und psychische Beeinträchtigung(en) als Teil eines sozialen Prozesses, in dem allen Individuen also „[…] die gesellschaftliche Teilhabe, die Anerkennung und der Respekt […]“ (Handl 2017, S. 23) zugesprochen wird, die ihnen selbstverständlich zusteht, zu sehen und zu verstehen.

Soziale Herkunft: Der familiäre, soziale und kulturelle Hintergrund jedes Individuums wirkt sich direkt und indirekt auf die jeweilige Lebens-, Bildungs-, Arbeits- und Karrieresituation aus. Es soll allen Individuen die Möglichkeit geboten werden, sich entsprechend ihrer Persönlichkeit, ihrer Kreativität, ihren Kompetenzen und Fähigkeiten sowie ihrem Potenzial zu entfalten und in allen Belangen unterstützt zu werden, unabhängig ob es sich um persönliche, fachliche, organisatorische, arbeitsrelevante bzw. -determinierte Herausforderungen handelt.

Ethnische Zugehörigkeit: Damit ein Zusammenleben und -arbeiten von Menschen verschiedener ethnisch1 und national/ geografisch determinierbarer Herkunft möglich werden kann, ist eine verbindliche „[…] Kultur der Offenheit, in der ein gegenseitiges Verständnis für Unterschiede und Gemeinsamkeiten besteht […] (Charta der Vielfalt 2023, o. S.) zu leben. Jegliche Art von Vorurteilen, stereotypen Vorstellungen, Ethno- bzw. Kulturzentrismus und Nativismus haben keinen Platz in einer diversen Gesellschaft.

Religion und (nichtreligiöse) Weltanschauung: „Beide bezeichnen Gewissheiten bzw. Überzeugungen über den Ursprung, die Verfassung und Bestimmung der Welt und des menschlichen Daseins in ihr, die innerhalb des menschlichen Lebens zielwahlorientierend fungieren.“ (Willems 2020, S. 389 nach Herms 1999, S. 220) Die Zugehörigkeit zu einer Religion sowie die verschiedenen Weltanschauungen sind als strukturell komparable Phänomene und als wesentlicher Teil der Persönlichkeit zu verstehen. Die andersgeartete Lesart der jeweiligen Religion oder Weltanschauung wird als Bereicherung gesehen und es wird ihr, solange damit keine normativ verankerten Einschränkungen einhergehen, mit Wertschätzung begegnet.

Gehen wir nun weiter zur Äußeren Dimension des Modells. Auch hier gilt, dass die jeweilige Dimension immer in Abhängigkeit des Kontextes, der Situation, der beteiligten Individuen und des Zwecks gesehen werden muss. Die Äußere Dimension umfasst Attribute, die oft von der Gesellschaft bzw. anderen Individuen wahrgenommen und einer Bewertung unterzogen werden und die während des Lebens eines Individuums veränderbar bzw. verschiedensten Einflussfaktoren ausgesetzt sind. Diese Dimension umfasst die nachfolgend angeführten Merkmale:

Geographische Lage: Sie bezeichnet, wo der Lebens-, Arbeits- und Bildungsmittelpunkt zu verorten ist. Sie kann aber auch andere geografische Informationen beinhalten.

Einkommen: Dies bezieht sich auf das Gesamteinkommen (Welteinkommen) eines Individuums. Dieser Punkt kann Hinweise auf die finanzielle Sicherheit und den Lebensstil geben.

Gewohnheiten: Sie können ein breites Spektrum von Aktivitäten umfassen wie z. B. Essgewohnheiten und andere alltägliche Aktivitäten. Gewohnheiten werden von der ererbten, prägenden und erlernten Kultur, den sozialen Faktoren und den persönlichen Erfahrungen beeinflusst und wirken sich auf die Interaktion und bewusste Wahrnehmung (Apperzeption) der Individuen aus.

Freizeitverhalten: Dieser Aspekt bezieht sich auf die Freizeitaktivitäten von Individuen. Dies kann Sport, Kunst, Musik, Lesen, Reisen und eine Vielzahl anderer Tätigkeiten umfassen. Das Freizeitverhalten kann Einfluss auf die Identität und das soziale Leben einer Person haben und dazu beitragen, Individuen mit ähnlich gelagerten oder gleichen Interessen zusammenzuführen.

Religion: Religion gehört zu den Kernaspekten der Äußeren Dimension. Sie hat einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Wertorientierung, Überzeugungen und Verhaltensweisen der Individuen. Sie beeinflusst das gläubige Individuum, die Welt entsprechend den jeweiligen Vorgaben der betreffenden Religion wahrzunehmen, zu interpretieren und dahingehend Entscheidungen zu treffen und steuert so mitunter die sozialen Interaktionen.

(Aus-)Bildung: Dieser Punkt bezieht sich auf den jeweiligen (Aus-, Fort- und Weiter-)Bildungsstand, das Fachwissen sowie die erlernten bzw. anerzogenen Kompetenzen und Fähigkeiten eines Individuums.

Berufserfahrung: Diese bezieht sich auf Zeit, Dauer, Menge und Art der Berufserfahrung, die ein Individuum im Laufe der jeweiligen Lebensspanne erworben hat. Sie kann zusätzlich Auskunft darüber geben, welches Ausmaß an Komplexität die zugewiesenen bzw. die als eigenverantwortlich gesehenen Aufgaben und Verantwortlichkeiten hatten und welche Personalverantwortung zugeordnet war.

Auftreten: Dies bezieht sich auf körperliche Attribute wie Körpergröße, Gewicht, Haltung, Mimik, Gestik, Hygienestandards und Modestil.

Elternschaft: Daraus kann geschlossen werden, ob ein Individuum eigene oder adoptierte Kinder bzw. Kinder in Pflege hat oder nicht. Es kann daraus allerdings kein weiterer Schluss auf die Gebärfähigkeit gezogen werden.

Familienstand: Dies bezieht sich auf den einem Individuum zugewiesenen Status in einer Gesellschaftsschicht oder einem bestimmen Kulturkreis. Es kommt hier zu einer Kategorisierung bzw. zu einer einstufenden Bewertung der familiären Beziehungen, der sozialen Verbindungen und der verschiedenen Netzwerke des Individuums.

Gehen wir nun weiter zur Organisationalen Dimension. Auch hier gilt, dass die jeweilige Dimension immer in Abhängigkeit des Kontextes, der Situation, der beteiligten Individuen, der beteiligten Unternehmen bzw. Organisationen und des Zwecks gesehen werden muss. Sie hat einen relevanten Einfluss darauf, wie sich Individuen in ihrer jeweiligen Arbeitsumgebung fühlen, wie sehr sie sich durch ihre Aufgabenstellungen motivieren lassen bzw. motiviert sind und in welchem Ausmaß sie sich für die jeweilige Organisation/ Unternehmung engagieren und sich mit den Zielen/ Produkten/ Strategien u. a. identifizieren. Sie kann sich auf Karrierewege sowie Macht- bzw. Einflusssphären/ -dynamiken auswirken. Diese Dimension umfasst die nachfolgend angeführten Merkmale:

Funktion/ Einstufung: Dieser Aspekt bezieht sich auf die jeweilige Einstufung/-ordnung eines Individuums im Organigramm eines Unternehmens oder einer Organisation bzw. die Position innerhalb der entsprechenden Hierarchie. Hier wird ersichtlich, ob das Individuum eine Management- oder Mitarbeitendenrolle innehat.

Arbeitsinhalte/ -feld: Dies bezieht sich auf den Arbeitsinhalt oder das Arbeitsfeld, in dem ein Individuum tätig ist.

Abteilung/ Einheit/ Gruppe: Dies bezieht sich im Rahmen einer Organisationsstruktur auf den Bereich oder die Abteilung, in der ein Individuum arbeitet. Als Beispiel können die Abteilung Finanzen, Polizeidiensthundeeinheit oder die Gruppe der geschäftsführenden Personen angeführt werden.

Status: Dieser Punkt kann sich u. a. auf den Beschäftigungsstatus beziehen. Als Beispiel können befristete oder auch unbefristete Dienstverhältnisse bzw. zeitarbeitnehmende Personen gemeint sein.

Dauer der Zugehörigkeit: Dies bezieht sich auf die Zeit, die jemand in der Organisation oder in einer bestimmten Position verbracht hat.

Arbeitsort: Dies kann sich auf einen geografischen Standort beziehen, an dem eine Person arbeitet, gleichgültig ob dies im Rahmen mobilen Arbeitens oder in Präsenz geschieht. Entsprechend passiert die kulturell geprägte Kommunikation und Interaktion mit anderen Individuen im Arbeitskontext.

Gewerkschaftszugehörigkeit: Dies bezieht sich darauf, ob jemand Mitglied einer Gewerkschaft oder einer ähnlichen Interessenvertretung ist.

Managementstatus: Der Managementstatus ist ein wichtiger Aspekt in der organisationalen Dimension. Er stellt die Rolle und Position eines Individuums innerhalb der Hierarchie eines Unternehmens/ einer Organisation dar. Es kann so festgestellt werden, ob er:sie eine leitende Position bekleidet. Die entsprechenden Leitungs-/ Führungs-/ Managementpositionen sind zumeist mit mehr Verantwortung (Personal, Finanzen, Ressourcen etc.), einer größeren Entscheidungsbefugnis und oft mit einem höheren Gehalt ausgestattet. Diese Ausstattung ermöglicht nicht nur maßgeblichen Einfluss auf Interaktionen im Arbeitskontext zu nehmen, sondern auch Karrierewege positiv zu beeinflussen.

Abschließend und ergänzend zu den bereits erfolgten Definitionen, Erläuterungen und dem der Diversität grundgelegten Modell „Layers of Diversity“ wird das Modell des „Ganzheitlichen Diversitätsmanagements“ erläutert (► Dar. 2), auf dem in weiterer Folge die Thematik des Diversitätsmanagements aufbaut. Dieses Modell

„bezieht sowohl den Aspekt der Chancengleichheit und Fairness wie auch die unmittelbaren unternehmerischen Interessen mit ein. Diese ganzheitliche Betrachtung liegt nahe, da Unternehmen nicht mehr als in sich geschlossene, hermetische Gebilde wahrgenommen werden. Vielmehr sind sie zunehmend in gesellschaftlich-offene Interaktionsprozesse einbezogen und werden im Zuge dessen auch kritisch hinterfragt. Moralisch-ethische Positionierungen und deren Wahrnehmung durch die Öffentlichkeit fließen mithin in beispielsweise Kaufentscheidung, das Markenimage, die Arbeitsplatzsuche wie auch in die Arbeitsplatzzufriedenheit von Einzelpersonen und Gruppen ein. Auf Basis eines in der Unternehmenskultur verankerten moralisch-ethischen Selbstverständnisses, das den Ansprüchen einer sich wandelnden Gesellschaft gerecht wird, lässt sich gleichzeitig auf diese gesellschaftlichen Prozesse Einfluss nehmen.“ (Feuser 2019, S. 81)

Dar. 2: Ganzheitliches Diversitätsmanagement nach Feuser (2019, S. 81)

Wie aus Darstellung 2 entnommen werden kann und in Darstellung 3 verdeutlicht wird versteht sich „Ganzheitliches Diversitätsmanagement“ als Aufgabenbereich der Personalentwicklung.

Dar. 3: Aufgaben des Personalmanagements in Anlehnung an Hermann und Piefko (2009, S. 20)

Die Ziele und Aufgaben der Personalentwicklung können nach Jung (2008, S. 252) zweigeteilt werden. In Unternehmensziele auf der einen Seite, damit sind die von der Unternehmensleitung in Auftrag gegebenen Diversitätsrichtlinien und -praktiken sowie die Entwicklung inklusiver Führungskräfte gemeint, und auf der anderen Seite die Entwicklung und Schulung der Mitarbeiter:innen im Bereich der Diversität. Dem Unternehmen geht es um gute Unternehmensergebnisse, um ein perfektes Unternehmensimage, hohe Innovationsfreudigkeit und Lernbereitschaft der Mitarbeitenden und schließlich um die Bereitschaft und die Möglichkeit, das Leistungspotential und allenfalls die Leistungsreserven der Mitarbeitenden aktivieren zu können. Die beiden Ziele können nicht unabhängig voneinander betrachtet werden und bedingen sich bzw. stehen in unterschiedlichen Beziehungen zueinander. (Kauffeld/Ianiro/Sauer 2011, S. 68) Die Diversity-Praxis kann somit nur dann nachhaltig wirken, wenn sie als ganzheitlicher Prozess gelebt und verstanden wird.

Warum ist nun, da wir etwas genauer wissen, worum es sich bei Diversity handelt, dieses Thema oder dieser Lebensaspekt (so) wichtig? Diversity ist natürlich aus vielen Gründen wichtig und inzwischen unverzichtbar. Es sollen nun, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, einige Aspekte kurz beleuchtet und erläutert werden.

Förderung von Innovation und Kreativität: Einer der positiven Aspekte von Diversität ist die nachhaltige Begünstigung von Innovation und Kreativität. Vielfältige kulturelle, gesellschaftliche, altersgemischte u. a. Hintergründe, Erfahrungsspektren (Leung et al. 2008, S. 169-181) und Meinungen führen zu einer multiplen Bandbreite an Ideen und Lösungsansätzen. Diverse Teams bzw. einzelne Individuen können ihre multiplen Erfahrungen und Kenntnisse sowie ihre Flexibilität und Anpassungsfähigkeit (Cox 1991, S. 34-47) aus unterschiedlichen Hintergründen im Rahmen der Aufarbeitung oder Lösung von verschiedensten Herausforderungen und Problemstellungen einbringen. So besteht die Möglichkeit, dass diese Teams oder Individuen sog. Echokammern (Nemeth 1986, S. 23-32), also Personen/Teams/Individuen, die derselben Kultur und/ oder einem ähnlichen oder gleichen Perspektivenkreis angehören, durchbrechen. Diversität kann zu einer zusätzlichen und konstruktiven Auseinandersetzung im Rahmen eines kritischen Denkprozesses und so zu einer tiefergehenden Betrachtung einer Frage oder Problemstellung führen. (De Dreu/West 2001, S. 1191-1201) Es ist jedoch gleichzeitig auch relevant, zu erwähnen, dass Diversität nicht immer Innovation und Kreativität fördert und somit positive Resultate bringt (Kearny et al. 2009, S. 581-598). Es ist unabdingbar, ein effektives Diversity Management, das auf Offenheit, Respekt und Inklusion basiert, zu leben und zu ermöglichen, da es ohne entsprechende Wahrnehmung dieser Thematik zu Konflikten, Missverständnissen, Stereotypisierungen und Vorurteilen (Galinsky et al. 2015, S. 742-748) kommen kann.

Erhöhung der Umsätze und Unternehmensgewinne: Als Beispiel können hier verschiedene Studien (Lorenzo/Reeves 2018, S. 4 ff.; PWC 2019; Hunt/Layton/Prince 2015) herangezogen werden, die allesamt postulieren, dass Unternehmen und Organisationen, die für ethnische und geschlechtliche Diversität standen und diverse Führungsteams aufweisen, einerseits finanziell überdurchschnittliche Ergebnisse produzieren und andererseits erfolgreicher als ihre Wettbewerber:innen wirtschaften. Die vielfältigen Perspektiven, die eine gelebte Diversität bietet, können eine umfassendere Analyse und Bewertung von finanziell bzw. unternehmerisch determinierten Situationen ermöglichen, was wiederum zu besseren Entscheidungen und Ergebnissen führen kann. Gleichzeitig können die hier bereits angeführten positiven Auswirkungen von Diversity auf Umsätze und Unternehmensgewinne nicht selbstverständlich als gegeben hingenommen werden. Es erfordert gemeinschaftliches Engagement, zeitliche und finanzielle Ressourcen und eine nachhaltige Kultur der Inklusion, um die Vorteile von Diversity voll ausschöpfen zu können. (Nishii 2013, S. 1754-1774)

Verbesserung der Arbeitsleistung: Diversity kann auch auf verschiedene Art und Weise die Arbeitsleistung von Mitarbeitenden und Führungspersonen verbessern. Diverse Teams neigen dazu, besser zu funktionieren, da sie eine Vielzahl von unterschiedlichen Fähigkeiten und Erfahrungen haben, die sie auf Aufgaben und Probleme anwenden können. Dadurch kann die Gefahr des Gruppendenkens und der gemeinsam geteilten Ideologie homogener Gruppen, bei dem Einheitlichkeit und Konsens über kritische Analyse und Evaluierung gestellt werden, vermieden und eine vielfältigere Diskussion und Analyse von Ideen und Strategien gefördert werden, was wiederum zu qualitativ höherwertigen und zumeist richtigeren/besseren Entscheidungen und besserer Arbeitsleistung führt. (Janis 1982) Ein weiterer Punkt ist die Erhöhung der kollektiven Intelligenz (collective intelligence) durch den Austausch unterschiedlicher Perspektiven und persönlicher Entwicklungen. (Milliken/Martins 1996, S. 402-433) Verschiedenste Forschungsresultate weisen darauf hin, dass die Nutzung von Diversität in einer Teamstruktur mit dem Anstieg kollektiver Intelligenz korreliert. (Wooley et al. 2010, S. 686 ff.) Dies wiederum wirkt sich, wie in der nun beigeschlossenen Grafik ersichtlich, positiv auf die Problemlösungs- und Entscheidungskompetenzen eines diversen Teams aus.

Dar. 4: Collective versus Average versus Maximum Member Intelligence in Architectural Design nach Wooley et al. (2010, S. 687)2

Abschließend muss jedoch festgehalten werden, dass Diversität nicht automatisch zu einer Verbesserung der Arbeitsleistung führen muss. Es benötigt eine bewusste Entscheidung und kontinuierliche Anstrengung seitens des Managements und jeder einzelnen mitarbeitenden Person, um sicherzustellen, dass sich alle Mitarbeitenden in ihrer Arbeitsumgebung wertgeschätzt und gewürdigt fühlen. Nur so kann Diversität zu einer besseren Arbeitsleistung, erhöhter Innovation und Kreativität und damit auch zu finanziellen Erfolgen führen.

Förderung der sozialen Gerechtigkeit