Konsum in der Krise? - Patrick Peters - E-Book

Konsum in der Krise? E-Book

Patrick Peters

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Beschreibung

Die Qualität von Waren und Dienstleistungen nimmt mehr und mehr ab. In der Wegwerfgesellschaft sind Werte und Nachhaltigkeit meist nur Feigenblätter, denn die eigene Konsumbefriedigung erscheint wichtiger. Ist der Konsum also in der Krise? Und wenn ja, wie könnte man dieses Problem lösen und damit Qualität, Werte und Nachhaltigkeit befördern? Das Werk Konsum in der Krise fragt, ob Unternehmen und Verbraucher gleichermaßen einen neuen Zugang zu Produktion und Konsum und einen Paradigmenwechsel beim Kaufverhalten benötigen. Dabei werden auch streitbare Konzepte wie Degrowth und die Regenerative Marktwirtschaft in die Debatte eingebracht und die Idee einer Konsumethik aufgeworfen. Der Band will somit zu neuem Denken und Handeln anregen, ohne dabei aktivistisch oder konsumfeindlich zu sein.

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Wirtschaftkontrovers

herausgegeben von Patrick Peters

Patrick Peters

Konsum in der Krise?

Zur Stellung von Qualität und Werten in der modernen Wegwerfgesellschaft

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

1. Auflage 2024

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-043958-0

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-043959-7

epub: ISBN 978-3-17-043960-3

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Inhalt

1

Einleitung

2

Begriff und Geschichte des Konsums

3

Willkommen im Müll: negativer sozialer und ökologischer Impact

3.1

Konsum und die Sustainable Development Goals

3.2

Negative soziale Auswirkungen des Konsums

3.3

Negative ökologische Auswirkungen des Konsums

3.4

Möglichkeiten zur Lösung

4

Kaufen für den Schrottplatz? Der Konsum zerstört sich selbst

4.1

Geplante Obsoleszenz als Problem

4.2

Circular Economy als hilfreicher Ansatz?

4.3

Fast Fashion: Kleidung für den Müll

5

Neue Strategien der Nachhaltigkeit: Sind Degrowth und Regenerative Marktwirtschaft echte Handlungsalternativen?

5.1

Degrowth: Postwachstum versus kapitalistische Logik

5.2

Die Regenerative Marktwirtschaft: Ökonomie und Nachhaltigkeit verknüpfen

5.3

Fazit

6

Neues Denken und Handeln: Zurück zur Qualität!

7

Werteorientierung im Konsum: Brauchen wir eine Konsumethik?

7.1

Aristoteles’ Tugendethik: Eudaimonie als das höchste Ziel des menschlichen Lebens

7.2

Immanuel Kants Pflichtenethik: Konsumhaltung aus dem allgemeinen Gesetz ableiten

7.3

Fazit

8

Zusammenfassung

Literatur

1Einleitung

Es dürfte rund zehn Jahre her sein, als sich der Autor des vorliegenden Buches im Zentrum einer nordrhein-westfälischen Großstadt zu Fuß auf dem Weg zu einem Termin befand. Wenige Tage zuvor hatte ein damals angesagter Textildiscounter eine große Filiale an dem Standort eröffnet. Das war und ist an sich weder ungewöhnlich noch besonders bemerkenswert, dass ein internationales Handelsunternehmen eine Filiale in einer deutschen Großstadt eröffnet und wäre auch für uns gänzlich irrelevant, wenn nicht diese Eröffnung zu einem wahren Shopping-Overkill mit einer Vielzahl der Innenstadtbesucher:innen geführt hätte. In der Spitze 17 (!) vollgepackte Tüten trug eine Kund:in stolz davon, als hätte es sich um die Beute einer aufreibenden und hochgefährlichen Jagd wilder Urzeiten gehandelt, wobei die körperliche Last des Kleidungstransports sicherlich ähnlich anstrengend gewesen sein muss wie die Verbringung eines Wildschweins ins Lager vor 10.000 Jahren.

17 vollgepackte Tüten mit Kleidung zu kleinen Preisen und dementsprechend geringer Qualität: Das ist das Bild, das von diesem Tage übriggeblieben ist. Nicht der Eindruck der eigentlich schönen Innenstadt, nicht der Anlass des Termins, nicht das Gespräch, nicht einmal die (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) nicht störungsfreie Fahrt im öffentlichen Nahverkehr, sondern dieses Symbol für einen maßlos übersteigerten Einkaufswahnsinn, bei dem Quantität die Qualität schlägt, Konsumdruck den Verstand, Fast Fashion die Würde von Qualitätsprodukten. Welcher erwachsene Bundesbürger, der sich nicht im Zustand völliger Verwahrlosung befindet und dessen Hab und Gut nicht einem Großbrand zum Opfer gefallen ist, benötigt auf einen Schlag 17 vollgepackte Tüten mit Kleidung zweifelhafter Qualität und Herkunft, auf die nur der Begriff der Wegwerfmode zutrifft, hergestellt unter zum Teil prekärsten Arbeitsbedingungen?

Diese kleine Geschichte ist nur ein Beispiel dafür, in welchen Konsumwahn die Welt verfallen ist. Allein im Fast-Fashion-Segment, also dem Geschäft mit der schnellen Produktion von preiswerter, trendiger Kleidung, die in kürzester Zeit hergestellt und den Verbrauchern zur Verfügung gestellt wird, wurden von den fünf größten Unternehmen im Jahr 2022 rund 105 Milliarden Euro Umsatz generiert. Zum Vergleich: Das entspricht dem kumulierten Umsatz der Handelsunternehmen Rewe, Lidl und Kaufland zusammen oder ist mehr als dreimal so viel wie der gemeinsame Umsatz von Aldi Süd und Aldi Nord. Es handelt sich dabei also um unfassbare Summen, die für Fast Fashion ausgegeben werden. Bei diesem Geschäftsmodell stehen Schnelligkeit und Kosteneffizienz im Vordergrund, so dass Modehändler schnell auf die neuesten Modetrends reagieren und neue Kleidungslinien innerhalb weniger Wochen produzieren können. Daher kann man sich denken, dass die Lebensdauer von schnell nach dem vermeintlichen letzten Schrei der Mode produzierten Kleidungsstücken nicht sonderlich ausgereift ist. „Live fast, die young“, lautet der bekannte Slogan einer Textilfirma, den man im Sinne des reinen Konsums in „Buy fast, throw away“ übertragen könnte.

Wir stehen also vor der im Grunde faszinierenden Tatsache, dass Jahr für Jahr eine Unmenge an Geld für schnellen Konsum ausgegeben wird, dessen Nutzungsdauer stark limitiert ist. Oder anders gesagt: Das Geld wird zum Fenster hinausgeworfen, weil dafür Produkte erworben werden, die keinerlei Ansprüchen an Qualität und Haltbarkeit standhalten, aber dafür alles konterkarieren, wofür beispielsweise die Vereinten Nationen mit ihren 17 globalen Nachhaltigkeitszielen, den Sustainable Development Goals, eintreten. Fast Fashion ist aus Umwelt- und Sozialsicht eine Mehrfachsünde (aber auch nur eine von vielen), wie wir später herausarbeiten werden.

Und leider bleibt es nicht allein bei Fast Fashion. Auch in anderen Bereichen tritt das Problem deutlich zu Tage, dass mehr gekauft wird denn je und zugleich die Qualität mehr und mehr abnimmt. Ob bei Technik, Autos oder sogar bei Immobilien: Qualität ist in den meisten Fällen nur ein fernes Raunen, ein Relikt längst vergangener Zeiten. Heute regieren Geschwindigkeit, ständige Erneuerung und das Primat des unbegrenzten, unbeherrschten und unbeherrschbaren Konsums, oder um mit der Rapperin Nina Chuba zu sprechen: „Ich will Immos, ich will Dollars, ich will fliegen wie bei Marvel / Ich hab' Hunger, also nehm' ich mir alles vom Buffet / Will ein Haus für meine Mama an der Küste von Catania / Zum Frühstück Canapés und ein Wildberry-Lillet / […] / Ich will haben, haben, haben […]“

Das infantile „Ich will haben, haben, haben“ ist wohl ein Zeichen der Zeit. Es ist der kontinuierliche Drang nach Konsum, der immer sofort befriedigt werden muss und dann eben dazu führt, dass Bewusstsein und Qualität mehr und mehr zurückgehen und möglicherweise irgendwann gar keine Rolle mehr spielen. Auch andere Werte, auf die sich die Weltgemeinschaft verständigt hat, vom Umweltschutz bis zur menschenwürdigen Arbeit, werden dem Verdikt des schnellen Konsums, der immer verfügbaren Angebote untergeordnet – oder demonstriert es sich vielleicht im aktuellen Fast-Fashion-Schick einfach besser für das Klima, weil man modisch auf dem neuesten Stand ist, während man seine gute Gesinnung nach außen trägt?

Es geht nicht mehr darum, sich um Anschaffungen und Besitz Gedanken zu machen, die Sammlung von Gütern strukturell und sinnvoll aufzubauen. Es geht allein um die Bedürfnisbefriedigung auf unterster Ebene, wenn man sich die schiere Masse des Konsums anschaut. Um anhand weiterer modebezogener Fakten zu exemplifizieren:

„Im weltweiten E-Commerce-Markt für Fashion wurden im Jahr 2022 rund 816 Milliarden Euro umgesetzt. Dieser Umsatz soll in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen und sich im Jahr 2027 auf über 1,4 Billionen Euro belaufen. Mit 23,6 Prozent wurden in Deutschland im vergangenen Jahr rund ein Viertel des gesamten Online-Umsatzes in der Branche Fashion & Accessoires erwirtschaftet. In der Branche Fashion & Accessoires wurden hierzulande im Jahr 2022 online rund 20 Milliarden Euro umgesetzt. Dabei ist der Markt eher konzentriert: die größten Online-Shops in Deutschland im Hauptsegment Bekleidung erwirtschafteten knapp 13,4 Milliarden Euro.“ (Statista 2023).

Bringen wir den Konsumgedanken in Einklang mit der Bedürfnispyramide nach Abraham Maslow, wäre Konsum auf allen Ebenen der sog. Defizitbedürfnisse angesiedelt. Physische Bedürfnisse wie der Witterungsschutz werden durch den Kauf wichtiger Kleidung ebenso erfüllt wie Sicherheitsbedürfnisse (Stufe 2), die u. a. die materielle Grundsicherung umfassen. Auf Stufe 3, von Maslow als soziale Bedürfnisse bezeichnet, könnte Konsum einen Raum im starken menschlichen Drang nach sozialen Beziehungen einnehmen, also Anschlussfähigkeit und Zugehörigkeitsgefühl herstellen. Und bei den Individualbedürfnissen zahlt Konsum auf die Elemente ein, die Maslow vor allem unter dem Oberbegriff der Selbstachtung nennt: Erfolg, Prestige, Wichtigkeit etc. Konsum soll ausdrücken, dass „man es kann“. Man kann es sich leisten, exzessiv zu shoppen, um damit das Individualbedürfnis nach Anerkennung und Wertschätzung zu befriedigen.

Steht nun diese Schlussfolgerung nicht gegen die oben aufgestellte Aussage, dass es sich beim Massenkonsum um Bedürfnisbefriedigung auf unterster Ebene handelt? Nein, das tut sie nicht, denn allein ausgehend von der Geschichte der 17 vollgepackten Tüten und den E-Commerce-Umsätzen im Bereich „Fashion und Accessoires“ können wir konstatieren, dass es bei diesen Einkaufsvolumina nicht um Witterungsschutz, materielle Grundsicherung, soziale Anschlussfähigkeit oder Prestigestreben handeln kann – denn wer könnte ernsthaft behaupten, 17 Einkaufstaschen voll Kleidung niedrigster Qualität seien zur Aufrechterhaltung der physischen Sicherheit nötig oder könnten zum sozialen Prestige beitragen? Letztlich können wir dieses Shoppingverhalten nicht einmal in das etablierte sozialpsychologische Modell nach Maslow einordnen, sondern brauchen dafür eine eigene Kategorie.

Das vorliegende Buch Konsum in der Krise: Ist die Qualität noch zu retten? will die inhärenten Fragestellungen aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchten und kritisch diskutieren. Dabei geht es u. a. darum, ob Unternehmen und Verbraucher:innen gleichermaßen einen neuen Zugang zu Produktion und Konsum sowie zu einen Paradigmenwechsel beim Kaufverhalten rund um den Globus benötigen. Die Qualität von Waren und Dienstleistungen nimmt in der gleichen Geschwindigkeit ab, wie der Konsum durch Digitalisierung etc. steigt. Die Konsument:innen haben sich zu einer gedanken- und mehrheitlich gnadenlosen Wegwerfgesellschaft gewandelt, für die Werte und Nachhaltigkeit meist nur ein Feigenblatt sind: Die eigene Konsumbefriedigung ist wichtiger als jede Nachhaltigkeit und Ethik im wirtschaftlichen Handeln. Daher stellt sich die Frage: Ist der Konsum in der Krise? Und wenn ja, wie könnte man dieses Problem lösen und damit Qualität, Werte und letztlich auch die vielfach geforderte ökologische und soziale Nachhaltigkeit befördern?

Neben einer kurzen Geschichte des Konsums und dessen Stellung im 21. Jahrhundert, auch aus Sicht der ökonomischen Theorie heraus, soll der negative soziale und ökologische Impact des unbegrenzten Konsums herausgearbeitet werden: Was macht es mit Umwelt und Gesellschaft, wenn wir für den Schrottplatz kaufen? Wie lassen sich Nachhaltigkeitsbestrebungen erfüllen, wenn pro Jahr über 80 Milliarden Kleidungsstücke produziert werden, aber 50 Prozent der Menschen zugleich innerhalb eines Jahres ihren Kleiderschrank einmal auf links drehen, sprich: die vorhandenen Produkte wegwerfen und neu kaufen? Im Anschluss wollen wir die verschiedenen Segmente betrachten, die den Konsum heute problematisch erscheinen lassen und die Tendenz zur vielbeschworenen Selbstabschaffung haben. Dazu gehören Themen wie eben Fast Fashion, Lebensmittelverschwendung, geplante Obsoleszenz, das Primat von Marketing und Werbung, die dauerhafte Verfügbarkeit aller Waren und Konsument:innenkrediten ohne Wartezeiten, der Einfluss von Social Media und Influencer:innen und einiges mehr, das in Summe eben zu bereits geschilderten Entwicklungen geführt und deren Verfestigung unterstützt hat.

Im Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Konsum sollen auch alternative System- und Verhaltensvorschläge diskutiert werden, allen voran Degrowth und die Regenerative Marktwirtschaft. Diese Denkweisen wollen das Wirtschaftssystem in andere Bahnen lenken, entweder durch bewusstes Schrumpfen der volkswirtschaftlichen Leistung (Degrowth) oder durch ein ganzheitliches, symbiotisches Wirtschaften im Einklang mit der Biosphäre und innerhalb der planetaren Grenzen (Regenerative Marktwirtschaft). Diese Modelle stehen mithin im Widerspruch zu klassischen Konsum- und Wachstumstheorien, weshalb die praktische Relevanz von Degrowth und Regenerativer Marktwirtschaft betrachtet werden soll. Das folgt dem Ansatz: Wenn die Modelle echte Handlungsalternativen darstellen wollen, müssen sie ihren praktischen Nutzen und ihre Anwendbarkeit in der sozioökonomischen Realität, jeweils bezogen auf die Frage nach Konsum und Qualitätsbewusstsein, beweisen und zeigen, dass sie mehr sein können als ein Wunschbild.

Mit dem Kapitel „Neues Denken und Handeln: Zurück zur Qualität!“ soll dann der Schritt von der kritischen Betrachtung hin zur Entwicklung praktischer Lösungsvorschläge gegangen werden, immer verbunden mit entsprechenden positiven Beispielen und Forderungen an Unternehmen und Konsument:innen. Denn es ist mitnichten der Fall, dass ausschließlich Schrott konsumiert wird. Es existiert Qualitätsbewusstsein in den Märkten und das Kapitel will mit diesen Beispielen die Wirkung guter Produkte herausstellen und zeigen, dass positiver Konsum, sachgerechtes ökonomisches Denken und Nachhaltigkeitsaspekte durchaus verbunden werden können: Weniger ist mehr! Im Kapitel „Werteorientierung im Konsum: Brauchen wir eine Konsumethik?“ soll es dann, wie die Überschrift andeutet, um ein ethisches Verständnis des Konsums und im Konsum gehen. Das ist eng verbunden mit den bereits vielfach angesprochenen Nachhaltigkeitserwägungen, soll aber auch eine Erweiterung der über die UN-Nachhaltigkeitsziele vermittelten Handlungsvorschläge darstellen. Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit erheben zu können, soll auf Basis vorliegender Theorie der Ansatz einer Konsumethik entwickelt und die bestehende Wirtschafts- und Unternehmensethik ein- bzw. angebunden und damit in beide Richtungen (Konsument:innen und Unternehmen) anschlussfähig werden. Ausgehend von der Summe der Betrachtungen soll dann im Fazit die Frage beantwortet werden: Ist der Konsum noch zu retten?

Leser:innen sollen durch das Werk einen Zugang zur aktuellen Konsumdebatte erhalten und sich ihre eigene Meinung über das derzeitige System des Konsums und die Auswirkungen bilden können. Sie sollen zum Nachdenken über einen notwendigen Systemwandel angeregt werden und verstehen, dass es bei dem allfälligen Paradigmenwechsel nicht um Konsumverzicht geht, sondern um eine neue Form der Anreizkompatibilität: zukunftsfähige Werte durch mehr nachhaltige Qualität. Das wird verbunden mit Überlegungen zur (Wirtschafts-)Ethik des Konsums. Das Werk strebt die Kombination aus Literaturtheorie und Praxis an und soll zeigen, wie sich Produktion und Konsum im Laufe der Zeit gewandelt hat, welche Probleme bestehen und mit welchen Möglichkeiten man diese virulenten Probleme lösen könnte. Daher verfolgt das Buch auch keinen belehrenden, gesinnungsethischen Ansatz. Es existieren bereits genug Titel, die sich ideologisch-kritisch mit Konsum, Wirtschaftsliberalismus und Globalisierung auseinandersetzen und somit subjektivistisch und/oder politisch-aktivistisch getrieben sind. Davon unterscheidet sich das Buch Konsum in der Krise: Ist die Qualität noch zu retten?, da es Konsum weder verteufelt noch verherrlicht, sondern unter ethischen, nachhaltigen und qualitativen Gesichtspunkten für einen Paradigmenwechsel plädiert, der vorteilhaft für Wirtschaft, Umwelt und Menschen ist (Triple Bottom Line). Konsum in der Krise: Ist die Qualität noch zu retten? versteht sich damit als ideologiefreies Werk, das sich von der vielfach praktizierten Volkserziehung bei solchen Themen distanziert. Es soll nicht öko-fundamentalistisch den Konsum verbieten und madig machen, sondern vielmehr den Spaß an Qualität neu entfachen, um Konsum und Genuss auf eine neue Stufe zu führen, die auf Denken und nachhaltigem Handeln basiert, nicht auf gesinnungsethischem, besserwisserischem Verzicht. Im Sinne des Selbstverständnisses der Reihe „Wirtschaft kontrovers“, in der das Buch erscheint, will es Raum zum Nachdenken und zur Diskussion eröffnen und ein kontroverses Thema objektiv-wissenschaftlich, aber dennoch aussagekräftig und meinungsstark vertreten, ohne eine spezifische Gesinnung vermitteln zu wollen.

2Begriff und Geschichte des Konsums

1Zu Beginn ergibt es Sinn, dass wir uns mit den begrifflichen Grundlagen befassen. Wenn wir über Konsum sprechen, müssen wir zunächst erarbeiten, was Konsum eigentlich bedeutet, woher das Prinzip stammt, auf welche ökonomische, soziologische und politische Entwicklung der Konsum zurückblickt und was er heute bedeutet, sowohl fachwissenschaftlich als auch allgemein. Zunächst wollen wir daher einen definitorischen Versuch wagen, um davon ausgehend den weiteren Weg der Untersuchung einzuschlagen. Es sollen bei der Definition verschiedene Perspektiven eingenommen werden, um der tatsächlichen Bandbreite gerecht werden zu können. Denn wie bereits in der Einleitung herausgestellt wurde: Es gibt nicht den Konsum, es gibt auch nicht den guten oder den schlechten Konsum. Es ist daher für eine grundlegende Begriffsbestimmung wichtig, den Blick nicht von vornherein zu verengen, sondern ergebnisoffen vorzugehen und die verschiedenen Positionen und Ansätze einzuholen, die für den spezifischen Untersuchungsansatz von Bedeutung sein können.

Die Konsumtheorie ist eine komplexe volkswirtschaftliche Disziplin, die sich mit dem Verhalten der Haushalte in Bezug auf ihren Konsum von Gütern und Dienstleistungen im Sinne der Bestimmung der Nachfrage befasst. Sie zielt darauf ab, das Entscheidungsverhalten der Verbraucher zu analysieren und zu erklären, wie sie ihre begrenzten Ressourcen (Einkommen und Vermögen) verwenden, um verschiedene Konsumgüter zu erwerben und ihre Lebensqualität zu maximieren. Im Folgenden werden nur die Bereiche der Konsumtheorie angeschnitten, die direkte Relevanz für den hier gebotenen breiten, auf die Frage nach der Krise des Konsums abgestellten Ansatz haben. Wesentliche (konsum)theoretische Aspekte wie die Elastizitäten der Nachfrage, die Konstruktion der Gesamtnachfragekurve, das Grundproblem der Knappheit oder auch die Bestimmung von Angebot und Nachfrage können hier nicht vertieft werden. 2

Konsum stammt vom lateinischen „consumere“ und bedeutet so viel wie „verbrauchen“. Damit ist also allgemein der Verbrauch von Gütern oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen gemeint. Die Definition des Begriffs „Konsum“ bezieht sich grundsätzlich auf die Nutzung von Gütern, Dienstleistungen oder Ressourcen durch Individuen oder Gruppen zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse und Wünsche. Insgesamt ist Konsum ein grundlegender Bestandteil menschlichen Verhaltens und hat weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Umwelt. Konsum umfasst alles, was Menschen kaufen, verwenden oder in Anspruch nehmen, um ihren Lebensstandard zu erhalten oder zu verbessern. Der Konsum kann physische Güter wie Nahrungsmittel, Kleidung, Elektronik und Autos sowie immaterielle Güter wie Bildung, Unterhaltung, Gesundheitsdienstleistungen und Reisen umfassen. Er kann individuell oder kollektiv erfolgen und wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst, darunter wirtschaftliche Bedingungen, soziale Normen, kulturelle Präferenzen, persönliche Werte, Werbung und Verfügbarkeit von Ressourcen. Soziologisch gesehen kann der Konsum als ein sozialer Prozess betrachtet werden, der die Identität, den sozialen Status und die Zugehörigkeit einer Person innerhalb einer Gesellschaft beeinflusst. Konsumverhalten kann kulturell und gesellschaftlich geprägt sein und kann als Ausdruck individueller Präferenzen sowie als Reaktion auf soziale Normen und Erwartungen dienen. Konsumverhalten variiert also je nach Kultur, sozialer Gruppe, Einkommen, Altersgruppe und anderen demografischen Faktoren. Der Konsum spielt eine wichtige Rolle für die Wirtschaftstätigkeit, da er zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Steigerung der Produktion und zur wirtschaftlichen Entwicklung beiträgt.

Konsum ist daher ein grundlegender Bestandteil wirtschaftlicher Aktivitäten und kann auf verschiedene Weise analysiert und gemessen werden. In ökonomischer Hinsicht kann der Konsum als die Verwendung von Waren und Dienstleistungen zur Steigerung des individuellen Wohlstands betrachtet werden. Konsumverhalten, Konsumausgaben und Konsumtrends sind wichtige Faktoren, die die wirtschaftliche Aktivität und das Wachstum eines Landes beeinflussen. Es ist dabei zugleich wichtig zu beachten, dass der Konsum auch ökologische Auswirkungen hat, insbesondere im Hinblick auf Ressourcenverbrauch, Umweltverschmutzung und Abfallproduktion. Daher gewinnt das Konzept des nachhaltigen Konsums, bei dem auf die Umweltauswirkungen geachtet wird, immer mehr an Bedeutung.

Konsum kann somit zunächst definiert werden als Verbrauch und/oder Nutzung materieller und immaterieller Güter durch einen Verbraucher. Das zielt in der Regel auf die unmittelbare Bedürfnisbefriedigung durch private Haushalte. Der Konsum im engeren Sinne (den wir hier fokussieren wollen) lässt sich somit vom volkswirtschaftlichen Überbegriff des Verbrauchs abgrenzen, der sich neben dem Verbrauch für private Bedürfnisbefriedigung (= Konsum) auch auf den Verbrauch für öffentliche Güter, also den Staatsverbrauch bzw. die Konsumausgaben des Staates, und den Verbrauch als Verwendung von Gütern und Dienstleistungen für Produktionszwecke bezieht. Diese Ausgaben sind auch unter dem Begriff der Investition bekannt, die bekanntlich die Umwandlung von Kapital in Vermögen darstellt.

Konsum ist dabei mit zwei maßgeblichen Konstituenten verbunden. Die eine ist die Nutzenmaximierung. Die Grundidee ist, dass Verbraucher bestrebt sind, ihren Nutzen oder ihre Zufriedenheit durch den Konsum von Gütern und Dienstleistungen zu maximieren. Dabei wird angenommen, dass Verbraucher rationale Entscheidungsträger sind, die ihre Präferenzen kennen und entsprechend handeln. Die andere ist die Budgetbeschränkung. Verbraucher haben begrenzte finanzielle Ressourcen, die sie für den Konsum von Gütern ausgeben können. Die Budgetbeschränkung stellt die Beziehung zwischen den Preisen der Güter und dem verfügbaren Einkommen eines Haushalts dar. Oder anders ausgedrückt: „Ein Haushalt, der ein bestimmtes Einkommen zur Verfügung hat und damit verschiedene Konsumgüter kaufen kann, versucht dann, sein Einkommen bestmöglich auf die einzelnen Güter aufzuteilen. Bestmöglich bedeutet hier, dass der Haushalt versucht, seinen Nutzen, den er aus dem Konsum der Güter zieht, insgesamt zu maximieren.“ (Lorz/Endrikat/Siebert 2022, S. 53 f.) Damit ist die Konsumentscheidung des Haushalts das Ergebnis einer individuellen Nutzenmaximierung. Dafür entwickelt der Konsument einen optimalen Konsumplan: „Der Haushalt möchte mit seiner Konsumentscheidung die für ihn bestmögliche Güterkombination realisieren. Er möchte somit seinen Nutzen maximieren. Aber er unterliegt einer Restriktion: Er hat ein gegebenes Einkommen y, das er für die beiden Güter ausgeben kann […].“ (Lorz/Endrikat/Siebert 2022, S. 56) Damit ist das Prinzip der Nutzenmaximierung unmittelbar abhängig von einer potenziellen Budgetbeschränkung: Der Konsument kann seinen Nutzen nur unter den gegebenen Rahmenbedingungen seines Budgets befriedigen. Es stellt sich also mit dem Blick auf das Entscheidungsverhalten der Verbraucher immer die Frage, wie diese ihre begrenzten Ressourcen (Einkommen und Vermögen) verwenden, um verschiedene Konsumgüter zu erwerben und ihre Lebensqualität zu maximieren.

Die zwangsläufige Verknüpfung von Nutzenmaximierung und Budgetbeschränkung führt somit dazu, dass die Präferenzen der Konsumenten […] nur ein Bestandteil der Konsumentenentscheidung sind: Bei ihrer Konsumentscheidung sehen sich Konsumenten begrenzten Mitteln – einem begrenzten Einkommen – gegenüber. Zugleich muss aber auch gefragt werden, wie rationale Konsumenten bei gegebenen Mitteln ihre Entscheidungen treffen (Sturm/Vogt 2015, S. 178), also wie über den Nutzen bei gleichzeitiger Budgetbeschränkung entschieden wird. Im Fokus steht dabei das optimale Güterbündel, also das Güterbündel, das das Nutzenmaximierungsproblem des Konsumenten löst (Sturm/Vogt 2015, S. 190), also die größtmögliche Befriedigung innerhalb des zur Verfügung stehenden Budgets herstellt. Das optimale Güterbündel muss auf der sog. Budgetgeraden liegen. Diese zeigt an, welche Güterbündel sich der Haushalt bei gegebenen Preisen und konstantem Einkommen leisten kann. Warum das so ist? Ganz einfach: „Güterbündel oberhalb der Budgetgeraden sind mit dem verfügbaren Einkommen nicht erreichbar. Güterbündel unterhalb der Budgetgeraden liegen auf niedrigeren Indifferenzkurven und lassen damit Einkommen ungenutzt, das sonst zur Nutzensteigerung verwendet werden kann.“ (Sturm/Vogt 2015, S. 190) Die Indifferenzkurve stellt grafisch dar, welche Kombinationen von Gütern einem Verbraucher einen gleichwertigen Nutzen oder die gleiche Zufriedenheit bieten. Auf einer Indifferenzkurve bleibt das Nutzenniveau also immer gleich. Indifferenzkurvenanalysen helfen beim Verständnis, wie Verbraucher ihre Einkommen auf verschiedene Güter verteilen und wie sich Änderungen in Preisen oder Einkommen auf ihre Konsumentscheidungen auswirken. Für die Konsumententscheidung an der Schnittstelle von Nutzenmaximierung und Budgetbeschränkung bedeutet das: „Der nutzenmaximale Warenkorb liegt auf der höchstmöglichen Indifferenzkurve, die mit dem verfügbaren Budget noch erreicht werden kann. Ein nutzenmaximierender Konsument, der sich einem begrenzten Budget gegenübersieht, wird also genau dasjenige Güterbündel wählen, bei dem die zugehörige Indifferenzkurve seine Budgetgerade gerade tangiert.“ (Sturm/Vogt 2015, S. 191)

Zugleich kennt die Theorie das erste Gossensche Gesetz, das Gesetz des abnehmenden Grenznutzens. Dieses Konzept besagt, dass der zusätzliche Nutzen, den ein Verbraucher aus dem Konsum einer zusätzlichen Einheit eines Gutes zieht, abnimmt, je mehr er von diesem Gut bereits besitzt. „Nach dem ersten Gossenschen Gesetz (Sättigungsgesetz) nimmt der Nutzen, den ein Gut dem Verbraucher stiftet, mit jeder zusätzlichen Einheit, die von diesem Gut konsumiert wird, ständig ab, bis Sättigung eintritt. Dieser zusätzliche Nutzen wird auch als Grenznutzen bezeichnet.“ (Bundeszentrale für politische Bildung 2016) Der Grenznutzen wiederum ist die Zunahme des Nutzens, die beim Konsum einer zusätzlichen weiteren Einheit eines Gutes entsteht. Das zweite Gossensche Gesetz oder Genussausgleichsgesetz besagt, dass der Gesamtnutzen in einem Haushalt dann am größten ist, wenn der Nutzen, den die zuletzt gekauften Güter stiften, gleich groß ist. In die Praxis des Konsums übertragen bedeutet das: Der Nutzen von Konsum nimmt ab, je mehr man von einem bestimmten Gut konsumiert. Es entsteht also kein Nutzenzuwachs mehr, sondern im besten Fall nur eine Sättigung, denn je nach Produkt kann das Prinzip des abnehmenden Grenznutzens sogar zu einem negativen Grenznutzen im Sinne einer Übersättigung führen. Bezogen auf die in der Einleitung geschilderten Beobachtung der 17 Einkaufstaschen voller Kleidung kann man wohl kaum davon sprechen, dass die unfassliche Menge an Kleidung noch irgendeinen Zusatznutzen hätte stiften können (außer in dem unwahrscheinlichen Fall, dass der Person keinerlei Kleidung zur Verfügung gestanden hätte und der Kleiderschrank über alle Produktgruppen hinweg wieder neu aufgebaut hätte werden). Konsum muss also nicht immer zu einem Gefühl der Befriedigung führen, denn wo kein Nutzen, da auch keine Befriedigung.

Wir haben oben die erste Definition aufgestellt, nach der Konsum zunächst als Verbrauch und/oder Nutzung materieller und immaterieller Güter durch einen Verbraucher verstanden werden kann. Dabei suchen Haushalte eine unmittelbare Bedürfnisbefriedigung, wobei die Nutzenmaximierung der Budgetbeschränkung gegenübersteht. Im Sinne dieses Zielkonfliktes suchen Konsumenten nach dem optimalen Güterbündel. Das leitet denn auch über zu den Grundlagen der Konsumentenverhaltensforschung. Die Konsumenten- bzw. Verbraucherverhaltensforschung oder auch Consumer Behavior Research ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das sich mit dem Studium des Verhaltens von Individuen oder Gruppen befasst, wenn sie Produkte, Dienstleistungen oder Ideen auswählen, kaufen, verwenden und verbrauchen. Diese Forschungsrichtung kombiniert Ansätze aus Psychologie, Soziologie, Wirtschaftswissenschaften und Marketing, um das komplexe Verhalten von Konsumenten zu verstehen. Das Hauptziel der Konsumentenverhaltensforschung besteht darin, die Motivationen, Einstellungen, Präferenzen, Entscheidungsprozesse und Verhaltensmuster von Konsumenten zu analysieren und zu erklären.

Somit untersucht die Konsumentenverhaltensforschung