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Romantische Ausritte zu Wasserfällen und heiße Küsse in Sommernächten … Emmy Ryder hat das erste Mal in ihrem Leben keine Ahnung, was sie tun soll. Nach einem Reitunfall traut sie sich nicht zurück auf ihr Pferd, und so muss sie ihre Karriere unterbrechen. Eher widerwillig zieht sie zurück zu ihrer Familie nach Meadowlark, Wyoming. Dort trifft sie auf Luke Brooks: Barbesitzer, ehemaliger Bad Boy und inzwischen der beliebteste Bachelor der Stadt. Vor Jahren haben sie sich zuletzt gesehen, und nun kann Emmy ihre Augen nicht mehr von ihm lassen. Und das, obwohl er mit ihrem Bruder befreundet ist und damit off-limits! Doch als Luke anbietet, ihr wieder zurück in den Sattel zu helfen, fällt es ihr immer schwerer, seinem Charme zu widerstehen … Debütautorin Lyla Sage begeistert mit ihrer Reihe TikTok! Wer kann den beliebten Tropes He Falls First und Brother's best Friend schon widerstehen?
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Aus dem amerikanischen Englisch von Hans Link
© Lyla Sage 2023
Titel der amerikanischen Originalausgabe: »Done and Dusted«, 2023 erschienen bei The Dial Press, einem Imprint von Penguin Random House, New York.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Sandra Dijkstra Literary Agency.
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Cover & Impressum
Widmung
Triggerwarnung
Vorbemerkung der Autorin
Dusted (Western Slang)
1
Emmy
2
Emmy
3
Luke
Emmy
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Luke
Emmy
5
Emmy
Luke
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Luke
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Emmy
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Luke
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Luke
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Luke
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Luke
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Luke
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Emmy
Epilog
Luke
Danksagung
Anmerkungen
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Für Leo. Meinen Highwayman, meinen Sonnenschein und meinen einzelnen Regentropfen. Ich vermisse dich jeden Tag.
Liebe Leser*innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte. Um euch das bestmögliche Leseerlebnis zu verschaffen, findet ihr deshalb hier eine Contentwarnung.[1]
Lyla und das everlove-Team
Als ich mit dem Schreiben von Done and Dusted begann, wollte ich eine Figur erschaffen, mit der sich andere Frauen und ich selbst identifizieren können. Ich liebe das Lesen, und genau wie du habe ich eine Menge Bücher verschlungen. Es gibt so viele Charaktere, die mir ans Herz gewachsen sind, mit denen ich mich aber nicht so gut identifizieren konnte, wie ich es wollte, weil das Leben in ihrem Kopf so anders war als in meinem eigenen.
Die Hauptfigur in Done and Dusted heißt Emmy. Emmy und ich haben nicht sehr viel gemeinsam, aber sie hat wie ich ADHS. Die Unterschiede in der Funktionsweise unserer Gehirne können sehr subtil sein, aber das heißt nicht, dass sie nicht existieren oder sich nicht auf unser Leben auswirken.
Ich weiß, dass die Diagnose ADHS sich für jeden von uns anders zeigt, aber wenn es dir schon mal schwergefallen ist zu erklären, warum du buchstäblich alles bis zur letzten Minute aufschiebst, warum du dich außer Kontrolle fühlst, warum sich deine Zunge anfühlt, als würde sie nicht in deinen Mund gehören, wenn die Musik zu laut ist, oder eines der unzähligen anderen Dinge, die wir fühlen und die zu ADHS gehören, dann könntest du dich in Done and Dusted wiederfinden.
Emmy und ich sind ganz bei dir.
Viel Spaß beim Lesen,
Lyla
DUSTED
(WESTERN SLANG):
Von einem Pferd abgeworfen werden
»Clementine Ryder, ich schwöre bei Gott, wenn du den ganzen Abend Trübsal blasen willst, dann fahre ich dich wieder nach Hause«, sagte Teddy.
»Ich blase nicht Trübsal!«, protestierte ich, obwohl ich definitiv Trübsal blies. Wieder in meiner Heimatstadt zu sein, hatte diese Wirkung auf mich. Wie auch die Tatsache, dass Teddy meinen vollen Namen benutzt hatte. Ernsthaft, wer benannte seine einzige Tochter nach einem Stück Obst?
Allerdings wusste ich auch, dass es Teddy mit ihrer kleinen Ansprache ernst war, so wie immer, wenn es um das Thema »Wir gehen aus und amüsieren uns« ging. Dann gab es keine Widerrede. Normalerweise machte mir das nichts aus. Teddy war meine beste Freundin. Sie kannte mich besser, als ich mich selbst kannte, und wusste, was ich brauchte, noch bevor ich es selbst wusste. Nachdem ich heute Morgen den Entschluss gefasst hatte, meine Sachen zu packen, mich mit einem Klebezettel am Kühlschrank von meinem Freund zu trennen und der Barrel-Racing-Szene Lebewohl zu sagen, war ich die dreihundert Meilen zu ihrem Haus in unserer kleinen Heimatstadt in einem Stück durchgefahren.
Noch hatte ich nicht mal die Sachen aus meinem Truck ausgeladen – er stand noch in Teddys Einfahrt.
Ich erkannte die Schotterpiste, auf die Teddy uns lenkte, und wünschte mir sofort, ich säße wieder in meinem Auto.
»Das Devil’s Boot? Wirklich?«, fragte ich. Ich wusste, dass es in Meadowlark keine große Auswahl gab, aber das Devil’s Boot war ein Lokal, um das ich gern einen Bogen gemacht hätte. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich dort jeden Gast kannte, war gefährlich groß.
Mein Dad und meine Brüder wussten noch nicht, dass ich wieder zu Hause war, und das musste auch noch ein kleines Weilchen so bleiben.
»Ja, das Devil’s Boot. Da hat man Spaß und kann sich gehen lassen«, erklärte sie. »Und beides brauchst du, Emmy.«
Das brauchte ich wahrscheinlich wirklich, aber was Teddy unter Spaß verstand, war schon immer einen Tick anders gewesen als bei mir.
»Weißt du, was Spaß macht?«, fragte ich. »Wein und …«
Teddy unterbrach mich und beendete meinen Satz für mich. »Wein und Sweet Home Alabama macht Spaß. Da hast du recht«, sagte sie. »Aber Emmy, du sitzt seit einem Monat in deiner Wohnung in Denver und vergnügst dich mit Wein und Sweet Home Alabama – Liebe auf Umwegen. Buchstäblich jedes Mal, wenn wir uns auf FaceTime unterhalten haben, konnte ich hören, wie im Hintergrund Patrick Dempsey am Altar sitzen gelassen wird, und hab seine tränenfeuchten blauen Augen vor mir gesehen – und das kann ich nur begrenzt aushalten.«
»Das ist die beste Szene im ganzen Film«, argumentierte ich. »Sie bricht einem das Herz und kittet es im selben Moment wieder.«
Teddy legte sich eine Hand aufs Herz. »Ich bestreite nicht die Vorzüge von Sweet Home Alabama«, sagte sie. »Das würde ich niemals tun. Ich sage nur, dass es einen Grund gibt, warum du nach Hause gekommen bist, statt dir den Film zum zweiunddreißigsten Mal anzusehen.«
Verdammt. Ich hasste es, wenn sie recht hatte.
»Na schön«, räumte ich ein. »Aber du zahlst.«
Teddy lachte. »Du denkst nicht weit genug. Warum sollte ich deine Drinks bezahlen – oder meine eigenen –, wenn ich weiß, dass es im Devil’s Boot mindestens ein Dutzend Männer gibt, die uns liebend gern Drinks spendieren würden.«
»Du überschätzt meine Überzeugungskräfte, was Männer angeht«, wandte ich ein.
»Und du unterschätzt meine«, konterte Teddy augenzwinkernd. »Außerdem«, fügte sie hinzu, »bist du Clementine Ryder, Meisterin im Barrel-Racing, und gehörst zur beliebtesten Familie in Meadowlark. Die Leute werden sich wahrscheinlich darum prügeln, dir und damit auch mir einen Drink spendieren zu dürfen.«
Ich schnaubte verärgert.
Teddy schenkte mir ein für sie so typisches gewinnendes Lächeln. »Wenn man die Collegezeit und deine Rodeo- und Racingkarriere zusammenzählt, warst du fast ein Jahrzehnt lang fort, und jetzt bist du zurück und siehst nur deine Familie und mich«, sprach sie weiter. »Du bist von Meadowlarks Liebling zu Meadowlarks Mysterium geworden. Die Leute werden sich freuen, dich zu sehen.«
Teddy hielt ihren Truck an. Ich schaute durch das Beifahrerfenster auf den vertrauten unbefestigten Parkplatz. Er war voll. Natürlich war er voll – es war ein Freitagabend in Meadowlark, Wyoming.
Hätte der Vorfall, dessentwegen ich mein Leben in Denver aufgegeben hatte und fluchtartig nach Hause gefahren war, nicht bis Montag warten können?
Das Devil’s Boot war eines der ältesten Lokale in Wyoming und lag fast direkt an der Grenze des Countys Meadowlark. Die Bar war so abgelegen, dass ihre Gäste fast ausschließlich Einheimische waren. Von außen machte sie nicht viel her. Gott, sie machte auch von innen nicht viel her. Es war ein alter Holzbau im klassischen Saloon-Stil. Die Farbe war verblasst, es gab zu viele Leuchtschilder, und über der Eingangstür hing ein Stück Sperrholz mit einem aufgesprühten Cowboystiefel, in dem ein Teufelsdreizack steckte. Es stand tatsächlich nirgendwo in der Bar der Name Devil’s Boot – weder an der Tür noch auf den Biergläsern und auch nirgends sonst. Es hatte immer nur den einsamen Stiefel und den Dreizack gegeben.
Obwohl wir noch im Truck saßen, konnte ich bereits die Band hören. Sie spielte ein Stück von Hank Williams. Es war erst neun Uhr, also würden die klassischen Countrysongs weitergehen, bis die Leute ein paar neuere Hits verlangten, zu denen sie tanzen und mitsingen konnten. Ich drückte die Daumen, dass Teddy und ich bis dahin von hier verschwunden sein würden.
Aber ich rechnete nicht damit.
»Hey.« Teddys Stimme kam leise von der Fahrerseite. »Wenn du wirklich nicht hier sein willst, können wir wieder fahren, aber ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als den ersten Abend, den meine beste Freundin wieder zu Hause ist, an einem Ort zu verbringen, den wir beide insgeheim lieben.« Ich liebte diese Bar tatsächlich, wenn auch widerwillig. »Wir haben uns hier immer gut amüsiert. Es ist risikoarm und chancenreich.«
Ich seufzte. Ein kleiner Teil von mir freute sich tatsächlich darauf, im Devil’s Boot zu sein. Zu Hause zu sein.
Und ein noch kleinerer Teil wusste, dass Teddy recht hatte. Wir würden Spaß haben, die Leute würden freundlich sein, und wir würden wahrscheinlich nichts für unsere Drinks bezahlen müssen. Das war das Ding mit Meadowlark – es war berechenbar, sogar gemütlich. Zwei Dinge, die ich im Moment brauchte.
»Was möchtest du tun, Emmy?«, fragte Teddy.
Ich sah zu ihr hinüber. »Ich möchte bleiben«, antwortete ich. Und ich meinte es ernst.
Das megawattstarke Lächeln auf Teddys Gesicht hätte ganz Meadowlark und die umliegenden Countys mit Strom versorgen können. Teddy ergriff meine Hand und drückte sie. »Braves Mädchen. Auf geht’s.«
Tief durchatmen, Emmy. Ich zog am Türgriff, um die Beifahrertür zu öffnen, und versetzte ihr einen heftigen Stoß. Teddys Ford Ranger von 1984 hatte einige Macken – kaum funktionierende Türen waren eine davon.
Sobald meine Stiefel den Boden berührten, löste sich der Knoten in meinem Magen etwas. Dieses Geräusch hatte etwas Tröstliches. Die Steinchen unter den Sohlen meiner Stiefel zu spüren, erinnerte mich daran, dass es mir gut ging. Es fühlte sich vertraut an. In letzter Zeit war mir alles so fremd gewesen, aber dies nicht. Nicht mein Zuhause.
Da ich ursprünglich so viel Zeit damit verbracht hatte, meine Flucht aus Meadowlark zu planen, hatte ich nicht gewusst, wie ich mich bei meiner Rückkehr fühlen würde. Ich verbrachte meine Urlaube und Geburtstage hier und auch manche Wochenenden, aber jetzt fühlte es sich wie etwas Dauerhafteres an. Ich hatte gedacht, ich würde mich wieder so gefangen fühlen wie vor Jahren.
Aber so war es nicht. Ich fühlte mich wunderbar normal.
Tief atmete ich die kühle Nachtluft ein. Es fühlte sich an, als würde sie in meine Lungen strömen und langsam die Last wegschieben, die mir auf der Brust saß.
Ich hörte Teddys Schritte, als sie zu meiner Seite des Trucks kam, während ich meine Tür zudrückte. »Verdammt, Ryder«, sagte sie. »Ich hatte fast vergessen, wie heiß du bist.«
Ich lächelte. Es war ein aufrichtiges Lächeln.
Komplimente von Teddy waren die besten, weil ich wusste, dass sie es ehrlich meinte. Teddy war ein grundanständiger, leidenschaftlicher und liebevoller Mensch. Sie sagte nie etwas, das sie nicht auch so meinte.
»Ich gehe heute Abend schon mit dir nach Hause, Andersen. Du brauchst mich nicht mit Komplimenten zu überhäufen«, fügte ich hinzu und hakte sie unter. »Wir geben ein gutes Paar ab.«
Und das taten wir.
Teddy und ich waren unzertrennlich, seit ihr Dad vor über zwanzig Jahren angefangen hatte, auf der Ranch meiner Familie zu arbeiten. Obwohl wir die letzten vier Jahre seit dem College in verschiedenen Städten gelebt hatten, sprachen wir fast jeden Tag miteinander, und Teddy hatte die achtstündige Autofahrt nach Denver mindestens vier Mal im Jahr auf sich genommen. Ich konnte mich glücklich schätzen, eine Freundin wie sie zu haben. Denn davon konnten die meisten Menschen nur träumen.
Als ich vor einigen Stunden in ihrer Einfahrt aufgetaucht war, hatte sich mein ganzes Leben in meinem Truck befunden. Teddy hatte mit keiner Wimper gezuckt, hatte weder nach der Wohnung gefragt noch nach dem festen Freund oder der Karriere, die ich hinter mir gelassen hatte. Sie hatte mich einfach mit Käse und Cola light gefüttert und mir erlaubt, mich ein paar Stunden lang deprimiert auf ihr Sofa zu lümmeln. Dann hatte sie in die Hände geklatscht zum Zeichen dafür, dass wir nun ein neues Kapitel aufschlagen würden, und hatte mir mitgeteilt, dass ich mir aus ihrem Kleiderschrank etwas zum Anziehen nehmen solle, weil wir ausgehen würden.
Am Ende trug ich ein schlichtes weißes Tanktop, momentan unter meiner geliebten mit Lammfell gefütterten Jeansjacke versteckt, und einen schwarzen Satinrock aus Teddys Kleiderschrank. Der Schlitz ging ein wenig höher, als ich es gewohnt war – bis über die Mitte meines Oberschenkels –, aber ich fühlte mich darin großartig. Verführerisch. Ich trug schwarze Cowboystiefel, die nie in die Nähe eines Pferdes kommen sollten, aber für einen Abend in der Bar waren sie perfekt.
Teddy hatte sich für ein schwarzes, kurzärmeliges und bauchfreies Top entschieden und für hellblaue, verwaschene Jeans, die aussahen, als wären sie ihr buchstäblich auf den Leib geschneidert worden. Ihr kupferrotes Haar hatte sie sich zu einem hohen Pferdeschwanz gebunden, der bei jeder Bewegung hin und her wippte.
»Bist du bereit, Babe?«, fragte sie.
Ich atmete noch einmal tief die kühle Luft Wyomings ein. Du bist okay, Emmy, dachte ich. Deine Stiefel stecken nicht mehr in Steigbügeln. Du stehst auf festem Boden.
»Ich bin bereit.«
Als ich über die Türschwelle des Devil’s Boot trat, fühlte es sich an, als würde ich in meine Lieblingsjeans schlüpfen. Alles an dieser Bar passte einfach. Sie war dunkel und schäbig und roch nach altem Zigarettenrauch. Das Rauchen in geschlossenen Räumen war seit 2005 in Wyoming gesetzlich verboten, aber niemand sagte etwas, wenn sich jemand im Devil’s Boot ab und zu eine ansteckte.
Es war schließlich eine richtige Kaschemme, die nur von einem schwachen gelben Licht hinter der Bar, den Bühnenscheinwerfern und einer Vielzahl von Neonschildern beleuchtet wurde.
Neonschilder im Dunkeln hatten einfach etwas Besonderes an sich.
Mein Lieblingsschild zeigte einen Cowboy, der eine Bierflasche ritt wie einen Bullen, und das Schild hing direkt über meinem Lieblingsstehtisch in der Ecke. Ich glaubte nicht, dass ich das Devil’s Boot je bei Tageslicht gesehen hatte, und ich glaubte auch nicht, dass ich das wollte. In Neonlicht getaucht wirkte alles geheimnisvoller.
Und alle sahen auch besser aus. Das war es, was die Leute im Devil’s Boot immer in Schwierigkeiten brachte.
Nach ein paar Schritten spürte ich, wie meine Stiefel am Fußboden kleben blieben – und wahrscheinlich einen verdammt guten, vor dreißig Jahren verschütteten Whisky zu schmecken bekamen –, während Teddy und ich auf meine Neon-Cowboy-Ecke zusteuerten.
»Und? Trinken wir heute Abend klaren oder dunklen Sprit?«, fragte Teddy mich.
»Klaren«, antwortete ich in dem Wissen, dass wir damit im DB genau zwei Optionen hatten: Wodka oder Tequila. Und ich hatte nicht den leisesten Zweifel, dass Teddy sich für Tequila entscheiden würde.
»Schön, also Tequila«, sagte sie. Manche Dinge änderten sich nie.
Es geht nichts über das Gefühl der Vertrautheit, das einem nur die Menschen geben können, die man liebt, und ich liebte Teddy über alle Maßen.
»Bleib du einfach hier und schau weiterhin heiß und geheimnisvoll aus, und ich hole unsere erste Runde«, überschrie Teddy die Band.
»Tequila Soda, okay?« Ich wusste, dass sie mit zwei Shots zurückkommen würde, wenn ich das nicht klarstellte. Jeweils zwei. »Ich möchte es gern langsam angehen.«
Teddy verdrehte die Augen und ging davon. »Meinetwegen. Tequila Soda. Vorläufig.«
»Mit einer Extrascheibe Limette, bitte!«, rief ich ihr nach. Sie winkte mir zu, ohne sich umzudrehen, um mich wissen zu lassen, dass sie mich gehört hatte.
Ich streifte meine Jeansjacke ab und hängte sie über die Rückenlehne meines Stuhls, bevor ich Platz nahm und meine Umgebung in Augenschein nahm.
Einige der Stammgäste an der Theke erkannte ich – George, Fred, Edgar und Harvey. Sie kamen wahrscheinlich seit Anbeginn der Zeit jeden Abend hierher. Früher hatte es ein fünftes Mitglied ihrer kleinen Clique gegeben, aber Jimmy Brooks war vor einigen Jahren verstorben. Niemand setzte sich je auf ihre Plätze am hinteren Ende der Theke – selbst Jimmys Platz blieb immer frei. Ich fragte mich, ob irgendjemand jemals den Mumm oder die Dummheit besitzen würde, sich dort hinzusetzen. Die Männer waren alt, aber das bedeutete nicht, dass sie nicht allen eine Heidenangst einjagten.
Teddy war auf dem Weg zur Bar und schwang gerade ihren Pferdeschwanz in Richtung Edgar, zweifellos in dem Versuch, den alten Mann dazu zu überlisten, unsere Drinks zu bezahlen.
Die Band ging zu einem Cover von Waylon Jennings I’ve Always Been Crazy über. Vor der Bühne hatte sich eine Menschenmenge versammelt, die lauthals den Refrain mitsang. Ich beobachtete sie, und ihre uneingeschränkte Freude zauberte mir ein breites Lächeln aufs Gesicht.
»Emmy?« Ich lenkte meinen Blick von der Gruppe der singenden Cowboys auf den Besitzer dieser tiefen Stimme.
»Kenny, hi.« Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich Kenny Wyatt das letzte Mal gesehen hatte – bei der Abschlussfeier der Highschool? –, aber ich erkannte ihn sofort, als er nun vor mir auftauchte. Sein dunkelblondes Haar war kurz geschnitten, und er trug einen akkurat gestutzten Bart, den ich mir an ihm nie hätte vorstellen können. Kenny war vor allem als ehemaliger Quarterback der Highschool von Meadowlark bekannt, aber er war auch mein Homecoming-Date gewesen.
»Schön, dich zu sehen«, sagte ich und stand von meinem Stuhl auf, um ihn kurz zu umarmen. Er zog mich fest an sich und drückte mich. Als ich mich von ihm löste, ließ er eine Hand auf meiner Taille liegen, also ließ ich meine auf seiner Schulter. Mit den Wölfen von Meadowlark heulen, schätzte ich.
»Heilige Scheiße, Em. Lang ist’s her. Ich dachte, du wärst jetzt gerade auf der WPRA-Tour.« Das dachte die Women’s Professional Rodeo Association wahrscheinlich auch.
»Ich lege eine Pause ein«, antwortete ich. Damit begann ich mit der einstudierten Ansprache, die ich während der ganzen Fahrt von Denver nach Meadowlark geübt hatte. »Ich bin schon so lange auf Rodeos und Racings unterwegs, da dachte ich mir, ich verbringe mal ein bisschen Zeit mit meiner Familie. Außerdem vermisse ich die Ranch ganz schrecklich.«
Er drückte leicht meine Taille, was ich nicht furchtbar unangenehm fand.
»Dein Dad und deine Brüder haben da oben eine Menge zu tun. Bestimmt sind sie glücklich, dich wiederzuhaben.« Ja, das würden sie sicher sein. Sobald sie herausgefunden hatten, dass ich zurück war. »Wie lange bleibst du denn?« Wahrscheinlich für immer, dachte ich, da ich mich im Moment noch nicht einmal dazu durchringen konnte, auf ein Pferd auch nur draufzusteigen.
Für jemanden, der sein ganzes Leben im Sattel verbracht hatte, war es ein Albtraum, die mentale Blockade nach einer Verletzung beim Reiten nicht überwinden zu können. Wenn ich je wieder auf ein Pferd steigen wollte, selbst wenn es nicht für ein Rodeo war, dann waren Meadowlark und Rebel Blue der richtige Ort dafür.
»Mindestens für ein paar Monate«, sagte ich und versuchte, enthusiastisch zu klingen, aber nicht so enthusiastisch, dass es gezwungen wirkte. »Es ist schön, wieder zu Hause zu sein.«
Kenny lächelte mich an. Ein breites, warmes, aufrichtiges Lächeln. »Es ist wirklich wunderbar, dich zu sehen, Emmy. Und du siehst gut aus. Richtig gut.« Ich spürte, wie sich meine Wangen dunkelrot färbten. Kenny war schon immer ein Charmeur gewesen. Als er mich nun so ansah, als hätte er die ganze Zeit auf mich gewartet, und dazu noch so herzlich klang, wollte ich am liebsten weglaufen und mich verstecken.
Stattdessen antwortete ich ebenfalls mit einem Lächeln. »Es ist auch schön, dich zu sehen, Kenny.«
»Solange du hier bist, sollten wir uns öfter …« Kennys Worte wurden abgeschnitten, weil die Band unkoordiniert ihre Darbietung von Good Hearted Woman abbrach. Eine verwirrte Stille legte sich über die Bar, während alle auf die nächsten Aktionen der Musiker warteten.
Nach einigen Sekunden spielte der Steel-Gitarrist die ersten Takte von – o Gott, nein – Oh My Darlin’ Clementine.
Es gab nur zwei Menschen, die es witzig fanden, mich jedes Mal mit diesem Song zu quälen, wenn ich einen Raum betrat. Einer von ihnen war Gus, mein ältester Bruder, aber ich wusste, dass er sich zurzeit nicht mal innerhalb der Staatsgrenzen von Wyoming aufhielt. Das konnte nur eins bedeuten. Er war hier.
Ich sah mich zornig in der Bar um und hielt nach ihm Ausschau. Dieses Arschloch. Die Gäste im Devil’s Boot stimmten in das Lied ein und wiegten sich hin und her, und viele sahen mich mit einem albernen Lächeln an. Dieser Song war inzwischen vor allem ein stadtweiter Insiderwitz, und jetzt konzentrierte ich mich mit aller Kraft darauf, den Spaßvogel zu finden.
Ich entdeckte ihn nicht, aber er musste hier irgendwo sein. Warum war er überhaupt im Devil’s Boot? Hatte er nicht in seinem Wohnzimmer Türme aus Bierdosen zu bauen? Oder auf Whiskyflaschen zu schießen?
Wenn er die Band hatte überzeugen können, von ihrem Programm abzuweichen, war er wahrscheinlich in der Nähe der Bühne. Ohne lange nachzudenken, ging ich in deren Richtung. Währenddessen scannte ich weiter die Bar. Keine gute Idee für eine Frau, die nur über eine gute Koordination verfügte, wenn sie auf dem Rücken eines Pferdes saß.
Ich stolperte über meine eigenen Stiefel und prallte gegen etwas Hartes.
Eine Brust.
Eine Männerbrust.
Die Männerbrust.
Ich blickte zu ihrem Besitzer auf, der ein selbstgefälliges Grinsen auf dem Gesicht hatte.
Er war es.
Luke Brooks.
Ich sah sie gleich, als sie mit ihren schwarzen Cowboystiefeln über die Schwelle meiner Bar trat. Sie war Meadowlarks Liebling, eine riesige Nervensäge und die kleine Schwester meines besten Freundes.
Clementine Ryder.
Das letzte Mal hatte ich sie vor zwei Jahren während der Weihnachtszeit gesehen, aber als ich damals ankam, war sie schon dabei gewesen, die Rebel Blue Ranch wieder zu verlassen. Denn wie immer war ich zu spät dran gewesen.
Gus hatte mir erzählt, dass Emmys Terminkalender in den letzten Jahren ziemlich voll gewesen sei. Da sie eine verdammt gute Rodeo- und Racingreiterin war, traf das sicherlich zu. Wenn man außerdem bedachte, dass die Ryders die einzige wirkliche Familie waren, die ich je gehabt hatte, gehörte Emmy fest zu meinem Leben, auch wenn ich sie heutzutage nur noch selten sah. Manchmal war ich gerade bei Gus, wenn sie anrief, oder ich sah in der Zeitung, dass sie einen weiteren Titel gewonnen hatte, aber das war etwas ganz anderes, als zu erleben, wie sie an einem Freitagabend meine Bar betrat.
Und dabei so aussah.
Heilige Scheiße. Hatte sie schon immer so ausgesehen?
Oder war das die Wirkung des Neonlichts?
Ihr Haar war wild und wirr. Es sah noch länger aus als bei meiner letzten Begegnung mit ihr. Es reichte ihr bis zur Mitte des Rückens. Sie trug einen Rock aus irgendeinem glänzenden Material, Satin oder Seide wahrscheinlich. Er bewegte sich um ihren Körper wie Wasser. Und ich fragte mich unwillkürlich, wie sie in ein Bettlaken gehüllt aussehen würde. Aber nicht in irgendein Bettlaken – in meins.
Scheiße. Wo zum Teufel war das jetzt hergekommen? Was stimmte nicht mit mir? Es war offensichtlich zu lange her, dass ich Sex gehabt hatte. Ich wollte gar nicht darüber nachdenken, wie lange.
Das ist die kleine Schwester deines besten Freundes, du Idiot.
Ein Wort schrillte wie eine Alarmglocke in meinem Kopf: Tabu.
Aber verdammt. Sie sah wirklich gut aus. Es war doch in Ordnung, wenn ich einräumte, dass sie gut aussah, oder? Sie war eine erwachsene Frau. Ich war ein erwachsener Mann, der einfach gern schöne Frauen ansah. Ich hatte nur schon länger keine mehr gesehen.
Zumindest keine, die so schön war. Es würde sowieso nichts zwischen uns passieren. Sie konnte mich nicht ausstehen.
Joe, der heute Abend Dienst an der Bar hatte, winkte mich heran und lenkte mich von meinen unpassenden Gedanken zu Emmy Ryder ab. Was zum Kuckuck machte sie überhaupt hier?
Normalerweise erfuhr ich von ihren Besuchen, weil Gus in den Tagen vor ihrer Ankunft einfach nicht die Klappe hielt, aber ich hatte keinen Pieps von ihm gehört, seit er gestern nach Idaho aufgebrochen war. Außerdem verließ sie sonst nie die Ranch, wenn sie nach Hause kam. Es war kein Geheimnis, dass Emmy sich schon vor Jahren von Meadowlark abgewandt hatte. Stärker als ihr Drang fortzugehen, war nur die Liebe zu ihrer Familie, und die war es, die sie ein paarmal im Jahr hierher zurückbrachte.
»Brooks! Wir brauchen Wechselgeld an der Bar, Mann«, rief Joe über die Musik hinweg. Richtig, das war es, was ich hatte tun wollen, bevor eine gewisse Brünette durch die Tür spaziert war und mich mitten in der Bewegung gestoppt hatte. Seit wann hatte das jüngste Mitglied der Familie Ryder irgendeine Wirkung auf mich?
Anscheinend seit jetzt.
Das war verflucht nervig.
Ich schaute mich um und nickte Joe schnell zu, um ihm zu zeigen, dass ich ihn gehört hatte. In dem Moment bemerkte ich die Rothaarige, die mit einem meiner Reiter an der Theke flirtete. Ich erkannte ihren übertrieben wippenden Pferdeschwanz, noch bevor ich ihr Gesicht sah: Teddy Andersen.
Wenn ich Teddy zuerst gesehen hätte, dann hätte ich mich vielleicht auf Emmys Auftauchen vorbereiten können. Bei den beiden war eins gewiss: Wohin die eine auch ging, die andere folgte bestimmt. Es machte Gus rasend.
Er hatte immer gefunden, dass Teddy zu viel war – zu laut, zu vulgär und zu viel Ärger.
Ich mochte sie. Sie war Emmy immer eine gute Freundin gewesen und gehörte zu den wenigen Menschen, die sich nicht von Gus’ allgemeiner Mistkerlmentalität abschrecken ließen.
Außerdem konnte ich mich immer darauf verlassen, dass meine Gäste etwas mehr Geld ausgaben und meine Barkeeper etwas mehr Trinkgeld bekamen, wenn sie da war. Teddy war gut fürs Geschäft, aber Gus fand nicht, dass sie ein gutes Vorbild für seine kleine Schwester war. Ich fand, dass man Emmy ruhig etwas mehr zutrauen konnte. Sie war ruhig, aber nicht ohne Kampfgeist. Deshalb waren sie und Teddy ein gutes Gespann. Nicht, dass ich das Gus gegenüber je erwähnt hätte.
Emmy ging mich nichts an.
Teddys und meine Blicke kreuzten sich, und sie starrte mich an.
Ich konnte ihren Gesichtsausdruck nicht deuten, sah dann aber, wie sie zu Emmy hinüberschaute und dann wieder zu mir. Mist. Ich hatte mich dabei erwischen lassen, wie ich dort hinstarrte, wo ich nicht hinstarren sollte. Schnell wandte ich mich ab und machte mich auf den Weg durch die Bar zu meinem Büro. Es lag direkt hinter der Bühne, wo meine Hausband Fiddleback wie immer eine Menge Songs von Waylon durchackerte.
Im Devil’s Boot hatte es eine Liveband gegeben, seit ich denken konnte, aber normalerweise nur freitags. Seit ich die Bar übernommen hatte, spielte die Hausband jeden Freitag, und andere Bands aus der Gegend deckten die Dienstage, Donnerstage und Samstage ab. Sie durften ein paar ihrer eigenen Stücke spielen, solange sie das Programm mit den Klassikern ergänzten.
Meine Gäste sangen schrecklich gern. Und laut.
An den anderen Tagen der Woche griffen wir auf die altmodische Jukebox zurück.
Ich versuchte vergeblich, Emmy auf dem Weg zu meinem Büro nicht anzusehen. Und dabei erhaschte ich einen Blick auf sie, als sie gerade ihre Jeansjacke auszog und ein tief ausgeschnittenes weißes Top zeigte, das ihre durchtrainierten Arme zur Geltung brachte. Himmel.
Bei diesem Anblick zusammen mit dem verdammten Rock hätte ich am liebsten geschrien.
Wechselgeld, Brooks, Joe braucht Wechselgeld. Hol einfach das Wechselgeld.
Ich würde Joe sein Wechselgeld bringen, und dann würde ich mich in den meistbeschäftigten Barbesitzer der Welt verwandeln. Ich musste nur diesen Abend überstehen, denn am Morgen würde das Neonlicht erloschen sein, und Clementine Ryder würde wieder aussehen wie die kleine Schwester meines besten Freundes.
Hoffentlich.
Mein Büro war klein, aber es enthielt alles Notwendige: einen Schreibtisch, ein kleines Sofa und eine Flasche Whisky in einer der Schreibtischschubladen. Ich verbrachte nicht viel Zeit dort drin. Wenn es ums Geschäftliche ging, erledigte ich die dringend anfallenden Arbeiten meist an der Theke, bevor wir öffneten. Ich beobachtete gern, wie sich der Ort von tagsüber zu abends verwandelte. Es war wie Magie.
Als Geschäftsinhaber betrachtete ich mich nie. Das tat niemand. Ich war in Meadowlark nicht gerade dafür bekannt, besonders verantwortungsbewusst zu sein, aber diese Bar weckte in mir den Wunsch, mehr zu sein als das, was die anderen von mir erwarteten.
Ich wusste nicht, ob ich diesem Ziel näherkam.
Weil mein Büro direkt hinter der Bühne lag, spürte ich die Basstrommel. Beim Dröhnen ihrer Schläge zitterten das Glas und der Whisky, die ich aus der obersten Schublade meines alten Eichenschreibtisches geholt hatte. Ich schenkte mir einen Schluck ein und kippte ihn in der Hoffnung herunter, dass er die neuartige Wirkung, die Clementine Ryder auf mich hatte, betäuben würde.
Warum passierte mir das?
Ich wartete, bis sich das Brennen in meiner Kehle legte, bevor ich mir ein Bündel Scheine für die Bar schnappte. Ich zählte das Geld nicht, aber nach dem Umfang zu urteilen, sollte es mehr als genug sein, um die Nacht zu überstehen. Ich dagegen würde wahrscheinlich noch ein paar weitere Shots aus dem Büro brauchen, wenn ich Emmy den ganzen Abend ansehen musste.
Ich wollte gar nicht erst wissen, was Gus mit mir anstellen würde, wenn er wüsste, was ich über seine kleine Schwester dachte.
Mindestens verstümmeln. Wahrscheinlich würde er mich sogar umbringen.
Ich verließ mein Büro mit dem Geld in der Gesäßtasche und schloss die Tür ab. Als ich aufsah, bekam ich einen perfekten Blick auf Emmy, die mit keinem Geringeren als dem verdammten Kenny Wyatt flirtete.
Dieser schleimige kleine Bastard. Klar, Kenny war der Musterknabe der Stadt, aber Emmys ältere Brüder und ich hatten nicht vergessen, wie er Emmy in ihrem Abschlussjahr zum Homecoming wegen eines anderen Mädchens hatte sitzen lassen.
Zu sagen, Emmys ältester Bruder hätte ihr gegenüber einen ausgeprägten Beschützerinstinkt, wäre die Untertreibung des Jahrhunderts gewesen, und das Gleiche galt für Wes, ihren anderen Bruder, wenn auch auf eine etwas lockerere Art. Gus war derjenige, der jemanden verprügeln würde, der Emmy wehtat, und Wes war derjenige, der sich vergewisserte, dass es ihr gut ging.
Ich besaß keine große Familie, aber ich hatte die Ryders, deshalb war ich meist mitgeschleppt worden, wenn Emmys Ehre verteidigt werden musste, was öfter vorgekommen war, als man vielleicht denken würde.
Bis auf den heutigen Tag glaubte ich nicht, dass Kenny wusste, wie sein kostbarer Mustang mit vier platten Reifen am anderen Ende der Stadt gelandet war.
Und jetzt fasste dieses Stück Scheiße sie mit einer seiner Hände an, und Emmy lächelte ihn an, also tat ich, was Gus und Wes gewollt hätten: Ich sorgte dafür, dass er seine schmutzigen kleinen Pfoten von ihr nahm. Das war der einzige Grund, warum ich es tat. Für Gus und Wes. Nicht für mich.
Nicht, weil ich eifersüchtig war.
Ich war nicht eifersüchtig, verdammt noch mal.
Der Ausdruck auf ihrem Gesicht, als sie die Steel-Gitarre hörte, war unbezahlbar. Als Bonus ließ sie sofort den Arm des Schwachkopfs los. Gut. Aber seine Hand blieb auf ihrer Taille liegen, während sie sich in der Bar umschaute – wahrscheinlich suchte sie nach mir. Sie musste wissen, dass Gus bei dieser Rancherveranstaltung in Idaho war. Und ich war die einzige andere Person, die sie liebend gern mit dieser ganz speziellen Methode auf die Palme brachte.
Ich tat mein Bestes, um zu ignorieren, dass Kenny seine Hand weiter auf ihr ruhen ließ – als gehörte Emmy ihm –, sonst wäre ich hinübergegangen und hätte sie ihm gebrochen. Ich beobachtete, wie sie die Bar absuchte. Sie war hoch konzentriert und sichtlich zorniger als eine Hornisse. Da war etwas in ihren Augen. Dass es vorhin fehlte, war mir nicht aufgefallen, als ich sie angesehen hatte: Feuer. Ich ging auf sie zu, konnte gar nicht anders, bereit, mich verbrennen zu lassen.
Brooks packte mich an den Oberarmen, um mich zu stützen, nachdem ich direkt gegen seine Brust gelaufen war. Es hatte sich angefühlt, als wäre ich gegen eine Mauer gekracht. Seine Brust war hart. Stemmte er Autos, oder was?
Seine Hände fühlten sich rau an meiner Haut an, und ich hasste diesen kleinen Kitzel, der mich bei seiner Berührung durchlief.
Es spielte keine Rolle, wie alt ich war – wenn es um Brooks ging, war ich wieder dreizehn und beobachtete ihn als Achtzehnjährigen, wie er mit freiem Oberkörper Heuballen machte. Er war damals hübsch anzusehen gewesen, und er war auch jetzt hübsch anzusehen. Obwohl sich meine jugendliche Schwärmerei für ihn verflüchtigt hatte, als ich schlau genug geworden war, um zu begreifen, wie nervig er war, hatte er einfach etwas an sich, das mir unter die Haut ging.
Ich befreite mich aus seinem Griff und war frustriert, dass er immer noch überhaupt irgendeine Wirkung auf mich hatte. Ich war groß, einen Meter fünfundsiebzig, aber ich musste trotzdem den Hals recken, um ihm einen mordlustigen Blick zuzuwerfen. Er hatte sich im Laufe der letzten Jahre kaum verändert.
Wenn überhaupt, war er noch attraktiver geworden, was mich noch mehr aufbrachte, als es ohnehin schon der Fall war.
Brooks war nicht nur groß; er war auch breit gebaut. Sein dunkelbraunes Haar, das immer relativ lang gewesen war, reichte ihm bis zur Mitte seines Halses, und für die leichten Wellen darin hätten viele Frauen gemordet, mich selbst eingeschlossen.
Genau wie für seine blöden Wimpern, die seine blöden Schokoladenaugen umrahmten. Sein Haar war lang genug, dass er es sich hinter die Ohren klemmen konnte, was bedeutete, dass ich seinen blöden markanten Kiefer mit seinem blöden Bartschatten sehen konnte.
Es gab sicher viele Mädchen, die sich wünschten, ihr Bruder hätte einen so gut aussehenden besten Freund wie Luke Brooks gehabt. Ich war eins davon gewesen. Zumindest bis er seinen blöden Mund aufmachte und mit seiner blöden tiefen Stimme sprach.
Ich hätte inzwischen wirklich etwas kreativer sein sollen mit meinen Beschreibungen und Beleidigungen für ihn, aber Luke Brooks hatte die Angewohnheit, mich so zu frustrieren, dass mir alle zusammenhängenden Gedanken regelrecht entglitten.
Das nervte.
Er nervte.
»Hey, Clementine«, sagte er gedehnt. Mein böser Blick trug nicht dazu bei, die Arroganz zu dämpfen, die ihm buchstäblich aus jeder Pore quoll. Sie war mit Händen zu greifen. So war er immer. Wenn sein Ego eine physische Erscheinung gewesen wäre, dann wäre es größer gewesen als der ganze Staat Wyoming. Plus Colorado und Utah wahrscheinlich.
»Verpiss dich, Brooks.«
Er stieß einen leisen Pfiff aus, der in einem Glucksen endete. Ich hasste es, wenn er das tat.
»Schön zu hören, dass deine Zunge noch so scharf ist wie eh und je, Sugar.« Wie er das Wort »Sugar« sagte, war fast erniedrigend.
»Nenn. Mich. Nicht. So.« Ich machte eine Pause nach jedem Wort und unterstrich meine Verärgerung über Brooks mit jeder Silbe.
»Dann lass Kenny Wyatt dich nicht überall begrapschen«, schoss Brooks zurück. »Dann bräuchte ich dich nicht zu retten.«
Meinte der Typ das ernst? Er betrieb psychologische Kriegsführung mit diesem blöden Lied, weil ein Junge aus der Highschool mir eine Hand auf die Taille gelegt hatte?
Eine Hand auf der Taille war wahrscheinlich noch die unschuldigste Geste in der gesamten Geschichte dieser Bar. Ernsthaft – ich wollte gar nicht wissen, wie viele Bewohner Meadowlarks in den Toilettenräumen des Devil’s Boot gezeugt worden waren.
»Mich retten?«, fragte ich. Meine Stimme wurde lauter, aber zum Glück nicht lauter als die Musik … Noch nicht. »Komm mal wieder runter, Brooks.«
Die Band schaffte es bis zu der Zeile über weiche und feine Bläschen – Gott sei Dank. Der Song war fast vorbei. Fast alle in der Bar sangen mit, aber die meisten hatten mich schon nach dem ersten Refrain vergessen, daher hatte Brooks’ blöder Witz nicht lange vorgehalten.
»Ja, Clementine. Dich retten. Deine Brüder würden ausrasten, wenn sie dich hier mit Wyatt flirten sehen würden.«
»Ich habe mit Kenny nicht geflirtet. Ich habe bloß Hallo gesagt. Und selbst wenn ich mit ihm geflirtet hätte, würde dich das nichts angehen. Du bist nicht mein Bewacher, Brooks. Und Gus und Wes sind es auch nicht. Ich kann selbst auf mich aufpassen.«
»Was meine Gäste in meiner Bar tun, geht mich durchaus etwas an.« Seiner Bar? Seit wann denn das? »Und deine Familie ist meine Familie, Emmy, also würde es mich selbst dann etwas angehen, wenn du nicht in meiner Bar wärst. Du bist mich schon immer etwas angegangen und wirst mich immer etwas angehen.« In seiner Stimme schwang so viel Autorität mit, dass er offensichtlich keine Einwände gelten lassen wollte.
Es war mir egal.