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Die Drachen sind wieder los! Band 5 von Bestseller-Autorin G. A. Aikens erfolgreicher und mitreißender Erotic Fantasy-Serie Rhona die Furchtlose ist fürs Kämpfen geboren. Und als erste Tochter einer Familie von Kriegern hat sie für ihr Ansehen hart gearbeitet. Jetzt ist ihr Platz bei ihrer Truppe, dummerweise besteht diese jedoch aus ungebildeten Nordland-Drachen, die glauben, eine Frau sei nur dazu da, Kinder zu bekommen und die Höhle zu hüten. Aber Rhona heißt nicht umsonst die Furchtlose, sie wäscht ihren Jungs gehörig den Feuer speienden Kopf. Und da wäre auch noch dieser Barbar Vigholf der Abscheuliche. Der sollte besser einen großen Bogen um die feurige Drachin machen. Denn es könnte sein, dass sie dem attraktiven Vigholf sonst ordentlich einheizt – und das Spiel nach ihren eigenen Regeln spielt …
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© 2011 by G. A. Aiken Published by Arrangement with Glynis Aiken
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»The Dragon who loved me« bei Zebra Book, New York 2011
© Piper Verlag GmbH, München 2012,2021
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Michael Siefener
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Covergestaltung: Guter Punkt, München
Covermotiv: Sylwia Makris
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Cover & Impressum
Prolog
1
2
Das Mädchen schlief. Aber nicht tief. Sie hatte keinen tiefen Schlaf mehr und schlief nie ohne Waffe. Zu oft hatte es mitten in der Nacht Angriffe auf das Lager gegeben. Zu oft hatte sie die eigenen Soldaten dabei erwischt, wie sie in ihr Bett schlüpfen und von ihr das bekommen wollten, was sie sich bei den Lagermädchen nicht leisten konnten. Diejenigen Soldaten, die den Versuch überlebt hatten, wurden für gewöhnlich nach Hause geschickt – nicht wegen dem, was sie getan hatten, sondern weil wegen der eingebüßten Körperteile in einer Schlacht nicht mehr viel von ihnen zu erwarten war.
Doch sie hatte keine Ahnung, ob es der leichte Schlaf oder ihre geschärften Instinkte waren, die ihr befahlen, aufzuwachen und sich zu erheben. Leise schlich sie an den anderen schlafenden Knappen vorbei, trat hinaus in die Nacht und folgte dem Weg, den ihre Instinkte ihr wiesen, bis zu einem kleinen Wäldchen rechts vor dem Lager. Dort fand sie die Frau. Sie stahl sich gerade ohne ihre Wachen aus dem Lager, ohne Truppen und Pferd, hatte nur einen Reisesack dabei und sich zwei Schwerter auf den Rücken gebunden. Sie ging allein, denn sie war tapfer. Und sie war verzweifelt. Und selbst wenn sie einen guten Tag hatte, war sie mehr als nur ein wenig verrückt.
Ohne ein Wort zu sagen, rannte das Mädchen zurück zu seinem Zelt, holte sein eigenes Reisegepäck, das Schwert und die Streitaxt sowie seine wärmsten Stiefel und den Umhang. Lächelnd kehrte sie an die Seite der Frau zurück.
»Du hast doch nicht geglaubt, ich lasse dich ohne mich davonziehen, oder? Mein Platz ist an deiner Seite.«
»Du wirst vermutlich deinen Tod an meiner Seite finden, wenn du mich begleitest. Das kann ich nicht erlauben.«
»Wenn du ohne mich gehst, wird das Lager nicht erst innerhalb der nächsten Tage, sondern schon in wenigen Sekunden erfahren, dass du weg bist.«
Hellgrüne Augen glitzerten sie an, aber nachdem das Mädchen sie fünf Jahre lang täglich gesehen hatte, zuckte es nicht mehr vor Angst zurück. Während der vielen Jahre, die dieser Krieg nun schon andauerte, hatte es gelernt, wie weit es gehen konnte – und wo sich die Grenzen befanden.
»Ich übernehme keine Verantwortung für dich, kleines Mädchen. Und du musst durchhalten.«
»Wann tue ich das nicht?«, erwiderte das Mädchen barsch.
»Pass auf, was du sagst. Ich bin noch immer deine Königin.«
»Und deshalb brauchst du mich. Keine Kriegskönigin kann ohne ihren Knappen sein.«
»Knappe? Wann hast du zum letzten Mal mein Pferd gewaschen?«
»Als ich keinen anderen gefunden habe, der das für mich tat.«
Die Königin grinste; die Narbe, die sie vor vier Jahren in einer Schlacht erhalten hatte, erstreckte sich über ihr ganzes Gesicht. Sie verlief von der Schläfe über die Stirn, die Nasenwurzel, die Wange und endete schließlich am Hals. Die Klinge hatte keine wichtigen Blutgefäße getroffen, und die Wunde war gut verheilt, nachdem sie mit einigen Stichen genäht worden war. Aber die Narbe war geblieben, und die Königin hatte nichts dagegen unternommen. Für den Feind sah es nun umso mehr danach aus, dass die Gerüchte stimmten, sie sei eine Untote, denn wie konnte jemand einen solchen Schnitt überleben? Und was die Einstellung der Königin zu dieser Narbe anging – nun, sie schaute sowieso nicht oft in den Spiegel.
»Dann sollten wir uns davonmachen, Knappe, bevor sie herausfinden, dass wir verschwunden sind.«
Sie drangen tiefer in den Wald ein, der das Lager umgab, aber schon nach wenigen Minuten mussten sie stehen bleiben, als sie auf den menschlichen Körper einer jungen Drachin trafen, die bewusstlos vor ihnen lag. Ein Opfer von zu viel Alkohol.
»Was sollen wir mit ihr machen?«, fragte die Königin.
»Wir können sie nicht einfach hier liegen lassen. Außerdem wäre es gut, für alle Fälle einen Drachen an unserer Seite zu haben.«
»Gutes Argument.« Sie hoben die Drachin auf, die sogleich alles erbrach, was sie getrunken hatte, und stützten sie, bis sie allein gehen konnte.
Nach einiger Zeit fragte die Drachin: »Wohin sind wir unterwegs?«
»Nach Westen«, antwortete die Königin.
»Unsere Feinde sind im Westen.«
»Aye.«
»Sie werden uns töten, wenn sie uns finden.«
»Aye.«
»Aber zuerst werden sie uns foltern.«
»Aye.«
»Ich vermute also, ihr habt einen Plan.«
»Nicht wirklich.«
Die Drachin stieß einen Seufzer aus. »Ich habe irgendwie gewusst, dass ich es bedauern würde, mit dem Achtzehnten Bataillon zu trinken – aber ich habe nicht geahnt wie sehr.«
»Mach dir keine Sorgen. Entweder gelingt es uns, diesen Krieg zu beenden, oder wir werden zu Märtyrern.«
»Ich bin eine Drachin, Mylady. Drachen werden nicht zu Märtyrern. Wir machen bloß andere dazu.«
»Nun, in diesem Fall …«, Annwyl, die Verrückte Königin der Insel Garbhán, klopfte der Drachin auf den Rücken, während sie weiter in Richtung Westen gingen, »… hast du jetzt wenigstens ein Lebensziel.«
Sie sah, wie sie sich zwischen den Bäumen bewegten. Sie waren fast unsichtbar, aber nicht ganz. Nicht für ihre Augen.
Für diese feindlichen Drachen, die Eisendrachen, war es zu einer Gewohnheit geworden, mindestens einmal wöchentlich den Versuch zu unternehmen, sich in das Lager zu stehlen. Sie konnte es ihnen nicht verübeln. Nach fünf Jahren Kriegsstillstand in diesem Tal namens Euphrasia hatten beide Seiten die Lust verloren. Wann würden die andauernden, aber wirkungslosen Scharmützel und die gelegentlichen Versuche enden, den Wasservorrat des Gegners zu vergiften? Wann würde dieser Krieg endlich zu einem Ereignis, über das man in der Vergangenheitsform sprach?
Rhona die Furchtlose hatte keine Ahnung. Sie war bloß eine Soldatin in der Armee Ihrer Majestät. Sie erhielt ihre Befehle von den Kommandanten und sorgte dafür, dass diese Befehle ausgeführt wurden. Sie tötete, wann immer es nötig war, und beschützte all jene, die es nötig hatten. Allerdings spielte sie niemals die Politikerin. Sie war nur an den Entscheidungen beteiligt, bei denen es um die allgemeine Sicherheit ihrer Truppe ging. Als Sergeant musste sie nicht für noch mehr verantwortlich sein, und in dem, was sie tat, war sie sehr gut.
Schließlich war sie ein Mitglied des Cadwaladr-Clans. Er bestand aus Kriegerdrachen von niederer Geburt aus den Südländern, von denen viele behaupteten, sie seien zum Töten und Vernichten geboren. Rhonas Mutter, Bradana die Verstümmlerin, sagte immer, dass das stimmte, und zum Beweis dieser Tatsache erwartete sie, dass all ihre Nachkommen Elite-Drachenkrieger in der Armee Ihrer Majestät wurden. Fast alle Kinder Bradanas hatten gehorcht – außer ihren jüngsten Drillingstöchtern, die noch einige Jahre der Ausbildung im Kriegshandwerk vor sich hatten, sowie Bradanas Älteste. Rhona.
Ah, es ging doch nichts darüber, in der Enttäuschung der eigenen Mutter zu schwelgen, wenn man sich während der Wacht in den Wintermonaten hier im Tal warm halten wollte. Aber das waren große, etwas bittere Gedanken, die sie sich für einen späteren Tag aufsparen wollte. Jetzt musste sie sich um etwas Dringenderes kümmern – um die Eisendrachen.
Sie war mit den Geschichten über diese Eisendrachen aufgewachsen. Es waren stahlfarbene Feuerspucker mit weißen Hörnern, die sich bis zu den Mündern herabbogen. Sie glaubten, dass sie dazu auserkoren waren, alle anderen unter dem Banner des wahren und einzigen Gottes zu beherrschen, den sie verehrten: Chramnesind der Blinde. Ihrer Meinung nach sollte die ganze Welt zu ihrem Reich gehören, und alle – Drachen, Menschen sowie andere Wesen – sollten ihre willfährigen Sklaven sein, die sich vor dem Oberherrn Thracius beugten und ausschließlich Chramnesind opferten. Das war eine Weltanschauung, die Rhona und ihren Genossen nicht sonderlich gefiel. Sie ertrugen es schon kaum, Älteste und eine Königin zu haben, von einem Oberherrn ganz zu schweigen. Deshalb hatten sich die Armeen der südländischen Drachenkönigin und die Nordländerhorden, die früher einmal erbitterte Feinde gewesen waren, zusammengeschlossen, um sich Thracius und seinen Soldaten entgegenzustellen. Es gab nur einen Umstand, den keiner von ihnen bedacht hatte: Die Eisendrachen besaßen eine gewaltige Armee. Sie bestand aus mehr Drachensoldaten, als Rhona je zuvor gesehen hatte. Und noch immer trafen frische Truppen ein. Besaßen sie etwa eine Drachenfabrik, die ausgewachsene, zur Schlacht bereite Soldaten ausspuckte? Rhona glaubte das allmählich. Während die Südländer und die Nordländer das Kampfgeschick auf ihrer Seite hatten, waren die verdammten Eisendrachen in der Überzahl und griffen sehr diszipliniert an.
Zum Glück aber waren diejenigen, die sich gerade einzuschleichen versuchten, nicht sonderlich zahlreich. Es handelte sich um etwa zehn feindliche Drachen, mit denen es Rhona und ihre Drillingsschwestern aufnehmen mussten. Die Drillinge hatten sich in die Sicherheit der nahegelegenen Hesiod-Berge begeben wollen, in denen die Südländer- und Nordländer-Drachen eine Festung errichtet hatten, als Rhona die Eisendrachen bemerkt hatte. Nun standen sie und die Drillinge im Schutz der Bäume, und alle vier waren mit dem Wald verschmolzen, so wie ihre Mutter es Rhona beigebracht hatte, als sie noch zu jung zum Fliegen gewesen war. Diese Fähigkeit hatte sie an die Drillinge weitergegeben.
Als die Eisendrachen näher kamen, hob Rhona die Hand und machte sich bereit, das Signal zu geben. Ihre Schwestern packten Waffen und Schilde fester, und auf ihren Gesichtern lag ein identisches Lächeln, während sie eifrig ihren nächsten Befehl erwarteten. Rhona stand kurz davor, ihn zu geben, und wollte den Arm schon in einem Bogen senken, als plötzlich etwas Großes und nicht einmal ansatzweise Anmutiges durch die Bäume brach. Offenbar hatte auch eine kleine Gruppe Blitzdrachen die Eisendrachen bemerkt, denn nun stürmten drei der Bastarde mit ihren purpurfarbenen Haaren und Schuppen aus der entgegengesetzten Richtung herbei und trieben die feindlichen Drachen geradewegs auf Rhona und ihre Schwestern zu.
Rhona wartete einen weiteren Herzschlag, dann gab sie den Befehl. Ihre Schwestern bewegten sich rasch und leise. Im Gegensatz zu den Blitzdrachen waren sie höchst geschmeidig. Sie stapften nicht umher und brachen auch nicht durchs Gehölz wie ihre Cadwaladr-Vettern. Rhona hatte ihren Schwestern beigebracht, sich mit großer, abgemessener Genauigkeit zu bewegen, seit sie sich ihren Weg aus den Eiern freigekämpft hatten. Und so schlichen sie nun auf das Kontingent der feindlichen Soldaten zu.
Wie immer schlug Edana als Erste zu. Ihr Breitschwert fuhr in das Maul des ersten Drachen, der auf sie zustürmte. Sie hieb durch Nase und Knochen mitten ins Hirn, drehte ihre Klinge einmal und zog sie wieder heraus. Nesta wirbelte um Edana herum und hämmerte mit ihrer Keule gegen die Gesichtsplatte des nächsten Eisendrachen. Danach trieb sie ihm die Spitze ihres Schwanzes in den Schädel, während sie gleichzeitig den Brustpanzer eines anderen zerbrach und ihn mit ihrer Keule fertigmachte. Breena hingegen liebte es, aus unmittelbarer Nähe zu töten. Obwohl sie Schwert, Axt und Keule besaß, benutzte sie ihren langen, gebogenen Dolch, um ihr Opfer zu erlegen, nachdem sie es zu Boden geworfen hatte. Von den drei Schwestern erinnerte Breena Rhona am meisten an ihre Mutter.
Während die Drillinge ihr Bestes gaben, stürmten die Blitzdrachen vorwärts – weil sie helfen wollten. Weil sie schwachen Frauen beistehen wollten.
Auch nach fünf verdammten Jahren schienen die Nordländer noch immer zu glauben, Frauen auf dem Schlachtfeld seien ein zu großes Risiko. Ein Risiko für die Frauen natürlich. Für die armen, armseligen Frauen. Doch nach etlichen Tavernenschlägereien mit einigen von Rhonas Cousinen und Schwestern waren die Blitzdrachen inzwischen klug genug, ihre Meinung für sich zu behalten – außer in Situationen wie dieser, wenn sie glaubten, die Frauen befänden sich in »ernster Gefahr«.
Rhona hingegen eilte niemandem zu Hilfe. Sie wusste, dass ihre Schwestern allein zurechtkamen. Also wartete sie ab. Erwartungsgemäß huschten drei Eisendrachen lautlos zwischen die Bäume auf der gegenüberliegenden Seite des Tumults, während der Rest kämpfte. Das waren Elitekrieger. Sie waren viel besser ausgebildet als die Fußsoldaten. Sie waren klüger, schneller und gut darin, aus dem Hinterhalt anzugreifen.
Aber es war allzu dumm, dass sie ihr Manöver in der Nähe einer Cadwaladr machten. Diese Elitesoldaten mochten zwar klug, schnell und lautlos sein, aber sie waren nicht von einer Mutter aufgezogen worden, die Rhona das Fliegen beigebracht hatte, indem sie sich auf dem Gipfel des höchsten Berges von hinten an ihre Tochter herangepirscht, sie bei den Flügeln gepackt und in die Luft geworfen hatte, während sie rief: »Was immer du tust, Liebling, schau nicht nach unten!«
Nein. Man musste sich schon viel geschickter anstellen, wenn man sich an jemanden aus dem Cadwaladr-Clan heranschleichen wollte.
Rhona packte ihren Lieblingsspeer und folgte den drei Elitesoldaten, bis sie nur noch wenige Fuß von ihnen entfernt war. Nun erlaubte sie ihrem Schwanz, ein klein wenig hinter ihr herzuschleifen. Die drei männlichen Drachen blieben stehen, genau wie Rhona. Sie wusste, dass sie so etwas eigentlich nicht genießen durfte. Als Soldatin der Armee Ihrer Majestät sollte sie einfach nur ihre Arbeit tun und dann zu ihren Schwestern zurückkehren. Doch sie hatte in der letzten Zeit so wenig Spaß gehabt.
Der Drache, der ihr am nächsten stand, wirbelte herum, und Rhona stach ihm den Speer ins Auge. Während er aufschrie, zog sie ihre Waffe wieder heraus und benutzte sie, um das Schwert abzuwehren, das auf ihren Hals gezielt hatte. Sie schleuderte es zu Boden und rammte ihren Kopf gegen denjenigen, der es geführt hatte. Sie duckte sich, als ein weiteres Schwert auf ihren Kopf zuschwang, und drosch dann mit ihrem Schwanz auf den Kopf des Angreifers ein. Während er forttaumelte und sich das Blut aus den Augen zu wischen versuchte, wurde Rhona von einem der anderen Drachen nach hinten gestoßen. Sie fiel zu Boden, rollte sich aber schnell wieder auf die Klauen, hob ihren Speer und war bereit zum Zustoßen.
Der Eisendrache stürmte heran und schwang seine Klinge in einem Bogen. Rhona beugte sich zurück, und das Schwert fuhr über den Brustpanzer ihrer Rüstung, doch es ritzte kaum das Metall. Allerdings hatte der Eisendrache in seiner Hast zu viel Schwung genommen und taumelte nun weiter vorwärts. Rhona half ihm, indem sie ihm ihren Schwanz um die Klaue wickelte, die das Schwert hielt, und ihn zu Boden riss.
Sie verschwendete keine Zeit damit, etwas Phantasievolles mit ihm anzustellen, als er auf der Erde lag. Stattdessen rammte sie ihm ihren Speer in den Hals. Danach wich sie rasch zurück. Das war auch gut so. Derjenige, dem sie das Gesicht mit ihrem Schwanz aufgerissen hatte, hatte inzwischen begriffen, dass er nicht allzu schwer verletzt worden war, und griff sie nun an. Sie wehrte seine Schwertklinge mit ihrem Speer ab, bewegte sich nach hinten, hatte aber keine Zeit, elegant über die Körper der beiden anderen am Boden Liegenden hinwegzutänzeln. Sie stolperte und fiel hin. Der Eisendrache ergriff sofort die Gelegenheit und wollte sie abstechen. Rhona bohrte ihren Schwanz in den Boden, fing damit den eigenen Fall ab, drückte sich nach vorn und war wieder auf den Klauen. Sie hob den Speer und war bereit zuzustoßen.
Doch dann stürzte sie erneut. Eine große purpurfarbene Klaue stieß gegen ihre Brust und drängte sie zurück.
Rhona prallte hart auf den Boden, und die Atemluft wurde aus ihr herausgetrieben. Aber sie erlaubte sich nicht, einfach sitzen zu bleiben. Sie zwang sich wieder auf. Noch immer hielt sie ihren Speer gepackt. Sie beobachtete, wie der Eisendrache auf sie zukam, hob den Speer und wartete auf den richtigen Augenblick, um zuzustoßen. Dann sah sie den gewaltigen Kriegshammer von oben herabkommen. Der Eiserne sah ihn ebenfalls. Er packte Rhonas Speer und zog sie zu sich heran. Der Hammer war so schwer, dass nichts ihn mehr aufhalten konnte, und Rhona beugte sich rasch nach hinten. Aber es gelang ihr nicht mehr, ihren Speer ebenfalls wegzuziehen, und zu ihrem großen Entsetzen prallte dieser gewaltige, grobe Klumpen aus Nordländer-Stahl gegen ihre Lieblingswaffe und zerbrach den Schaft in zwei Teile.
Rhona taumelte rückwärts und hielt einen Teil des hölzernen Schaftes noch in der Klaue. Der Eisendrache fiel zu Boden, und der Blitzdrache wandte sich ihm zu, hob seinen Kriegshammer und schmetterte ihn in den Kopf des Feindes. Der Schrei um Gnade, den der Eiserne ausstieß, verstummte jäh, und der Nordländer drehte sich langsam zu Rhona um. Dunkelgraue Augen blickten auf das, was von ihrer Waffe übrig war, und dann sagte er mit vollkommenem Ernst: »Das ist der Grund, warum Frauen nicht hier draußen sein und kämpfen sollten. Das hätte genauso gut dein Kopf sein können.«
Vigholf der Bösartige rammte den Kopf seines Kriegshammers in den Boden und stützte sich auf dem Griff ab.
Das arme Ding. Sie schien über den Schaden an ihrem süßen kleinen Speer vollkommen erschüttert zu sein. Gute Götter, ein Speer? Seit der Frühzeit seiner Ausbildung, die er mit sechs Wintern begonnen hatte, hatte er keine solche Waffe mehr benutzt. Sein Vater, ein Bastard von einem Nordländer, war nicht der Meinung gewesen, dass seine Söhne noch ein wenig warten sollten. Er fand, sie sollten in der Lage sein, mit ihren eigenen Klauen und auch mit Waffen zu töten, noch bevor sie fliegen konnten. Olgeir der Verschwender hatte stets gesagt: »Vielleicht muss ich ja einen von euch kleinen Bastarden in die Kampfgrube werfen, um ein wenig Geld zu machen.« Aber Vigholf war dem Speer im Alter von zehn Wintern entwachsen und hatte sich danach erst der Keule, später dem Schwert und schließlich seiner Lieblingswaffe, dem Kriegshammer, gewidmet. Er besaß zwei Hämmer. Den einen benutzte er, wenn er seine natürliche Gestalt sowie die eines Menschen angenommen hatte, denn das Ding konnte durch einen heftigen Schlag gegen den Schaft ausgefahren werden. Der andere Hammer, den er nur als Drache einsetzte, hatte einen großen und schweren Kopf, der sogar einen Drachenschädel mit einem einzigen Schlag einschlagen konnte. Wenn Vigholf ein bisschen in Eile war, schwang er manchmal seinen Hammer von der einen Seite zur anderen, bis alle Soldaten entweder tot oder so zerschmettert waren, dass der Rest seiner Truppen sie fertigmachen konnte.
Aber ein Speer? Er war die Angriffswaffe der Legionen; nur eine Frau konnte ihn zu einem anderen Zweck einsetzen.
Da sie noch immer auf dem Boden saß und ihn anstarrte, offensichtlich verwirrt darüber, dass sie beinahe getötet worden wäre, streckte Vigholf ihr die Klaue entgegen. »Komm, Rhona, wir bringen dich in Sicherheit.«
Sie ergriff die Klaue, und er half ihr beim Aufstehen. Aber auf halbem Weg hielt sie inne und flüsterte etwas, wobei sie den Blick ihrer hübschen braunen Augen senkte. Vigholf beugte sich zu ihr hinab, weil er glaubte, sie sei während des Scharmützels verletzt worden – und genau in diesem Augenblick versetzte ihm diese hinterhältige kleine Schlampe einen Kopfstoß!
Verdammte Cadwaladrs! Keinem – absolut keinem – von ihnen konnte man trauen!
Vigholf ließ sie los und hob die Klauen an seine Stirn.
»Was sollte das denn?«
Jetzt stand sie und drückte ihm den abgebrochenen Schaft ihres Speeres gegen die Kehle. »Wenn du dich noch einmal zwischen mich und mein Opfer drängst, du anmaßender Ochse, dann reiße ich dir die Augen raus!«
»Ich wollte doch nur helfen, du unerträgliche Dämonin!«, fuhr er sie an und bekämpfte sein Verlangen, sie wieder zu Boden zu stoßen.
»Keiner hat dich gerufen! Du sollst keinem helfen! Du sollst keinem beistehen! Du sollst einfach nur nichts tun!«
Sie griff hinter sich und packte den anderen Teil des Speeres. »Mein Vater hat ihn mir geschenkt«, sagte sie zu ihm und streckte ihm die beiden Teile entgegen. »Mein Vater!«
»Oh, Rhona.« Eine weitere Cadwaladr-Frau, einer der hübschen Drillinge, kam herbei. »Dein Speer. Was ist passiert?«
»Dieser Idiot …«
»Ich wollte bloß helfen«, warf er ein.
»Halt den Mund!« Rhona räusperte sich und schaute starr zu Boden. Vigholf wusste, warum. Sie wollte sich unter Kontrolle bringen. Schließlich war sie Rhona die Furchtlose. Die perfekte Soldatin. Zumindest glaubte sie das. Ihr Frauenverstand sagte ihr, dass Soldaten niemals die Kontrolle über sich verloren, dass sie nicht wütend wurden und nicht herumbrüllten, es sei denn, sie gaben einen Befehl weiter. All das stimmte – aber nur in der Schlacht. Rhona war jedoch immer so.
Ehrlich gesagt genoss er es, dass er Zeuge werden durfte, wie sie endlich einmal die Kontrolle verlor. Wenn auch nur ein kleines bisschen.
Da er sie gern noch ein wenig länger wütend sehen wollte, fügte Vigholf hilfsbereit hinzu: »Ich habe da noch einen anderen hinreißenden Miniatur-Speer, der wie für dich geschaffen ist.«
Sie sah ihn mit ihren braunen Augen an. »Du kannst deinen Speer nehmen und ihn dir in den …«
»Rhona!«, riefen alle drei Schwestern. Sie hatten ihre grünen Augen weit aufgerissen und versuchten krampfhaft, nicht laut zu lachen.
Knurrend stapfte Rhona die Furchtlose davon, während schwarzer Rauch aus ihren Nasenlöchern stieg.
»Bringt diese Leichen zu den Kommandanten«, befahl sie über die Schulter hinweg.
»Du bist entzückend, wenn du wütend bist«, sagte er zu ihr.
»Halt den Mund!«
»Sie wird dich im Schlaf töten«, warnte eine ihrer Schwestern – war es Edana? –, sobald sich Rhona außer Hörweite befand. »Vater hat diesen Speer selbst gemacht.«
»Wir sind uns ziemlich sicher, dass sie ihn sogar mit ins Bett genommen hat«, sagte eine andere der Schwestern.
»Und dann kamst du und hast ihn zerbrochen. Du hast dich zwischen sie und ihr Opfer gestellt und sie verspottet«, bemerkte die dritte. »Das ist, als ob du um einen frühen Tod betteln würdest.«
»Ich wollte wirklich nur helfen. Ihr solltet nicht hier …«
»Wenn du sagen willst, dass wir Frauen nicht hier draußen sein sollten, dann …«
»… hacken wir dir die Beine ab, während du schläfst …«
»… und werfen sie den Waldtieren zum Abendessen vor.«
Eine von ihnen – Nesta? Götter, wer wusste das schon – tippte ihm an die Brust. »Wir mögen dich, Lord Bösartig. Bring uns nicht dazu, das bedauern zu müssen.«
Da Vigholf schon seit fünf Jahren neugierig auf die Antwort war, fragte er: »Rhona mag mich auch, oder?«
»Gute Götter, nein!«, sagte eine lachend und zog zwei Leichname an ihren Hinterklauen davon.
»Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich mich von ihr fernhalten, bis sie über den Verlust ihres Speeres hinweggekommen ist«, sagte eine andere. Vigholf konnte die drei Drachinnen einfach nicht auseinanderhalten. »Ansonsten könnte sie dir deine schönen grauen Augen ausstechen.«
»Ich bin ein Nordländer«, rief er ihr in Erinnerung. »Ich habe keine schönen Augen.«
Die Drillinge lachten.
»Aber wenigstens hast du sie noch, Blitzdrache. Das wird nicht mehr lange so sein, wenn du dich noch einmal zwischen unser Schwesterlein und ihren Schlachtenruhm stellst.«
Vigholf grinste und sah zu, wie die drei Drachenfrauen die sechs Leichen fortschleiften.
»Du solltest ihr einen neuen Speer beschaffen«, murmelte eine tiefe Stimme hinter ihm.
Vigholf warf einen Blick über die Schulter und erkannte seinen Vetter Meinhard. »Warum?«
»Weil ich keine Lust habe, dich an der Hand in die Schlacht zu führen, weil du dein Augenlicht verloren hast.«
»Sie wird mir nichts antun. Dafür ist sie viel zu nett.«
Meinhard betrachtete die Leichen, die auf Rhonas Rechnung gingen. »Ich glaube, Vetter, dass sie dir die Kehle durchschneiden und dann mit ihrer Sippe ein Bier trinken würde, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.«
»Die Babysitterin?« Das war sein Spitzname für Rhona die Furchtlose, die es sich zur Aufgabe gemacht zu haben schien, auf jeden aufzupassen, der jünger als hundertfünfzig war.
»Die Babysitterin ist sie nur für diejenigen, die ihr etwas bedeuten.« Meinhard packte mehrere Leichen gleichzeitig an den Schwänzen. »Für die anderen ist sie eine kaltblütige Soldatin. Die Götter wissen genau, dass du ihr nichts bedeutest, Vigholf.«
»Falsch. Im Augenblick hasst sie mich. Wenn man gehasst wird, bedeutet man für den anderen etwas, und mit einigem Geschick kann man diesen Hass in Liebe und schließlich auch in Anbetung verwandeln.«
Meinhard schüttelte den Kopf und ging davon. »Meine Mum hatte recht. Du bist dumm wie Bohnenstroh.«
»Deine Mum hat mich auch geliebt.«
»Nur weil du ihr leidgetan hast.«
»Siehst du?«, lachte Vigholf. »Mit einigem Geschick kommt danach Liebe und schließlich Anbetung.«
Schon seit fünf langen Jahren tobte der Krieg. Seit fünf langen Jahren hatte Rhona täglich mit den Blitzdrachen zu tun. Aber sie waren nicht mehr die Feinde, die zu verabscheuen man ihr schon als Kind beigebracht hatte. Stattdessen waren sie nun ihre Verbündeten. Seltsam, wie sich die Dinge ändern konnten. Rhonas Mutter und ihre Tanten und Onkel hatten sich einen Namen damit gemacht, die Blitzdrachen in der Schlacht niederzumetzeln. Ihre königlichen Vettern Fearghus, Briec und Gwenvael, die ältesten Söhne der Drachenkönigin, hatten den Nordländern ebenfalls im Kampf gegenübergestanden und sich dadurch einen Respekt erworben, der weit über ihr königliches Geblüt hinausging. Daher hatte Rhona immer angenommen, dass sie eines Tages Klaue gegen Klaue mit den Blitzdrachen kämpfen würde, so wie es ihre Sippe schon immer getan hatte.
Aber stattdessen war Rhona gezwungen, ihre Gegenwart als Verbündete zu ertragen. Sie war gezwungen zu vergessen, dass die Blitzdrachen Südland-Drachinnen entführt und sie dazu gezwungen hatten, ihre Gefährtinnen zu sein. Den Schwierigeren hatte man einen Flügel abgetrennt und hatte sie auf diese Weise in einem fremden, unwirtlichen Land gefangen gehalten, mit Männern, die sie verachteten. Doch wenn man die Nordländer an ihre Vergangenheit erinnerte, wiesen sie sofort darauf hin, dass all das schließlich schon sehr lange her sei. Inzwischen waren die älteren, herzloseren Anführer der Horde gestorben, und die neue Herrscherschicht duldete solche Praktiken nicht mehr. Nun gab es eine neue, freundlichere Horde, die einfach nicht glauben konnte, dass sich eine Frau in der Schlacht selbst zu schützen vermochte.
Ehrlich gesagt war es an Tagen wie diesem beinahe unmöglich, das Bild vom neuen, freundlichen Nordländer zu akzeptieren. Andererseits hatte Rhona vielleicht keine Schwierigkeiten damit, die Nordländer als Gesamtheit zu akzeptieren, sondern vor allem einen von ihnen. Vigholf den Bösartigen oder, wie sie ihn gerne nannte, Kommandant Pest.
Doch als sich Rhona wieder tief in der Bergfestung befand und für den Rest des Tages offiziell frei bekommen hatte, schob sie alle Gedanken an ärgerliche, engstirnige Nordländer beiseite und kam zu dem Schluss, dass sie unbedingt ein Bad brauchte. Sie hatte tief im Berg einen hübschen kleinen See mit einem Wasserfall entdeckt. Nur wenige kannten ihn, und sie alle hielten ihn vor den anderen geheim.
Doch Rhonas Pläne gelangten nur selten so zur Ausführung, wie sie es wollte, denn irgendetwas – oder irgendwer – kam ihr stets in die Quere.
»Hallo, Rhona.«
Rhona blieb stehen, und ihr Körper spannte sich beim Klang dieser Stimme an, die ihre Rauheit einem Messerschnitt durch die Kehle vor einigen Jahrhunderten verdankte. Rhona drehte sich um und stand einem der kommandierenden Offiziere gegenüber. »General!«
»Kannst du mich nicht einfach Mum nennen?«
Gute Götter! Wenn ihre Mutter »Kannst du mich nicht einfach Mum nennen?« sagte, kam das für Rhona einer Warnung gleich – so hell und klar wie ein Kriegsschrei von einem Berggipfel. Das erste Mal hatte Bradana die Verstümmlerin Rhona gebeten, sie Mum zu nennen, als sie die frisch geschlüpfte Delen die Blaue in Rhonas Arme gedrückt und gesagt hatte: »Du hast doch Zeit, dich um deine neue Schwester zu kümmern, oder?« Dann war Bradana in den Krieg gezogen – für fast vier Jahre.
Seitdem war Rhona beinahe immer verantwortlich für die Aufzucht ihrer Schwestern gewesen.
»Mum.«
»Ich habe gehört, dass du in Schwierigkeiten geraten bist.«
»Ja, aber das war nichts, womit wir nicht fertiggeworden wären. Ich hatte die Drillinge bei mir.«
»Meine Mädchen werden zu richtigen kleinen Raufbolden, nicht wahr?«
Rhona zuckte bei dieser Bezeichnung zusammen, denn schließlich zog sie keine Raufbolde auf. Sie zog Kriegerinnen auf. Aber ihre Mutter betrachtete dies als Kompliment, und so machte Rhona keine Einwände.
»Das sind sie. Sie werden mit jedem Tag besser.«
»Dein Onkel Bercelak will vermutlich, dass sie im nächsten Jahr ins Anubail-Gebirge kommen.«
»Großartig. Ich kann es gar nicht erwarten, bis sie endlich weg sind.« Also gut, das war glattweg gelogen. Zwar wollte sie durchaus, dass ihre Schwestern fortzogen und den Pfad des Drachenkriegers einschlugen, so wie es die anderen ebenfalls getan hatten. Aber von allen Nachkommen Bradanas, die Rhona über die Jahre großgezogen hatte, standen ihr ihre jüngsten Schwestern am nächsten. Das lag vielleicht daran, dass sie sogar dabei gewesen war, als sie aus dem Ei geschlüpft waren, wobei sie einander gestoßen und gebissen und mit den kleinen Schwänzen gepeitscht hatten. Für gewöhnlich war ihre Mutter beim Schlüpfen anwesend, aber kurz bevor die Drillinge auf die Welt kamen, hatte sie die Festung eines verräterischen Drachen überfallen müssen und zwar gehofft, sie würde rechtzeitig zurück sein – aber das war ihr nicht gelungen.
»Und«, fuhr ihre Mutter fort und kratzte sich dabei mit der Schwanzspitze die schlimme Narbe an ihrem Hals, »du kannst mit ihnen gehen. Ihr könnt alle zusammen trainieren. Wäre das nicht schön?«
Raffiniert. Ihre Mutter war eindeutig raffiniert. Bradana wusste genau, wie viel die Drillinge Rhona bedeuteten, und sie war sich nicht zu schade, diese Liebe zur Erreichung ihrer Ziele einzusetzen. Und eines dieser Ziele bestand darin, dass Rhona den Weg des Drachenkriegers einschlug. Wie ihre übrigen Kinder und die meisten anderen aus dem Cadwaladr-Clan. Bei diesem Plan gab es nur eine einzige Schwierigkeit: Rhona verspürte nicht den geringsten Wunsch, eine Drachenkriegerin zu werden. Sehr zur Verärgerung ihrer Mutter war Rhona mit dem, was sie tat, völlig zufrieden. Sie war eine Soldatin, und zwar eine verdammt gute.
Warum gab sich ihre Mutter so große Mühe mit ihr?
Rhona sagte: »Ich bin sicher, dass es ihnen gut ergehen wird. Und zwar ohne mich.«
»Dein Onkel Bercelak verschafft dir eine einzigartige Gelegenheit.«
»Das weiß ich zu schätzen, aber ich brauche sie nicht.«
Rhona drehte sich um und wollte gehen, denn nun benötigte sie mehr denn je ein Bad.
»Ich habe dir noch nicht erlaubt, wegzutreten«, fuhr ihre Mutter sie an, und Rhona drehte sich wütend um.
»Was jetzt, Mum? Bist du in diesem Augenblick meine Mutter oder meine Kommandantin? Von meiner Mutter darf ich nämlich ohne Weiteres wegtreten!«
»Ich bin beides!«
»Unmöglich. Entweder oder. Entscheide dich!«
»Knurr mich nicht so an, du schlangenhaftes kleines …«
Rhona hob eine Klaue, um ihrer Mutter das Wort abzuschneiden, und warf einen Blick hinter sich. »Ihr da«, raunzte sie die drei Soldaten an, die hinter ihr standen; einer von ihnen hielt sich den rechten Unterarm. »Was ist passiert?«
»Sein Arm. Er ist im Tunnel zerquetscht worden.«
Rhona wandte sich von ihrer Mutter ab und ging hinüber zu dem jungen Soldaten. »Er ist gebrochen. Du.« Sie deutete auf den goldenen Drachen. »Bring ihn zum Heiler. Und du« – sie zeigte auf den Blitzdrachen – »gehst zurück in den Tunnel. Die Kommandanten dort brauchen alle verfügbaren Helfer. Geh schon.«
Rhona sah wieder ihre Mutter an und fragte: »Wo waren wir? Ach ja. Ich bin eine schlangenhafte kleine … wie geht es weiter?«
Ihre Mutter peitschte den Schwanz auf den Boden und stapfte davon. Aber Rhona wusste, dass dieser Streit noch nicht beendet war. Er schwelte bereits, seit Rhona erstmals das Angebot ihres Onkels Bercelak abgelehnt hatte, im Anubail-Gebirge ausgebildet zu werden. Als Gefährte Ihrer Majestät, der Drachenkönigin, und als Kommandant der königlichen Armeen bot Bercelak der Große niemandem leichtfertig die Gelegenheit, in die Reihen der legendären Drachenkrieger aufgenommen zu werden. Rhonas Mutter hatte sogar die Schlacht verlassen, um nach ihrer Tochter zu suchen und ihr zu sagen, was für ein Dummkopf sie war, weil sie Bercelaks Angebot abgelehnt hatte. Aber Rhona würde es niemals zulassen, dass ihre Mutter sie dazu zwang oder sie überredete, ihre Meinung zu ändern. Rhona war stolz darauf, ihre eigenen Stärken und Schwächen genau zu kennen. Ihre Stärke lag darin, genauso stur wie ihre Mutter zu sein. Und ihre Schwäche wiederum, dass sie keine Drachenkriegerin sein wollte. Also gut, vielleicht war es keine richtige Schwäche, aber ihre Mutter hielt es dafür.
»Alles in Ordnung mit dir?«
Rhona sah ihre jüngere Schwester Delen an.
»Ja. Es war bloß wieder der altbekannte Streit. Warum wird er ihr bloß nie langweilig?«
»Das Schöne an Mum ist, dass ihr nie etwas langweilig wird. Sie kann ohne Ende töten, ohne je Langeweile dabei zu spüren. Ich glaube, das ist für sie ein Fremdwort. So wie rational. Oder fürsorglich.«
Rhona lachte zusammen mit ihrer Schwester und legte ihr den Arm um die Schultern. »Auch wieder wahr. Und wie geht es dir?«
»Prima. Ich werde in den nächsten Tagen mit meiner Truppe in den Tunneln arbeiten. Ich hoffe, ich kann sie gut genug antreiben, damit wir bald fertig sind. Je eher wir diese Berge untertunnelt haben, desto schneller können wir die Eisendrachen auslöschen und nach Hause gehen. Im Gegensatz zu unserer Mutter wird es mir nämlich durchaus langweilig.« Sie klopfte Rhona mit dem Schwanz auf die Schulter. »Und du solltest jetzt eine Pause einlegen. Seit Tagen arbeitest du nun schon ohne Unterbrechung. Du bist uns keine Hilfe, wenn du einschläfst, während wir die andere Seite erreichen.«
Rhona kicherte. »Allerdings.«
»Gehst du baden?«, flüsterte ihre Schwester.
»Ich versuche es wenigstens.«
»Nimm den Ausgang dahinten.« Sie deutete auf einen schmalen Tunnel, der in den Fels eingeschnitten war. »Dann musst du zwar ein bisschen ins Freie gehen, aber du vermeidest es, Mutter über den Weg zu laufen.«
»Danke, Liebes.«
Rhona huschte davon, ohne bemerkt zu werden, und zwängte sich durch den schmalen Tunnel, bis sie sich irgendwann auf dem Berggipfel wiederfand. Sie blieb stehen und schaute über das Tal von Euphrasia. Es war ein Landstrich, der zwischen dem Territorium der Nordländer, der Südländer und der Westlichen Berge lag. Es war ein raues und gefährliches Tal mit dichten, beinahe urwaldartigen Wäldern im Sommer und grausam kalten Winden und Eisstürmen im Winter. Umgeben war es von einer Bergkette unterschiedlicher Höhen. Sie hatten die Hesiod-Berge zu ihrer Festung gemacht, während die Eisendrachen, die sich ihnen unmittelbar gegenüber befanden, die Polycarp-Berge zu ihrem Schutz benutzten. Sie hätten es schlimmer treffen können. Zumindest hatten sie Zugang zu frischem Wasser und Nahrungsmitteln.
»Schön, nicht wahr?«
Rhona ließ die Schultern hängen und schloss die Augen. »Ich habe einfach nie meine Ruhe«, seufzte sie.
»Was habe ich denn jetzt schon wieder falsch gemacht?«
Sie machte sich nicht die Mühe, sich zu dem Blitzdrachen umzudrehen. Was hätte es für einen Sinn gehabt?
»Nichts.« Sie ging über den Gipfelgrat, aber der Blitzdrache stellte sich rasch vor sie. »Was wäre denn, wenn ich dir ein Langschwert mitgebracht hätte?«
»Was?« Wovon redete er? Gute Götter! Sie wollte doch bloß ein Bad nehmen!
»Ein Langschwert. Als Ersatz für deinen Speer.«
»Du brauchst mir nichts zu kaufen. Insbesondere keine Waffen.« Sie machte einen Schritt voran, und er ging mit.
»Ich kann dir beibringen, wie man damit umgeht, wenn du deswegen Bedenken haben solltest.«
Rhona ballte die Vorderklauen zu Fäusten. »Du brauchst mir nicht beizubringen, wie man mit einem Schwert umgeht.«
»Du solltest aber keines benutzen, bevor du keine Übung damit hast.«
»Ich habe Übung.«
»Und warum benutzt du dann noch immer einen Speer?«
»Weil ich Speere mag. Und weil mein Vater ihn für mich gemacht hat. Warum erzähle ich dir das überhaupt?«
Sie machte einen weiteren Schritt, und er ging wieder mit. »Wie wäre es mit einer Axt?«, fragte er. »Einer kleinen, die so leicht ist, dass du mit ihr umgehen kannst.«
Nun wurde Rhona ein wenig unwirsch.
Gute Götter, sie war eine so hübsche kleine Drachin. Etwas zu sehr vernarbt für seinen Geschmack, aber trotzdem … sehr hübsch. Dieser Meinung war er von Anfang an gewesen, als er sie vor vielen Jahren zum ersten Mal gesehen hatte. Sie war eine Drachin mit braunen Schuppen und schulterlangem braunem Haar, das sie zu einfachen Kriegerzöpfen geflochten hatte, und ihre dunkelbraunen Augen waren schimmernd und lebhaft – wenn sie ihn nicht gerade böse anblitzten. Das kam in letzter Zeit allerdings sehr häufig vor. Er konnte nur vermuten, dass es die Belastung des Krieges war. Schließlich war sie eine Südländerin und überdies eine Frau. Die Nordländer kannten nichts außer dem Krieg, und deshalb waren fünf Jahre Kampf für sie keine wirkliche Belastung.
Allerdings war sie nicht irgendeine Südländer-Drachin. Sie war eine Cadwaladr. Aus dieser Blutlinie kamen fast ausschließlich Frauen, die sich in einem psychischen Ungleichgewicht befanden. Aber Rhona war ein wenig anders. Auch sie tötete, aber sie schien es nicht übermäßig zu genießen. Sie war nicht wie ihre Mutter, die nur dann lächelte, wenn sie jemandem den Kopf absäbelte. Nein, Rhona die Furchtlose war anders, und deshalb hatte es sich Vigholf zur Aufgabe gemacht, über sie zu wachen. Ein süßes Ding wie sie konnte leicht einem stürmischeren seiner Brüder zum Opfer fallen, und deshalb hatte er diese schon gewarnt. Eindringlich. Natürlich verfolgte er sie nicht; er … behielt sie nur im Auge.
Doch manchmal hatte es den Anschein, als ob Rhonas größte Schwierigkeit ihre Mutter war.
Vigholf schauderte beinahe bei dem Gedanken an diese außerordentliche Frau. Doch die meisten ihrer Nachkommen waren angenehm: Rhona, die Drillinge und noch ein paar andere Töchter und Söhne. Aber es hieß, dass Rhona die meisten von ihnen aufgezogen hatte, was seiner Meinung nach eine Menge erklärte.
»Ich brauche keine Axt«, knurrte Rhona zwischen zusammengebissenen Zähnen.
»Du brauchst keine Angst davor zu haben. Diese Waffen sind einfach zu führen.«
»Ich weiß, wie man eine Axt führt, Fremder. Ich brauche keinen Unterricht von dir. Warum akzeptierst du nicht einfach die Tatsache, dass du eine heiß geliebte Waffe zerstört hast, nur weil du deinen eigenen Kriegshammer kaum unter Kontrolle hast?«
»Ich habe die absolute Kontrolle über ihn, vielen Dank auch. Aber wenn er einmal in Bewegung ist, kann man ihn nicht mehr so leicht stoppen, Mylady.« Er grinste dreist. »Das kann ich von all meinen Hämmern behaupten.«
»Ich bin keine Lady. Ich bin eine Cadwaladr und Sergeantin in der Armee Ihrer Majestät. Wenn du mit jemandem von königlichem Geblüt reden willst, musst du zu meiner Cousine Keita gehen. Sie könnte nicht königlicher sein.«
Sie machte einen Bogen um ihn, und er drehte sich um und folgte ihr, da schlug sie mit dem Schwanz aus und zielte nach seinem Auge. Vigholf taumelte zurück, und Rhona warf einen Blick über die Schulter und fuhr ihn an: »Hör auf, mir nachzuschleichen!«
»Ich wollte nicht … Ich will dich bloß im Auge behalten. Diese Höhlen können gefährlich sein.«
»Der Tag, an dem eine Drachin nicht mehr nach Belieben in einer Höhle herumspazieren kann, ist der Tag, an dem sie sich auf den Scheiterhaufen begeben sollte.«
»Oder sich eine Eskorte zulegen.«
Ihre braunen Augen rollten fast ganz in den Kopf, doch bevor sie etwas erwidern konnte, hörten sie beide, wie ihr Name gerufen wurde.
»Was ist?«, rief sie über ihn hinweg.
Eine ihrer Schwestern – er wusste nicht, welche es war – erschien im Höhleneingang. »Sie tun es schon wieder.«
Rhonas Knurren war so heftig, dass Vigholf kurz erwog, ihr aus dem Weg zu gehen. Er tat es nicht, aber immerhin war ihm der Gedanke gekommen.
»Bei den unheiligen Göttern von Mist und Feuer, ich werde sie beide umbringen!«, schrie sie. »Und wenn nicht sie, dann … diese Frau. Dann hört der ganze Zentaurenmist vielleicht endlich auf!«
Rhona drängte sich an ihm vorbei und marschierte in die Richtung, die ihre Schwester ihr gewiesen hatte, und ließ Vigholf einfach stehen. Anstatt ihr zu folgen, ging er in die Richtung weiter, in der sie vorhin unterwegs gewesen war. Nach wenigen Minuten kam er zu dem unterirdischen Wasserfall. Das war also ihr Ziel gewesen. Diese Frau mochte wohl ein gelegentliches Bad. Aber wie immer waren ihr die Bedürfnisse der anderen dazwischengekommen. Pech für sie.
Rhona stürmte durch die Kammern und Kavernen, in denen die Drachen aus den unteren Rängen hausten, wenn sie nicht gerade draußen im Feld waren.
Wie Rhonas Schwester gesagt hatte, taten es ihre Vettern schon wieder, während der Rest der jungen Rekruten in einem Kreis um sie herumstand. Es wurden Münzen hin und her gereicht, Wetten angenommen und der jeweilige Favorit angefeuert.
Rhona kochte. Sie hatte genug von alldem. Sie zwängte sich an den Soldaten vorbei und packte die beiden jungen Männer bei den Flügeln. Mit einer Stärke, die daraus resultierte, dass sie ihre Brüder aufgezogen hatte, riss Rhona sie erst auseinander und rammte sie dann wieder zusammen. Ihre harten Köpfe prallten gegeneinander, und verwirrt taumelten sie umher.
»Es reicht!«, bellte sie und stieß die beiden in die zuschauende Menge. »Ich bin diesen Zentaurenmist leid!«
»Er hat angefangen …«
»Du hast angefangen …«
Rhona stieß eine Flamme aus – zuerst auf den einen gerichtet, der gegen die Wand geschleudert wurde, und dann auf den anderen, der nun über den Höhlenboden rollte.
»Ich habe gesagt: Es reicht!«
Sie sah die anderen Rekruten an. »Hinaus! Ihr alle!«
Sie stolperten davon, als ob die Götter des Todes hinter ihnen her wären.
Als sie endlich mit ihren Vettern allein war, sagte Rhona: »Ich glaube euch beiden nicht. Seit fünf Jahren muss ich mich jetzt schon mit diesem Mist herumschlagen. Seit fünf Jahren sehe ich zu, wie ihr beide euch wie Kampfhunde an die Gurgel geht!« Sie schüttelte den Kopf. »Diese Schlampe muss eine sehr interessante Muschi haben.«
Éibhear der Blaue, ihr königlicher Vetter und jüngster Nachkomme Ihrer Majestät, richtete sich zu seiner ganzen Größe auf. »Rhona! Das ist meine …«
»Wenn du jetzt ›Nichte‹ sagst, reiße ich dir die Lippen ab! Wir beide wissen doch, dass Izzy eben nicht deine Nichte ist, du Trottel. Sie ist bloß eine Hure, die sich zwischen zwei Vettern gestellt hat!«
Ihr nicht einmal entfernt königlicher Vetter Celyn der Schwarze fasste Mut und baute sich ebenfalls vor ihr auf. »Wage es nicht, so über Izzy zu reden. Wenn es irgendjemandes Schuld ist, dann seine!« Anklagend zeigte Celyn mit einer Kralle auf seinen Vetter. »Dieser durchgeknallte Verrückte!«
»Du hast die Lage ausgenutzt!«
»Das ist eine Lüge!«
»Haltet das Maul!«
Beide Männer knurrten und wandten den Blick voneinander ab.
Und all das nur wegen eines weiblichen Wesens. Nicht einmal wegen einer Drachin, sondern wegen einer bloßen Menschenfrau. Als die Menschen und Drachen, aus denen sich die Truppen von Annwyl der Blutigen und der Drachenkönigin Rhiannon zusammensetzten, vor ein paar Jahren auf den Westlichen Ebenen gegen die Stämme gekämpft hatten, hatte die Adoptivtochter von Éibhears Bruder Briec beschlossen, es sei eine gute Idee, sich Celyn als Liebhaber zuzulegen. Und seitdem litt der ganze Rest unter der dämlichen Entscheidung dieses Mädchens.
»Vielleicht habt ihr noch nicht bemerkt«, betonte Rhona, »dass wir uns mitten in einem götterverdammten Krieg befinden. Vielleicht habt ihr noch nicht mitbekommen, dass ihr beiden Idioten immer eure Kameraden gefährdet, wenn ihr so etwas tut. Unsere Truppen riskieren jeden Tag ihr Leben, und ihr beide hackt aufeinander ein wie erboste Vögel. Als ob ihr nichts Besseres zu tun hättet!«
»Rhona …«
»Ich will es nicht hören, Éibhear. Nicht ein einziges Wort!«
Sie stemmte die Vorderklauen in die Hüften. »Ich sollte euch beide zurück in die Südländer schicken. Ein paar Jahre Verbannung, während die anderen aus eurer Sippe um Ruhm oder Tod kämpfen, könnten meine Argumente vielleicht verdeutlichen.«
Wie erwartet, konnte Rhona das Entsetzen über diese Drohung in den Augen der beiden sehen. Es war eine Drohung, die sie durchaus wahrgemacht hätte – wenn die rohe Kraft und Gewalt dieser beiden Dummköpfe entbehrlich gewesen wäre. Aber das wussten diese beiden Kleingeister niederen Ranges natürlich nicht.
»Bitte nicht, Rhona«, bettelte Éibhear. »Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Das wird es nicht«, bekräftigte Celyn. »Schick uns bloß nicht zurück.«
»Ich weiß nicht …«, zierte sie sich.
»Wir werden nie wieder gegeneinander kämpfen.«
»Nie wieder.«
Rhona machte sich nicht die Mühe, den beiden einen Eid darauf abzunehmen. Was hatte es für einen Sinn, wenn sie nicht einmal begriffen, dass sie gerade logen? Aber wenigstens konnte sie sicher sein, ihnen ein wenig Angst eingejagt zu haben.
»In Ordnung«, sagte sie schließlich und beobachtete, wie die Körper der beiden vor Erleichterung in sich zusammensackten. »Aber wenn ich euch noch ein einziges Mal beim Kampf gegeneinander erwische …«
»Das wirst du nicht«, versprach Éibhear rasch. »Das wirst du bestimmt nicht.«
»Das will ich euch auch geraten haben«, warnte sie.
Mit diesen Worten verließ sie die Kammer und ging zu ihrem götterverdammten Bad.
Éibhear der Blaue warf seinem Vetter einen grimmigen Blick zu. »Das ist deine Schuld.«
»Meine Schuld? Du hast doch angefangen!«
»Ich soll angefangen haben? Wenn du deine Hormone im Zaum …«
»Dieses Thema schon wieder? Wirklich?«
»Ja, wirklich!«
»Ich kann dir versichern, Vetter, dass alles, was ich mit Izzy gemacht habe, auf ihre ausdrückliche Zustimmung gestoßen ist!«
Wieder standen sie einander Brust an Brust gegenüber, und Éibhear genoss die Tatsache, dass er seit seinen letzten Wachstumsschüben ein wenig größer als Celyn war.
»Das kann einfach kein weiterer Streit sein, den ich da höre«, rief Rhonas Stimme von draußen herein. »Ich weiß es ganz genau.«
Austell der Rote kam hereingestürmt und drängte sich zwischen die beiden. »Nein, nein«, brüllte er nach draußen. »Du hörst rein gar nichts!« Er schob die beiden auseinander, wie es Rhona vorhin getan hatte. »Überhaupt nichts.«
Austell, ein Soldatenkamerad und Freund von Éibhear und Celyn, sah die beiden Drachen finster an. »Was ist los mit euch? Dieses Gestreite muss aufhören.«
»Der Trottel da ist schuld«, fauchte Celyn.
»Ich?«
»Geh.« Austell schob Celyn von sich weg. »Geh einfach.«
»Ich habe sowieso Wachdienst«, sagte dieser und stapfte davon.
»Stirb keinen tragischen Tod, während du da draußen bist«, rief Éibhear ihm nach.
»Halt das Maul!«
Austell schüttelte den Kopf. »Vettern sollten nicht so miteinander streiten.«
»Das ist seine Schuld.«
»Und alles nur wegen einer Frau.«
»Sie ist unschuldig.«
Austell zuckte die Achseln. »Da habe ich anderes gehört.«
Éibhear packte seinen Freund an der Kehle und rammte ihn gegen die Wand, noch bevor er begriffen hatte, was er gerade tat.
Austell befreite sich aus dem Griff von Éibhears Klaue und meinte: »Wann wirst du endlich zugeben, was deine Gefühle ihr gegenüber …«
»Sie ist meine Nichte.«
»Sie ist nicht blutsverwandt mit dir.« Er klopfte Éibhear auf die Schulter. »Sei klug, mein Freund. Keine Frau auf der ganzen Welt ist es wert, dass man um sie kämpft.«
»Ich kämpfe um niemanden. Ich beschütze lediglich eine Verwandte.«
»Glaubst du den Mist wirklich, den du erzählst?«
Éibhear seufzte und ging davon, weil er sich etwas zu essen besorgen wollte. »Im Allgemeinen schon.«
Vateria, die älteste Tochter aus dem Hause Atia Flominia, betrat das Zimmer, in dem sich ihre jüngeren Schwestern zum abendlichen Ausgehen bereitmachten. Die Söhne von Laudaricus, dem menschlichen Führer dieses Landes, veranstalteten Spiele, und Vaterias Familie würde ihnen die Ehre ihrer Anwesenheit auf der königlichen Tribüne erweisen. Alle Familienmitglieder würden in menschlicher Gestalt teilnehmen, wie sie es oft taten, aber sie erlaubten ihren Menschenuntertanen niemals zu vergessen, wer oder was sie in Wirklichkeit waren.
Denn sie waren die wahren Herrscher dieses Landes. Sie geboten schon seit den letzten sechshundert Jahren über die Quintilianischen Hoheitsgebiete. Sie waren Eisendrachen.
Es hatte eine Zeit gegeben, da die Eisendrachen zu den Drachen der Dunklen Ebenen gehört hatten. Aber Vaterias Großvater war es leid gewesen, sich von einem anderen beherrschen zu lassen, und so hatten er und seine Verbündeten ihre Familien nach Westen ins Aricia-Gebirge geführt, das zur Quintilianischen Provinz gehörte. Im Gegensatz zu den Drachen der Dunklen Ebenen hatte Großvater sich geweigert, seine wahre Gestalt vor den Menschen zu verbergen. Stattdessen hatte er die kleine Herrschergruppe der Quintilianischen Menschen vor die Wahl gestellt: Entweder sie akzeptierten die Eisendrachen als ihre Herrscher, oder sie sahen zu, wie ihre Männer verbrannt und ihre Frauen und Kinder versklavt wurden. Die Herrscher waren genauso schwach wie alle anderen Menschen gewesen und hatten rasch zugestimmt. Sie hatten geglaubt, sie könnten die Eindringlinge in ihren unterirdischen Höhlen angreifen und vernichten, sobald die Drachen es sich dort bequem gemacht hatten.
Doch Vaterias Großvater war zu klug für sie gewesen. Von Anfang an wollte er sich die Quintilianische Provinz aneignen. Er brachte nicht viele Menschen um – schließlich brauchte er sie als Bauern, Viehtreiber und Arbeiter –, sondern schüchterte sie durch die Drohung mit dem Tod und noch Schlimmerem ein. Wenn ein Senator es wagte, eine seiner Entscheidungen infrage zu stellen, wurden seine Kinder versklavt, seine Frau – oder seine Frauen – zu Huren gemacht und seine Ländereien niedergebrannt. Er selbst aber wurde verschont, sodass alle ihn sehen konnten, wenn er Tag für Tag heimatlos und bettelarm durch die Straßen zog. Manchmal begegneten ihm Mitglieder seiner versklavten Familie auf dem Weg zu ihrer Arbeit – mit Peitschennarben an den Körpern und den Zeichen ihrer Eigentümer auf den Gesichtern eingebrannt. Manchmal waren es sogar mehrere Brandzeichen, wenn sie wiederholt verkauft worden waren.
Als Großvater das Reich an seinen ältesten Sohn und Vaterias Vater Thracius abgetreten hatte, war die Herrschaft der Eisendrachen in Quintilian bereits unangefochten. Zu jener Zeit hatte Thracius den Gefährten von Adienna, der damaligen südländischen Drachenkönigin, während der Großen Schlacht von Aricia entführt und nach Quintilian gebracht. Während die Königin Boten mit Friedensangeboten und dem Versprechen, keine Vergeltung zu üben, losgeschickt hatte, um ihren Gefährten freizukaufen, hatte Thracius zum Gedenken an seinen Vater Spiele abgehalten, deren Höhepunkt die Kreuzigung des Gefährten der Drachenkönigin gewesen war.
Als er tot war, hatte man ihn in Stücke geschnitten, in Kisten verpackt und an seine Königin zurückgeschickt. Damals hatte die Königin den Gerüchten zufolge einen sofortigen Angriff auf Quintilian geplant. Genau darauf hatte Thracius gehofft, denn er wollte nicht auf ihrem, sondern auf seinem eigenen Territorium kämpfen. Doch dieser Zusammenstoß fand nicht statt, da die Königin zwischenzeitlich in andere Schwierigkeiten geraten war. Dabei handelte es sich um die Barbarendrachen aus dem Norden, die sogenannten Blitzdrachen. Thracius hatte erwogen, zu diesem Zeitpunkt die Dunklen Ebenen anzugreifen, aber er war sich nicht sicher gewesen, ob sich die Barbaren auf seine Seite schlagen würden. Die Blitzdrachen konnten mit Gold oder Frauen – beides besaßen die Südländer im Überfluss – leicht gekauft werden. Außerdem gab es im Westen der Provinz noch vieles, was Thracius sehr interessierte, und er hatte noch nie zum übereilten Handeln geneigt.
Nun, Jahrhunderte später, war es nicht mehr bloß die Quintilianische Provinz. Quintilian war inzwischen zur Hauptstadt dessen geworden, was als die Quintilianischen Hoheitsgebiete bekannt war, und das Territorium dieses Reiches erstreckte sich Tausende von Meilen in alle Richtungen.
In alle Richtungen außer einer.
Aber das würde sich bald ändern, denn gegenwärtig kämpften Vaterias Vater und seine gewaltige Armee Barbarenhorden im Tal von Euphrasia gegen die Armeen der Drachenkönigin, während sich Laudaricus’ Menschentruppen in den Westlichen Bergen mit den Armeen von Annwyl der Blutrünstigen, der Königin der Insel Garbhán, schlugen.
Dieser Doppelangriff war sehr vielversprechend, besonders weil die feindlichen Armeen nicht annähernd so viele Soldaten wie die Eisendrachen hatten.
Columella, eine von Vaterias vier Schwestern, posierte in ihrem dunkelroten Kleid vor Vateria. »Was hältst du davon?«
»Ganz nett.«
»Deine Schmeicheleien überwältigen mich, Schwester.«
»Das wollte ich nicht.« Vateria betrachtete eine ihrer jüngeren Cousinen und kniff die Augen zusammen. »Das ist doch meine Halskette«, sagte sie.
»Darf ich sie mir etwa nicht ausleihen?« Die junge Drachin warf einen Blick über ihre Schulter auf Vateria. Ihr Tonfall war ausgelassen und neckisch, was der Erregung über den bevorstehenden Abend zuzuschreiben war. Wenn sich Vateria recht erinnerte, war es das erste gesellschaftliche Ereignis, an dem ihre Cousine als Erwachsene teilnahm. »Du musst zugeben, dass sie mir etwas besser steht als dir.«
»Das stimmt, Cousine«, gab Vateria zu. Dann griff sie ihrer Cousine an den Hals und fuhr ihre Krallen aus, die sich sofort durch die Haut bohrten, und Blut ergoss sich auf ihre immer noch menschlich geformte Hand. »Aber das heißt nicht, dass du dir alles nehmen kannst, was mir gehört.«
Vaterias Cousine hämmerte ihr gegen Arme und Brust; sie konnte nicht mehr schreien oder atmen. Vateria warf sie zu Boden und wartete, bis sich unter ihrem Kopf eine hübsche Blutlache gebildet hatte, bevor sie sie losließ. Sie riss ihrer Cousine die Kette von Hals und ging hinüber zu einem der zusammengekauerten menschlichen Diener.
»Sie soll noch ein bisschen ausbluten. Wenn sie kurz vor dem Tod steht …« – sie holte eine kleine Phiole hervor und gab sie dem zitternden Sklaven – »… trägst du ihr diese Salbe auf. Sie sollte die Blutung stillen und sie am Leben erhalten.« Es war etwas, das Vateria bei ihren regelmäßigen Vergnügungen in den Kerkern ihres Vaters entdeckt hatte. Dort unten nämlich verbarg sie etwas sehr Wertvolles – etwas unermesslich Wertvolles, das einen anderen, gefährlicheren Feind für immer von den Toren der Stadt fernhielt. Zumindest so lange, bis der große Oberherr Thracius und seine Armee zurückgekehrt waren.
Vateria wandte sich an eine der königlichen Wachen, einen Drachen. »Sie leidet stärker, wenn sie in menschlicher Gestalt ist. Falls sie sich also in einen Drachen verwandeln will, tötest du sie an Ort und Stelle.«
Er nickte, und Vateria gab den anderen Frauen ein Zeichen. »Kommt, wir gehen. Wir müssen unsere Plätze einnehmen, damit die Spiele beginnen können.« Denn niemand würde es wagen, das Startzeichen für die Spiele zu geben, solange die königliche Familie nicht anwesend war.
Vateria ging den Korridor entlang, und die anderen Frauen folgten ihr, während ein Diener neben ihr herlief und ihr das Blut von der Hand wischte.
»Du hättest ihr die Kette einfach nur abnehmen können, Schwester«, meinte Columella.
»Das stimmt allerdings. Aber was hätte meine Cousine daraus gelernt?«
Am nächsten Morgen betrat Vigholf den Kriegsraum seines Bruders und stellte die Frage, die ihn die ganze Nacht hindurch gequält hatte: »Kennst du jemanden, der einen Speer reparieren kann?«
»Einen Speer?« Ragnar der Listige schaute von seinen Papierrollen auf. »Seit wann kämpfst du denn wieder mit dem Speer?«
»Es ist nicht meiner.« Er warf einen Blick auf das, was sein Bruder gerade betrachtete. »Was ist das?«
»Das sind die Tunnelpläne.« Seit fast sieben Monaten gruben ihre Truppen einen Tunnel durch das Polycarp-Gebirge, der sie geradewegs zur Festung der Eisendrachen führen würde. Sobald sie dort waren, konnten sie die Eisendrachen überraschen und vernichten. Zumindest war das der gegenwärtige Plan. Ob er funktionieren würde, war nicht vorherzusagen, aber es war besser, als bloß herumzusitzen und darauf zu warten, dass etwas geschah. »Es sollte nicht mehr lange dauern.«
»Gut, denn die Eisernen werden allmählich immer kecker.«
»Warum sagst du das?«, fragte Ragnar.
»Sie haben schon wieder versucht, bei uns einzudringen. Ich habe keine Ahnung, was sie hier zu finden hoffen.«
»Wie viele waren es diesmal?«
»Etwa zehn, die uns ablenken sollten, und drei Elitesoldaten, die sich währenddessen an uns vorbeistehlen wollten.«
Ragnar hob wieder den Blick. »Nur drei?«
»Ja.« Vigholf erspähte in einer Ecke einen Stapel getrockneter und geräucherter Kuhbeine; er ging hinüber und holte sich eines. »Deshalb habe ich vorhin gesagt, dass ich nicht verstehe, was sie beabsichtigen. Wollen sie vielleicht spionieren?«
»Möglicherweise.« Ragnar lehnte sich zurück. »Oder sie wissen von dem Tunnel, oder sie haben eine schwache Stelle gefunden. Irgendetwas, das wir übersehen haben.«
»Sei nicht so paranoid.« Vigholf riss mit seinen Fängen das Fleisch von dem Kuhbein. »Wir haben nichts übersehen. Alle Aus- und Eingänge sind versteckt. Und wenn sie etwas von den Tunneln wüssten, hätte Thracius sie längst zerstört.«
»Das kannst du nicht wissen.«
Meinhard kam herein, und Vigholf warf ihm ein Kuhbein zu. »Ragnar ist paranoid geworden.«
»Das war er doch schon immer.«
»Wir können es uns nicht leisten, dass jemand hereinkommt«, rief Ragnar ihnen in Erinnerung. »Tut mir also einen Gefallen und vergewissert euch, dass wir keine weiteren möglichen Eingänge übersehen haben.«
»Du bittest uns um einen Gefallen?«, fragte Vigholf.
»Als ob wir alte Kumpel wären?«, fügte Meinhard hinzu.
Ragnar schlug entnervt mit der Klaue auf die dicke Holzplatte des Tisches und schrie: »Tut, was ich euch gesagt habe!«
»Kein Grund, uns anzuschnauzen«, murmelte Meinhard. Vigholf verbarg sein Grinsen hinter dem Kuhbein.
»Bastarde«, beschwerte sich Ragnar knurrend, doch als die liebliche Prinzessin Keita hereinkam, setzte er rasch ein Lächeln auf.
»Oh«, jauchzte sie. »So viele schöne Männer auf engem Raum zusammen. Das macht ein Mädchen glücklich!«
Ragnar streckte die Klaue aus, und Keita ergriff sie und erlaubte ihm, sie an seine Seite zu ziehen.
»Die Eisendrachen haben wieder versucht, hier einzudringen. Das macht mir Sorgen«, murmelte Ragnar ihr zu.
»Es wird alles gut.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber ich bin froh, dass du mit Ren in die Dunklen Ebenen gehst.«
»Ren verlässt uns?«, fragte Vigholf. Ren von den Auserwählten war das, was die Nordländer einen »ausländischen Drachen« nannten – was bedeutete, dass er aus einer Gegend stammte, in der noch niemand von ihnen je gewesen war. Besonders bezog es sich auf die östlichen Länder jenseits des Meeres. Ren hatte sich als hilfreicher Verbündeter erwiesen, denn er war geschickt im Kampf und konnte auch Magie wirken. Beides war in einer heißen Schlacht sehr willkommen.
»Er wird in den Dunklen Ebenen gebraucht«, antwortete Ragnar, während er Keitas Gesicht betrachtete. »Und Keita wird ihn begleiten.«
»Dein Bruder versucht mich loszuwerden.«
»Du weißt, dass das nicht stimmt.«
»Wir haben dich gern bei uns«, meinte Vigholf. »Du bist der einzige Grund, warum Ragnar wenigstens ansatzweise umgänglich ist.«
»Danke«, sagte Ragnar nur.
Keita klopfte ihm auf den Rücken. »Ich könnte hierbleiben. Falls ihr mich braucht.«
»Ich brauche dich wirklich. Aber ich werde mich besser fühlen, wenn du weit weg von hier bist.« Er drückte sie an sich. »Geh mit Ren. Er wird deine Gesellschaft zu schätzen wissen.«
»Was das angeht …« Keita stellte sich auf die Klauenspitzen und flüsterte Ragnar etwas ins Ohr. Vigholf sah zu Meinhard hinüber, aber sein Vetter war zu beschäftigt damit, das Mark aus dem Kuhknochen zu saugen, als dass er irgendetwas bemerkt hätte.
»Bist du sicher?«, fragte Ragnar.
Keita nickte. »Sie ist die beste Wahl.«
»Vielleicht, aber ich bezweifle, dass sie glücklich darüber sein wird.«
»Sie wird es für mich tun. Außerdem könnte ich wetten, dass ihr eine gewisse räumliche Entfernung von meiner Tante sehr recht ist.«
»Ich würde mich besser fühlen, wenn sie bei euch wäre. Sie ist gut.«
»Und dir gefällt der Gedanke nicht, dass ich allein mit Ren sein könnte«, zog sie ihn auf. »Dabei weiß er doch, dass ich deine Kriegerschlampe bin.«
»Es heißt Maid, Keita!«, beschwerte sich Ragnar, als Vigholf und Meinhard lachten. »Kriegermaid. Nicht Kriegerschlampe oder Kriegerhure oder Kriegerschnecke. Krieger – maid.«
Sie kicherte und machte sich von ihm frei. Ohne ein weiteres Wort verließ sie den Raum.
»Worum ging es?«, fragte Vigholf.
»Sicherheitsvorkehrungen für den Flug zurück in die Südländer.«
»Wozu? Der Ausländer kann sehr gut auf Keita und sich selbst aufpassen.«
Ragnar wollte etwas sagen, hielt aber inne. Er dachte kurz nach und meinte dann: »Er könnte abgelenkt werden. Es ist besser, wenn er einen Schutz dabei hat. Besonders wenn Keita mit ihm reist.«
»Und wer? Einer ihrer Brüder? Gute Götter«, fügte Vigholf rasch hinzu, »nicht der Junge!«
»Nein. Éibhear bleibt hier. Und Fearghus und Briec brauche ich ebenfalls. Wir schicken stattdessen eine der Cousinen.« Er schnippte mit den Klauen. »Behaltet es erst einmal für euch; wir können später darüber reden.«
»Eine Cadwaladr?«, bedrängte Vigholf ihn. »Wer könnte bereit sein, das Schlachtfeld zu verlassen, nur um ein paar Personen von königlichem Geblüt zu begleiten?« Er schüttelte den Kopf. »Niemals.«
»Aber du weißt, dass Keita ein Nein niemals als Antwort hinnehmen würde«, rief Ragnar ihm in Erinnerung. »Meine Drachin weiß immer, wie sie bekommt, was sie will – egal wie wütend sie dazu werden muss.«
Obwohl Rhona am vergangenen Abend nach vielfältigen Ablenkungen und Unterbrechungen, die ihre ganze Aufmerksamkeit erfordert hatten, nicht mehr die Zeit für ein Bad gefunden hatte, war es ihr während des Frühstücks endlich gelungen, sich davonzustehlen.
Nun stand sie unter dem Wasserfall und ließ das Wasser auf sich herunterstürzen. Es fühlte sich wundervoll auf den Schuppen an, trommelte die Anspannung aus ihrem Körper und massierte ihre Muskeln.
Ah! Das war genau das, was sie brauchte. Eine Gelegenheit, sich zu entspannen, die Stille zu genießen und …
»Cousine!«
Rhona drehte sich zur Höhlenwand; sie weigerte sich, gestört zu werden. Sie weigerte sich, jemandem aus ihrer Sippe die Erlaubnis zu geben, sie bei etwas zu unterbrechen, das fast eine heilige Handlung für sie geworden war – ein Bad. Ein götterverdammtes Bad.
»Rhona, du bist komisch«, sagte Keita und trat näher an sie heran. »Ich weiß, dass du mich hören kannst.«
Rhona stieß einen Seufzer aus und begriff, dass sie dieser Begegnung nicht aus dem Weg gehen konnte. Sie drehte sich zu ihrer Cousine um, aber sie dachte nicht daran, ihren Platz unter dem Wasserfall zu verlassen.
»Was ist los, Keita?«
»Ich wollte bloß sehen, wie es dir geht. Und ich wollte dir sagen, wie schön du mit den Kriegerzöpfen im Haar aussiehst. Hast du je daran gedacht, Bänder hineinzuflechten?«