Dreaming Back to You (»Back to You«-Reihe 3) - Lexis Able - E-Book
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Lexis Able

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Beschreibung

**Glaub an dich. Er tut es auch.** Als der NHL-Newcomer Sander Warren im luxuriösen Hot Springs Resort eincheckt, um sich von einer Verletzung zu erholen, ist die 19-jährige Eliza wenig begeistert. Zwar trifft sie durch ihren Job im Resort permanent auf reiche und von sich eingenommene Gäste, aber der Profi-Eishockeyspieler scheint wirklich jedes Klischee zu erfüllen. Doch je mehr Zeit sie mit dem attraktiven Sportler verbringt, desto stärker geraten ihre Vorurteile ins Wanken. Zwischen Sanders und Elizas geplanter Zukunft liegen allerdings Welten … Gefühlvolle Sports Romance mit Tiefgang zum Dahinschmelzen! Leser*innenstimmen: »Ich bin einfach überwältigt von diesem Buch.« »Gespickt mit so vielen schönen Botschaften hat sich diese Geschichte zu einem absoluten Herzensbuch entwickelt!« »Ganz große Liebe für dieses Buch, das ich wirklich jedem ans Herz legen möchte, lest es.« //Der Liebesroman »Dreaming Back to You« ist der dritte Band der romantischen »Back to You«-Reihe. Alle Bände der gefühlvollen Sports Romance bei Impress: -- Back to You 1: Running Back to You -- Back to You 2: Crashing Back to You -- Back to You 3: Dreaming Back to You// Diese Reihe ist abgeschlossen.

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Lexis Able

Dreaming Back to You (»Back to You«-Reihe 3)

**Glaub an dich. Er tut es auch.**Als der NHL-Newcomer Sander Warren im luxuriösen Hot Springs Resort eincheckt, um sich von einer Verletzung zu erholen, ist die 19-jährige Eliza wenig begeistert. Zwar trifft sie durch ihren Job im Resort permanent auf reiche und von sich eingenommene Gäste, aber der Profi-Eishockeyspieler scheint wirklich jedes Klischee zu erfüllen. Doch je mehr Zeit sie mit dem attraktiven Sportler verbringt, desto stärker geraten ihre Vorurteile ins Wanken. Zwischen Sanders und Elizas geplanter Zukunft liegen allerdings Welten …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

© HERZLICHT FOTOGRAFIE VON RENATE NEURAUTER

Lexis Able wurde 1986 in Österreich geboren und wohnt mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und einigen Vierbeinern in Tirol. Aufgewachsen ist sie zwischen Bergen und Büchern, am liebsten in Kombination. Aus dem Schreiben schöpft Lexis die Kraft für ihren Beruf als Sonderkindergartenpädagogin, ihr erstes Buch hat sie selbst im Alter von sechs Jahren geschrieben. Auf langen Bergläufen entwickelt sie ihre Geschichten, die sie nun endlich mit anderen teilen darf.

Für Elisa.Die Liebe für dich selbst musst du in dir tragen, um neue Liebe zu finden und alt werden zu lassen.

Playlist

If the World Was Ending – JP Saxe & Julia Michaels

Wenn Worte meine Sprache wären – Tim Bendzko

Love Is Gone – SLANDER & Dylan Matthew

(You Want To) Make A Memory – Bon Jovi

I Love You Always Forever – Betty Who

Fix You – Coldplay

Home – Klangkarussel

Friendships (Lost My Love) – Pascal Letoublon, Leony

Ich will nur – Philipp Poisel

Change the World – Eric Clapton

Looking Up – John De Sohn

Paris – The Chainsmokers

Time After Time – Paratone

Shivers – Ed Sheeran

Truly Madly Deeply – Savage Garden

Footprints – Tom Gregory

Leave Before You Love Me – Marshmello & Jonas Brothers

I Knew I Loved You – Savage Garden

Prolog

Sander

»The Blaze. The Blaze. The Blaze.«

Die Zuschauerränge leuchten im flammenden Rot der Vancouver Spartans und mein Name durchbricht die Jubelschreie der aufgebrachten Eishockeyfans. Immer mehr Menschen stimmen mit ein und steigern sich in der Lautstärke. Die Hoffnung der gesamten Rogers Arena konzentriert sich auf mich und die letzten zehn Sekunden dieses Spiels. Sieg oder Niederlage.

Die eine Hälfte des Publikums betet darum, dass ich einnetze, während die andere Hälfte darum fleht, dass ich versage. Aber ich will diesen Sieg, ich will in die Play-offs, um den Stanley Cup und dort im Finale den verdammten Pokal holen. Ich werde diesen Strafschuss nicht vergeuden. Hätte mich der Defenseman nicht eben vor dem Tor von hinten zu Fall gebracht, wäre das Spiel ohnehin schon entschieden.

Ich lecke mir über die blutende Unterlippe und fahre los. Mein bester Freund Brayden spielt mir den Puck zu. Ein Blick von ihm reicht und ich sehe, dass er dasselbe denkt wie ich. Links hinten ist die Schwachstelle von Slate Kane. Wir haben lange genug mit dem Torhüter der Nashville Silver Wings für die Vancouver University gespielt, um das zu wissen. Auf dem Weg zum Mittelpunkt der Eisfläche schweift mein Blick an der Plexiglasscheibe entlang, ohne wirklich nach meiner Familie zu suchen. Ich weiß, dass sie hier sind – das muss reichen.

Den Puck platziere ich auf dem Bullypunkt und ziehe einen weiten Kreis zu der Blueline dahinter. Jedes Mal, wenn die Menge meinen Namen im Einklang brüllt, nicke ich mit dem Kopf. An der blauen Markierung halte ich, schließe die Augen und warte. Fühle das Adrenalin durch meine Adern jagen und wie sich jede Faser meines Körpers angespannt auf das eine Zeichen konzentriert, das mich explodieren lässt. Und der Welt zeigt, worauf ich jahrelang hart und ehrgeizig hingearbeitet habe. Ich bin Sander The Blaze Warren und ich will gewinnen.

Mit dem erlösenden Pfiff des Referees verstummen jegliche Rufe um mich herum und die Stille erfüllt mich mit den Erwartungen meiner Mannschaft, der Fans und meiner selbst. In dem Sekundenbruchteil, in dem ich mich vom Eis abstoße, blättert jeglicher Druck von mir ab, und was existiert sind der Puck, das Netz und ich. Mir bleiben zehn Sekunden.

Mit langsamen Zügen komme ich dem Tor näher. Slate neigt sich mir ein Stück entgegen, lässt sich aber von meinem kleinen Bogen nach rechts nicht täuschen. Er weiß, dass ich die linke Torhälfte anvisieren werde und seine Reaktionsschwäche schamlos ausnutzen will. Und genau das mache ich: Ich handle entsprechend der logischen Taktik und hülle damit alle um mich herum in Sicherheit.

Zunehmend schneller gleite ich nach vorne und das Eis spritzt von meinen Kufen, so viel Kraft lege ich in jede Bewegung. Mit einem leichten Hang zur linken Seite spiele ich den Puck vor mir her. Slate erkennt meine Tendenz und folgt mir. Ich hole erst aus, als ich den geringstmöglichen Abstand ausgenutzt habe. Und für eine Millisekunde höre ich meinen eigenen Herzschlag in den Ohren pochen und nehme in Zeitlupe wahr, wie Slate den linken Torraum blockiert. Er denkt, ich drücke ab. Alle denken, ich drücke ab. Drücke ab und vergebe damit die Chance auf einen Sieg.

Stattdessen reiße ich meinen Körper blitzschnell herum und drehe dem Torhüter den Rücken zu. Ich stehe so knapp bei ihm, dass Slate kein Handlungsspielraum bleibt, und über meine eigene linke Seite kippe ich den Puck rechts von ihm ins Netz.

Tor.

Dieses Mal ist es mein eigener Schrei, der die Luft in der Halle durchschneidet, bevor er in der erfüllenden Siegeseuphorie der Menschen untergeht. Von allen Seiten stürmen meine Teamkollegen auf mich zu und umarmen mich. Ich werde über die Köpfe der Spartans gehoben und strecke meinen Schläger, begleitet von spartanischen Schlachtrufen, nach oben.

Das rote Licht blendet meine Augen und mit halb geschlossenen Lidern spüre ich die ungefilterte Energie in der Arena, die ich soeben entfesselt habe. Wir haben gewonnen.

Minutenlang lassen wir uns von den Fans für den Sieg bejubeln und in der Menge erhasche ich einen Blick auf meine Schwester Luca, die an der Spielerbank der Spartans steht und von Brayden umarmt wird. Ich liebe meine Schwester und ich weiß, wie sehr Brayden sie liebt, aber Augenblicke wie diesen hier werden wir nicht oft in unserem Leben haben. Die Freude im Team gleicht einem Rausch und Brayden sollte sie mitten unter uns genießen, anstatt schwer verliebt an der Bande zu lehnen. Dabei müsste ich dankbar dafür sein, dass sie diejenige ist, mit der er diesen den Erfolg teilen will.

Die Halle leert sich nur langsam und selbst als wir uns auf den Weg in die Mannschaftskabine machen, befinden sich immer noch feiernde Fans in der Arena. Nur die VIP-Pass-Besitzer unter ihnen haben später freien Zugang zu unserer Siegesfeier im Polis Sparta, dem Stammlokal des Vereins. Die ausgelassenen Partys danach sind ein weiterer Grund, die Heimspiele zu lieben.

Ich realisiere zuerst gar nicht, dass es Olivia ist, die sich zwischen den drängelnden Reportern und Fotografen in den Gängen zu mir durchkämpft. Dass sie hier ist, beeindruckt mich, sie muss sich einiges einfallen haben lassen, um ohne entsprechenden Ausweis in den Mannschaftsbereich zu gelangen. Das Trikot mit meinem Namen ist an ihrer Hüfte zusammengeknotet und sie hat sich schwarze Streifen auf die Wangen gemalt. Ich könnte schwören, in den letzten Nächten hat ihr jetzt blondes Haar dunkler gewirkt.

Mir ist sehr wohl bewusst, dass wir von allen Seiten beobachtet werden, als Olivia auf mich zurennt. Ich bleibe stehen und will sie gerade begrüßen, da fällt sie mir schon um den Hals und kreischt in mein Ohr. Ich lege eine Hand auf ihre Taille, als sie von mir Abstand nimmt und ein perfektes Lächeln aufsetzt. Nicht für mich, das ist mir klar.

»Ich habe dir also wirklich Glück gebracht«, säuselt sie viel zu laut. »Noch ein sehr guter Grund, mich ab jetzt öfter zu deinen Spielen einzuladen.«

Ich habe Olivia nicht eingeladen, sie hat mir zwei Tickets abgebettelt.

»Natürlich«, antworte ich und küsse sie auf die Wange, länger als die üblichen zwei, drei Sekunden. Fotoapparate klicken, ich ziehe Olivia an mich und lächle gemeinsam mit ihr in die Kameras. Sie läuft für Victoria’s Secret und braucht die mediale Aufmerksamkeit ebenso wie ich. Sponsoring ist das Um und Auf in diesem Geschäft. Leistung alleine bezahlt keine Rechnungen und füttert schon gar keine Stiftung für Chancengleichheit. Brayden und ich haben erst die Gründung hinter uns, umso bedeutender ist es, uns für die Außenwelt interessant zu machen – egal wie.

Nach ein paar beantworteten Fragen zu dem Spiel heute drehe ich den Reportern den Rücken zu und vereinbare einen Treffpunkt mit Olivia. Es sollte mich minimal nerven, dass sie mir nicht einmal jetzt ihre volle Aufmerksamkeit schenkt. Solange sie sich später bei mir zu Hause nur auf mich konzentriert, ist alles gut.

Ich betrete die Kabine und eine betörende Duftmischung aus nassgeschwitztem Stoff und herbem Duschgel schlägt mir entgegen. Mühevoll schäle ich mich aus der klebrigen Kleidung, übergebe meine Ausrüstung für die Trockenkammer und stelle mich unter die Dusche. Die Aufregung surrt weiter durch meinen Körper und macht mich unruhig. In der kurzen Zeit für die NHL habe ich noch keinen Weg gefunden, mich nach den Spielen zu beruhigen, und versuche erst gar nicht mehr, mich in diesen Nächten schlafen zu legen.

»Wenn uns Hellriegel im zweiten Drittel nicht dazwischengekommen wäre, hätten wir das Spiel schon da für uns entschieden.« Brayden tritt neben mich und dreht seine Dusche auf.

Ich nicke. »Ich habe nicht damit gerechnet, dass er und Barner so gut zusammenspielen, ich meine, sie hatten nach seinem Übertritt kaum Zeit, sich aufeinander einzutrainieren.«

Brayden und ich spielen seit beinahe vier Jahren gemeinsam im Sturm, zuerst für die Vancouver Black Panthers und dann für die AHL, bis wir es letzte Saison in die NHL geschafft haben. Jeder für sich arbeitet verdammt schnell und präzise, aber das instinktive Verständnis für den jeweils anderen macht uns zu einer unschlagbaren Front auf dem Eis.

»Zwei Tore, Sander. Wieder zwei verdammte weitere Tore in nur einem Spiel.« Brayden rubbelt sich über das Gesicht. »Wenn du so weitermachst, wirst du Top-Scorer. Mit dreiundzwanzig Jahren, Mann!«

»Das erste Tor hast du mir vorgelegt und beim Penalty Shot hatte ich einfach nur Glück.«

»Glück? Das war kein Glück, das war Talent. Ich wusste, du würdest Slate täuschen«, behauptet er und klatscht grinsend in die Hände. »In dem Moment, als du links angesetzt hast, war es mir klar.«

Ich lache auf. »Er wird mir das auf ewig vorhalten.«

»Wird er. Ich habe ihn auf dem Weg zu den Kabinen getroffen, er kommt mit ins Polis Sparta – und du sollst dein Geld nicht vergessen, sein Bier geht heute auf dich.«

»Das ist nur fair«, sage ich und greife nach meinem Duschgel.

Brayden streckt den Kopf aus dem Wasserstrahl und lacht mich an. »Wer war die Blonde mit der übermäßigen Kamera-Anziehungskraft?«

»Olivia?« Sie ist also wirklich blond.

Er schnalzt mit der Zunge. »War das eine Frage, an mich?«

»Idiot«, schimpfe ich und schüttle den Kopf. »Ich weiß, wie sie heißt, Olivia. Olivia ist nett.«

»Nett? Wie viel hast du schon mit ihr gesprochen, um zu wissen, dass sie nett ist?«

Mir ist klar, wie sehr er es genießt, mich in die Ecke zu drängen. »Gut, Olivia ist heiß. Und sie hat Zeit, jede Nacht.«

»Ah, okay. Nichts Ernstes? Spaziergänge, Kino oder Abendessen?«

Ich hebe fragend die Hände. »Echt jetzt?«

»Sorry, Bro. Wollte nur sichergehen, dass ich nichts verpasse.«

»Sobald es was zum Nichtverpassen gibt, sag ich es dir rechtzeitig.«

»Das will ich hoffen.« Brayden grinst wieder. »Und, von wie vielen Nächten sprechen wir schon?«

Ich zeige ihm den Mittelfinger und schäume mir die Haare ein. Es sind fünf. Und genau genommen sind Nächte ohnehin übertrieben. Stunden trifft es eher. Wenn wir beide unser Vergnügen hatten, gehe ich, das habe ich von Anfang an klargestellt. Für Olivia ist das in Ordnung so, wir wollen es beim Wesentlichen halten.

Und wenn es nicht Olivia ist, ist es eine andere. Ich hatte noch nie Probleme damit, Frauen für eine gemeinsame Nacht zu finden. Seit ich in der NHL spiele, noch viel weniger. Ein Lächeln stiehlt sich in meine Gedanken. Ja, mein Leben ist ziemlich perfekt.

Nachdem ich mir die Haare trocken gerubbelt habe, binde ich mir das Handtuch um und will in meine Badeschlappen steigen. Die weg sind.

Ich sehe mich um, Brayden zuckt auf mein Nachfragen hin nur mit den Schultern und zieht seine eigenen Schlappen an, bevor ich sie mir ausleihen kann. Und das würde ich. Ich hasse es, barfuß zu laufen, egal wo. Aber vor allem auf Millionen Bakterien und einem mit Männerhaaren verklebten Boden. Jedes Mal der gleiche verfickte Scherz und jedes Mal bin ich wieder so blöd, die Schlappen für die Dusche auszuziehen. Der von mir persönlich abgespritzte Duschboden ist zwar hart an der Grenze meiner Belastbarkeit, aber ich will nach dem Duschen keine nassen Schlappen haben, verdammt.

Auf Zehenspitzen balanciere ich angeekelt über den Fliesenboden und lehne mich aus dem Waschraum.

»Hat wer meine Schlappen gesehen?«, stelle ich die Frage, auf die alle unauffällig gewartet haben und blicke mich um. Natürlich reagiert keiner der Jungs auf mich. Ich muss das erste kindische Männerkichern nicht hören, um zu wissen, dass sie sich über meine kleine Bodenphobie köstlich amüsieren.

»Sehr witzig und ganz was Neues«, rufe ich durch die Kabine. »Ihr könnt euch eure Tore das nächste Mal auch alleine schießen, wenn ich mich wegen juckendem Fußpilz nicht mehr konzentrieren kann!«

Lautes Lachen dröhnt durch die Garderobe und von irgendwoher fliegt einer meiner Badeschlappen und wird von Brayden neben mir aus der Luft gefischt. Ich will ihm meinen Schuh aus der Hand nehmen, da zwinkert er mir zu und schießt ihn zurück in die Menge.

»Danke, Stringman«, sage ich zu meinem Wingman und boxe ihm gegen den Oberarm. Er lacht nur auf und geht in seinen feinen Badeschlappen hinüber zu den Spinden.

Clay, unser Hüne von einem Kapitän, hat nun einen meiner Schuhe und zeigt damit auf mich. »Spartans«, brüllt er und die anderen stimmen in unseren Schlachtruf mit ein. »Ehre, Kraft, Sieg!«, wiederholen sie immer wieder in meine Richtung. Ich stoße eine Faust in die Luft und schreie mit meiner Mannschaft. Wir sind ein Team, wir sind die Spartans, und zusammen werden wir uns dieses Jahr endlich den verdammten Stanley Cup holen. Auch ohne Schlappen.

Musik wird eingeschaltet und löst unseren Siegesgesang ab. Ich erkenne den Ed-Sheeran-Mix von meinem Bruder Mason sofort und zeige Trevor, der die Fernbedienung für die Musikanlage in der Hand hält, einen Daumen hoch. Der dumpfe Bass lässt den Boden vibrieren und die Spartans beginnen zu tanzen. Ich stehe noch in der Tür zum Waschraum, auf Zehenspitzen versteht sich.

Immer wieder sehe ich meine Schlappen durch die Luft fliegen, aber keiner dieser Ärsche denkt auch nur daran, sie mir zuzuspielen. Die können mich mal.

Ich atme tief durch, lenke mich mit dem Refrain von Bad Habits ab, schaue nicht auf die Sockenflusen am Fußboden und tanze langsam Richtung Spind. Kein ekliger Boden, nur die Musik, pure Lebenslust und die Aussicht auf eine geile Nacht.

In diesem Moment nehme ich aus dem Augenwinkel wahr, wie mein Schlappen auf mich zukommt. Um zu verhindern, dass ihn sich irgendein Blödmann vor mir schnappt, mache ich einen Ausfallschritt nach rechts, schnell und unkontrolliert, und hebe mein linkes Bein, um den Tiefflug zu stoppen.

Der peitschenähnliche Knall bricht durch jede Zelle meines Körpers und durchflutet mich mit reiner Angst. Ich kenne das unverkennbare Geräusch einer reißenden Sehne aus Erzählungen. Ein spitzer Schmerz sticht sich durch meinen Standfuß und stößt mich zu Boden. Die Kraft für einen Schrei habe ich nicht mehr. Das flammende Brennen bleibt in meinem Unterschenkel hängen, und mehr instinktiv als bewusst greife ich an meinen Wadenmuskel und zucke unter meinen Fingern stöhnend zusammen.

Das war die Achillessehne, sie ist gerissen. Ich weiß es.

Die Musik wird ausgeschaltet und ich sehe die vielen Gesichter, die sich über mich beugen.

»Sander?« Brayden legt eine Hand an meine Schulter. Mein Körper ist außerstande, die Berührung einzuordnen, und mir bricht kalter Schweiß aus, während mein Herz panisch in meinen Ohren hämmert. »Die anderen holen Hilfe, bleib einfach so ruhig wie möglich liegen.«

Wo soll ich sonst auch hin?, brülle ich durch meine Gedanken, zu schwach, um sie auszusprechen. Ich konzentriere mich nur auf meine Atmung, wie es meine Schwester Luca als Kind gemacht hat, wenn sie aufgrund ihrer Vernarbungen Schmerzen hatte. Ein und aus. Nur ein und aus.

Durch einen Schleier aus Tränen nehme ich die Anweisungen der Teamärztin und die Sanitäter wahr, die mich auf eine Trage legen wollen und beruhigend auf mich einreden. Ein einziger leichter Griff von ihnen an meinen Beinen reicht, und die spitzen Flammen aus Schmerz weichen einer erlösenden Finsternis. Ich verliere das Bewusstsein, und die einsame Gewissheit, die weiter an mir nagt, ist die, dass es damit vorbei sein kann.

Ich bin Sander The Blaze Warren und ich habe verloren.

Nacht

Meine Seele spürt,

daß wir am Tore tasten.

Und sie fragt dich im Rasten:

Hast du mich hergeführt?

Rainer Maria Rilke1

Kapitel 1

Sander

Acht Wochen später

Seit sechs Stunden kotze ich mir die Seele aus dem Leib. Hätte ich gewusst, wie anstrengend der Transport in einem Krankenwagen ist, hätte ich den Hubschrauber genommen, den mir das Teammanagement aufdrängen wollte. Das wäre auf keinen Fall schlimmer gewesen. Ich wollte meinen Körper mit dem Flug nicht zusätzlich belasten, aber zuerst der Krankenwagen und jetzt die Fähre sind eine echt üble Kombi. Schon als Kind waren lange Autofahrten der Horror für mich.

Ich lache innerlich auf. Nachdem die letzten acht Wochen so grandios beschissen verlaufen sind, hätte ich mir das denken können. Und ich habe tatsächlich geglaubt, mit der Infektion nach der OP hätte meine Pechsträhne ein Ende.

»Wir können Ihnen beim Aussteigen helfen«, bietet mir der jüngere der beiden Sanitäter an. »Die Aussicht von der Fähre auf den Arrow Lake und die Selkirk Mountains ist gigantisch. Es ist ein sonniger Tag, das sollten Sie sich nicht entgehen lassen.«

Wenig beeindruckt schüttle ich den Kopf, denn ich bin mitten in den Bergen groß geworden. Wir haben in Northwood zwar keinen gigantischen Stausee, für den man eine verdammte Fähre benötigt, um ans andere Ende zu kommen, aber Berge sind Berge. Ich werde mein Gefängnis für die nächsten Wochen noch früh genug kennenlernen.

»Ist es denn in Ordnung, wenn wir aussteigen und uns für die Überfahrt im Freien aufhalten?«

»Natürlich«, antworte ich. »Mich zu übergeben schaffe ich gerade noch alleine.«

Der Sanitäter lächelt zwar höflich, aber ich kann seine wachsende Antipathie gegen mich spüren. Dabei habe ich mich in den letzten Stunden wirklich bemüht, kein Arsch zu sein. Schließlich kann er nichts dafür, dass ich aktuell ein Pflegefall bin und mich liebend gerne den ganzen Tag in meinem Elend suhle.

Die Hecktür wird geschlossen und ich stöhne leicht auf. Die Medikamente lassen allmählich nach und jede Vibration schickt Schmerzstöße durch mein Bein. Ich fühle, wie angeschwollen es unter dem Gips ist. Die richtige Lagerung auf der Fahrt hat so rein gar nichts geholfen. Das Erste, was im Rehazentrum passieren wird, ist die Gipsabnahme. So war es vereinbart – nur noch als Schutz auf der Fahrt und dann bin ich ihn endlich los.

Mit aller Kraft stemme ich mich von dem Tragestuhl hoch und versuche, einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen. Doch alles, was ich aus dem schmalen Balken sehe, ist die Seite eines Lieferwagens. Ich hätte mir den Arrow Lake vielleicht doch gerne angeschaut. Aber wenn ich jetzt auf Krücken über das Deck humple, minutenlang herumstehe und dann wieder zurückgehe, bin ich fix und fertig. Die Infektion und die dadurch erschwerte Heilung der Sehne haben ihre Spuren hinterlassen und ich muss meine Kräfte gut einteilen.

Es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis die Fähre ihr Tempo spürbar drosselt. Unter der schaukelnden Bewegung würge ich die paar Schlucke Wasser heraus, die ich in den letzten Minuten getrunken habe, und lege meinen Kopf mit geschlossenen Augen gegen die Rückenlehne. Bitte lass uns einfach endlich ankommen.

Die restliche Autofahrt entlang des Sees verbringe ich in einem Dämmerzustand, der nur von den bewundernden Landschaftsbeschreibungen des Sanitäters durchbrochen wird. Solange er nicht behauptet, dass er eine monsterähnliche Riesenschlange im Wasser entdeckt, beachte ich ihn nicht weiter.

Als wir das Rehazentrum erreichen, wollen er und sein vollbärtiger Kollege mich in dem Tragestuhl aus dem Krankenwagen schieben.

»Danke, ich gehe lieber«, lehne ich bestimmt ab und stehe auf. Wenn die hier meinen, ich könnte nicht einmal selbst aus einem Auto auf mein Zimmer kriechen, komme ich monatelang nicht mehr weg. Und ich muss zurück auf dem Eis sein. In sieben Wochen beginnen die Play-offs des Stanley Cups und da werde ich dabei sein.

Ich weiß nicht, was ich mir unter einem Rehazentrum vorgestellt habe. Anzunehmen, es würde einer Krankenanstalt ähneln, war definitiv falsch, das bestätigt sich bereits, als ich noch nicht mal richtig ausgestiegen bin. Die Holzbauweise lässt sich annähernd mit dem Haus von Braydens Eltern in Vancouver vergleichen, oder mit den Blockhäusern daheim in Northwood, aber eine Anlage nur aus Holz in dieser Größenordnung habe ich noch nie gesehen. Die aneinandergereihten Bauten müssen ein Vermögen gekostet haben.

Mit einem so kontrollierten Gesichtsausdruck wie möglich hangle ich mich hinten über die kleine Rampe des Transporters. Die Angst, auszurutschen und zu stürzen, bringt eine Anspannung mit sich, die sofort wieder in Schmerzen ausstrahlt. Ich würde dem Sanitäter gerne trotz der Krücken meine Tasche abnehmen und sie lässig schultern und will ihn schon darum bitten, da beginnen meine Arme unter meinem Gewicht zu zittern. Mein Körper ist eine einzige Katastrophe.

Ich blicke mich um und versuche, ein Ende der Anlage auszumachen. So weit das Auge reicht, reiht sich ein Gebäudekomplex an den nächsten, und nichts lässt erahnen, dass das hier ein Ort ist, an dem verletzte Menschen trainieren, um gesund zu werden. Die kunstvoll arrangierten Blumenbeete, die mit Laternen eingesäumten Kieswege und der breite Treppenaufgang mit handgeschnitztem Schnörkel-Holzgeländer passen nicht zu einer Krankenanstalt. Oder einem Rehazentrum. Das hier ist purer Luxus.

Und ich habe keine Ahnung, wie mir purer Luxus dabei helfen soll, wieder zurück in die NHL zu kommen.

»Rosefield Hot Springs Resort«, lese ich leise den riesigen Schriftzug auf dem quergelegten Baumstamm über dem Eingang.

Der bärtige Sanitäter muss sich angesprochen fühlen und dreht sich zu mir. »Rosefield ist bekannt für seine Thermalquellen. Von überallher kommen die Leute, um im warmen Quellwasser Heilung zu finden.«

Ich lache. »Und ich wette, die Leute von überallher zahlen Unsummen für etwas, das ich auch in jeder Badewanne haben kann. Deutlich billiger.« Innerlich bete ich dafür, dass sie hier einen ordentlichen Trainingsraum oder zumindest ein Spinningrad haben und nicht nur Fässer mit Wasser, in denen schon zehn Nackte vor mir drin waren.

»Man kann es glauben oder nicht, aber die Rheumaschübe meiner Tante Betsy sind lange nicht mehr so heftig, seit sie regelmäßig im Thermalwasser badet.«

»Ist Tante Betsy auch hier?« Ich ahne Schlimmstes. Abgeschieden, sauteuer und still. Das hier ist ein Ort für alte Leute.

»Was? Meine Tante Betsy, hier?« Der Sanitäter zeigt mit dem Daumen auf den Eingang. »Das hier liegt nicht in unserer Preisklasse. Niemals nicht.«

Sehr schön. Rosefield ist ein Ort für alte und reiche Leute. Und ich werde mich hier, eingeweicht in Zauberwasser, zu Tode langweilen, anstatt mit der NHL durch Amerika zu reisen, endlich meine Bachelorarbeit zu schreiben und Tore zu sammeln. Und ich kann nicht einmal davonlaufen, weil mir die verdammte Treppe hinauf zum Eingang schon zu viel ist und es eine kleine Ewigkeit dauert, bis ich oben angekommen bin und in die Empfangshalle trete.

Ein anderes Wort fällt mir nicht ein, Rezeption oder Anmeldung wären eine Beleidigung. Auf den kreisrunden Tresen in der Mitte des Empfangs fällt Sonnenlicht aus einem Dachfenster. Die drei Stockwerke rahmen die Halle wie einen Innenhof ein und geben die Sicht auf einzelne Türen frei. Türen mit kitschigen, viel zu großen goldenen Schildern.

»Ahhh, Sie müssen Mr Warren sein«, werde ich von einer Frau in dunkelblauem Rock und dem passenden Polo begrüßt. Ich schätze sie auf Ende dreißig, damit sind wir vermutlich die einzigen zwei Menschen im Resort, die nicht am Pensionsalter kratzen. »Wir haben Sie bereits erwartet, Ihre Suite ist einzugsbereit.«

»Suite?« Ich brauche ein Bett, ein Klo und eine Dusche, damit ich vom gebrauchten Heilwasser keinen Ausschlag bekomme, mehr nicht. »Was soll ich mit einer Suite?«

Sie winkt mit einem Lächeln ab, das mich sogar ihre Backenzähne sehen lässt. »Die Spartans wollen nur das Beste für ihre Spieler und das kann Ihnen das Rosefield Hot Springs Resort bieten.«

»Gut. Bekomme ich jetzt den Gips ab?«

»Nicht so schnell, das wird Dr. Holden morgen entscheiden.«

Moment. »Morgen?«

»Richtig.« Ihre hohe Stimme beginnt zu nerven. »Alles hier ist auf Ihr Wohlergehen ausgerichtet und Sie haben eine lange Fahrt hinter sich. Heute müssen Sie ruhen, selbst das Dinner können Sie sich vom Haus Windrose auf die Suite bringen lassen.«

Ruhen. Dinner. Der Speichel sammelt sich wieder unter meiner Zunge und ich bin kurz davor, mich auf den gemusterten Orientteppich zu übergeben. Ich wette, der wurde noch handgeknüpft.

»Sie werden im Nordhaus am Ende des Anwesens wohnen, nahe an unserem medizinischen Zentrum. Wenn Sie jetzt bitte einsteigen wollen, Churchill fährt Sie einmal über das Gelände und zu Ihrer Suite.«

»Einsteigen?«

Den Sanitätern neben mir entkommt ein ungläubiges Keuchen, als ein Mann mit glattgeschniegelten Haaren und natürlich mit Hemd in einem elektrischen Golfwagen von woher auch immer in die Halle fährt. Ein Golfwagen.

»Ein Golfwagen«, wiederhole ich meine Gedanken, als der Wagen vor mir hält. »Mit goldenem Dach.«

»Eines unserer Gäste-Taxis«, berichtigt mich Miss Polo und bedeutet dem Sanitäter, meine Tasche auf die Ablagefläche zu stellen. »Ist das Ihr einziges Gepäck?«

»Nein, mein Anzug und die Einstecktücher sind noch in der Limo«, gebe ich zurück und mache die letzten Schritte auf das Fahrzeug zu. Schade, dass mein Freund Chase nicht hier ist. Er hätte bereits versucht, mit dem Golfwagen die Eingangstreppe hinunterzufahren.

Churchill will mir die Krücken abnehmen, aber ich ignoriere sein Hilfsangebot und hieve mich selbst in den Wagen. Die Sanitäter verabschieden sich, ich bedanke mich bei ihnen und bin kurz davor, sie zu bitten, mich wieder mitzunehmen. Doch schon der Gedanke an die schwankende Fähre lässt mich trocken schlucken. Ich will hier raus, aber nicht mehr im Krankentransporter.

Churchill gibt plötzlich Gas und ich werde nach hinten in den weißen Ledersitz gedrückt. Durch eine breite Schiebetür am gegenüberliegenden Ende der Eingangshalle verlassen wir das Gebäude und biegen nach rechts auf einen gepflasterten Weg ab.

»Das ist die Seeseite«, beginnt er eine gut gemeinte Erklärung, aber ich winke ab.

»Können wir bitte auf direktem Weg zu meinem Zimmer fahren?« Ich habe weder Lust auf Sightseeing, noch bin ich an einer Unterhaltung interessiert. Alles, was ich brauche, ist ein Bett.

Nur flüchtig nehme ich die Vielzahl an Terrassen wahr, die von den Häusern über kleine Stege bis an den See reichen. Und die Menschen, die sich darauf tummeln. Alle jenseits der fünfzig, das wird toll.

Jede noch so kleine Unebenheit fährt direkt in mein Bein und ich will Churchill schon sagen, er soll langsamer fahren, da kommen wir an dem letzten Anwesen des Resorts an, das wir einmal bis zur Hinterseite umrunden. Es unterscheidet sich nicht von den anderen Bauten, die ich im Vorbeifahren gesehen habe.

»Das Nordhaus, Ihr neues Domizil«, erklärt Churchill und ich folge ihm langsam den Fußweg hinauf zum Eingang. Ein älteres Ehepaar in Trainingskleidung begegnet uns und in mir steigt die Hoffnung, dass man sich hier doch irgendwie aktiv körperlich betätigen muss. Meine Suite ist eine von vier Wohneinheiten in dem Gebäude und es gibt dankenswerterweise sogar einen Aufzug, der mich in den dritten Stock bringt. Gute Idee, einen Patienten auf Bein-Reha im dritten Stock unterzubringen.

»Das ist die Suite Ericson«, sagt Churchill und hält einen kleinen Chipanhänger an das Lesegerät an der Tür, die sich sofort entriegelt. »Auf der Anrichte hier drinnen gleich links liegt Ihr Chip bereit, und in der nächsten Stunde wird jemand vom Serviceteam kommen und sich um die nötigen Informationen für Ihren Aufenthalt bei uns kümmern. Die Speisen finden im Haus Windrose statt, das Essen kann Ihnen auf Wunsch auch geliefert werden. Aber das erklärt Ihnen das Serviceteam.«

Churchill schwingt die Tür weiter auf und bringt meine Tasche hinein. Ehe ich die Chance habe, zu fragen, wo hier ein verdammter Hubschrauberlandeplatz ist, verschwindet er schon wieder im Fahrstuhl.

Ich humple in meine Suite Ericson und schließe die Tür hinter mir. Den Geruch nach Holz muss es schon in der Eingangshalle gegeben haben, doch umfängt er mich hier drin in einer anderen, puren Intensität und erinnert mich sofort an unser Baumhaus daheim in Northwood. Ich komme sonst schon schwer ohne meine Freunde und meine Familie klar, und jetzt im Moment hätte ich zumindest gerne einen Menschen an meiner Seite, der mit mir über meine Situation lacht und mich aufmuntert.

Ich gehe einmal quer durch den Raum, vorbei an der cremeweißen Liegelandschaft und dem Kamin, bis hin zu der breiten Fensterfront, die eine beeindruckende Sicht auf den Arrow Lake freigibt. Umsäumt von hohen Fichten und steil aufragenden Berghängen hat der See eine Urtümlichkeit an sich, die diesen Luxus hier beinahe lächerlich erscheinen lässt. Auf dem breiten Balkon vor mir steht ein Whirlpool und kurz überlege ich, wie schön es sein muss, hier zu sitzen und auf den freien Sternenhimmel zu schauen. Einsam und verlassen. Nicht, dass ich Olivia irgendwann in den letzten Wochen vermisst hätte, aber zumindest ein Anruf oder eine Nachricht, um sich nach mir zu erkundigen, hätte meinem Ego ganz gutgetan.

Ich lache leise auf und gehe auf den massiven Schreibtisch zu. Schon in der ersten Schublade finde ich eine Schere und humple zurück zu der Liegewiese. Als ich mein Bein vorsichtig hochhieve, kann ich ein lautes Stöhnen nicht mehr unterdrücken. Um die Schmerzmittel muss ich mich später kümmern, im Moment ist meine Tasche viel zu weit weg. Ich ziehe mein Handy aus der Hose und noch während das Freizeichen ertönt, beginne ich mit dem Aufschneiden des Gipses.

»Sander, ich habe schon auf deinen Anruf gewartet.« Paul klingt leicht verunsichert, das ist neu bei meinem Agenten. Er hat also gewusst, dass er mich direkt in den Garten Eden schickt, abgeschieden vom Rest der Menschheit.

»Wie schnell kannst du den Helikopter arrangieren? Nimm den der Spartans und wenn sie ihn nicht hergeben wollen, bezahle ich den Flug selbst.« Trotz meiner Anstrengungen habe ich erst wenige Zentimeter vom Gips aufgeschnitten. Es ist nicht so leicht, wie ich gehofft habe.

»Du hast Flugangst«, sagt Paul trocken.

»Ich habe keine Flugangst«, stelle ich richtig. »Mit den Spartans bin ich schon überall hingeflogen. Ich hatte nur Angst, dass mir in einem Hubschrauber schlecht wird, das ist noch mal was ganz anderes als in einem Flugzeug.«

»Und die hast du jetzt nicht mehr?«

»Nein, das ist gerade mein geringstes Problem.« Eine Stunde im Helikopter ist nichts gegen sieben Stunden Autofahrt. »Ich will hier weg.«

»Weg? Rosefield’s ist das luxuriöseste Rehazentrum in ganz Kanada.«

Ich schnalze mit der Zunge. »Ich brauche keinen Luxus, um gesund zu werden, Paul. Wie soll mir der dekadente Scheiß hier helfen, in sieben Wochen auf dem Eis zu stehen? Ich brauche eine gute Physiotherapie, vielleicht ein bisschen Wassergymnastik und ein Fitnessstudio, und das habe ich auch in Vancouver. Lass mich abholen.«

»Aber hier in Vancouver hättest du keine Ruhe, Sander, oder willst du, dass Reporter jeden einzelnen wackeligen Schritt von dir als verheißungsvolle Schicksalswendung anpreisen und dir mit ihren Prognosen zusätzlichen Druck aufbauen? Das kannst du vor allem nach den letzten Wochen nicht gebrauchen.«

»Bullshit, ich kann mich verstecken.«

»Kannst du nicht, die Presse hat hier überall ihre Leute.«

»Gut, dann will ich nach Northwood.« Mein Zuhause ist ein Wintersportort, wir haben genug Physiotherapeuten.

»Nein.«

»Was soll das heißen? Willst du mich hier einsperren? Ich bin erwachsen, schon vergessen? Ich kann mir den Flug auch selbst organisieren.«

Paul schnauft laut. »Sieben Wochen sind eine verdammt kurze Zeit, um wieder aufs Eis zu kommen, Sander. Ich hatte schon Spieler unter Vertrag, die nach einem Sehnenriss ihre gesamten Bewegungsabläufe neu optimieren mussten, und das kann Monate dauern. Und die hatten wohlgemerkt keinen erschwerten Heilungsverlauf durch eine Infektion. Das medizinische Team im Rosefield’s ist das Beste. In dieser Preisklasse arbeiten nur absolute Profis, die wissen, was sie tun. Wenn es jemand schafft, dich für die Play-offs hinzubiegen, dann sind sie es. Leistungsorientiertes Training ohne jegliche Ablenkung, Sander. Der Verein hat sich was dabei gedacht.«

Das alles klingt logisch. Und sinnvoll. Aber die Aussicht auf sieben Wochen Langeweile lässt mich noch energischer in den Gips schneiden, der schon zur Hälfte geöffnet ist.

»Sander?«

Ich will zurück in die NHL, lieber heute als morgen. »Drei Tage. Ich sehe es mir drei Tage an, und wenn ich dann hier weg will, steht ein Hubschrauber bereit.« Ohne weitere Diskussion.

»Sechs Tage«, feilscht Paul. Er ist Agent, ein sehr guter sogar, ich hätte nichts anderes von ihm erwartet.

»Vier Tage.« Ich bin mit zwei Geschwistern und unserem Nachbarn Chase aufgewachsen. Wenn ich was gelernt habe, dann zu verhandeln.

»Na gut, fünf Tage, Sander. Du bleibst fünf Tage und wenn du keine Fortschritte spürst, bist du raus dort.«

Ich grinse erleichtert. »Abgemacht. Fünf Tage, Paul.«

»Denk bei der Entscheidung an deine Gesundheit. In sieben Wochen kannst du dein altes Leben zurückhaben, da sind ein paar Tage Abgeschiedenheit ein kleiner Preis.«

Ich antworte nicht. Wir wissen auch so, dass er recht hat. Da muss ich es nicht auch noch offiziell zugeben.

»Was machst du eigentlich? Bist du unterwegs? Deine Atmung klingt, als wärst du auf einer Bergtour.«

»Sehr lustig, Paul«, erwidere ich und bin mit der Schere endlich an der Rundung zum Fuß angekommen. »Ich nehme meinen Gips ab und die Schere ist stumpf wie ein Buttermesser.«

»Du machst was? Sander, dafür gibt es Ärzte, du kannst doch nicht einfach –«

»Paul? Ich kann dich nicht mehr verstehen. Hier in der Abgeschiedenheit am Arsch der Welt ist der Empfang so schlecht. Wir hören uns in fünf Tagen! Du kannst schon mal den Hubschrauber buchen.«

Mit einem breiten Lächeln im Gesicht stemme ich den Gips auf und hebe vorsichtig mein stechendes Bein heraus. Geschafft. Erleichtert lehne ich mich zurück und atme tief durch. Nur noch fünfmal schlafen und ich bin hier wieder weg.

***

Eliza

Zazou lässt sich vor mir auf den Boden fallen und ich spüre ihr weiches Fell auf meinen nackten Zehen. Der kurze Aufstieg bis zur Lichtung war anstrengend für die Afghanenhündin und ich werde eine Ewigkeit brauchen, bis ich die Tannennadeln und kleinen Äste wieder aus ihrer graubraunen Wolle gezupft habe.

Zufrieden legt sie den Kopf auf ihre Pfoten und schließt die Augen. Zu Beginn der Woche mussten wir schon auf halbem Weg umdrehen, so erschöpft war sie, und ich bin mir sicher, bis zum Urlaubsende von Mrs und Mr Connelly ist Zazou topfit.

»Dann kannst du den Hunden im Park davonrennen«, sage ich und Zazou hebt genüsslich das Kinn, damit ich sie besser kraulen kann.

Als die ersten Sonnenstrahlen durch das Dach aus Fichten und Tannen ihren Weg zu uns finden, ziehe ich auf dem Felsen meine Beine an und schließe ebenfalls die Augen. Ich höre das leise Wiegen der Bäume und ein kurzes Knacken irgendwo hinter mir. Zazous gleichmäßiger Atem dringt durch die Stille und das Schlagen von aufgeregten Flügeln bringt gedanklich einen kleinen Vogel zu mir, der ganz in der Nähe auf einem Ast landet und sich das Gefieder putzt.

Hier existieren nur die Bilder, die mir der Wald schenkt. Keine Erwartungen, die ich für Mom erfüllen muss, und keine wohlhabenden Gäste, die sich ohne Rücksicht lauthals durch die Natur bewegen. Meine Großmutter Nanny hätte sich furchtbar über die Respektlosigkeit der Touristen geärgert und mir von der Zeit ihrer Großmutter erzählt, als Rosefield ein kleines Dorf war mit einer Handvoll Bewohnern. Und sonst niemandem.

Als Kind bin ich stundenlang mit ihr den Sparrow River entlanggewandert. Wir haben den Fisch für das Abendessen selbst gefangen und ihn zu Hause mit heißen Steinen im Garten vergraben. Mom hat sich immer lauthals aufgeregt, wenn wir mit den Fingern gegessen haben, aber das war Nanny egal. Ich vermisse sie.

Zazou gähnt laut und stupst mit dem Kopf gegen mein Knie. Ich schaue zu ihr hinunter und muss bei dem flehenden Blick, den sie mir schenkt, lächeln.

»Ich wette, du willst dein Frühstück, oder?« Es war noch dunkel, als ich die Hündin aus dem Westhaus geholt habe. Das ist die angenehmste Zeit im Resort, weil man niemandem begegnet. Kurz habe ich überlegt, Eric zu wecken und ihn einzuladen mitzukommen. In den letzten zwei Jahren war er noch nie mit mir hier im Wald und er hasst Hunde. Somit hatte ich zwei gute Gründe, die gegen seine Gesellschaft gesprochen haben.

Zazou springt sofort auf, als ich nach meinen Turnschuhen greife und mich hinstelle. Ich liebe das Gefühl des feinen Nadelteppichs auf meinen Fußsohlen und laufe bis kurz vor dem Resort barfuß. Die morgendliche Kälte macht mir nichts aus, vielmehr scheint sie meinen Körper zu beleben. An der Waldgrenze bringe ich Zazous Fell in Ordnung und gehe durch die Grünanlagen auf schnellstem Weg zum Westhaus. Mrs und Mr Connelly sind nirgends zu sehen, also bringe ich Zazou in die Suite und lasse ihr das Futter vom Servicepersonal bringen.

Eric ist um diese Uhrzeit normalerweise im Fitnessstudio. Seit er von seiner Australienrundreise zurück ist, trainiert er wieder regelmäßig. Ich könnte ihn besuchen, zum Reden, während er am Laufband steht oder irgendwelche Gewichte stemmt. Die Aussicht auf sein Murren, weil ich seine Konzentration störe, lässt mich zu meinem Rad gehen, und ich trete mich über die Hauptstraße nach Hause.

Das Bear’s Creek liegt nicht mehr als zehn Minuten entfernt vom Rehazentrum und doch finde ich, verborgen von uralten Bäumen, eine ganz andere Welt vor. Meine Welt.

Die Zufahrt zu unserem Wohnhaus ist nur durch ein abgewettertes Schild von der Straße aus zu erkennen und das leicht abfallende Gelände hinunter zum See lässt von dort aus nicht erahnen, wie schön es hier ist.

Unser Haus ist das älteste in unserer Ferienanlage und war ursprünglich das Elternhaus meiner Mutter, aber für eine Gästelobby viel zu klein. Dad war es beim Umbau damals wichtig, die Grundstruktur in der Bauweise beizubehalten, und dafür war ihm Nanny zutiefst dankbar. Mom wollte von vorneherein ein richtiges Hotel haben, aber die Mittel für eine Erweiterung haben schon damals nicht gereicht. All das hier ist ihre unliebsame Alternative und das zeigt sie uns Tag für Tag.

Ich steige vom Rad und lehne es an die Veranda. Die Blumenkästen darauf sind noch immer leer und ich schätze, Mom wird sie dieses Jahr nicht mehr bepflanzen. Ihr Auto steht nicht vor der Tür und ich schäme mich beinahe für die Erleichterung, die ich verspüre.

Am PC in der Rezeption checke ich, ob heute eine Anreise geplant ist, aber bis auf das Chalet Puma ist nichts belegt. Als das Rosefield Hot Springs Resort noch ein kleines Wellnesshotel gewesen ist, waren unsere sechs Ferienhäuser ständig ausgebucht, vor allem in den Sommermonaten. Die Ferienanlage ist Dads Lebenswerk und er hat jede Hütte, die meine Urgroßeltern einst aufgebaut haben, mit eigenen Händen renoviert und instandgehalten. Die letzten Jahre hat er hauptsächlich vor dem Fernseher verbracht und das Marketing beinahe ganz eingestellt. Er resigniert und lässt sich von dem Luxusanwesen vertreiben. Und Mom wird ihm nie verzeihen, dass nicht er, sondern die McTravishs das Geld für ein Resort hatten und die Thermalquellen für sich genutzt haben.

Ich springe über die wenigen Treppen unseres Hauses nach unten und laufe über den Trampelpfad hinüber zu dem schmalen Bachlauf, an dem ich als Kind stundenlang Dämme gebaut habe. Im eiskalten Gebirgswasser wasche ich mir die Hände und das Gesicht und gehe weiter bis zu der Kreuzung, von der man immer zwei der Ferienhäuser erreicht.

Ich nehme den ersten Weg und muss schon beim Anblick des Chalet Eule grinsen. Als Nanny und ich den Namen gewählt haben, konnten wir nicht ahnen, dass das Terrassengeländer irgendwann derart mit Efeu zuwachsen und die Holzhütte tatsächlich wie ein kleines Nest wirken lassen würde. Ein Nest, das mir gehört.

Seit Dad mit erlaubt hat, ein Chalet zu beziehen, und Mom und ich uns dadurch so gut wie möglich aus dem Weg gehen, sind unsere Auseinandersetzungen weniger geworden.

Die Tür ist nicht abgeschlossen, weil ich nicht wüsste, wer sich hierher verirren sollte. Der Wohnraum nimmt die ganze Grundfläche ein und nur eine Holztreppe führt hinauf auf die Hochebene, die mit einem breiten Doppelbett ausgestattet ist. Eric flucht immer, weil es oben keine Toilette gibt, aber mich stört das nicht – ich liebe mein kleines Nest. Mit großen Schritten steige ich über die am Boden verteilte Kleidung und nehme mir einen Apfel und den Collegeblock. Auf der Terrasse kuschle ich mich in den Hängestuhl und überlege mir, was ich heute aufschreibe.

Nanny sagte immer, Träume darf man nicht vergessen, damit sie in Erfüllung gehen. Es ist meine Art, etwas von ihr bei mir zu behalten, wenn ich die Erinnerungen an schöne Träume notiere. In einem einzigen, meist gänzlich sinnlosen, aber irgendwie bedeutungsvollen Satz. Die Zettel hängen alle an dem kleinen Rotahorn vor dem Chalet, der leuchtende Blätter trägt.

Auf dem Stift kauend versuche ich, die Schemen von heute Nacht zurückzuholen. Ich bin geflogen, leicht und frei, aber in geborgener Wärme. Vor mir waren keine Berge oder Bäume, und doch hat es nach Wald und Schnee gerochen. Abgerundete Stufen haben einen Weg freigegeben. Ich kann nicht sagen, wohin, aber der Pfad hat sich sicher angefühlt. Und alles war in sanftes Blau getaucht, die Lieblingsfarbe meiner Großmutter. Sie steht laut Nanny für die Entstehung, weil das Leben ohne den Himmel und das Wasser nicht möglich ist. Blau verleiht Wichtigkeit, auch den Träumen. Mit einem Lächeln schreibe ich auf, was von der Nacht geblieben ist.

Durch den Schnee schwebe ich in schützender Wärme hin zum Ursprung, einem Neubeginn entgegen.

Ich wiederhole den Satz laut und gehe hinunter zu dem roten Ahorn. Manchmal lese ich die Träume, die die Sonne, der Regen und der Wind übrig gelassen haben, und selbst wenn die Worte keinen Zusammenhang haben, erinnere ich mich doch jedes Mal an die Zufriedenheit, die ich in diesen Träumen gespürt habe. Behutsam falte ich den Zettel der Länge nach und wickle ihn immer wieder so straff um einen dünnen Ast, dass er von selbst Halt findet und beinahe zwischen den vielen Blättern verschwindet.

Ich erinnere mich immer weniger an die Geschichten meiner Großmutter oder daran, wie sich meine Hand in ihrer angefühlt hat. Ihr Lachen kenne ich nur noch von den wenigen Fotos, und obwohl ihr Tod erst vier Jahre her ist, scheint eine Ewigkeit vergangen, seit ich das letzte Mal ihre Stimme gehört habe. Die Angst, sie mit jedem weiteren Tag ein kleines bisschen mehr zu verlieren, ist groß. Der Baum hilft mir, die Ruhe und Gelassenheit meiner Nanny bei mir zu behalten.

Meine Gedanken werden von dem Läuten meines Telefons unterbrochen, das ich hier draußen nur schwach hören kann. Entweder es ist das Rosefield’s, weil von Gästen eine Hundebetreuung gebucht wurde, oder es ist meine Mom. Eric schreibt nur Nachrichten und hier in der Umgebung gibt es kaum mehr junge Familien, deren Kinder ich zu meinem Freundeskreis zählen könnte.

Jeder, der nicht wirtschaftlich mit dem Hot Springs Resort verbunden ist, ist in den letzten Jahren weggezogen. In der Highschool im naheliegenden Nakusp hatte ich zwar Freundinnen, aber die sind bereits letztes Jahr aufs College gegangen und mussten nicht noch ein Jahr Geld verdienen, um sich zumindest die ersten Monate am Campus leisten zu können. Nanny hat bei meiner Geburt einen College-Fonds für mich angelegt, aber für die Unterkunft in Vancouver muss ich selbst aufkommen.

»Nur noch vier Monate«, murmele ich vor mich hin, als ich das Bild meiner Mom auf dem Bildschirm des Telefons entdecke und abhebe.

Sie gibt mir nicht die Zeit, um sie zu begrüßen.

»Bitte sag mir, dass du unter der Dusche warst und dich gerade für den Brunch zurechtmachst und nur deswegen nicht an dein Telefon gegangen bist.«

»Guten Morgen, Mom. Ich bin eben erst vom Rosefield’s zurückgekommen.«

Mom schnaubt entsetzt. »Der Brunch fängt in weniger als einer Stunde an, Eliza. Du weißt genau, wie wichtig die guten Kontakte der McTravishs für uns sind. Wir müssen ein zuverlässiges Auftreten vermitteln. Es reicht, wenn uns dein Vater im Stich lässt.«

Ich hatte den Brunch zu Mr McTravishs Geburtstag wirklich vergessen, obwohl meine Mom und Eric in den letzten Tagen oft genug darüber gesprochen haben. Ich wollte ihm dabei helfen, ein Geschenk für seinen Dad auszusuchen, aber Eric ist mit seinen Jungs alleine losgefahren.

»Ich bin noch beim Friseur, Eliza. Geh jetzt unter die Dusche und komm rüber. Wenn ich da bin, retten wir, was an dir noch zu retten ist.«

Mom legt auf, bevor ich ihr zustimmen kann. Oder absagen und ihr erklären, wie sehr ich den Auflauf der Investoren und der wohlhabenden Gäste hasse. Ich mag es nicht, mich in viel zu enge Kleidung zu zwängen und ein Lächeln aufzusetzen, das falscher nicht sein könnte. Eric ist mit Veranstaltungen dieser Art aufgewachsen und kann meine Abneigung nicht verstehen. Und Mom will mit dem Geld der McTravishs das Bear’s Creek retten und sich und Dad eine Zukunft hier sichern, bevor wir das Grundstück billig abtreten müssen und ebenso wie die anderen Einwohner zum Umziehen gezwungen werden.

Ich nehme mir drei, vier Atemzüge Zeit, um mich zu beruhigen und das zu tun, was von mir erwartet wird: neureichen Ärschen ins Gesicht zu lachen.

Kapitel 2

Sander

Ich bin der Einzige hier im Wintergarten, der einen Trainingsanzug trägt. Und Sneakers. Einen Sneaker, um genau zu sein. Meinen angeschwollenen Fuß in einen Schuh zu zwängen, war unmöglich, vor allem aber sinnlos, weil ich ohnehin nicht auftreten kann. Wie das alles in sieben Wochen werden soll, weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass an diesem Ort definitiv gar nichts wird. In vier Nächten bin ich weg.

Mehr durch Glück als durch Geschicklichkeit schaffe ich es, meine Schüssel samt Müsli und Joghurt zu dem Tisch zu balancieren, an dem eine meiner Krücken lehnt. Nach dem Aufstehen bin ich den ganzen Weg über die Seepromenade mit Gehhilfen gegangen. Langsam und Schritt für Schritt, mit einem brennenden Ziehen in beiden Beinen, und nur einem freundlichen älteren Herrn habe ich es zu verdanken, dass ich den Speisesaal und das Haus Windrose überhaupt gefunden habe.

Der Hunger war mein Antrieb, nachdem mich gestern weder Churchill noch irgendwer sonst vom Servicepersonal aufgesucht haben. Wäre es nicht so verdammt ärgerlich gewesen, hätte ich eigentlich darüber lachen müssen. Ich bin hier, weil mich die Spartans bestens versorgt wissen wollen, und werde schon am ersten Abend vergessen.

Nachdem ich zwei Stunden umsonst gewartet habe, bin ich todmüde ins Bett gefallen und habe bis in den Morgen durchgeschlafen. Natürlich hatte ich versucht, irgendeine Menschenseele über das Zimmertelefon zu erreichen. Gestern für ein Abendessen und heute noch einmal, weil ich so ein Golfwagen-Taxi rufen wollte. Oder um zu erfahren, wann die Herrschaften gedenken, mit meinen Therapien zu beginnen. Erfolglos. Entweder die Leitung ist nicht besetzt oder meine Suite nicht freigeschaltet. So oder so, ich wurde vergessen. In einem Luxus-Resort.

Die zwei anderen Paare am Ende des Raumes stehen gerade von ihren Tischen auf und verlassen den Wintergarten über die Terrasse. An keinem von ihnen kann ich eine Verletzung entdecken und ich frage mich, was hier eigentlich rehabilitiert wird. Und von wem.

Selbst hier drinnen ist von Personal keine Spur zu sehen, weder irgendein Mitarbeiter des Rehazentrums noch ein Kellner, bei dem ich mir Tee bestellen könnte. Trinke ich halt heute nichts. Vielleicht bin ich auch zu spät und das Frühstücksbuffet steht nur noch, weil keine Zeit war, es abzuräumen. Keiner hat gesagt, dass ich nicht ausschlafen darf, und es hat verdammt gutgetan, endlich wieder in einem richtigen Bett zu liegen anstatt in einem Krankenbett.

In aller Ruhe esse ich mein Müsli und warte. Ich schaue mir den See zum ersten Mal aufmerksamer an und vergleiche die Bergformation dahinter gedanklich mit den Gebirgsketten zu Hause in Northwood. Luca würde es hier gefallen, es ist der perfekte Ort für Trailrunning.

Die Minuten vergehen und kein Mensch kommt. Niemand, der mir eine Tasse Tee bringen könnte. Niemand, der sich auch nur ansatzweise um mich bemüht, und niemand, den ich nach der Uhrzeit für meinen medizinischen Check fragen kann. Ich will mit der Arbeit beginnen und wenn das alles ist, was die Spartans an Betreuung zu bieten haben, werden Brayden und ich das Team wechseln müssen. Luxus pur hier, aber anscheinend nur für Tante Betsy.

Leicht frustriert und noch leichter genervt schnappe ich mir die Krücken und humple aus dem Speisesaal auf der Suche nach der Empfangshalle. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das hier das gleiche Gebäude ist, in dem ich gestern von Miss Polo begrüßt wurde.

Der breite Gang ist mit einem glänzenden Fliesenboden ausgelegt. An den Seiten zieren ihn goldene Ornamente, die zu den Bilderrahmen der Landschaftsgemälde passen. Meine Freundin Aley hat bis vor einem Jahr Kunst studiert und würde sich die Bilder genau ansehen, ich nicht. Dafür pocht mein Bein zu stark. Und noch immer ist niemand in Sicht, der mir Auskunft geben kann. Paul kann mich mal, hier werde ich keine vier Stunden mehr bleiben.

Leises Stimmengewirr dringt an mein Ohr und ich fokussiere die offene Tür am anderen Ende des ewig erscheinenden Flurs. Je näher ich komme, desto eindeutiger vermischt sich der feine Klang von klassischer Musik mit den Stimmen, und ich sehe gedanklich schon die Gäste anmutig über das Parkett tanzen, während ihnen die Versicherung einen Urlaub zur Rehabilitation spendiert.

Die Anstrengung, die jeder Schritt mich kostet, sorgt dafür, dass sich Schweißtropfen auf meiner Stirn sammeln und ich das Pulsieren meiner Halsschlagader spüre. Wenn ich nicht bald Hilfe bekomme, verrecke ich auf dem Fliesenboden hier, wunderschön eingerahmt von goldenen Ornamenten.

Ziemlich am Ende aller Kraftreserven gehe ich durch die offene Tür und bleibe im Rahmen stehen. Kein Wunder, dass sich niemand um eine kleine Tasse Tee für mich bemühen konnte. Oder um ein Taxi, stärkere Schmerzmittel, eine Therapieplanung oder sonst etwas. Hier findet am helllichten Tag eine verdammte Reichen-Gala statt.

In einem überdimensionalen Saal, der zur ganzen Seeseite hin verglast ist, tummeln sich Frauen und Männer höheren Alters in Anzügen und Ballkleidern, wie sie bei uns in Northwood nicht einmal zu Hochzeiten getragen werden. Ich stehe direkt im Seiteneingang neben der Bühne, auf dem ein fünfköpfiges Orchester spielt und die regen Gespräche an den runden Tischen musikalisch untermalt.

Zu meiner Rechten ist ein Turm aus gefüllten Champagnergläsern aufgebaut, wie man ihn sonst nur aus dem Fernsehen kennt. Wenn ich diesen Turm, rein theoretisch natürlich, umstieße, dann würde sich ziemlich sicher jemand findig machen, der mich endlich zu einem Arzt brächte. Oder noch besser, zum Hubschrauberlandeplatz. Ich müsste nur das eine Glas unten in der Mitte ein kleines Stück nach vorne ziehen, eventuell noch ein zweites Glas. Das ginge auch trotz der Krücken.

Aber nein, meine Mom hat mich besser erzogen, ich finde auch so einen Angestellten, der mir weiterhelfen kann. Oder einen Stuhl für eine kleine Pause – ich kann nämlich nicht mehr.

Entschlossen fokussiere ich den Kellner mit den zusammengebundenen Haaren und gehe an dem mächtigen Gläserturm vorbei. Es ist mir egal, dass mich die ersten Blicke treffen, weil ich mit meinen Jogginghosen nicht in das noble Kleidungsschema hier passe. Ich bin ohnehin nicht auf der Suche nach wohlhabenden Adoptiveltern.

Schon beinahe am Champagnerbuffet vorbei, bemerke ich eine Millisekunde zu spät den nassen Fleck am Boden. Die Krücke verliert die Haftung und rutscht nach vorne weg. Instinktiv schaffe ich es, mein verletztes Bein in der Luft zu behalten und nicht damit aufzutreten, um meinen Gleichgewichtsverlust auszugleichen. Stattdessen drehe ich meinen Oberkörper und fange den Schwung mit meinem Ellenbogen ab. An dem Tisch mit dem Champagnerturm.

Die ersten kleinen Sprünge klirren ganz leise und für einen Wimpernschlag habe ich die Hoffnung, dass es bei ein oder zwei kaputten Gläsern bleiben könnte. Die Pyramide hat statisch durchdacht gewirkt, als könne sie halten, wenn nur ganz wenig wegbricht.

Als ich mich mühevoll aufrichte und einen Schritt zurück hüpfe, sehe ich, dass das nicht passieren wird. Der Turm wird sich nicht von selbst retten. Wie durch Magie werden von unten nach oben immer mehr Gläser gestürzt und vergießen eine schäumende Welle aus Champagner vor meinen Füßen. Das Zerbrechen von Glas fasst sich zu einem glockenähnlichen Klimpern zusammen, und käme sie mir unter anderen Bedingungen zu Ohren, würde mir die Melodie sogar gefallen.

Natürlich hat das Orchester aufgehört zu spielen, damit dem Spektakel ja die Beachtung des ganzen Saals sicher ist. Und nachdem auch die letzten Gläser ganz unten von den oberen zersplittert worden sind, spüre ich die Blicke aller von dem Scherbenhaufen zu mir wandern. Ich kann mit Aufmerksamkeit, wirklich, aber das hier ist eine ganz andere Nummer, als für ein Tor von Hunderten Zuschauern bejubelt zu werden.

Ich stoße den Atem aus und hebe die Hand. »Sorry, ich wurde nicht verletzt, alles gut. Wasser soll ohnehin gesünder sein.«

Leises Gemurmel vertreibt die Stille, aber nicht dominant genug, um das deutliche »Idiot« zu überhören.

Blitzschnell fährt mein Kopf herum und ich suche die Person, die das gesagt hat, verwundert darüber, dass der Wortschatz der Leute hier drinnen auch Schimpfworte beinhaltet. Nicht weit entfernt von mir steht eine Gruppe Männer in meinem Alter, vielleicht auch etwas jünger als ich. Sie alle tragen dunkle Anzüge und selbst von hier aus erkenne ich die Siegelringe an ihren Fingern. Ich könnte meine verbleibende Krücke werfen und mit viel Glück zumindest einem von ihnen damit das abschätzige Lächeln aus dem Gesicht schießen. Aber das Stehen mit nur einer Gehhilfe ist schon schwierig genug.

Ziemlich unsicher bücke ich mich nach der Krücke, die die Schuld an allem hier trägt, und richte mich langsam wieder auf. Das beschissene Lachen der Typen gegenüber wird lauter und ich kann nicht anders, als noch einmal hinüberzusehen, anstatt sie einfach zu ignorieren.

Der große Typ mit den zurückgegelten Haaren macht einen Schritt zur Seite und mein Blick erstarrt. Mit einem Mädchen – nein, mit einem wunderschönen Mädchen – habe ich hier nicht gerechnet. Hohe Absätze, ein kurzes, enges Kleid und hochgesteckte Haare. Eine schwarze Strähne hat sich von hinten über ihr Dekolletee gelegt, das eine weiße Perlenkette ziert. Ich schlucke. Sie passt augenscheinlich perfekt hier rein, und doch könnte sie nicht fremder wirken. Ich muss ihr nicht nahe sein, um das unbändige Leben in den dunkelsten Augen zu erkennen, die ich je sehen durfte. Und die fehl am Platz wirken, so fehl.

Das Mädchen erwidert meinen Blick und kommt anscheinend wie ich zu der Erkenntnis, dass wir gleichermaßen nicht hierhergehören. So als könnte sie meine Gedanken lesen, die in diesen wenigen Wimpernschlägen nur ihr gehören. Sie macht einen Schritt an den Jungs vorbei auf mich zu und will näherkommen, wird aber unsanft von dem großen Typen am Arm gepackt und bleibt wie angewurzelt stehen.