Turning Back to You (»Back to You«-Reihe 4) - Lexis Able - E-Book

Turning Back to You (»Back to You«-Reihe 4) E-Book

Lexis Able

0,0
4,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

**Verschließe dich nicht. Sieh dich mit seinen Augen.** Mason Warrens Leben scheint perfekt: Als angesagter DJ Maze feiert er weltweit Erfolge. Doch als er beim spektakulären Wintersport-Event »Rising Four – The Legends of Snow and Ice« auflegen soll, wird er von der Vergangenheit eingeholt. Unter den Spitzensportlern befindet sich ausgerechnet Laura – Laura, mit der er einen unvergesslichen Sommer erlebt und die ihn dann so bitter enttäuscht hat. Aber auch Laura ist klar: Wenn sie sich jetzt durch Mason ablenken lässt, steht der Sieg bei den Competitions auf dem Spiel. Schließlich weiß sie, wie gefährlich es sein kann, sich in ihn zu verlieben. Allerdings wäre die stille Abmachung, einander zu ignorieren, leichter zu befolgen, wenn die brennende Anziehung nicht stärker wäre als jede Vernunft. Gefühlvolle Sports Romance mit Tiefgang zum Dahinschmelzen! Leser*innenstimmen zu den »Back to You«-Bänden: »Einfach nur große Liebe!« »Jahreshighlight! So unglaublich gut!« »Volle Leseempfehlung!« //Der Liebesroman »Turning Back to You« ist ein Spin-off der romantischen »Back to You«-Reihe. Alle Bände der gefühlvollen Sports Romance: -- Back to You 1: Running Back to You -- Back to You 2: Crashing Back to You -- Back to You 3: Dreaming Back to You -- Back to You Spin-off: Turning Back to You// »Turning Back to You« ist ein sich abgeschlossener Einzelband, der keine Vorkenntnisse benötigt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

Wer nach Geschichten zum Mitverlieben in den beliebten Genres Romantasy, Coming-of-Age oder New Adult Romance sucht, ist bei uns genau richtig. Mit viel Gefühl, bittersüßer Stimmung und starken Heldinnen entführen wir unsere Leser*innen in die grenzenlosen Weiten fesselnder Buchwelten.

Tauch ab und lass die Realität weit hinter dir.

Jetzt anmelden!

Jetzt Fan werden!

Lexis Able

Turning Back to You (»Back to You«-Reihe 4)

**Verschließe dich nicht. Sieh dich mit seinen Augen.**

Mason Warrens Leben scheint perfekt: Als angesagter DJ Maze feiert er weltweit Erfolge. Doch als er beim spektakulären Wintersport-Event »Rising Four – The Legends of Snow and Ice« auflegen soll, wird er von der Vergangenheit eingeholt. Unter den Spitzensportlern befindet sich ausgerechnet Laura – Laura, mit der er einen unvergesslichen Sommer erlebt und die ihn dann so bitter enttäuscht hat. Aber auch Laura ist klar: Wenn sie sich jetzt durch Mason ablenken lässt, steht der Sieg bei den Competitions auf dem Spiel. Schließlich weiß sie, wie gefährlich es sein kann, sich in ihn zu verlieben. Allerdings wäre die stille Abmachung, einander zu ignorieren, leichter zu befolgen, wenn die brennende Anziehung nicht stärker wäre als jede Vernunft.

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

Danksagung

Content Notes

© HERZLICHT FOTOGRAFIE VON RENATE NEURAUTER

Lexis Able wurde 1986 in Österreich geboren und wohnt mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und einigen Vierbeinern in Tirol. Aufgewachsen ist sie zwischen Bergen und Büchern, am liebsten in Kombination. Aus dem Schreiben schöpft Lexis die Kraft für ihren Beruf als Sonderkindergartenpädagogin, ihr erstes Buch hat sie selbst im Alter von sechs Jahren geschrieben. Auf langen Bergläufen entwickelt sie ihre Geschichten, die sie nun endlich mit anderen teilen darf.

Für Lisa und Lucas.Ein Für-immer ist mächtig. An vielen Tagen ein Segen, an manchen eine Bürde, aber immer etwas Besonderes.Haltet es fest und behütet es.Ich hab euch lieb.

Für die Lunch Crew, ohne die es dieses Buch nicht geben würde.Danke für eure Unterstützung zu jeder Zeit, seit dem ersten Teil dieser Reihe, mit dem alles begonnen hat.Ihr seid die Besten!

Und für dich.Danke, dass du dieses Buch liest und damit die »Back to You«-Reihe gemeinsam mit mir abschließt.

Vorbemerkung

Liebe Leserin, lieber Leser,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die Spoiler enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleibe damit nicht allein. Wende dich an deine Familie und an Freunde oder suche dir professionelle Hilfe.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Lexis und das Impress-Team

Playlist

Noch nie war eine Playlist so ein Durcheinander, und noch nie war eine Playlist so sehr ich … Viel Spaß beim Hören!

Brave – Riley Pearce

Acoustic – Billy Raffoul

Ohne dich (schlaf’ ich heut Nacht nicht ein) – Münchener Freiheit

Beautiful Reason – Michael Schulte

Happiest Year – Jaymes Young

Birds of a Feather – Billie Eilish

Vivaldi Winter Drill #2 – veneris

Truly Madly Deeply – Aamir

Herztausch – Christoph Sakwerda

Beauty and a Beat – Techno n Tequilla, Chloe Evee

Read All About It, Pt. III – Emeli Sandé

Wenn das Liebe ist – Glashaus, Moses Pelham

Lonely – Gabry Ponte

Be Alright – Dean Lewis

Wings (Techno) – No Emotion

In The End (Mellen Gi & Tommee Profitt Remix) – Linkin Park (Cover von Fleurie)

Love Myself – Cameron Whitcomb

Ameno (Techno Mix) – Gabry Ponte, Marnik, Roberto Molinaro

Figure You Out – Voilà

How You Remind Me – Nickelback

Ich will nur – Philipp Poisel

My Forever

Just the way we are,

you will always be my only star.

Feeling free with you became my forever,

it’s not a question of now or never.

Intertwined souls, yours and mine,

bound in a ring, lost in forever’s time.

My heart is beating in a new melody,

the moments with you let me feel free.

You are the only one, caught in my dreams,

Can’t let you go, whatever that means.

Don’t go away, please – stay.

Being strong enough, alone, was carrying me,

what a false belief, being weak together is the truth to be.

Give me your hand, we’ll walk side by side,

in the darkness you are my light.

There’s only one thing left at the end of time,

knowing that you are here, that you are mine.

This is the only thing I need, the only truth to succeed.

Feeling free with you became my forever,

it’s not a question of now or never.

Kapitel1

Mason

Meine Augen sind geschlossen und die Welt verstummt mit mir. Keine Geräusche. Nicht der kleinste Laut. Einzig meine schweren Atemzüge durchbrechen die Stille. Ich habe Zeit, hole Luft. Einmal und noch einmal. Alles ist gut.

Ein feiner Luftzug streicht über die Schweißschicht auf meinen Armen und bringt in der sengenden Hitze einen kurzen Moment der Erleichterung. Sie warten. Ich weiß, dass sie warten. Mit diesem drängenden Bewusstsein wird mein Herzschlag schneller, treibt mich an. Das Pochen will mir die Ruhe nehmen und mich ins Hier und Jetzt hineinstoßen.

Ein letztes Mal atme ich durch und hebe den Kopf in Richtung Himmel. Dann öffne ich die Augen und drehe mich um.

In der alten Fabrikhalle explodiert die vertraute Mischung aus anonymen Rufen und Jubelgeschrei. Ein tosendes Meer aus Tausenden Gesichtern liegt unter mir. Ich kenne keines von ihnen, aber sie kennen mich.

Langsam hebe ich den Arm und aus der Menge bricht vereinzelt hohes Gekreische. Mit der anderen Hand ziehe ich mir die Kopfhörer auf und finde selbst im Halbdunkeln die richtigen Regler am Controller. Als ich beginne mit den Fingern von fünf rückwärtszuzählen, wird der auf mich gerichtete Spot heller und das Publikum stimmt laut mit ein. Ich höre den Beat bereits, gebe ihn mit meinem Kopfnicken wieder, und von dieser Bewegung ausgehend verfalle ich erneut in die Trance, die mich schon die halbe Nacht mit wildfremden Menschen verbindet.

Bei eins angekommen bleibt meine Faust in der Luft. Wieder ein Atemzug, und noch einer, kurze Stille, die jegliche Aufmerksamkeit auf mich fokussiert. Ich habe die letzten Stunden darauf hingearbeitet, genau diesen Punkt zu erreichen. Die Menge gehört mir. Wir sind vereint, durch meine Musik.

Zeitgleich mit dem Fauststoß hämmert der Beat durch die Halle und der aufgebaute Chorus von My Forever schallt durch die Boxen. Am Bühnenrand sprühen Feuerwerksblitze in die Höhe und das Licht in meinem Rücken verändert sich, weil der Großbildschirm jetzt nicht mehr nur mein Gesicht zeigt. Ich steigere die Geschwindigkeit auf über 170 BPM und beginne den Text an einzelnen Stellen auszubremsen. Dieser Kontrast zerreißt das Publikum und die Spannung steigert sich ein zweites Mal innerhalb kürzester Zeit.

Keiner weiß mehr, wie er sich bewegen soll, wir alle vergessen den Alltag und geben uns der Ekstase hin. Dann lege ich lächelnd den Kopf in den Nacken, genieße den erlösenden Augenblick, in dem ich den Song wieder zusammenführe und diese Einheit in jeder einzelnen Zelle meines Körpers Ausdruck findet.

Wieder schießen Lichtfontänen in die Höhe und Rauch erobert die Bühne. Er kommt mir gefährlich nahe, will sich in den erhabenen Moment drängen, aber nicht heute. Die aufwallenden Nebelschwaden ignorierend, ziehe ich mir die Kopfhörer in den Nacken und verfalle weiter meiner Musik und dem Publikum. Ich bin nicht allein.

Obwohl es nicht geplant war, baue ich einen Übergang auf und verlängere die letzten Sequenzen mit einem neuen Song. Im dunklen Abseits erkenne ich die Bühnencrew des DJs, der heute das Cool-down auflegen darf. Das ist der einzige Grund, warum ich nach dieser Zugabe nicht einfach weitermache. Auch er soll seine Chance bekommen und die volle Spielzeit nutzen.

Ein letztes Mal für diese Nacht nehme ich das Mikrofon in die Hand und stelle mich vor das Pult. Ich hebe beide Arme, lege das Mikro an den Mund und grinse. »Ladies and Gentlemen, that was …?«

»Amazing!« Tausende Stimmen werden für mich zu einer.

Ich kündige den nächsten DJ an, verbeuge mich und verschwinde begleitet von Applaus und Rufen von der Bühne. Travis kommt auf mich zu, mein Management hat ihn mir zur Unterstützung geschickt. Er versichert mir freundlich, meine Ausrüstung vorsichtig und ordnungsgemäß einzuladen. Irgendwer reicht mir ein Handtuch und eine Wasserflasche. Ich kann mich gerade noch bedanken und mir das Gesicht abwischen, da werde ich schon eingekesselt. Smartphones werden auf mich gerichtet und grelles Blitzlicht zwingt mich zum Blinzeln. Ich habe keine Ahnung, was so viele Menschen im Backstagebereich zu suchen haben. Doch wie von mir erwartet lächle ich, gebe kurze Statements für Reels ab und unterschreibe auf ein paar Unterarmen und sogar auf der Rückseite eines Handys.

Die Endorphine des Auftritts schwirren immer noch durch meinen Körper und schenken mir eine glückselige Ruhe, die zur Seltenheit geworden ist. Ich sollte es genießen können, mich der Aufmerksamkeit hingeben und mir Zeit nehmen. Vielleicht ein paar Stunden feiern, die Musik des DJs nach mir wirken lassen und den isolierten Frieden verlängern, aber ich kann nicht. Das plötzliche Frösteln bringt eine gefährliche Vorahnung mit sich. Ich kann nicht.

Die nasse, eiskalt gewordene Kleidung klebt an meiner Haut und ein dunkles Grauen rieselt mir über den Rücken. Ich weiß, was jetzt kommen wird.

So schnell wie möglich dränge ich mich aus der Menschentraube, die mich einschließt. Einer der Securitys erkennt, dass ich wegmuss und hilft mir dabei, einen Ausweg zu finden. Viel zu viele Körper pressen sich an mich und nehmen mein Sichtfeld ein.

Der Security-Mitarbeiter umfasst meinen Arm und zieht mich mit sich. Die Enge in meiner Brust schürt die Panik in mir. Ich atme tief ein, will mich beruhigen, doch die Luft sitzt in meinen Lungen fest. Noch ein Atemzug, kürzer und stockend, dann setzt das Husten ein. Selbst nach Jahren habe ich es nicht geschafft, diesen Reflex zu unterdrücken. Dafür bleibt mein halbmattes Lächeln, das sich wie ein Schutzschild aufbaut. Ich winke lässig zum Abschied und stürze in den düsteren Gang vor mir, um den viel zu aufmerksamen Kameras zu entkommen.

Kaum um die erste Ecke lasse ich die Fassade fallen und der eigentliche Kampf beginnt. Ein Atemzug jagt den nächsten, aber der Sauerstoff wandert nicht dorthin, wo er verdammt noch mal hinsoll.

Ich klopfe meine Hosentaschen ab, links und rechts, hinten, obwohl ich weiß, dass ich nichts finden werde, weil ich ein verdammter Idiot bin. Fuck!

»Alles in Ordnung?«, höre ich den Security fragen und sofort sitzt mein Lächeln wieder.

»Danke, ja«, presse ich hervor. »Ist nur der Rauch.« Ich zeige hinter mich und hoffe, dass er das Zittern meiner Finger nicht bemerkt. »Vom Feuerwerk.«

Der Mann nickt und gibt sich mit den kurzen Sätzen zufrieden. Ich eile in Richtung meiner Garderobe und spüre, wie sich meine Brust mehr und mehr verklebt. Selbst mein geschlossener Mund kann das leise Pfeifen nicht mehr verbergen.

Ich will schneller gehen, doch der fehlende Sauerstoff behindert meine Koordination. Die sich nährende Angst blendet alles um mich herum aus. Schwarze Wolken fangen mich ein und ich bin mir sicher, gleich das Bewusstsein zu verlieren. Nach einem seiner Auftritte elendig krepiert, weil dumm. Die Schlagzeile wirft ein Echo durch meinen leeren Schädel.

Wie im Traum taucht die Garderobentür vor mir auf und die Hoffnung kickt frisches Adrenalin durch meine Venen. Automatisch greife ich in die richtige Hosentasche, um den Schlüssel herauszuholen. Links von uns geht Licht an, trotzdem brauche ich mehrere Versuche, um das Schloss zu treffen. Das Klicken ist meine Erlösung.

Ohne Rücksicht auf den vermutlich ziemlich verdutzten Security-Mitarbeiter mache ich schnell die Tür hinter mir zu und gebe endlich dem Drang nach, den Mund zu öffnen. Meine Kiefer vibrieren schmerzhaft. Zum Pfeifen gesellt sich ein Röcheln, von dem mir schwindelig wird. Ich weiß, dass mir nur noch wenige Sekunden bleiben.

Meine Augen werden schwerer, locken mich in eine Ruhe, die mich aus der Einsamkeit entführt. Braune Haare funkeln durch die Schatten, geben ihr Gesicht frei. Ihr zögerliches Lächeln. Meines, für die Ewigkeit einer Erinnerung.

Hart schlage ich mit dem Kopf gegen die Tischkante und der Schmerz katapultiert mich zurück in die Gegenwart. Ich muss nach vorne gestolpert sein, zu der kleinen Sitzecke, wo meine Tasche steht. Mit den sich klamm anfühlenden Fingern bekomme ich die Schnalle beinahe nicht auf. Als ich endlich doch das Cortison-Spray ertaste, sinke ich auf die Knie. Mir ist entfallen, ob ich es schütteln muss oder nicht, ich hoffe einfach, dass meine unkontrollierten Bewegungen ausreichen, um die Inhaltsstoffe freizusetzen. Mit den letzten Atemzügen, die noch übrig sind, sauge ich alles, was das Spray mir geben kann, gierig in mich ein. Dann sacke ich endgültig in mich zusammen. Und bleibe liegen.

Eine harmonische Stille streichelt über meine Lungen, will mir zeigen, dass alles gut wird. Sie ist da, ich kann ihr Lächeln hören, bis es sich verliert, weil das Pfeifen meiner Lungen lauter durch meinen Schädel dröhnt. Ich spüre, wie mir Spucke aus dem Mundwinkel tropft, bin unfähig, sie abzuwischen oder mich aufzurichten.

Atme, verdammt!

Kapitel2

Mason

Atme. Nur atmen.

Der Druck auf meinen Brustkorb löst sich allmählich und ich spüre den Sauerstoff meinen Rachen fluten. Beim Ausatmen wird mein Körper nicht mehr gebeutelt, es tut kaum noch weh.

Beruhigt schließe ich die Augen und fühle, wie die Panik weicht. Mein Herzschlag wird langsamer. Er passt sich wieder meinen Gedanken an, die aus Silben Wörter und Sätze werden lassen. Ich versuche aufzustehen, aber noch fehlt mir die Kraft.

Mit einem leichten Zittern beginnt mein Körper den Stress abzubauen, und mit der Klarheit über die Situation eben kehrt die Angst zurück. Das war knapp. Scheiße. So knapp war es lange nicht mehr.

Mit aller Kraft stemme ich mich vom Boden hoch. Mein Stöhnen hört sich fremd an. Am Stuhl aufgestützt versuche ich die Kontrolle über meine Bewegungen zurückzubekommen und hebe den Kopf. Dann fällt mein Blick auf den Spiegel an der Wand und mir entweicht ein schrilles Lachen. Ich kann nicht glauben, dass den Mann, den ich eben in Großaufnahme auf der Bühnenleinwand gesehen habe, und diese erbärmliche Figur hier nur wenige Minuten voneinander trennen. Bevor die Angst erneut von mir Besitz ergreift, versuche ich trotz der Schmerzen im Brustkorb die Arme entlastend über den Kopf zu strecken und reiße mich verdammt noch mal zusammen.

Der letzte Anfall ist erst wenige Tage her, das kann nicht sein. Ich schlucke. Das heute war nur der Rauch. Zuerst der Rauch, dann die plötzliche Kälte und die einengenden Menschen um mich herum. Eine giftige Kombi, sonst nichts. Nichts.

Endlich schaffe ich es, mich ganz aufzurichten. Meine Finger sind jetzt ruhig genug, dass ich mein Hemd aufknöpfen kann. Es klebt an mir und allein der intensive Gedanke an den vollgeschwitzten, an mir haftenden Stoff reicht fast aus, um den nächsten Anfall zu provozieren. Immer schneller schäle ich mich aus der feuchten Kleidung.

Es ist mir egal, dass ich meine Schlappen nicht trage, als ich in die Dusche steige. Das Wasser ist sofort warm und der feine Dampf besänftigt meine Lungen. In meiner Erinnerung suche ich danach, wann ich meine täglichen Medikamente das letzte Mal genommen habe. Fuck, ich weiß nicht mal mehr, welcher Tag heute ist. Oder in welcher Stadt ich eigentlich bin. Ruhe. Das heute war für ein paar Wochen der letzte Gig. Ich brauche nur ein bisschen Ruhe.

Das gleichmäßige Rieseln des Wassers ordnet meine Gedanken. Immer wieder lasse ich den Mund volllaufen und spüle ihn aus. Nach den letzten beiden Inhalationen hatte ich einen Pilz, der sich bis in den Rachen ausgebreitet hat. Darauf kann ich gerne verzichten.

Als ich aus der Dusche steige, klopft es bereits an der Tür. »Fünf Minuten«, rufe ich aus dem Badezimmer.

»Geht klar«, gibt Travis zurück. Er hat einen guten Job gemacht als Praktikant, das muss ich Elena sagen. Meine Managerin war es, die auf einen Assistenten bestanden hat, der mir zumindest einiges an Organisation vor Ort abnimmt. Ginge es nach mir, wäre ich allein unterwegs.

Das Spray lässt die Müdigkeit wie eine Welle über mich hereinbrechen und macht mich träge. Ich brauche länger als fünf Minuten, bis ich angezogen bin, meine wenigen Sachen in die Tasche gestopft habe und zum Wagen gehen kann. Im Hotel angekommen will Travis mich auf einen Drink einladen. Wir sind seit ein paar Wochen gemeinsam auf Reisen und ich frage mich, wie wenig ich mit ihm gesprochen habe, weil er immer noch nicht weiß, dass ich so gut wie nie Alkohol trinke.

Mit einem Blick auf die leere Hotelbar schüttle ich den Kopf. »Es ist nach vier Uhr morgens, eindeutig zu spät, um mit dem Trinken anzufangen.«

Mein Assistent nickt unbeeindruckt und ruft den Aufzug. Das ist es, was ich an ihm schätze. Er macht seine Arbeit und akzeptiert meine Grenzen. Die Türen öffnen sich mit einem leisen Klingeln und wir steigen beide ein. Travis hat das Zimmer neben meinem. Unsere Verabschiedung fällt kurz aus und sobald er sich weggedreht hat, lasse ich erleichtert die Tür hinter mir ins Schloss fallen.

Ich weiß, dass ich so gut wie keine Zeit mit der Crew verbracht habe, obwohl wir seit Monaten gemeinsam unterwegs sind. Nicht mal heute habe ich ihre Einladung angenommen, um das Tourende zu feiern. Die distanzierte Höflichkeit, die ich brauche, scheint in den letzten Jahren zu einem natürlichen Teil meiner Persönlichkeit geworden sein. Nur wenige Menschen kennen mich und wissen, wie ich eigentlich bin.

Meine Lungen brennen immer noch, also lasse ich die Tasche fallen, streife lediglich die Schuhe ab und setze mich auf die Couch. Die Lehne ist genau so hoch, dass sich mein Rücken leicht überstreckt, als ich mich zurücklehne.

Mir entkommt ein wohliges Seufzen, so frei können meine Atemzüge in dieser Position plötzlich sein. Kurz schwappen die Sorgen wieder über den Rand der Verdrängung. Der Anfall vorhin war heftig und ich weiß, dass ich mehr Beständigkeit brauche, um mich besser um meine Gesundheit kümmern zu können. Sechs Wochen, denke ich mir. Ich habe jetzt sechs Wochen frei und damit Zeit, alles in den Griff zu bekommen.

Mein Bruder Sander spielt in der NHL und ich plane, ein paar seiner Spiele zu besuchen. Dann habe ich Freiraum, wofür auch immer. Es ist Winter und der Aufbau des Paw-Print-Projekts steht still. Ansonsten hätte ich Sanders Freundin Eliza bei uns zu Hause in Northwood mit der Errichtung der Ferienanlage für benachteiligte Kinder und Jugendliche helfen können. Ich liebe das Handwerken mit Holz, bin mir aber inzwischen nicht sicher, wie sehr der Staub mir zusetzen könnte.

Dad braucht immer Unterstützung in der Skischule, kommt es mir in den Sinn. Dass diese Möglichkeit ausscheidet, wird mir erst wenige Sekunden später bewusst. Den ganzen Tag auf der Piste zu verbringen, ständig in der kalten Luft, unter körperlicher Anstrengung – ich lache leise auf. Der Anfall heute hat klar gezeigt, dass das aktuell nicht drin ist. Also eben nicht nach Hause.

Ein stumpfer Schmerz zieht sich durch die Brust. Ich wäre gerne nach Northwood gefahren. Meine kleine Schwester Luca ist gerade dort. Ihr Freund Brayden spielt mit Sander bei den Spartans und sie studiert an der Vancouver University. Seit ich mein Studium in Musikwissenschaften abgeschlossen und das professionelle Tanzen dank meiner kaputten Lungen aufgeben musste, sehen wir uns noch weniger.

Ich schließe die Augen, doch die Dunkelheit schafft Platz für die Leere, die mein Leben zu beherrschen scheint. Immer mehr Möglichkeiten werden mir genommen. Kurz denke ich darüber nach, Nora zu schreiben. Ich versuche mich daran zu erinnern, ob sie mit dem National Orchestra unterwegs oder gerade in Vancouver ist. Scham überkommt mich, weil ich nicht mal mehr weiß, wo meine beste Freundin sich aufhält.

Worte und Gefühle verlieren sich in der Erschöpfung, also versuche ich an nichts zu denken. Nur an den nächsten Atemzug.

Ich merke erst, dass ich geschlafen habe, als das Handy auf dem Glastisch vor mir vibriert. Verloren blinzle ich gegen die Helligkeit an, die das Hotelzimmer flutet. Der Muskelkater in meinem Brustkorb lässt mich stöhnen, als ich mich nach vorne beuge. Meine Augen tränen, weil ich die Kontaktlinsen heute Nacht nicht mehr herausgenommen habe.

Ohne den Namen auf dem Display entziffern zu können, nehme ich den Anruf an. »Ja?«

»Ich schätze, ein ›Guten Morgen‹ wäre gerade angebrachter als ein ›Hallo‹?«

»Wie spät ist es?«, frage ich meine Managerin.

Ihr Lächeln ist ihr anzuhören. »Kurz vor Mittag. Das Hotelzimmer spielt keine Rolle, du musst nicht bis zwölf auschecken. Bleib, solange du willst.«

»Was brauchst du?« Ich kenne Elena inzwischen gut genug, um zu wissen, dass sie nichts ohne einen Hintergedanken tut. Vor allem nicht freundlich sein.

»Ich weiß, du bestehst seit Monaten darauf, dir die nächsten sechs Wochen freizuhalten, aber ich hätte da etwas, das …«

Mehr nehme ich nicht wahr. Ich habe jetzt sechs Wochen frei. Ich habe mich darauf gefreut, meine Familie und meine Freunde zu sehen. Sechs Wochen, die ich dringend brauche, um mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Aber schon die ersten freien Minuten heute Nacht haben gereicht, um mir unmissverständlich zu zeigen, dass ich kein Leben mehr habe. Ich habe mich zu weit von allem entfernt, um einfach zurückzukehren.

»Also, was sagst du?«

»Wozu?«

Ich höre Elena erneut lachen. »Natürlich, ich verwende meine wertvolle Lebenszeit sehr gerne darauf, dir alles zweimal zu erklären.«

»Das muss drin sein, bei dem viel zu großen Anteil, den Sinners&Niles Music einstreicht«, gebe ich zurück. Jetzt lachen wir beide. Der Anteil, den das Management einbehält, ist wirklich unverschämt hoch, aber sie sind die Besten auf dem Markt.

»Rising Four, sagt dir das was? Sie nennen es auch Legends of Snow and Ice?«

»Du meinst den Contest in den vier Extremsportarten? Vier Sportler bilden ein Team und treten gegen andere Mannschaften an?« Das Freeriden soll erstmalig in Northwood ausgetragen werden. Dad hat bei unseren letzten Telefonaten von nichts anderem gesprochen.

»Ja, genau das meine ich. Das Event findet dieses Jahr das zweite Mal statt, zeitgleich an jeweils vier Austragungsorten in Nordamerika und Europa. Nur wenige Teams von beiden Kontinenten können sich für das große Finale in Frankreich qualifizieren.«

»Risikoreich und saugefährlich. Das Ding hat letztes Jahr für enormes Aufsehen gesorgt. Ich erinnere mich.«

»Und das ist der springende Punkt, Mason.« Sie schnalzt mit der Zunge. »Jefferson&Jane waren als Hauptact im Line-up vorgesehen, für alle vier Etappen in Nordamerika. Jefferson hat sich gestern beim Fahrradfahren beide Schultern gebrochen und scheidet aus.«

Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Ich weiß nicht, was mich mehr schockiert: die Verletzung oder dass Jefferson Fahrrad fahren kann.«

»Glaub mir, das waren auch meine ersten Gedanken.« Elena räuspert sich. »Siehst du, worauf es hinausläuft?«

»Ja, tue ich.«

»Du bist der einzige DJ in dieser Größenordnung, der verfügbar ist und den Erwartungen des Veranstalters gerecht werden kann. Sie haben die besten Sponsoren an Land gezogen. Die mediale Aufmerksamkeit wäre ein weiterer Push, der gratis mitgeliefert wird.«

Kurze Stille. Elena denkt, ich würde mit mir selbst diskutieren, ob ich auf meinen Urlaub verzichte. Ich war schon auf alpinen Contests. Das Einzige, worüber ich wirklich nachdenke, ist, ob ich die Auftritte im Freien bei niedrigen Temperaturen mit meiner Lunge überstehen würde. Langsame Anpassung, alles planbar, dränge ich mich selbst in die letzte Richtung. Ich könnte nach Hause, wenn auch nur für ein paar Tage. Und ich wäre nicht weiter mit dem Scheiterhaufen konfrontiert, den der Rest meines Lebens darstellt.

»Sinners&Niles Music verzichtet auf weitere drei Prozent, sollte dir das bei deiner Entscheidung helfen. Das ist ein einmaliges Angebot, Mason, sei dir dessen bewusst.«

»Ich bin dabei«, sage ich schneller zu, als vermutlich intelligent ist. Hätte ich gezögert, wären noch mehr Prozent drin gewesen.

»Gut.« Elena klingt erstaunlicherweise erleichtert. »Ich lasse dir die Verträge zukommen.«

»Wann geht es los?«

»In zwei Tagen. Das Opening ist in Banff.«

»Sunshine Village?« Ich kenne das Skigebiet, wir waren früher manchmal mit meinen Eltern dort.

»Ja. Du kannst nach Calgary fliegen, wir schicken dir einen Fahrer zum Flughafen.«

»Danke, ich fahre selbst.«

»Gut, dann wäre vorerst alles geklärt. Irgendwer von der gebuchten Crew wird dich dort erwarten.«

»Irgendwer?« Ich schaffe es doch noch, mir meine Überlegenheit zunutze zu machen. »Ich will nicht irgendwen, ich will Travis.«

»Den Praktikanten?«

Ich mag die Geringschätzung nicht, die ich Elena ihren Mitarbeitern gegenüber immer wieder an den Tag legen sehe.

»Ja. Er macht seine Arbeit sehr gut.« Und er wahrt Distanz.

»In Ordnung.« Sie tippt auf einer Tastatur. »Dann Travis.«

Wir verabschieden uns und ich sinke zurück auf die Couch. Ich könnte mich jetzt duschen und anziehen, um herauszufinden, in welcher Stadt ich bin und was es hier zu entdecken gibt. Stattdessen lege ich den Kopf wieder auf die Lehne und schließe die Augen.

Ich will einfach Ruhe.

Kapitel3

Laura

Die gefrorenen Schneekristalle schicken selbst in der Morgendämmerung ein sanftes Glitzern über die steile Bergkante. Mein Atem steigt in Wölkchen vor meinem Gesicht auf, die mich zum Lächeln bringen. Schon als Kind habe ich es geliebt, zu beobachten, wie der Dunst sich verflüchtigt.

Das Knirschen hinter mir wird lauter. »Scheiße, wie kannst du so schnell sein?« Samuel bleibt stehen und stützt sich an meiner Schulter ab.

»Ach, und bei unserem Aufbruch warst du noch derjenige, der gejammert hat, weil ich dir zu langsam war.«

»Da wusste ich noch nicht, dass der Schnee hier in Kanada viel undurchdringlicher ist als im Rest der Welt.«

Ich sehe meinen Bruder an und runzle die Stirn, bis wir beide zu lachen beginnen.

»Kannst du dich an Cortina d’Ampezzo in Italien erinnern?«, frage ich, wische mir über die eiskalten Lippen und knipse die Stirnlampe aus, um Samuel nicht zu blenden.

»Natürlich«, gibt er zurück und macht dasselbe mit seiner Lampe. »Bei dieser Nachtaktion dachte ich, dass wir nie wieder auch nur irgendwo abfahren würden. Wie tief war der Schnee bis zur nächsten gefrorenen Schicht? Einen Meter?«

»Mit dem Neuschnee, der dazugekommen ist, garantiert. Du hast dir selbst mindestens fünfzehnmal lautstark geschworen, dass das der letzte Aufstieg deines Lebens war.«

»Weil ich eine Scheißangst hatte.«

»Mehr als in Argentinien vor einem halben Jahr?«

»Hmm.« Samuel verzieht das Gesicht und sieht dabei unserer Mom besonders ähnlich. »Ungefähr Gleichstand, würde ich sagen. Beide Male die Hosen gestrichen voll. Und falls das irgendwann im Team zum Thema wird, streite ich natürlich alles ab. Nur, dass das klar ist.«

»Als wüssten Ivy und Drake nicht, dass du ein Schisser bist.«

»Sehr witzig, Laura.« Samuel beugt sich leicht nach vorne, um an dem überhängenden Felsvorsprung vorbeizuschauen. »Dabei sind es immer die problematischen Abfahrten, die mir am meisten im Gedächtnis bleiben. An Tschechien oder Frankreich erinnere ich mich kaum.«

»Geht mir ähnlich«, gebe ich zu. »Je reibungsloser, desto kürzer zehrt man davon.«

Samuel zeigt Richtung Bergspitze. »Gehst du die letzten Meter vor, oder soll ich?«

»Und den Gipfelsieg für dich einheimsen, nachdem ich dir vier Stunden den Weg vorgespurt habe?«, gebe ich empört zurück. »Sicher nicht.«

Samuels Lachen wird in die Weite der Nacht getragen. Ich schüttle die Beine aus, greife nach den Stöcken, die neben mir im Schnee stecken, und mache die Lampe wieder an. Dann steige ich auf den Gipfel zu. Die einsetzende Morgendämmerung gibt mit jedem Schritt mehr von der Silhouette der Bergspitze frei und lässt die einzelnen Fluchten und Risse in den Felsen erkennen, die nicht von Schnee bedeckt sind.

Meine Atmung wird flacher und fügt sich gleichmäßig in die Bewegungen ein. Sie werden zu einer flüssigen Einheit, die der Anstrengung die Intensität nehmen. Der Grat, auf dem wir gehen, ist schmal. Sogar der Lichtkegel meiner Stirnlampe bricht an den Kanten ab. Diese Gefahr schärft meine Konzentration. Ein unkontrollierter Ausfallschritt würde genügen und das hier wäre tatsächlich unser letzter Aufstieg.

Auf die Bergspitze zu werde ich langsamer. Nicht, weil ich Angst habe, sondern um es zu genießen. Links von mir fällt eine schneebedeckte Spur in eine steinige Rinne ab, die im düsteren Grau verschwindet. »Das ist die richtige Stelle, oder?«

Samuel bleibt knapp hinter mir stehen, seine Atmung ist tiefer und kraftvoller als meine. Er bewältigt Anstrengungen auf seine eigene Art. »Ich denke schon«, antwortet er, zieht seine Stirnlampe vom Helm und leuchtet die Felsen ab, die etwas weiter unten aus dem Schnee ragen. »Ja, wir sind richtig. Wenn ich mich mit dem Fernglas nicht getäuscht habe, ist gleich nach dieser Formation rechts der große Drop und das Gelände wird weiter. Dieser Sprung wird der Wahnsinn.«

Mein Bruder hatte schon immer ein besseres Bildgedächtnis als ich. Er erinnert sich an kleinste Eigenschaften des Terrains, das macht seine Abfahrten viel strukturierter als meine. Was ich nicht in Bildern verinnerlicht habe, muss ich mit einer schnellen Reaktionsfähigkeit ausgleichen.

»Gut.« Ich trete den Schnee um mich herum glatt, um eine sichere Standfläche zu haben, und stelle den Rucksack auf den Boden.

Samuel tut es mir gleich. »Es ist ungewohnt, so viel Platz zum Umziehen zu haben«, meint er und klipst das Snowboard ab, das an seinem Rucksack hängt.

»Richtig einladend, ja.« Ich denke an die vielen Male, die wir vor einer Abfahrt kaum nebeneinanderstehen konnten.

Unerwartet breitet Samuel eine Aludecke aus, das Knistern verschluckt seine Worte beinahe. »Wie gut, dass ich vorgesorgt habe und dieser Luxus nicht unerwartet kommt.« Er zieht eine Thermosflasche und zwei Becher aus dem hinteren Fach des Rucksackes und grinst. »Der Verkäufer im Sportladen hat mir gesagt, dass hier oben der perfekte Ort ist, um gemütlich den Sonnenaufgang zu genießen.«

»Du hast Tee dabei?« Ich sehe ihn ungläubig an, weil ich weiß, dass er stets darauf bedacht ist, nicht mehr als notwendig mit sich zu tragen.

»Da uns bei den Rising Four ein paar harte Wochen bevorstehen, dachte ich, das wäre der ideale Zeitpunkt, um uns klarzumachen, wofür wir das alles überhaupt auf uns nehmen.«

Ich lege den Kopf schief. »Preisgeld, Anerkennung, Selbstverwirklichung?«

Samuel verdreht die Augen und setzt sich. Er wartet, bis ich neben ihm Platz genommen habe. »Freiheit«, sagt er dann leise – das Wort, das still durch meine Gedanken hallt, wenn ich einen Berg sehe und das sehnsuchtsvolle Schwelen in meiner Brust mich auf den Gipfel und die Hänge treibt, die so unerreichbar wirken.

Ich ziehe die Beine an und stütze den Kopf darauf ab. »Ja, Freiheit«, wiederhole ich, mehr für mich selbst als für ihn. Vor meinem inneren Auge blitzen die Pläne der nächsten Wochen auf. Ivy, Drake, Samuel und ich haben hart dafür gearbeitet, hier sein zu dürfen. Nur wenige werden zu den Rising Four eingeladen und noch weniger können sich nach den ersten vier Competitions mit genügend Punkten für das Finale in Frankreich qualifizieren. Es wäre eine Lüge zu behaupten, das Preisgeld von zweihunderttausend Dollar würde die Gefahr verharmlosen, in die wir uns bei jeder einzelnen Disziplin begeben. Innerlich lache ich auf, weil es dieses Risiko sein sollte, das mein Leben in Schach hält. Dabei ist es eine Nichtigkeit im Vergleich zu dem, was mich nachts wachhält.

»Laura?«

»Ja?«

»Alles in Ordnung?«

Ich schlucke. »Natürlich.«

»Du weißt, dass du das nicht mir dir allein ausmachen musst.«

»Ich bin stark.«

Samuels Blick ruht auf mir. »Ich spreche nicht von den Rising Four, Laura.«

Das tue ich auch nicht. »Lass einfach gut sein«, bestimme ich und greife nach einem der Becher, um Samuel zu zeigen, dass diese Art des Gespräches damit beendet ist.

Mein Bruder reibt sich nachdenklich das Kinn, seufzt dann leise und schenkt Tee ein. Obwohl wir uns in vielen Dingen so ähnlich sind, gehört die Art der Problembewältigung nicht dazu. Samuel redet über alles, ständig, und ich über nichts. Worte reißen Wunden auf und mehr Narben ertrage ich nicht.

»Da«, sagt er mit fester Stimme und zeigt mir so, dass er die erneute Zurückweisung beiseitegeschoben hat. Er lehnt sich leicht zurück, damit ich an ihm vorbeisehen kann.

Ich lächle. »Es ist so weit.« Eine zarte gelbe Linie hat sich über die dunkelblau wirkenden Bergspitzen am Horizont gelegt und umrahmt sie warm. Dieser dünne Strich beginnt zu leuchten. Immer heller, nur um sich dann in ein grelles Orange zu verwandeln, das in den Himmel ausläuft. Die Welt unter uns bekommt ihre Farben zurück und schon bald erkenne ich das satte Grün der Fichten und die Schattierungen der Felsen.

»Es ist wunderschön, oder?«, sagt Samuel leise.

»Ja, das ist es.« Ich schließe die Augen für eine Erinnerung. Kurz, nur für das Flackern eines Moments, spüre ich die Zufriedenheit und die vielen Emotionen, die mir die wenigen Sonnenaufgänge mit ihm geschenkt haben. So schnell ich kann, betäube ich diese Bilder. Sie nehmen mehr, als sie geben.

Ich befeuchte meine trockenen Lippen. »Wir haben in den letzten vier Jahren so viele Sonnenaufgänge gesehen und man könnte meinen, irgendwann wäre es einer zu viel oder sie würden sich gleichen. Aber so ist es nicht.«

»Ich denke, nicht der Ort bestimmt über die Besonderheit der Momente, sondern das Bewusstsein darüber. Man kann Hunderte Sonnenaufgänge sehen. Wenn man sie nicht genießen kann, ist das einen Scheiß wert.«

Ich muss lachen, weil Samuel recht hat. »Mom würde spätestens jetzt zum fünften Mal auf die Uhr sehen und uns sagen, dass es jetzt hell genug ist, um abzufahren, und wir schon in drei Stunden den ersten Pressetermin haben, zu dem wir auf keinen Fall verschwitzt und mit Helmfrisur erscheinen dürfen.«

Samuel lacht ebenfalls. »Ein Grund mehr, sie zu keinem der Wettbewerbe einfliegen zu lassen.«

Ich nicke. Es tut uns beiden gut, so zu tun, als wäre das eine Option. Als wäre es für Mom nur eine Frage der Organisation, zu uns zu fliegen und uns zu unterstützen, wie es viele andere Mütter und Väter für ihre Kinder tun. Schulter an Schulter sitzen Samuel und ich da und hängen dem Schemen einer Realität nach, der niemals standhalten wird. Wir beobachten weiter, wie ein neuer Tag seinen Anfang nimmt und uns befreiende Chancen für die Zukunft schenkt.

Als ich mich von der Ruhe losreiße und meine Schuhe aufschnüre, blendet uns die Sonne bereits. Samuel beginnt ebenfalls damit sich für die Abfahrt vorzubereiten.

»Wer nimmt die erste Line?«, will er wissen und gibt mir mit dem Fuß Gegendruck, damit mir der Skischuh beim Anziehen nicht wegrutscht.

»Du kannst sie haben«, sage ich und klipse einen Verschluss nach dem anderen zu.

Samuel hustet übertrieben. »Bitte was?«

»Du kannst als Erster fahren.«

»Seit wann gibst du freiwillig eine frisch beschneite Spur her?« Er steigt auf sein Board und sieht mich erwartungsvoll an.

Ich grinse. »Du kannst fahren, dafür tauschen wir aber das Hotelzimmer. Ich will den Balkon mit dem Whirlpool.«

»Ha, das war so klar. Zuerst Drake und jetzt du. Neid ist eine ganz schlimme Angewohnheit, das sollte euch klar sein.«

»Selbstsucht ist mindestens genauso schlimm. Du hast dich bei der Zimmervergabe vorgedrängt und warst dann weg. Wir hatten nicht einmal die Chance, Einspruch zu erheben, Samuel.«

»Ihr solltet es inzwischen gewohnt sein, dass ich schneller bin als ihr.«

Ich sehe meinen Bruder an und schmunzle. »Die Rinne gibt eigentlich Platz für beide und damit für ein Rennen her.«

Er überlegt kurz. »Bis zum Hotel? Die ganze Abfahrt?«

»Wäre theoretisch drin, oder?«, frage ich und zeige Richtung Berghang.

»In Ordnung, die ganze Abfahrt. Wer gewinnt, bekommt den Whirlpool.«

Wir schlagen ein und packen die restlichen Sachen in die Rucksäcke. Wir haben sie von Barrow Goldeneye bekommen, unserem neuen Hauptsponsor. Sie sehen genau gleich aus und ich erinnere mich an unsere Kindheit, als Mom uns so identisch wie möglich gekleidet hat. Sie wollte, dass man sofort erkennt, dass wir Zwillinge sind. Dabei verbinden uns ganz andere Dinge.

Als wir beide jetzt auf Skiern und Snowboard an der Kante stehen, hat sich die Sonne gänzlich über den Bergkamm erhoben. Die Konzentration pumpt Adrenalinwellen durch meinen Körper, die auf meiner Haut prickeln und ich schaffe es kaum, mich zurückzuhalten.

Samuel muss es ähnlich gehen. »Scheiße«, flucht er wieder. »Ich liebe dieses Gefühl.«

»Freiheit«, wiederhole ich, was er vorhin gesagt hat. Ich spüre das Wort jetzt in jeder Zelle. Nichts zählt mehr, nur das, was der Berg uns schenkt. Ich ziehe die Skibrille ins Gesicht und sehe kurz Richtung Himmel. Ein Ritual, das ich mir irgendwann angewöhnt habe.

Nein, nicht irgendwann. Es war mit ihm.

Samuel beginnt bis drei zu zählen, da unterbreche ich ihn. »Danke«, sage ich. Mein Bruder sieht mich nicht an, er nickt lediglich, weil er weiß, wofür. Selbst wenn es schwierig für mich ist, meine Gedanken mit ihm zu teilen, bedeutet das nicht, dass ich es als selbstverständlich empfinde, ihn an meiner Seite zu wissen.

»Immer, Laura. Immer«, antwortet er und klopft sich einmal fest auf die Oberschenkel. »Eins, zwei …«

»Drei«, ergänze ich, und wir kippen über die Kante, die steil abfallend den Weg nach unten freigibt. Die sofortige Geschwindigkeit drückt gegen meinen Oberkörper und ich verlagere instinktiv den Schwerpunkt, um zur nächsten Kurve anzusetzen. Samuel weicht einem Felsen aus und kommt mir gefährlich nahe.

Kurz bevor wir zusammenstoßen, weiche ich aus. Schnee löst sich unter meinen Skiern, wodurch ich ruckartig ein Stück abhebe. Ich werde nach hinten gepresst, kann die Bewegung jedoch mit genügend Beinkraft kompensieren. Die Anstrengung brennt in meinen Muskeln und ich ächze laut auf. Kurz darauf höre ich das Schlittern, als die Skier wieder greifen und ich die Kontrolle zurückbekomme – gerade früh genug, um die Geschwindigkeit aufzubauen, die ich für den großen Drop über das Cliff brauchen werde, das Samuel und ich gestern mit den Ferngläsern ausgemacht haben.

Alles in mir zieht sich zusammen, nicht mal mehr Atemluft findet Platz, als ich den Berg unter mir wegbrechen spüre. An der Sprungkante drücke ich mich ab und versuche auszumachen, in welchen Winkel ich die Skier für die Landung bringen muss. Mit der leichten Drehung, die ich aus der Kurve mitnehme, bin ich der Sonne zugewandt und werde für den entscheidenden Bruchteil einer Sekunde trotz der Schutzbrille so geblendet, dass ich den Blick für die Tiefe verliere und nicht mehr ausloten kann, wann ich lande. Da nehme ich aus dem Augenwinkel Samuel wahr. Sein Sprung ist flacher als meiner und das vertraute Knirschen bei seiner Landung zeigt mir, wie nahe ich der Schneedecke schon bin.

Ich komme hart auf und hinter meinen Augen explodiert ein Lichtblitz, gefolgt von einem dumpfen Schmerz in meiner linken Seite. Doch dem darf ich jetzt keinen Raum geben. Nicht hier oben.

Die dunklen Felsen unter mir bilden den Kontrast, den ich brauche, um mich zu orientieren und die Line zu finden, die mich sicher ans Ziel bringt.

»Wohooo«, brüllt plötzlich Samuel neben mir.

Vor uns zeichnen sich zwei weitere Chancen für Sprünge ab. Ich entscheide mich für den flacheren von beiden Drops und probiere mich erneut an einem Flatspin. Der Schnee trägt mich und lässt alles möglich erscheinen. Nichts kann mich aufhalten. Ich bin frei.

Inzwischen säumt eine dichte Baumreihe die Strecke, die die Veränderung des Hanges anzeigt. Zwischen den Wipfeln sehe ich die Seile eines Skilifts verlaufen. Ich bin schnell genug, um über die Kante zu kommen, die neben mir aufragt und mich auf eine Skipiste bringt. Die frischen Rillen der Pistenraupe zeichnen den Untergrund und schenken uns optimale Voraussetzungen.

Im Waldstück habe ich Samuel verloren.

Die kalte Luft hat mein Gesicht betäubt und die Skischuhe drücken erbarmungslos auf meine Füße, doch ich gebe nicht auf.

Ich überquere die Spur eines Schlepplifts und entdecke die Stützen der Gondelbahn, deren Station sich direkt neben unserem Hotel befindet. Mit einer scharfen Kurve bremse ich ab, damit ich nicht zu weit nach links getragen werde auf eine Piste, die sich von dieser hier trennt.

Dabei stoße ich beinahe mit Samuel zusammen, der wie aus dem Nichts hinter mir aufgetaucht ist.

Wir können uns gerade noch ausweichen, aber er lässt es sich nicht nehmen, mich im Vorbeifahren anzurempeln. Mein kurzes Straucheln verschafft ihm einen Vorsprung, den ich ihm garantiert nicht schenken werde. Ich gehe weiter in die Hocke, ignoriere die Anstrengung und schieße an ihm vorbei.

Der goldene Schriftzug des Winchester Hotels schiebt sich in mein Blickfeld. Immer genauer erkenne ich die Gäste, die auf der weitläufigen Terrasse in der Morgensonne sitzen und frühstücken.

Wie magisch zieht es Samuel und mich zu dem riesigen Funpark-Parcours, den wir schon gestern bei unserer Ankunft gesehen haben. Auch nach Sonnenuntergang war der Park gut befahren und bis spät in die Nacht bunt beleuchtet. Wenn wir nicht das Abendessen mit den Sponsoren gehabt hätten, wäre Samuel mit Sicherheit stundenlang hier draußen gewesen. Sein sehnsuchtsvoller Blick Richtung Berg hat beim Dinner schon fast Mitleid erweckt.

Gemeinsam mit der mächtigen Halfpipe überragt die Schanze alles. Sowohl Samuel als auch ich steuern darauf zu, und für einen kurzen Moment denke ich an all die Sprungschanzen, die wir selbst geschaufelt haben, nur für uns. Jetzt von so einem professionellen Umfeld umgeben zu sein, war vor Jahren noch undenkbar und ist für uns beide etwas Besonderes.

Ohne uns ein Zeichen zu geben, senken wir das Tempo und lassen uns auf dieselbe Höhe fallen. So erreichen wir zeitgleich den Schanzentisch. Instinktiv strecke ich den Arm aus und spüre sofort Samuel, der mein Handgelenk umfasst. Seine Drehung mitnehmend ziehe ich im Sprung die Beine an und lasse mich von ihm in die Rotation führen.

Einen Augenblick lang hält die Zeit für uns an. Samuels Zug an meinem Arm tritt in den Hintergrund und was bleibt, ist die Leichtigkeit des Flugs, die uns miteinander verbindet.

Samuel lässt mich los und landet leicht versetzt hinter mir. Ich spüre ihn regelrecht in meinem Windschatten und mir läuft ein Kribbeln über den Rücken. Doch anstatt dem ehrgeizigen Drängen nachzugeben, richte ich mich auf und bemühe mich nicht mehr darum, dieses Rennen zu gewinnen. Den perfekten Abschluss hatte ich soeben.

Ich fahre auf den verglasten Wellnessbereich des Hotels zu, vorbei an der Schneebar, die für das große Opening des Rising Four modelliert wird. Samuel bleibt dicht hinter mir, er scheint seinen Siegeswillen mit dem gemeinsamen Sprung ebenso abgelegt zu haben.

Direkt vor der Bühne komme ich zum Stehen. Die Wolke aus Eis, die ich mit meinen scharfen Kanten abgerieben habe, hüllt Samuel ein, der neben mir abbremst und sich nach hinten fallen lässt.

Er hält die Arme in die Höhe und fängt an, laut und aus ganzem Herzen zu lachen. »Das war der Hammer!«, bringt er heraus, dann lacht er weiter. Die Glücksgefühle steigen nun auch bei mir an die Oberfläche und dämpfen das Adrenalin. Ich stimme in Samuels Lachen mit ein, glücklich und dankbar zugleich.

Ein kostbarer Moment der Zufriedenheit, der allen Schatten trotzt, die mein Leben beherrschen. Freiheit.

Die keine ist.

Kapitel4

Laura

Ein Applaudieren holt uns aus dem High der Abfahrt und des Sprungs zurück auf den Boden der Tatsachen. Samuel und ich ziehen die Skibrillen nach oben und blinzeln gegen den blendenden Schnee an.

Über uns am Geländer der Terrasse stehen Ivy und Drake. Während Ivy und ein paar fremde Gäste klatschen, schüttelt Drake mit einem Schmunzeln den Kopf. Er ist der Einzige, der nur ein kurzärmeliges Shirt trägt. »Ich bin mir gerade nicht sicher, was ich tun soll«, ruft er uns zu und beißt von einem Brot ab. »Euren absolut geilen Wahnsinn zu bejubeln, hält sich die Waage mit der Frage, ob ihr wahnsinnig seid, euch kurz vor dem Contest so einem Risiko auszusetzen. Oder auch wie wahnsinnig nett es von euch gewesen wäre, uns einfach mitzunehmen – Teambuilding und so.«

»Zumindest haben alle drei Optionen was mit Wahnsinn zu tun!«, erwidert Samuel und kommt schwungvoll auf die Beine. Er klipst seine Bindung auf. »Aber wenn du unbedingt mehr intensive Zeit mit mir verbringen willst, warte ich das nächste Mal beim Eisschwimmen am Ufer auf dich und halte dir den Bademantel auf. Vorgewärmt, versteht sich.«

Drake legt den Kopf laut lachend in den Nacken. »Wenn du das machst, Bro, teile ich sogar das letzte Stück Schokoladenkuchen mit dir, das ich soeben am Büfett ergattert habe.«

Samuel stellt gerade sein Board auf und putzt den Schnee ab. »Es gibt Schokoladenkuchen?«

Ivy nickt. »Ja, und er schmeckt ähnlich wie der in der Schweiz letztes Frühjahr.«

»Soll ich dir noch was helfen?« Mein Bruder sieht mich fragend an.

Ich schüttle den Kopf, da hetzt er mit dem Board unter dem Arm in Richtung des Treppenaufgangs und seinem Schokoladenkuchen entgegen.

Im Gegensatz zu Samuel nehme ich die untere Tür neben dem verglasten Poolbereich und bringe meine Skisachen in den Trockenraum. Die Schuhe tausche ich wieder gegen die Schlappen und hoffe, dass mir damit im Freien nicht kalt wird. Dann gehe ich über die Terrasse als Erstes zum Büfett im Inneren des Hotels und hole mir ein Müsli mit Joghurt und Früchten.

Als er mich kommen sieht, steht Drake auf und rückt mir den Stuhl zurecht. Ich bedanke mich und nehme Platz. Der Joghurt hat einen leichten Hauch von Vanille und Zimt und ist genau mein Geschmack.

Samuel zeigt Ivy die Fotos auf seinem Handy, die er bei unserem Aufstieg heute für sie gemacht hat. »Man kann es auf dem dunklen Bild nicht so gut erkennen, aber der gesamte Felskamin ist mit Eis überzogen und bietet damit Ice-Climbing-Möglichkeiten vom Feinsten. Ich musste sofort an dich denken. Das wäre die perfekte Wand für dich, um dich nach deinem Wettkampftag auszuklettern. Wegzeit von hier ungefähr zwei Stunden, schätze ich – was meinst du, Laura?«

Erst jetzt blickt Samuel von seinem Handy auf. Er schaut mich kurz an und klopft sich selbst auf die Brust, weil er sich plötzlich verschluckt. Dann nimmt er das Handy und richtet es auf mich. »Lach mal kurz.«

Perplex schüttle ich den Kopf. »Wozu machst du jetzt ein Foto?«

Er zeigt auf mich. »Das muss man doch festhalten.«

»Was?«

»Na, das!«

Drake hat neben mir Platz genommen und beugt sich zu mir. »Was dir dein Zwillingsbruder eigentlich sagen will, ist, dass du etwas vergessen hast. Er erinnert dich jetzt freundlich daran, bevor jemand auf die saudumme Idee kommt, ein Foto von dir zu machen.«

»Stimmt.« Samuel hält entschuldigend eine Hand hoch. »Niemand würde einfach so ein Bild davon machen. Von dir, in einem luxuriösen Hotel – so.« Er zeigt auf mich. »Willst du mal meinen neuen Bildschirm-Hintergrund sehen?«

Er streckt mir sein Telefon entgegen und ich stutze, weil ich glaube, mich zu täuschen. Diese Hoffnung wird zunichtegemacht, als ich mir selbst an den Kopf greife. Ich trage noch immer meinen Helm.

Blitzschnell öffne ich den Kinnverschluss, wische mir den Joghurt von der Oberlippe und schaffe es sogar zeitgleich, Samuel den Mittelfinger ins Gesicht zu recken.

Er grinst unschuldig. Ich binde mir die Haare zu einem Dutt und grinse noch unschuldiger zurück. »Ich wollte es ja eigentlich auf sich beruhen lassen, aber da sich die Dinge hier ebenso schlagartig geändert haben, ist hier eine Frage an Ivy und Drake: Habt ihr zufällig gesehen, wer zuerst beim Hotel angekommen ist? Vorhin? War das Samuel oder ich?«

Gleichzeitig nennen die beiden meinen Namen.

»Danke sehr«, erwidere ich. »Ich werde die langen Abende in meinem ganz eigenen Whirlpool sehr genießen.«

»Biest«, ist das Einzige, was Samuel erwidert. Endlich legt er das Handy beiseite und zieht den Teller mit dem Schokoladenkuchen zu sich.

Drake schenkt mir Tee ein, dabei wird die Morgensonne von dem breiten, golden schimmernden Reifen reflektiert, den er ums Handgelenk trägt – wie wir anderen auch. Wir haben die Armreifen vor ein paar Monaten in North Carolina selbst geschmiedet, es ist unsere Art der gegenseitigen Unterstützung. So tragen wir unser Team mit dem Namen Golden Circle bei uns, auch dann, wenn die einzelnen Disziplinen an verschiedenen Austragungsorten stattfinden und wir nicht bei jedem Start füreinander da sein können. Sie sind ein Kraftanker, ebenso wie unsere Freundschaft.

Drake zeigt zwischen meinem Bruder und mir hin und her. »Ich habe noch nie Zwillinge erlebt, die so unterschiedlich sind.«

Ivy schnalzt mit der Zunge. »Wollen wir jetzt wirklich längst veraltete Klischees aufarbeiten? Um diese Tageszeit? Und einfach so?«

»Sieh es dir doch an.« Drake lehnt sich in seinem Stuhl zurück. Ich ahne, welche Auflistung jetzt kommen wird, und esse weiter mein Frühstück. »Es grenzt an ein Wunder, dass Samuel so aussieht, wie er aussieht – bei dieser Ernährung. Laura hingegen habe ich in den letzten beiden Jahren noch nie etwas zu sich nehmen sehen, das auch nur annähernd ungesund wäre. Sie trinkt Tee oder Wasser, am liebsten lauwarm.« Er zieht einen Mundwinkel grinsend nach oben. »Samuel nicht. Laura trainiert jeden Tag, wenn nicht auf der Piste, dann im Fitnessstudio oder mit einem Baumstamm oder sonst irgendwie. Samuel hat einfach Spaß und nimmt als Trainingsmöglichkeit, was die Welt ihm bietet, schafft es aber auch, das Work-out ein paarmal ausfallen zu lassen. Laura steht für das Training jeden Tag schon vor Sonnenaufgang auf, Samuel nicht.«

»Was ist mit heute?« Samuel hat sich ebenso zurückgelehnt. Für andere muss es wirken, als wäre er stolz darauf, so frei von irgendwelchen Ritualen zu leben. Ich sehe nur Erleichterung, dass er den uns jahrelang anerzogenen Mustern entkommen ist. Vielleicht ist es seine Art der Rebellion gegen unseren Vater und manchmal beneide ich ihn darum.

Drake streicht sich über seinen dunklen Bart. »Wir haben uns in den letzten Monaten viel zu oft ein Zimmer geteilt, Mann. Ich kenne deinen Rhythmus.«

Samuel sieht Drake herausfordernd an. »Was noch?«

»Laura liest Klassiker, vorzugsweise auf Deutsch, während ich mir bei dir nicht mal sicher bin, ob du Deutsch jemals gelernt hast.«

»Dir ist klar, dass die beiden in Deutschland geboren wurden?« Ivy rührt Milch in ihren Kaffee. »Und achtzehn Jahre dort gelebt haben?«

»Mit einer amerikanischen Mutter.«

»Und einem deutschen Vater, Drake.«

Dieser winkt ab. »Laura ist kontrolliert und diszipliniert, kennt die Grenzen ihres Körpers und würde nie ein zu großes Risiko eingehen.«

»Trotzdem übt sie als Freeriderin eine der gefährlichsten Sportarten der Welt aus«, wirft mein Bruder ein und knackt mit den Fingerknöcheln. Ich kenne die wachsende Verteidigungshaltung.

»Und das verdammt gut«, beschwichtigt Drake, als hätte er die stille Warnung von Samuel wahrgenommen.

Er muss das nicht tun. Ich kann mich sehr gut selbst zur Wehr setzen. Abgesehen davon, dass Drake nur die Wahrheit sagt. Auch wenn es unschön ist – er hat recht. Mein Leben hängt viel mehr in der Vergangenheit fest, als ich es mir wünsche. Das hasse ich.

Ich versuche den aufwallenden Zorn hinunterzuschlucken und schließe kurz die Augen. Nicht kurz genug, als dass es von Samuel unbemerkt bliebe. Wieder knackt er mit den Fingerknöcheln, was den Zorn in mir weiter aufglimmen lässt.

»Und dann wäre da noch der unterschiedliche Musikgeschmack«, fährt Drake fort. »Samuel hört Rock und Laura EDM, selbst wenn sie glaubt, es wüsste keiner.«

»Woher kennst du meine Playlists?«, fahre ich dazwischen.

Drake lächelt. »Wenn du nicht willst, dass irgendjemand deinen Musikgeschmack kennt, solltest du in Hotels mit hauchdünnen Wänden beim Duschen die Lautstärke besser regulieren.«

Mein Schulterzucken fällt weniger unbeeindruckt aus als beabsichtigt. »Die Musik muss ich nur so laut hören, damit ich dein Geschwafel, mit dem du das Team Tag für Tag nervst, aus dem Kopf bekomme.«

»Der war gut«, sagt Drake und bricht dann als Erster von uns allen in Gelächter aus.

Ivy fährt sich durch die kurzen blonden Haare und setzt ihre Mütze wieder auf. »Der war nicht nur gut, sondern absolut treffend.«

Mit einem zufriedenen Nicken isst Samuel weiter seinen Kuchen, während Drake uns eine Mail des Rising Four über die Ablaufplanung der nächsten Tage vorliest. »Die Vorstellung der Teams heute Abend sollte schnell erledigt sein. Sie dient mehr als Aushängeschild für die Sponsoren und als Plattform für die geladenen Social-Media-Beauftragten.«

Obwohl wir schon Angebote erhalten haben, wehren wir uns alle noch gegen ein Management, das unser sportliches Leben zwar strukturieren, aber ziemlich sicher auch starr lenken würde. Es ist die Ungebundenheit, die wir alle derzeit am meisten schätzen. Drake kennt zudem viele Leute und ihm macht es nichts aus, einen Überblick für uns zu behalten.

Ivy schmunzelt. »Die lassen wirklich keine Chance aus, um die Legends of Snow and Ice groß rauskommen zu lassen.«

»Sieh dich um«, meint Samuel. »Die Austragungsorte sind verdammt gut gewählt. Sie wollen sie für Spitzensportler interessanter machen und können durch die hohen athletischen Ansprüche gleichzeitig eine Exklusivität bewahren.«

»Viel Aufmerksamkeit ist gut für uns.« Drake scrollt weiter auf seinem Handy herum. »Als Quereinsteiger ist das die Chance, uns in der Szene zu etablieren. Es würde theoretisch schon reichen, unter die ersten fünf zu kommen und zu den Finals nach Europa zu fliegen. Wir könnten uns vor Sponsorenaufträgen und Einladungen zu jeglichen alpinen Events nicht mehr retten.«

Ich nicke nur zustimmend, spüre jedoch, wie mich Samuels besorgter Blick streift. Alles, woran ich denke, sind die nächsten Wochen. Wir müssen gewinnen, die Zeit rinnt uns durch die Finger.

»Zumindest haben sie sich für die Mengen an Zuschauern, die sich schon in Banff tummeln, ein spektakuläres Rahmenprogramm einfallen lassen. Von Freestyle-Shows über Bungee-Jumping ist alles dabei«, erzählt Drake weiter.

»Die Reichweite des Publikums ist vermutlich immer noch die beste Werbung.« Ivy zieht die Sonnenbrille aus ihrer Brusttasche. »Wenn sie hier schon so einen Aufwand betreiben, um durchzustarten und alle bei Laune zu halten, wie wird das erst beim großen Finale sein?«

»Das könnt ihr uns erzählen, wenn ihr das große Finale im Fernsehen anseht, während wir auf dem Podest stehen und nicht wissen, was wir mit dem Haufen Preisgeld machen sollen.« Gabe Seiner zieht sich einen Stuhl vom Nachbartisch heran und setzt sich zwischen Drake und mir verkehrt herum darauf.

»Zeit, sich vor der Welt zu verschließen«, kommentiert Ivy sein Kommen, lässt ihre Sonnenbrille vom Kopf auf ihre Nase rutschen und steckt sich ihre Airpods in die Ohren. Jeder hier kennt Gabe, der unter Freeridern für seine Waghalsigkeit bekannt ist. Mit dem Aufsehen, das er regelmäßig erregt, hat er starke Sponsoren angelockt und die besten Sportler aus allen Disziplinen engagieren können. Dabei ist sein Ego mindestens so groß wie sein Talent auf dem Snowboard.

Er wendet sich mir zu und zieht sein Lippenpiercing zwischen die Zähne. »Guten Morgen, Laura«, sagt er in einer weniger provozierenden Tonlage als zuvor.

»Hey, Gabe«, begrüße ich ihn. Gabe ist nicht ganz zwei Jahre älter als Samuel und ich und wir haben dasselbe Sportinternat besucht. In den letzten Jahren sind wir ihm immer wieder begegnet, aber nie als Konkurrenz.

»Wenn du Lust hast, bei Gewinnern mitzufahren – für das Open Faces in Österreich suche ich noch eine Skifahrerin. In meinem Team wäre sofort Platz für dich, Laura.«

Gabe kommt mir so nahe, dass ich den Kaffee an ihm riechen kann. Ich lehne mich etwas zur Seite.

»Danke, Gabriel, aber zuerst konzentriere ich mich auf das Rising Four. Eines nach dem anderen.«

»Aber du denkst darüber nach?« Er zieht hoffnungsvoll die Brauen hoch. Seine blauen Augen erinnern an den strahlenden Himmel und machen es leicht zu verstehen, warum er neben dem Freeriden Geld mit dem Modeln verdient.

»Schon interessant, oder, Samuel? Gabriel Seiner gibt sich bei jeder Gelegenheit als überlegen und dann versteht er es nicht mal, wenn er von seiner Angebeteten eine eiskalte Abfuhr bekommt.«

Drakes Aussage lässt mich stutzen. Er interpretiert viel zu viel in Gabes Ehrgeiz hinein. Gabriel und ich haben in der Schulzeit die Mittagspausen miteinander verbracht. Er war es, der mir das richtige Aufbereiten des Skibelags für Abfahrten abseits einer präparierten Piste gezeigt hat.

»Eiskalt ist eigentlich dein Spezialgebiet als Eisschwimmer, oder, Drake?« Gabe sieht Drake nicht einmal an. »Schwimmen im Wasser knapp über dem Gefrierpunkt kann nur, wer das Gegenteil von heiß ist.«

»Billig«, kommentiert Drake. »Selbst für dich.«

Gabe will gerade etwas erwidern, da kommt Jenna Miles aus seinem Team an den Tisch. Sie grüßt freundlich und ihr Blick bleibt an Samuels Teller hängen. »Du hast noch Schokoladenkuchen bekommen?«, fragt sie und verzieht den Mund. »Ich muss morgen eindeutig schneller sein.«

Samuel zeigt mit seiner Gabel auf den Kuchen. »Wenn du mir Zeit gibst, besorge ich dir ein Stück.«

Jenna schüttelt den Kopf. »Wir haben jetzt den Fototermin, aber vielleicht später? Hier draußen wird heute Abend im Rahmen des Openings eine große Party steigen, wir könnten uns nach der Vorstellung der Teams an der Bar unten treffen.«

Samuel nickt. »Mit Kuchen.«

»Schade, dass du auf keine Partys gehst, Laura«, sagt Gabe beiläufig und steht auf. Vor allem in den letzten Monaten habe ich immer wieder Einladungen von ihm abgelehnt und bin im Hotel geblieben, während Ivy, Drake und Samuel Partys auf diversen Snow-Contests besucht haben.

Es scheint also vermutlich mehr als offensichtlich, was ich in meinem Leben tue und was nicht, und nach Drakes Aufzählung vorhin, die eher einer Drohung glich als einer reinen Beschreibung, stört es mich plötzlich. Ich störe mich.

Und es stört mich, dass sogar Menschen, mit denen ich kaum Zeit verbringe, zu wissen glauben, wer ich bin – und vor allem, wer ich nicht bin. Sie teilen mich in Kategorien ein. Und sie haben verdammt noch mal recht! Das zeigt sich, als ich den Löffel in das längst aufgeweichte Müsli stecke. Jeden Tag der gleiche Scheiß. Dabei mag ich auch gerne Schokoladenkuchen.

»Eine Party, heute Abend?« Ich stehe auf und der Stuhl schrammt über den Steinboden. Beiläufig nehme ich meinen Helm und lächle zuerst Gabe und dann Drake an. »Ich bin dabei. Schließlich liebe ich Musik, zu der man so richtig tanzen kann.«

Ohne mich noch einmal umzudrehen und vor allem ohne mein Müsli fertig zu essen, gehe ich hoch erhobenen Hauptes über die Terrassentür ins Winchester. Frei sein, nicht nur am Berg oder auf einer Abfahrt, ist ein neues Gefühl und lässt eine fremde Aufregung in meiner Brust aufkeimen. Selbst wenn es nur die Zusage für eine Party ist. Und mein Müsli, das ich nicht fertig gegessen habe. Revolution kann ich, denke ich mir stolz und recke das Kinn ein kleines bisschen höher.

Ich verlasse den Speisesaal und nehme den Weg durch die Empfangshalle, die in edlem Schwarz mit Gold gehalten ist und mich trotz ihrer Schlichtheit erdrückt. Eine Trennwand, die halbrund in Richtung der Rezeption gebaut wurde, besteht aus einem riesigen Bildschirm. Auf ihm läuft gerade Werbung für das Rising Four. Die Buchstaben schlittern über den Fernseher und mit den Rocky Mountains als Kulisse ziehen die Namen der einzelnen Teams durch die beeindruckenden Bilder.

Nur wenige von ihnen kenne ich, die meisten wurden extra für das Legends of Snow and Ice zusammengestellt. Da jede Sportlerin und jeder Sportler seine Einzelleistung erbringen muss, ist das nicht unbedingt ein Nachteil, und trotzdem bin ich dankbar, mit Leuten ein Team zu bilden, die mir vertraut sind.

Plötzlich verändert sich die Grafik der Werbung und der Fernseher wird dunkel. In leuchtender Schrift werden das Programm für das Opening, das Jenna soeben erwähnt hat, und die Party heute Abend angekündigt. Feiernde Menschenmassen füllen das Bild und mir wird die Tragweite meiner trotzigen Entscheidung bewusst. Ebenso klar ist mir, dass ich jetzt keinen Rückzieher machen kann – und will. Es ist nur eine Party.

Mir selbst ermutigend zunickend gehe ich in Richtung der Treppen zu den Hotelzimmern, da erhasche ich noch einen Blick auf ein bekanntes Gesicht auf dem Bildschirm.

Nein.

Das kann nicht sein.

Ich drehe mich ruckartig um und für einen einzigen Atemzug lang existieren nur noch seine dunklen Augen. Die Erinnerung an die Geborgenheit, die ich in seiner Berührung gefunden habe, hallt durch die Leere in meinem Brustkorb und lässt mein Herz stolpern. Wie von selbst finden meine Finger meinen goldenen Armreif. Wir waren eins. Verbunden. Für immer.

Ein Für-immer, das in tausend Scherben am Rande meines Bewusstseins existiert. In den wenigen Momenten zwischen Wachen und Schlafen streicht es sanft über meine Seele und lässt mich die Schönheit der Vergangenheit fühlen. Mason.

Nur um dann wieder die vielen Narben aufzuzeigen, als stetige Zeugen einer längst verlorenen Zeit.

Seine Anwesenheit wird nichts ändern.

Da ist nichts mehr. Die Dunkelheit hat alles erstickt.

Mit dem nächsten tiefen Atemzug wende ich dem Bildschirm den Rücken zu und gehe.

Mason Warren hat keine Bedeutung mehr in meinem Leben.

Kapitel5

Mason

Von der Dachterrasse der Hotelsuite aus kann ich die schneebedeckten Hänge sehen, auf denen sich die Touristen wie kleine bunte Punkte Richtung Tal bewegen. Der Anblick löst ein ungeahntes Sehnen in mir aus. Es muss drei Jahre her sein, dass ich zum letzten Mal auf Skiern gestanden habe. Mindestens.

Mein Tee ist längst kalt, trotzdem nehme ich noch einen Schluck. Erst heute Nacht bin ich hier in Banff angekommen. Der Flug nach Calgary war turbulent. Bis zur holprigen Landung habe ich durchgehalten, danach musste ich eine halbe Stunde lang kotzen, so schlecht war mir.