Crashing Back to You (»Back to You«-Reihe 2) - Lexis Able - E-Book
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Lexis Able

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Beschreibung

**Gib nicht auf. Nur du kennst sein wahres Gesicht.** Eine Nacht kann alles verändern. So war es zumindest für die sonst so schüchterne Aley, als sie die Nacht mit dem angehenden NHL-Spieler Chase verbracht hat. Doch der Zauber findet ein jähes Ende, als Chase am nächsten Morgen von der Polizei verhaftet wird. Ein ganzes Jahr vergeht, bis Aley wieder auf ihn trifft, allerdings er scheint völlig verändert. Dunkle Tattoos übersäen seinen Körper und er meidet sie, wo es nur geht. Aber immer wieder blitzt der alte Chase in seinen eisblauen Augen auf und Aley spürt, dass hinter seinen Mauern noch derselbe charmante Sportler stecken muss ... Gefühlvolle Sports Romance mit Tiefgang zum Dahinschmelzen! Leser*innenstimmen: »Das Buch ist für mich so viel mehr als eine einfache Sport-Romance!« »Ein Buch, das einen alles herum vergessen lässt!« »Für mich ein absolutes Herzensbuch und definitiv mein Jahreshighlight!« //Der Liebesroman »Crashing Back to You« ist der zweite Band der romantischen »Back to You«-Reihe. Alle Bände der gefühlvollen Sports Romance: -- Back to You 1: Running Back to You -- Back to You 2: Crashing Back to You -- Back to You 3: Dreaming Back to You//

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Impress

Die Macht der Gefühle

Impress ist ein Imprint des Carlsen Verlags und publiziert romantische und fantastische Romane für junge Erwachsene.

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Lexis Able

Crashing Back to You (»Back to you«-Reihe 2)

**Gib nicht auf. Nur du kennst sein wahres Gesicht.**Eine Nacht kann alles verändern. So war es zumindest für die sonst so schüchterne Aley, als sie die Nacht mit dem angehenden NHL-Spieler Chase verbracht hat. Doch der Zauber findet ein jähes Ende, als Chase am nächsten Morgen von der Polizei verhaftet wird. Ein ganzes Jahr vergeht, bis Aley wieder auf ihn trifft, doch er scheint völlig verändert. Dunkle Tattoos übersähen seinen Körper und er meidet sie, wo es nur geht. Doch immer wieder blitzt der alte Chase in seinen eisblauen Augen auf und Aley spürt, dass hinter seinen Mauern noch derselbe charmante Sportler stecken muss …

Wohin soll es gehen?

Buch lesen

Vita

Playlist

© HERZLICHT FOTOGRAFIE VON RENATE NEURAUTER

Lexis Able wurde 1986 in Österreich geboren und wohnt mit ihrem Mann, ihren drei Kindern und einigen Vierbeinern in Tirol. Aufgewachsen ist sie zwischen Bergen und Büchern, am liebsten in Kombination. Aus dem Schreiben schöpft Lexis die Kraft für ihren Beruf als Sonderkindergartenpädagogin, ihr erstes Buch hat sie selbst im Alter von sechs Jahren geschrieben. Auf langen Bergläufen entwickelt sie ihre Geschichten, die sie nun endlich mit anderen teilen darf.

Für Max.Wahren Mut kannst du in der Liebe zeigen.

Vorbemerkung für die Leser*innen

Liebe*r Leser*in,

dieser Roman enthält potenziell triggernde Inhalte. Aus diesem Grund befindet sich hier eine Triggerwarnung. Am Romanende findest du eine Themenübersicht, die demzufolge Spoiler für den Roman enthält.

Entscheide bitte für dich selbst, ob du diese Warnung liest. Gehe während des Lesens achtsam mit dir um. Falls du während des Lesens auf Probleme stößt und/oder betroffen bist, bleib damit nicht allein. Wende dich an deine Familie, Freunde oder auch professionelle Hilfestellen.

Wir wünschen dir alles Gute und das bestmögliche Erlebnis beim Lesen dieser besonderen Geschichte.

Lexis Able und das Impress-Team

Playlist

Mr. Brightside – The Killers

I’m on Fire – Bruce Springsteen

Lonely – Akon

My House – Flo Rida

Dusk Till Dawn – ZAYN ft. Sia

I Want You to Want Me – Cheap Trick

Ich lass für dich das Licht an – Revolverheld

All of Me – John Legend

Calm After the Storm – The Common Linnets

Breathe Easy – Blue

Bad Habits – Ed Sheeran

Little Bit Of Love – Tom Grennan

Follow You – Imagine Dragons

Without You – The Kid LAROI

By Your Side – Calvin Harris

I Knew I Loved You – Savage Garden

You Broke Me First – Tate McRae

Fire – Bruce Springsteen

Prolog

Aley

»Lass uns von hier verschwinden, Aley.«

»Nein«, antworte ich, ohne ihn anzusehen, und halte den Stock mit meinem Marshmallow näher an die Feuerschale. Mit Chase Delany werde ich nirgendwohin gehen. Niemals.

»Nein?« Er klingt nicht enttäuscht. Es ist nicht die erste Einladung von Chase, die ich ablehne. Seit wir uns vor einem Jahr an der Vancouver University kennengelernt haben, versucht er, mich aus der Reserve zu locken. Aber ich will ihn nicht zum Bungeejumping oder zum Eisschwimmen begleiten. Alles, was ich will, ist ein ganz normales, langweiliges und vor allem ungefährliches Leben. Ohne Chase.

Ich schüttle den Kopf. »Wir können nicht einfach verschwinden. Es ist Lucas Party, das wäre unhöflich ihr gegenüber.«

»Sieh dich um, Aley. Kein Mensch wird uns hier vermissen.«

Ich hebe meinen Blick und schaue hinüber zu unseren Freunden, die unter dem riesigen Zuckerahorn sitzen und sich unterhalten. Die bunten Lampions, die an den ausladenden Ästen hängen, scheinen in der Nacht zu schweben und verleihen dem Garten der Warrens eine Gemütlichkeit. Wir alle sind hier nach Northwood gekommen, um ein paar Ferientage abseits des Campus miteinander zu verbringen. Meine beste Freundin Nora und ich wohnen bei Luca und ihrer Familie, nur Chase schläft nebenan in seinem eigenen Elternhaus. Sander wollte seine Schwester mit der Grillparty überraschen. Luca hat ein schwieriges Jahr hinter sich, und wir alle freuen uns mit ihr über die Fortschritte, die sie macht.

Ihr Freund Brayden legt den Arm um ihre Taille und zieht sie zu sich auf den Lounge-Sessel. Selbst von hier drüben kann ich ihr lautes Lachen hören. Ohne Luca ist das Leben im Studentenheim nicht mehr dasselbe. Ich vermisse die ruhigen Abende mit meiner Mitbewohnerin und das unkomplizierte Zusammensein. Wir sehen uns zwar noch jeden Tag beim Mittagessen mit den anderen am Campus, und doch fühle ich mich einsam, seit Luca bei Brayden eingezogen ist.

Sander gibt jedem ein kleines Glas zu trinken und sie stoßen an. Chase hat recht, niemand würde uns vermissen.

Als wollte er meine Gedanken bestätigen, stellt sich Chase neben mich und streift dabei meinen Arm mit seinem, Haut an Haut. Unwillkürlich mache ich einen kleinen Schritt zur Seite. Nicht, weil es mir unangenehm ist. Ich denke an die vielen Male, die er sich beim Lernen neben mir in die Wiese hat fallen lassen, nur um mich nach zwei Minuten mit einem Grashalm zu ärgern. Oder an die Filmabende mit unseren Freunden, an denen er immer vor mir auf dem Boden sitzt, um sich bei mir anzulehnen. Scheinbar beiläufige Berührungen, die sich in mein Gedächtnis gebrannt haben. Und nach denen ich mich viel zu sehr sehne. Es reicht, wenn ihm die restlichen Studentinnen an der Vancouver University verfallen sind.

Sander steht auf und zieht meine beste Freundin Nora von ihrem Sessel hoch. »Wir gehen schlafen«, ruft er und Nora winkt zu uns herüber.

»Zusammen?«, möchte Chase wissen, woraufhin ich ihn mit meinem Ellenbogen in die Seite stoße.

Noras »Nein« kommt gleichzeitig mit Sanders Mittelfinger und Chase hebt entschuldigend die Hände. »Man wird doch noch fragen dürfen.«

»Sie sind nur Freunde«, sage ich und winke zurück. »Wie wir.«

Ich warte darauf, dass er mir zustimmt oder sich mit einem blöden Spruch aus der Situation rettet, aber alles, was ich höre, ist das Knistern des Feuers.

Und dann tritt er hinter mich, in einer einzigen, fließenden Bewegung. So nah, dass ich das Heben und Senken seiner Brust in meinem Rücken spüren kann.

»Freunde?« Seine Lippen sind viel zu nahe an meinem Ohr. »Wir sind keine Freunde.«

Ich lege den Kopf leicht schief, aber nicht weg von seinem Mund, sondern in die Richtung seiner Stimme, und schließe die Augen.

»Doch«, presse ich hervor. »Nur Freunde.«

Chase lacht auf, leise und rau. »Freunde suchen nicht immer wieder den Blickkontakt des anderen, lange. Und forschend.«

Ich höre, wie er sich über die Lippen leckt. Ich sollte mir nicht das Bild dazu vorstellen. Wirklich nicht.

»Und Freunde zählen nicht die Stunden, bis sich die Lunch Crew zum Mittagessen trifft und sie sich endlich wiedersehen.« Ich muss an meiner Mimik arbeiten. Er hat bemerkt, wie sehr ich mich jeden Tag auf ihn freue. »Und Freunde, Aley, denken nicht an den anderen, wenn sie abends im Bett liegen und einschlafen. Alleine.«

»Das stimmt nicht, ich denke beim Einschlafen nicht an dich«, lüge ich. Er muss nicht immer recht behalten.

Chase streift mit der Nasenspitze meine Wange, gefolgt von der Wölbung seiner Lippen. Flüchtig, zu kurz.

»Ich habe nicht von dir gesprochen, Aley, sondern von mir.«

Konzentriert auf meine schneller werdende Atmung hefte ich meinen Blick nach vorne auf den Geräteschuppen. Wenn ich nicht in seine eisblauen Augen sehe, verlieren die Worte an Wirkung. Nur Buchstaben, keine Anziehung. Nur Freunde. Chase ist wild, laut und liebt die Gefahr. All das bin ich nicht. Ich bin vorsichtig, brauche meine Struktur und zerdenke jede Situation, um die Möglichkeiten realistisch abzuwägen. Das mit uns kann niemals funktionieren.

Ich mache einen großen Schritt zur Seite. »Du entschuldigst, mein Marshmallow ist gleich fertig.« Mit dem Abstand zu seinem Körper schwindet hoffentlich auch sein Einfluss auf meine Willenskraft.

»Nein«, antwortet er und tritt wieder unbeeindruckt hinter mich. »Ich entschuldige nicht. Nicht mehr.«

Ich räuspere mich, bloß nicht zuhören. »Du solltest dir auch ein Marshmallow nehmen. Oder zwei, wenn du willst. Einfach hintereinander aufspießen.« Reden lenkt ab. Mich, von ihm.

»Aley?«

Die gebrochen tiefe Stimme lässt mich erstarren und entzündet meine Nervenenden. So hat er meinen Namen noch nie ausgesprochen. Panisch mache ich den letztmöglichen kleinen Schritt nach vorne. Die Hitze der Flammen lässt mich blinzeln und ich presse meine Faust fester um den Stock. »Immer schön drehen, das Marshmallow. Sonst brennt es an.«

»Aley.« Chase’ Lippen berühren ohne Vorwarnung meine nackte Halsbeuge und ich zucke erschrocken zusammen, verweile aber in seiner Berührung. Viel zu lange habe ich mich danach verzehrt. Und sie mir verboten. Chase schluckt hörbar. »Scheiß auf die Marshmallows. Wir gehen.«

Mein »Nein« klingt wie ein bettelndes Flehen, und ich schließe die Augen, um das letzte bisschen Selbstbeherrschung zusammenzukratzen, das er mir gelassen hat. Ich habe nicht ein Jahr lang gegen diese penetrante Anziehung gekämpft, um jetzt aufzugeben. Dabei haben mir Eishockeyspieler noch nie gefallen.

Chase’ Hände wandern meine Arme entlang nach unten und lösen den Stock aus meinen Fingern. Langsam. Ich könnte ihm damit zu jederzeit eins überziehen, wenn ich wollte, und mir selbst zeigen, dass ich stärker bin als meine Gefühle für ihn. Stattdessen sehe ich zu, wie er mein hübsches Marshmallow samt Stock ins Feuer wirft und meine Hand im flackernden Licht eins wird mit seiner. Ich wusste es. Er ist mein Eisbrecher.

»Das war mein Marshmallow, Chase.« Und mein Ablenkungsmanöver.

Er tritt neben mich. Mit meiner Hand in seiner hebt er mein Kinn an und zwingt mich unwissend, in seinen blauen Augen zu versinken.

»Vertraust du mir?«

Nervös beginne ich zu blinzeln. »Wie jetzt, so richtig?«

»Aley, ja oder nein?«

»Darüber muss ich in Ruhe nachdenken. Nach der Marshmallow-Sache eben ist es höchstens ein vielleicht.« Ich will ihm doch gar nicht vertrauen.

Chase nickt. »Das reicht mir.«

»Das reicht dir? Wofür?«

»Maze?«, ruft er in Richtung seines besten Freundes, der von seinem Lounge-Sessel aufsteht. Chase zeigt über seine Schulter. »Wir sind oben.«

»Alles klar«, sagt Mason und dreht sich wieder zurück zu Luca und Brayden.

Ich habe keine Ahnung, was oben bedeutet. Ein Oben mit Chase kann alles sein. Ein Dachgiebel. Eine meterhohe Mauer oder gleich der Mount Logan.

»Wo ist oben?«, will ich wissen.

Chase antwortet nicht, sondern zieht mich hinter sich her, weg von der Feuerstelle und von unseren Freunden, hinein in die Dunkelheit. Und ich folge ihm, widerstandslos.

Wir durchqueren den Garten der Warrens und erreichen die ersten Nadelbäume an der Waldgrenze. In meinem Rücken verblasst die leise Musik und dennoch habe ich nicht das Bedürfnis, mich umzudrehen. Ich vertraue ihm mehr, als ich angenommen habe.

Chase bleibt stehen und sieht mich an. »Wir sind bei oben angekommen.« Im schwachen Mondlicht erkenne ich, wie er eine Augenbraue hebt und zu grinsen beginnt. »Wann bist du das letzte Mal auf ein Baumhaus geklettert, Aley?«

Mein Blick fällt auf die kleinen Holzplanken, die an den Baumstamm neben uns genagelt sind. Vorsichtig spähe ich hinauf, Planke um Planke. Das ist viel Baum, viel zu viel Baum.

»Ich kann das nicht«, krächze ich leise und wende mich zum Gehen, aber Chase’ fester Griff um meine Taille hält mich zurück. Augenblicklich umgibt mich sein Geruch nach Bergamotte und lässt Bilder vom italienischen Strand und dem dunklen Blau des Mittelmeers in meiner Erinnerung aufflackern. Seufzend lege ich meine Hände auf seine Unterarme. »Das schaffe ich nicht, Chase.«

»Du kannst alles schaffen, Aley.« Seine Bartstoppeln kratzen an meiner Wange, und ich lehne meinen Kopf an seinen, als hätten wir uns schon immer auf diese vertraute Weise berührt. »Es sind nur achtzehn Stufen.«

»Das sind keine Stufen. Das sind dünne Holzbretter, an denen ich mich festkrallen muss.«

Chase lächelt und löst sich von mir. »Nicht festkrallen, nur festhalten, sonst kommst du nicht bis ganz nach oben.«

»Ich war noch nie auf einem Baumhaus.«

Für einen kurzen Moment glaube ich, er will mich fragen, warum. Dann schüttelt Chase kaum merklich den Kopf und grinst mich wieder an. »Das ist kein Baumhaus, das ist unsere Más a Tierra. Und nur Auserwählten ist der Zutritt gestattet.«

Robinson Crusoe, das erkenne ich sofort. »Wer hat ihm den Namen gegeben?«

»Ich.« Er muss das Buch gelesen haben.

Chase überspringt die ersten Planken, hält sich mit nur einer Hand fest und beugt sich in meine Richtung. »Eine Stufe nach der anderen, Aley. Ich bin direkt vor dir und öffne oben die Luke.«

»Und wenn ich falle?« Meine Hände sind gerade ungünstig verschwitzt.

»Dann krall dich einfach an den dünnen Holzbrettern fest.«

»Sehr witzig, Chase.«

Mit einem dumpfen Geräusch landet Chase vor mir im Gras. Er kommt mir nahe, die Erwartung seiner Berührung prickelt auf meiner Haut. Aber anstatt mich zu berühren, atmet er tief ein und zeigt auf seine Stirn. »Triff keine Entscheidungen aus Furcht, Aley. Angst beginnt im Kopf. Mut auch.« Dann steigt er wieder leichtfüßig auf die Planken. »Sei mutig, mit mir.«

Ich hatte einen Plan für heute Abend. Kein Chase Delany. Und ich wollte nie auf ein Baumhaus steigen. Trotzdem nicke ich, setze meinen Fuß prüfend auf das erste Brett und stoße mich vom sicheren Boden ab. Meine Hände finden Halt über mir und ich schaffe es blind, die nächste Stufe zu finden. Das Quietschen von Scharnieren lässt mich nach oben blicken. Zu Chase, der sich durch eine Luke stemmt und zu mir herunterschaut. Jede Stufe bringt mich näher zu ihm und dem stolzen Lächeln, das er mir schenkt. Meine Beine zittern und alles in mir schreit danach zu fliehen. Mein Mut ist heute stärker als meine Furcht. Unser Mut.

Von der Plattform aus streckt mir Chase seine Hand entgegen und zieht mich schwungvoll nach oben. Ich lande unsanft auf meinem Hintern und rücke schnell von der Luke weg.

Chase schließt sie. »Das war verdammt gut, Aley.«

Ich reibe meine noch immer feuchten Hände an den Jeans ab. »Es ist nur ein Baumhaus. Wie oft seid ihr als Kinder hier auf- und abgestiegen?« Chase ist der Nachbar von Luca, Sander und Mason, und ich weiß, wie eng ihre Verbindung ist. »Das war gar nichts.«

»Es war dein erstes Mal und du hast deine Angst überwunden. Wie viele Menschen haben Tag für Tag den Wunsch, über ihre Grenzen hinauszuwachsen und sich endlich freier zu fühlen? Und sie finden Tag für Tag eine andere Ausrede für ihr Scheitern. Das ist nicht nichts, das ist Mut.« Er bedeutet mir aufzustehen. »Und Mut gehört belohnt.«

Ich wische meine Wange an der Schulter ab, als könnte dies die aufsteigenden roten Flecken vertreiben, und stehe auf. Ich kenne niemanden, der so mutig ist wie Chase, und dieses Kompliment aus seinem Mund wiegt viel.

Er nimmt eine Petroleumlampe von einem Haken und dreht an dem kleinen Rädchen. Sie taucht das Baumhaus in flackernde Schatten.

»Das ist …«, ich sehe mich beeindruckt um. Das Baumhaus hat eine Eckbank mit Tisch, an dem locker fünf Erwachsene sitzen können. Eine Wand wird von Regalen überzogen, die in einem wilden Durcheinander mit Büchern, Matchboxautos und Hockeypucks gefüllt sind. Ich ignoriere den Schrei nach Ordnung in mir und konzentriere mich auf Chase. Er hätte bestimmt keine Freude, wenn ich jetzt begänne, die Autos nach Regenbogenfarben zu sortieren. »Das ist nicht schlecht.«

»Nicht schlecht?« Chase fängt an zu lachen. Die Wölbung seiner Lippen wird dadurch nicht schmaler, sondern blöderweise anziehender. »Lass das bloß nicht Onkel Thomas hören, das Baumhaus ist sein ganzer Stolz. Er hat zwei Sommer daran gebaut. Wir Jungs und Luca waren noch zu klein, um ihm zu helfen, und haben lediglich die Bretter durch den Garten gezogen. Das ist nur der erste Raum.«

»Wie viele Räume kann ein Baumhaus haben?«, frage ich verwundert. Für mich waren Baumhäuser immer unspektakulär und viereckig, zumindest von unten.

»Das hier«, Chase dreht sich im Kreis, »ist unser Hauptquartier.«

»Ein Hauptquartier?« Mein Kichern kann ich nicht unterdrücken.

»Machst du dich gerade über die legendäre Northwood-Gang lustig?«

Ich halte mir den Mund zu und murmle ein »Nein«.

»Das will ich hoffen. Und weil jede ernst zu nehmende Gang einen Aussichtspunkt braucht, um potenziell auftauchende Flusswandler aus dem Silver River zu sichten, haben wir diesen hier.«

Chase öffnet eine Holztür, die im Halbdunkeln verborgen war. Er lässt mir den Vortritt, und als ich an ihm vorbeitrete, schickt seine kurze Berührung oberhalb meines Steißbeines prickelnde Impulse durch meinen Körper.

»Unser Balkon«, sagt Chase stolz. »Was sagst du, ist dieser Ausblick deinen Mut wert?«

Ich richte meinen Blick über das hölzerne Geländer hinaus in die Nacht, die von einem Netz aus abertausenden Sternen überzogen wird. Der Mond versteckt sich hinter den Bergen und erhellt die Gipfel, auf denen der erste Schnee zu sehen ist. Ich habe Vancouver noch nicht oft verlassen, und die Natur hier in Northwood so ungebrochen zu erleben, bringt eine unbekannte Ruhe in mein Bewusstsein. Ich schließe die Augen und höre nichts. Keine Autos, kein Gluckern aus den Rohrleitungen im Wohnheim und kein Ticken von der großen Standuhr in Moms Schlafzimmer. Alles, was ich höre, ist mein Atem. Meiner, und der von Chase.

»Wunderschön«, antworte ich etwas verspätet auf Chase’ Frage.

Seine Stimme wird leise. »Das denke ich mir seit einem Jahr. Jeden verfickten Tag, seit Luca bei dir eingezogen ist und du die Lunch Crew gegründet hast.«

Ich richte mich auf und die Muskeln in meinem Körper verspannen sich unter seinen Worten. Chase’ Hände umfassen links und rechts von mir das Geländer und treiben meinen Herzschlag unaufhörlich an. Ich kann gehen, jetzt sofort. Wahlweise auch springen, weil ich es nicht über die Stufen nach unten schaffe. Und mir weiter einreden, dass Chase keine Anziehung auf mich ausübt und dass das versteckte Grübchen unter seiner Lippe nicht vor mir auftaucht, sobald ich die Augen beim Einschlafen schließe. Oder ich drehe mich in seinen Armen um und betäube die Gefühle für Chase nicht länger.

Gestärkt von meinem neuen Mut hole ich tief Luft und wende der Nacht den Rücken zu. Meine Grenzen verlieren sich in der wilden Freiheit seiner eisblauen Augen und ich grabe meine Finger hilfesuchend in seinen Sweater.

»Ich halte dich, Aley«, flüstert er. »Ich hab dich. Das weißt du, oder?«

Ich nicke. Er hatte mich schon bei unserer ersten Begegnung. Chase macht, was er will und wann er es will, und insgeheim habe ich ihn immer dafür bewundert.

Er legt eine Hand in meinen Nacken und kommt näher. Als sein Kinn an meiner Wange entlang nach vorne reibt, werden meine Knie weich, und ich unterdrücke ein Keuchen. Der Duft nach Sonne und salziger Meeresluft lässt mich ihm ein kleines Stück entgegenkommen. Ich vernehme sein kurzes Zögern und anstatt mich unsicher zu fühlen, will ich ihn noch mehr. Chase zieht seine Unterlippe mit der Zunge nach innen und ich halte die Luft an. Dann, endlich, legt sich sein Mund auf meinen und lässt jede Zelle in mir explodieren. Um mehr von ihm zu schmecken, öffne ich leicht meine Lippen. Ich spüre Chase’ Lächeln auf mir, bevor er mit seiner Zungenspitze meine berührt und mich an seinen Oberkörper drückt. Seine Lippen sind weich und gleichzeitig bestimmend, und ich schließe die Augen. Alles, was ich will, ist, ihn zu fühlen und zu schmecken.

Viel zu schnell löst sich Chase von meinem Mund und küsst sich meinen Kiefer entlang zum Hals. Das Reiben seiner Zähne steht im scharfen Kontrast zu dem feinen Streicheln seiner Zunge, und ich kann nicht anders, als meinen Kopf in den Nacken zu legen. Chase schiebt seine Hand meine Wirbelsäule entlang nach unten, drückt seine Finger in meinen Hintern und hebt mich leicht an. Ich stöhne auf, als ich sein Becken an meiner Mitte spüre.

»Aley?«

»Hmmm?«

Chase saugt an meinem Hals und schickt glühende Blitze durch meinen Körper. »Vertraust du mir?«

Meine Gedanken bleiben mehr an seinem Mund hängen als an seinen Worten. »Vertrauen?«

»Aley, ja oder nein?«

Ich suche seinen Blick und meine Konzentration. »Nach der Klettersache eben?«

Chase nickt grinsend. »Oder überhaupt.«

Alles, was in der letzten Stunde passiert ist, verstößt gegen meine Sicherheitsprinzipien. Chase ist die unbekannte Komponente in meinem Leben, viel zu unberechenbar für mein strukturiertes Denken. Ich vermeide grundsätzlich jede Gefahr, immer. Und doch stehe ich hier. Auf einem Baumhaus, mit ihm. Ich könnte jetzt Nein sagen, aber die Wahrheit ist eine andere.

»Ja, ich glaube, ich vertraue dir.«

Chase nickt mehrmals abwesend. »Weniger hätte nicht gereicht.«

»Gereicht, wofür?«

Sein Mund prallt auf meinen, dieses Mal ungestüm und fordernd, und lässt meine Hemmungen spurlos verschwinden. Ich halte mich an seinem Hals fest und schlinge meine Beine um seinen Körper. Wir taumeln nach hinten gegen die Außenwand des Baumhauses und Chase schiebt die Hand an meinem Rücken unter meinen Pullover.

»Mach den Riegel auf.«

Ich stutze. »Welchen Riegel?«

»Den Holzriegel, links neben mir«, murmelt er an meinen Lippen und ich entdecke eine weitere Tür. Sie fällt ruckartig auf, als ich den Keil nach oben schiebe. Chase gleicht unseren Schwung aus und dreht sich mit mir in den Raum. Im Dunkeln erkenne ich ein erhöhtes Podest, das mit Matratzen ausgelegt ist.

»Ein Matratzenlager?«, frage ich erstaunt und löse mich von Chase.

»Mason und ich haben ganze Sommer hier oben verbracht«, antwortet er und verschwindet wieder nach draußen, um mit der Petroleumlampe zurückzukommen. Die Matratzen sind mit roten Decken und Kissen ausgestattet und erinnern mich an Filme über Feriencamps.

Chase kommt auf mich zu und greift an mir vorbei zu dem Vorhang, der ein breites Fenster freigibt. »Bitte sehr – die Sterne, nur für dich.«

Ich nicke übertrieben. »Für wen auch sonst.«

»Musik?« Er schaut mich mit einem sanften Lächeln an. Diese verdammt schönen Lippen.

»Musik? Das auch noch?«

»Natürlich«, sagt er und legt sein Handy neben die Petroleumlampe.

Die Stimme von Bruce Springsteen jagt eine Gänsehaut über meine Arme. Damit habe ich nicht gerechnet. »I’m on fire?«

»Ja, ich auch«, erwidert Chase und wir beginnen beide zu lachen.

Sein Blick wird ernster und ohne jegliche Vorwarnung zieht er sich den Sweater über den Kopf. Beim Anblick seines Shirts neige ich kritisch den Kopf. »Mr Lonely«, lese ich laut vor. »Normalerweise passen die Sprüche zu dir.«

»Ach ja? Was würde denn passen? Sag’s mir, Aley.« Chase wirft seinen Sweater auf den Boden und schaut mich fragend an.

Ich kenne ihn als beinharten Hockeyspieler unserer College-Auswahl. Er ist der Spieler auf dem Eis, der bei einem Rückstand für die notwendige Motivation sorgt und als Verteidiger alle nach vorne treibt. Braydens Beinahe-Unfall auf dem Campus letztes Jahr hat Lucas traumatische Erfahrungen rund um den Tod ihrer Eltern in ihr hochkochen lassen. Ihr Zusammenbruch war schlimm, für uns alle. In dieser Zeit war Chase derjenige, der sich darum gekümmert hat, dass ihre Adoptiveltern verständigt wurden. Er hat Lucas Kleidung bei mir geholt und uns alle mit seinem Glauben an sie beruhigen können. Chase kann nichts unterkriegen. Bei den Treffen der Lunch Crew hat er uns regelmäßig mit Bildern von ihm beim Kajakfahren, Bergsteigen oder Paragleiten versorgt. Und ich weiß von seinen Partynächten. Chase ist vieles, aber nicht einsam.

»Mr Brightside of Life, vielleicht?«, kommt es vorsichtig über meine Lippen. Die Stimmung von vorhin hat sich verändert, das Knistern zwischen uns wird explosiv.

Mit einem schnellen Griff fällt Chase’ Shirt zu Boden und ich stolpere einen kleinen Schritt zurück. Beim Schwimmen mit unseren Freunden habe ich seinen Oberkörper maximal kurz angestarrt, aber immer mit einem riesigen Verbotszeichen in meinem Kopf, das sich soeben in ein Einbahnstraßenschild verwandelt hat.

Chase kommt auf mich zu. Ich kann deutlich dunkle Blutergüsse auf seinem Bauch erkennen, an den Stellen, die nicht von Tattoos überzogen sind. Er gibt alles für den Sport. »Das kannst du besser, Aley«, meint er und seine Augen funkeln vergnügt.

»Hulk«, sage ich und verschränke schützend die Arme vor meinem Körper.

Er öffnet seinen Gürtel und zieht ihn aus den Laschen. Das Leder schnalzt in seiner Handfläche. »Ah, Jekyll and Hyde, schon besser.«

»Nein, ich meine wirklich den Hulk. So groß und mit Muskeln«, erwidere ich. Mein Blick bleibt an dem Gürtel hängen und ich muss schlucken. »Nur nicht so viel Grün. Dafür mit Tattoos.«

Chase schließt die letzte Lücke zwischen uns. »Du meinst unberechenbar. Und gefährlich.« Sein Blick fixiert mich prüfend und treibt meinen Puls in die Höhe. Erregte Erwartung vermischt sich plötzlich mit Angst. Mein Mund ist zu trocken, um mit Worten von der Frage abzulenken, ob das hier eine Nummer zu groß für mich ist.

Suchend schaue ich in seine Augen und finde das tiefe Vertrauen in ihnen, das mich hierhergelockt hat. Mit dem Daumen streicht Chase über meine Schläfe und lächelt mich sanft an. Ich höre, wie der Gürtel zu Boden fällt.

»Alles gut?«, will er von mir wissen. Ich antworte nicht, sondern höre auf der Suche nach der Antwort in mich hinein. Chase wartet, gibt mir Zeit. Selbstsicher wie immer. Und da sehe ich es. Das kurze Zittern seiner Lippen zeigt mir den Hauch von Nervosität, den ich bei ihm niemals erwartet hätte. Und damit gibt er mir die stille Bestätigung, die ich gebraucht habe. Das zwischen uns ist auch für ihn bedeutsam und keine gewöhnliche Wiederholung von etwas, das er schon viele Male mit anderen Frauen erlebt hat. Ich vertreibe all die verurteilenden Gedanken und Unsicherheiten aus meinem Kopf. Was jetzt zählt, ist das, was ich fühle. Entschlossen versuche ich mich an einem Lächeln. Die einzige Gewissheit, die ich spüre, ist die, dass ich hier sein will. Bei ihm.

Chase wiederholt seine Frage, leiser. Als ob jedes Wort das zwischen uns beenden könnte. »Ist alles gut, Aley?«

Ich will nichts beenden, was wir seit einem Jahr betäuben und das jetzt endlich Luft zum Atmen bekommt. Ich will einen Anfang. Ich will Chase.

»Ja«, sage ich deutlich. »Alles gut.«

Ein Sturm an Lichtern entlädt sich in meinem Inneren, als sein Mund meinen trifft. Ich vergesse das Baumhaus und die Gartenparty und meine Ängste und spüre nur seine rauen Fingerspitzen, die wieder meinen Pullover finden und entlang der Haut an meiner Seite auf und ab streicheln. Die feinen Berührungen bringen mich zum Kichern und eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus.

»Du bist empfindlich«, stellt Chase fest. Ich hatte nicht geglaubt, dass seine Stimme noch tiefer klingen könnte. Ohne unseren Kuss zu unterbrechen, nuschle ich ein »Mhm« und lege meine Arme um seinen Hals. Chase’ zweite Hand wandert zu meiner rechten Seite, wo sie das feine Streicheln wieder aufnimmt. Ich unterdrücke mein Lachen und versuche standhaft, nicht darauf zu reagieren und beim Kuss zu bleiben. Es gelingt mir, bis Chase damit beginnt, synchron Schlangenlinien zu zeichnen. Fluchend winde ich mich aus seiner Berührung und reibe meine Haut an den sensibilisierten Stellen.

Chase grinst amüsiert. »Was machst du da?«

»Das weißt du genau«, gebe ich zurück und reibe weiter. »Ich lösche meine Haut.«

Sein Grinsen wird breiter. »Du machst bitte was?«

»Meine Haut löschen. Das Gekritzel muss weg.«

»Genau so habe ich es mir mit dir vorgestellt«, sagt er und kommt wieder näher, seine Hand greift nach meinem Pferdeschwanz und zieht leicht daran.

»Ach ja?« Ich drehe meinen Kopf so, dass er meine Haare loslassen muss. »Es wird dich nicht überraschen, wenn ich dir sage, dass ich es mir mit dir genauso vorgestellt habe.«

Chase zieht eine Augenbraue nach oben. »Du hast dich mir vorgestellt? Wobei genau, Aley?«

Zum Leugnen ist es zu spät. »Dabei. Kalt und warm. Immer wieder, mit diesem …«, ich fuchtle mit meinen Händen, »Hin und Her. In der einen Sekunde streichelst du mich und in der nächsten bringst du mich zum Kichern.«

»Oh.« Seine blauen Augen weiten sich bedrohlich. »Das mit dem Hin und Her lasse ich dir durchgehen, das eine Mal. Es steigert die Spannung. Aber kalt und warm, das können wir besser.«

»Wie, besser?«, frage ich und bereue es augenblicklich.

Chase greift grinsend an den Saum meines Pullovers. »Warm, Aley. Wenn wir beide etwas machen, muss heiß das richtige Wort sein.« Er zwinkert. »So wie in deinen Vorstellungen.«

Ich kreische überrascht, als er mir mit einem kräftigen Ruck den Pullover über den Oberkörper zieht und mich auf seine Hüften hebt. Die wenigen Stellen, an denen seine nackte Haut meine berührt, lassen Hitze durch mich hindurchfließen. Chase dreht sich mit mir um und kniet sich auf die Matratze. Wie von selbst schlinge ich meine Beine fester um ihn und suche seine Lippen. Ich höre, wie er den Verschluss meinen BHs öffnet, und für einen Wimpernschlag setzt mein Atem aus. Das unbekannte Verlangen in mir bringt mich dazu, mich leicht zurückzulehnen, und die Träger rutschen mir über die Schultern. Chase’ Augen ruhen auf meinen, als er den hellblauen BH an der Stelle zwischen meinen Brüsten nimmt und wegzieht.

»Sag mir, wenn ich zu grob bin«, flüstert er und lässt mich zurück auf die Matratze gleiten.

Ich nicke und spüre Unsicherheit in mir aufsteigen. Er würde nichts tun, was ich nicht auch will, aber Chase ist erfahren und ich bin es nicht. Dieses Ungleichgewicht macht mich verlegen und ich blicke mich hilfesuchend um.

Chase schiebt sich über mich und sieht mich an. »Tu das nicht«, sagt er. »Bleib bei mir, du bist perfekt.« Er küsst mich sachte auf den Mund und leckt meinen Hals hinab bis zu meinem Schlüsselbein. »Und mutig.« Die Schwielen an seinen Händen reiben über meine empfindliche Haut, als Chase meine Brust umfasst und seine Zunge in Kreisen um meine Brustwarze bewegt, ohne sie zu berühren. »Und so sexy.«

»Es ist nur …«, überlege ich laut und halte inne, weil er einen Finger auf meine Lippen legt.

»Nicht, Aley.« Er lächelt. »Wenn, dann bin ich derjenige, der nervös sein darf.«

»Du?«

Er nickt. »Das wird mein erstes Mal, auf diese Weise.«

Wenigstens in einer Sache herrscht Gleichstand zwischen uns. »Ich hatte auch noch nie Sex auf einem Baumhaus«, erwidere ich erleichtert.

Chase’ Brustkorb bebt vor meinen Augen. »Das meine ich nicht, Aley.« Sein lauter werdendes Lachen irritiert mich und ich schlage leicht gedemütigt auf seine Brust. Er hält mich blitzschnell am Handgelenk fest und drückt meine Faust an sich.

»Ich bin nicht hier, damit du dich über mich lustig machst«, sage ich scharf und wundere mich über meine aufkommende Wut. Diesen plötzlichen Stimmungswechsel lockt einzig Chase aus mir hervor.

Seine Finger schließen sich fester um mein Handgelenk, ich kann mich nicht von ihm befreien. »Aley, hör richtig hin«, sagt er, sein Lachen wird endlich leiser. »Das wird mein erstes Mal auf diese Weise.« Dann lässt er mich los, legt die Hände um mein Gesicht und küsst mich wieder, leicht und dominant zugleich. Eine Welle an Emotionen überschwemmt mich und instinktiv presse ich meine Lippen zusammen. Chase lächelt mich wissend an, küsst noch einmal meinen Mundwinkel und wandert dann über meinen Hals weiter zu meinen Brüsten.

Ich will den Kopf zurück auf das Kissen legen, aber seine dunkel tätowierte Hand auf meiner hellen Haut und seine Zunge, die mich gekonnt reizt, verhindern das. Mit der zweiten Hand umfasst Chase meine andere Brust. Die aufgeschürften Stellen auf seinen Fingerknöcheln, die vom Hockey stammen müssen, stechen selbst in der Dunkelheit hervor. Chase leckt sich über die Lippen und saugt an meiner Brustwarze. Ich lege den Kopf stöhnend zurück, wodurch unser Blickkontakt endgültig abbricht. Alles, was bleibt, sind seine Lippen, seine Zunge und seine Zähne, überall auf meiner Haut. Mein lauter werdender Atem füllt den Raum und ich fühle mich fremd in meinem Körper, aber auf die gute Art. Chase kommt dem Bund meiner Jeans nahe und ich erwarte, dass er innehält. Stattdessen vermischen sich sein kehliges Raunen und mein erstauntes Keuchen, als er meine Jeans öffnet und samt dem Slip nach unten reißt.

»Du weißt gar nicht, wie viele Monate ich das hier schon will«, sagt er und steht auf.

Vielleicht ist es die Gewissheit, dass ich ebenso darauf gewartet habe, die mich das hier tun lässt. Wir haben uns lange genug Zeit gelassen. Seine Augen wandern an mir auf und ab, aber das Bedürfnis, mich vor ihm zu verstecken, bleibt aus.

Aus seiner Geldbörse holt er ein Kondom und wirft es neben mir auf die Matratze. Dann zieht er seine Hose aus und ich erhebe drohend meinen Zeigefinger, weil er seine Boxershorts anbehält. »Gleiches Recht für alle«, sage ich und entlocke ihm ein Lächeln.

»Ganz schön frech für dein erstes Mal auf einem Baumhaus.«

Ich zucke mit den Schultern und setze gerade zu einer Erwiderung an, da zieht er seine Shorts nach unten und ich verstumme.

»Wolltest du etwas sagen, Aley?«, fragt er belustigt. »Du sprachlos, wie erstaunlich.«

Erstaunlich ist das richtige Wort.

Er kniet sich auf die Matratze. »Wir können es immer noch bleiben lassen, wenn du willst.«

Der Gedanke daran, das hier zu unterbrechen, versetzt mir einen Stich. »Nein. Ich will das hier, mit dir.«

Chase nickt, legt sich hin und küsst mich, seine Hände erkunden langsam und zärtlich meinen Oberkörper. Immer wieder zieht er seinen Kopf zurück, sieht mich prüfend an und scheint sich selbst mit einem kleinen Lächeln zu bestätigen, dass alles in Ordnung ist. Ich mag es, wie er immer wieder unseren Kuss unterbricht, um mein Gesicht zu beobachten.

»Chase?«

»Ja?«

»Ich will dich in mir spüren. Jetzt.«

Er dreht sich von mir weg und ich höre die Blisterpackung des Kondoms reißen. Bruce Springsteen singt noch immer für uns und ich sehe die Sterne durch das breite Fenster. Es ist perfekt.

Chase schiebt sich erneut über mich. Das schwache Licht macht seine Züge weicher und verletzlich, und erst jetzt wird mir bewusst, wie unnahbar er sonst wirkt. Ich streiche ihm über die Wange, er lehnt sich zögerlich in meine Berührung und schließt die Augen. Plötzlich erscheinen die Prioritäten in meinem Leben wie verschoben.

»Was hast du gemeint, als du gesagt hast, du machst es das erste Mal auf diese Weise, Chase?«

Er öffnet die Augen, seine Stimme ist brüchig. »Liebevoll.«

Je näher wir uns kommen, desto aufrichtiger wird sein Blick. Chase zieht mir das Band aus meinen Haaren und streift eine Strähne aus meiner Stirn. »Besser so«, flüstert er und legt seinen Mund wieder auf meinen. Die letzten Monate haben eine Vertrautheit geschaffen, die uns jetzt ineinanderfließen lässt.

»Ich hab dich, Aley«, sagt er und sieht mich an, mit einer Hingabe, die ich niemals von ihm erwartet hätte. Er schließt die Augen, verschränkt seine Finger mit meinen und überwindet die letzten Zentimeter, die uns noch voneinander trennen. Chase ist überall, auf mir, um mich herum und in meinem Herzen. Jedes Luftholen, jede noch so kleine Regung von mir scheint er in sich aufzunehmen und zu verinnerlichen, und noch nie in meinem Leben habe ich mich so bedeutungsvoll gefühlt. Chase Delany holt für mich die Sterne vom Himmel.

Es dauert lange, bis ich wieder die Matratze unter mir fühle und die starken Arme spüre, die mich halten. Mein Puls wummert noch in meinem Kopf, als wir längst wieder zur Ruhe gekommen sind.

»Das war heiß«, sage ich und lächle.

»Nein«, erwidert Chase und streift mit seiner Nasenspitze über meine. »Das war wunderschön.«

Das Schlucken fällt mir mit einem Mal schwer und ich lege meine Stirn an seine Schulter, um meine Rührung zu verbergen. Chase stützt sein Gewicht etwas ab, bleibt aber auf mir liegen und malt mit einer meiner blonden Haarsträhnen Muster auf mein Gesicht. Erst als wir keine andere Wahl mehr haben, entsorgt er das Kondom und breitet eine Decke über uns aus. Im Halbdunkeln versuche ich, die Tattoos unter seinem Rippenbogen zu erkennen.

»Eboracum, was bedeutet das?«

Chase hebt kurz den Kopf und folgt den Spuren meiner Finger. »Ort der Eibenbäume, so wurde York von den Kelten genannt.«

»York, warte – das York in England?«

Chase brummt ein »Ja«.

»Willst du irgendwann nach England?« Ich sage Chase nicht, dass ich weiß, dass Robinson Crusoe aus York stammte.

Er zieht mich halb auf sich. »Ich will viele Orte sehen. York, Mont-Saint-Michel, Pompeji. Sie sind alle irgendwo auf meiner Haut, damit ich nicht vergesse, dass ich mein Leben selbst gestalten kann. Warst du schon einmal in Europa?«

»Ja«, sage ich und hoffe, dass er meine Wehmut nicht bemerkt. »Vor ein paar Jahren war ich mit meiner Mom in Italien. Wir haben uns in Rom die Sixtinische Kapelle angesehen und das Kolosseum besucht. Und wir waren in der Galleria Nazionale, wo ich meinen ersten Monet gesehen habe. Seitdem wusste ich, dass ich Kunst studieren will. Die restlichen Tage haben wir beim Baden an der Lazio-Küste verbracht. In Sperlonga gibt es ein Strandcafé, das direkt in die Felsen gebaut wurde und am Abend mit lauter kleinen Lampions und Fackeln erhellt ist. Dort wird das beste Tiramisu der Welt serviert.«

»Dann also auch an die Lazio-Küste zum Tiramisu-Essen.«

Ich bin mir nicht sicher, ob Chase mir eine stille Einladung oder sogar ein Versprechen gibt. Die Vorstellung, neben ihm meine Füße in den heißen Sand zu graben und die vorbeiziehenden Boote zu beobachten, gefällt mir, und ich schmiege wohlig meinen Kopf an seine Brust.

Chase löscht die Petroleumlampe und spielt weiter mit meinen langen Haaren.

»Gute Nacht«, sage ich und schließe die Augen.

»Unsere Nacht«, antwortet Chase leise und in mir regt sich die winzige Hoffnung, dass das hier wirklich ein Anfang ist. Das Rauschen der Bäume im Wind und sein gleichmäßiger Atem tragen mich fort in einen Schlaf voller Wünsche.

***

Chase

Ihre blonden Haare haben sich auf meiner Brust verteilt und bekommen in der Morgensonne einen goldenen Schimmer. Aley hat etwas Engelsgleiches an sich. Was ich schon seit einem Jahr weiß, hat sich dieser Nacht bewiesen. Sie kann mein Licht sein.

Zärtlich streichele ich an ihrem Rücken auf und ab, in der Hoffnung, sie zu wecken. Ich mag Sex hart und unverbindlich, normalerweise. Aber Aley möchte ich unter mir erbeben spüren. Sie soll sich an mir festhalten und ihre Träume mit mir teilen. Immer und immer wieder.

»Chase!« Masons Stimme dringt gedämpft zu uns herauf und kurz glaube ich, mich verhört zu haben. Die Einstiegsluke zum Baumhaus wird umgeschlagen und Aley schrickt hoch. Mit möglichst viel Ruhe im Blick lege ich die Decke über ihre Schultern und ziehe sie an mich.

»Chase!«

»Verpiss dich, Maze«, antworte ich Mason und setze ein »Du dämlicher Idiot« nach.

Masons Schritte kommen näher.

»Bleib draußen, Maze, hörst du? Komm nicht hier rein.« Den Morgen mit Aley lasse ich mir von niemandem nehmen, auch nicht von meinem besten Freund. Es klopft an der Tür. »Alter, was hast du an ›Verpiss dich‹ nicht verstanden?«

»Chase, die Polizei ist da.«

Für diesen einen Moment steht meine Welt still. Ich muss die Bilder nicht suchen, die zu Masons Worten passen. Ich hätte wissen sollen, dass er so weit gehen würde, wenn ich seine Autorität untergrübe. Der Herzschlag hämmert durch meinen Körper und rauscht in meinen Ohren. Er hatte es verdient.

Aleys warme Hand an meinem Arm reißt mich aus der Starre. »Was ist los, Chase?«

Ich schnaube die Luft aus und vergrabe mein Gesicht in ihren Haaren. Still versuche ich, Aleys Duft nach Vanille in mir zu speichern. Nur noch ein paar Sekunden, bitte.

Das Klopfen wird lauter. »Bro?«

Es schmerzt, mich von ihr zu lösen. Widerwillig weiche ich ihrem fragenden Blick aus.

»Chase Robert Delany, schwing deinen verdammten Arsch hier runter und versteck dich nicht wie ein kleines, ängstliches Kind.« Natürlich ist mein Vater da.

»Ich komme, Mason«, sage ich mehr zu mir selbst und suche Aleys Kleidungsstücke am Boden zusammen. Ihre Hände zittern und sie zerrt hilflos an ihrem Pullover herum. Nachdem ich meinen Sweater und die Jeans angezogen habe, nehme ich ihren Pullover und drehe ihn auf die richtige Seite.

Aley lässt sich von mir helfen und steht auf. »Sie meinen nicht dich, oder?«

Mein Herz zieht sich angesichts ihrer Gutgläubigkeit zusammen und ich erlaube mir, sie noch einmal an mich zu drücken. Ihre Lippen beben unter meinen und ich versinke in dem letzten friedvollen Augenblick. »Alles gut, Aley. Es ist, wie es sein muss.« Ich schlucke. »Alles gut.«

Dann drehe ich ihr den Rücken zu und gehe auf den kleinen Balkon hinaus. Mit einem flüchtigen Blick erkenne ich die beiden Polizisten und meine Eltern.

Mason umarmt mich. »Das wird schon«, spricht er mir Mut zu, und ich frage mich, ob er das Gesicht von meinem Dad noch nicht gesehen hat.

Ich schüttle den Kopf. »Nicht mit einer Vorstrafe, Mason. Hilf Aley hier runter.«

Ich habe gerade wieder festen Boden unter den Füßen, da packt mich Dad am Kragen und drängt mich gegen den Baumstamm. Ich pralle hart dagegen, ein Versuch, ihm zu entkommen, wäre vergebens. Dads rechtes Auge ist zugeschwollen und über beide Wangen ziehen sich blaue Flecken. Ich schaue hinüber zu meiner Mom, die panisch ihre Hände auf den Mund presst. Sie könnte etwas sagen. Mir helfen.

Dad grunzt zufrieden. »Ist dir dein beschissenes Lachen jetzt endlich vergangen? Hast du etwa geglaubt, ich lasse dir das durchgehen? Bist du wirklich so dumm?«

»Mr Delany, treten Sie von Ihrem Sohn zurück.«

Andere Menschen stören sich mehr als ich an seinem Umgang mit mir. Er drückt ein letztes Mal gegen mein Brustbein und tritt zur Seite. »Nie wieder. Du wirst nie wieder hierherkommen, verstehst du?«

»Chase Delany?«, fragt einer der Beamten und stellt sich zwischen mich und meinen Vater.

»Ja, das bin ich.« Die Polizisten kommen beide nicht aus Northwood, sonst würde ich sie kennen.

»Es wurde ein Haftbefehl gegen Sie ausgestellt. Verdacht auf schwere Körperverletzung an Robert Delaney.«

Ich suche noch einmal den Blick meiner Mom. Warte auf ihr Einschreiten und die Erklärung, dass hier der falsche Delany verhaftet wird. Und tatsächlich, sie hebt den Kopf, schaut mich an – und geht leicht schwankend auf meinen Dad zu. Mom lässt mich im Stich. Sie verabschiedet sich nicht einmal von mir.

Die restlichen Worte der Beamten verschwimmen in meinem Gehirn zu einem giftigen Brei. Ich spüre die kalten Handschellen auf meiner Haut und atme tief durch.

Als wir uns in Bewegung setzen, sehe ich mich um. Inzwischen haben sich auch alle anderen im Garten versammelt.

Masons Dad kommt auf mich zu. »Ruf an, egal, was du brauchst, verstanden?«

»Danke, Onkel Thomas«, sage ich im Vorbeigehen und Tante Becca schenkt mir ihr liebevolles Lächeln.

Nora sieht leicht geschockt aus und Sander klopft sich auf den Brustkorb, an der Stelle, an der das Wappen der Black Panthers abgebildet ist. Das war es wohl mit der Hockey-Mannschaft für mich. Wenn sie mich einbuchten, und das werden sie, bekomme ich nicht noch eine Chance, mich in der AHL zu beweisen. Meine Karriere ist damit Geschichte.

Brayden hält Luca fest im Arm. Sie steht da, starr und angespannt, und ihre alte Härte scheint für den Moment zurückgekehrt. Das tut weh.

Ich bleibe auf ihrer Höhe stehen. »Eine Minute?«, frage ich die Beamten und sie entfernen sich von uns.

»Was hast du gemacht?« Lucas Stimme ist dünn und erinnert mich daran, wie oft wir uns als Kinder zumindest ein paar Worte von ihr erhofft haben.

»Er hatte es verdient, Luca.«

»Du gehst ins Gefängnis, Chase.« Brayden stellt sich vorsichtshalber hinter Luca. Er kennt ihre Körpersprache genauso gut wie ich.

Ich zucke mit den Schultern. »Ich konnte nicht mehr nur dastehen und nichts tun, Luca.«

Ich bin überrascht, als sie mich von sich aus umarmt, das tut sie nie. »Wir sind für dich da. Immer«, flüstert sie an mein Ohr und ich küsse ihre Wange.

»Versprich mir nur eines«, rufe ich ihr beim Gehen zu. »Fahr in meiner Abwesenheit um Gottes willen nicht mit Daytona-Baby.« Luca und Brayden lachen. Ich bin mir sicher, sie wissen, wie ernst es mir ist. Mein Oldtimer ist mein Heiligtum.

Dann steige ich in den Streifenwagen und schließe meine Augen. Ich blicke mich nicht nach Aley um, nicht mehr. Es wird dunkel.

Nadir

Wie soll ich meine Seele halten,

dass sie nicht an deine rührt?

Rainer Maria Rilke1

Kapitel 1

Chase

Dreizehn Monate später

Die gläserne Schiebetür erinnert mich an ein Einkaufszentrum, dabei hat das Saskatchewan Federal Penitentiary so rein gar nichts mit einer Mall gemeinsam. Es ist das erste Mal seit Monaten, dass sich eine Tür automatisch für mich öffnet. Ohne zu zögern, schultere ich den ausgebleichten Stoffsack, den sie mir gnädigerweise geschenkt haben, und trete hindurch. Das grelle Sonnenlicht sticht in meinen Augen und ich blinzle dagegen an. Schemenhaft kann ich Mason erkennen, der angelehnt an meinem 1990er Daytona ES auf dem Parkplatz steht.

»Es sind über tausend Meilen nach Vancouver, ich hätte den Zug nehmen können«, sage ich und gehe auf ihn zu.

»Ich weiß, wie weit es ist, ich bin die Strecke gerade gefahren.« Mason hält mir seine Hand hin und ich schlage ein, aber sowie wir uns berühren, zieht er mich in eine feste Umarmung. Dreizehn Monate.

Als wir uns voneinander lösen, blickt er ungläubig an mir auf und ab. »Alter, was geben die euch da drin zu essen? Kraftfutter?«

Spielerisch boxe ich Mason in die Magengrube. »Kraftfutter hätte zumindest einen Eigengeschmack. Das Training war die einzige Beschäftigungsmöglichkeit. Das, oder Lesen. Und die drei Abenteuerromane, die es da drin gab, hatte ich in der ersten Woche durch.«

»Du hast nicht angerufen.« Mason war schon immer der Nachtragende der drei Warrens.

Ich seufze. »Was hätte ich tun sollen, Mason? Dir jeden Freitag vorheulen, wie hart meine Matratze ist und wie grausam der Umgang unter den Häftlingen? Das hätte es doch nur schlimmer gemacht.«

»Für dich, vielleicht. Uns hätte es geholfen. Wir haben uns Sorgen gemacht.«

»Um mich?« Ich klatsche die Hände zusammen und lache. »Das musstet ihr noch nie, und das wisst ihr.«

»Du hast es nur nie zugelassen.«

»Um Himmels willen«, sage ich und lege den Kopf zurück. »Wie lange bin ich jetzt draußen, drei Minuten? Du hast dich ja wirklich zurückgehalten!«

»Das hätten wir alles in den vergangenen Wochen am Telefon besprechen können.« Mason reicht mir meine Autoschlüssel und fährt sich durch die beinahe schwarzen Haare. Er trägt sie jetzt länger, das letzte Mal waren sich noch kurz rasiert.

»Wir haben telefoniert.«

»Ein Mal, Chase. Ein einziges Mal, und das war letzte Woche. Ich weiß, dass du jeden Freitag hättest telefonieren dürfen.« Er schnalzt mit der Zunge. »Ja, ich kenne die Telefonzeiten da drinnen. Du hättest mir alles erzählen können, gleich nach dem Jammern über die harte Matratze.«

»Und den bösen Häftlingen.«

»Und den bösen Häftlingen«, erwidert Mason und setzt sich in mein Auto.

Mir steigt beim Öffnen der Fahrertür der Geruch von Lederpolitur in die Nase. Mason muss die dunklen Sitze frisch damit eingerieben haben. Andächtig streiche ich über das Lenkrad. »Daddy ist zurück, Daytona-Baby«, flüstere ich.

»Und Daddy hat jetzt zwanzig Stunden Zeit, um Onkel Mason zu erklären, warum er dreizehn Monate so ein egoistisches Arschloch war.«

»Dein Ernst?«

»Jep.«

»Als Kind hast du Zugfahren geliebt, Mason. Daytona und ich könnten dich zum Bahnhof bringen.«

»Starte den Wagen, Bro, und fahr. Wir haben viel zu besprechen.«

Bevor ich den Schlüssel umdrehe, halte ich kurz inne und freue mich auf das Aufheulen des Motors. Darauf habe ich gewartet.

Wir sind noch keine fünf Meilen über den Trans-Canada Highway gefahren, da lehnt sich Mason in seinem Sitz zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. »Ich bin bereit, es kann losgehen. Die ganzen dreizehn Monate, Chase.«

»Na gut«, murmle ich, mir bewusst, dass ich ihm nicht ausweichen kann. Ich werde bei ihm wohnen, im Wohnheim sind Nicht-Studierende unwillkommen. Also können wir es gleich hinter uns bringen. Er kann alles wissen über die längsten Nächte in meinem Leben und die Vorsicht, die man bei jedem Schritt im Gefängnis braucht. Über den Status, den man sich erkämpfen und die harten Matratzen, die man sich verdienen muss. Wenn ich eines in den letzten Monaten gelernt habe, dann, dass das Leben mir mehr nimmt, als es gibt. Mason kann alles wissen. Und zugleich sage ich ihm damit gar nichts.

Kapitel 2

Aley

Der gläserne Balkon in der ausgebauten Lagerhalle vibriert unter meinen Füßen und eine explosive Spannung flimmert in der Luft. In den letzten Monaten war ich dreimal hier im Fightclub. Einmal, um Sanders und Braydens Aufstieg in die NHL zu feiern. Das zweite Mal zum Debüt von Masons neuen Songs verbunden mit einer großen Silvesterparty. Die Lunch Crew hat die heißbegehrten Tickets dafür von DJ Maze zu Weihnachten geschenkt bekommen und wäre Mason nicht mein Freund, hätte ich sie vielleicht einfach verfallen lassen. Im Sommer wollte er uns zu seinen Auftritten bei der Miami Music Week mitnehmen, aber ich habe höflich abgelehnt. Nicht mehr Partys für mich als unbedingt notwendig. Und mein letzter Besuch hier im Nachtclub war, um Noras frühzeitigen Bachelorabschluss in Musik zu feiern. Drei gute Gründe, die ich meinen Freunden zuliebe nicht ausschlagen konnte. Heute konnte mich Nora nur unter der Bedingung dazu überreden, sie zu begleiten, dass ich mich im Gegenzug die nächsten Wochen wieder einsam im Studentenwohnheim verkriechen darf.

Meine beste Freundin bewegt sich fließend zu den harten Beats und ich muss beinahe schreien, damit sie mich versteht. »Warum hast du mir nicht gesagt, dass eine Fightnight ist?« Mein Blick kreist über den Metallkäfig, der heute die riesige Tanzfläche des Clubs einnimmt.

»Ganz ehrlich?« Nora legt ihre langen Locken über eine Schulter nach vorne. »Ich wusste es nicht. Aber es gibt Schlimmeres als schweißgebadete Kraftpakete, die ihre Muskeln vor uns spielen lassen, oder?«

Ich rümpfe abwägend meine Nase. Eigentlich wollte ich die ständige Denkerei für einen Abend abschalten und mich beim Tanzen auspowern, ganz ohne testosterongepeitschte Männer.

Nora übergeht meine Skepsis und zieht mich an der Hand zu dem gläsernen Aufzug. »Ach, komm schon, Aley. Sei keine Spielverderberin. Ich wollte Mason schon längst zu einer Fightnight begleiten, aber es hat sich irgendwie nie ergeben. Das hier ist die perfekte Gelegenheit für unser MMA-Debüt.«

Im Aufzug kann ich zumindest normal mit Nora reden. »Ist Mason denn hier? Im DJ-Bereich steht ein anderer.«

»Keine Ahnung, wir haben uns seit vier Tagen nicht mehr gesprochen. Er war die letzten Tage sehr beschäftigt. Hast du etwas von ihm gehört?«

Ich schüttle den Kopf. »Nein, seit dem Mittagessen mit der Lunch Crew am Montag nicht mehr.«

Nora sieht zum Käfig und reibt sich die Hände. »Drei Kämpfe, Aley, wir sehen uns drei Kämpfe an und wenn es uns nicht gefällt – und uns wird es gefallen –, gehen wir.«

Die Aufzugtüren öffnen sich und eine Mischung aus Alkohol und Sportgel schlägt mir entgegen. »Ein Kampf«, sage ich und will in der Tür stehen bleiben, aber Nora zieht mich unbeirrt weiter.

»Na gut, zwei.« Sie zwinkert mir zu und bahnt uns einen Weg näher an den achteckigen Käfig. Es ist ihr egal, dass wir unzählige Menschen anrempeln und auf die Seite drängen, sie versucht sich nicht einmal an einer Entschuldigung. Nora hat sich bereits in der Grundschule genommen, was sie wollte, und ich glaube, dass mir ihr Selbstbewusstsein insgeheim schon damals imponiert hat.

Ich kenne Zane Young, der soeben mit einem Mikrofon den Käfig betritt. Als einer der beiden Inhaber des Fightclub begrüßt er die Menge und lautstarkes Jubeln vermischt sich mit Johlen. Die Fightnight hat noch nicht einmal richtig begonnen und bereits jetzt wird mir die aufgeheizte Menge zu viel.

»Ich kümmere mich um die Getränke«, gestikuliere ich mehr, als dass ich es sage. Nora nickt mir zu, was mich, verbunden mit ihrem vergnügten Gekreische, zum Lachen bringt. Für sie würde ich sogar drei Kämpfe über mich ergehen lassen.

Bis ich mit unseren Bechern – der Barkeeper hat mich auf meine Frage hin, warum es in einer Fightnight keine Gläser gibt, mitleidig getadelt – wieder zurück bei Nora bin, ist der erste Kampf in vollem Gange. Ich kenne Kampfsport. Zwar nur vom Fernsehen, aber es ist Kampfsport. Vielleicht ist es auch Wrestling, und vielleicht habe ich hauptsächlich eine Schwäche für die bunten Kostüme. Aber es wird gekämpft. Fast so wie hier. Zumindest hat einer eine rote und einer eine blaue Hose an.

Nora nimmt mir den Becher ab und ich sehe die Euphorie in ihren Augen. Jeder Schlag wird von ihr mit einem »Ahh« oder »Ohh« begleitet, egal, von welchem Kämpfer er kommt. Ich überlege mir, ob die Männer vor dem Kampf zur Pediküre gehen, immerhin kann jeder Zuschauer ihre nackten Füße anstarren. Blutspritzer färben den Boden ein und ich frage mich, welcher arme Mensch das später säubern muss. Da fällt der Mann in der roten Hose unerwartet wie ein Brett zu Boden und bleibt reglos liegen. Er wird vom Ringrichter ausgezählt und sein Team zerrt ihn von der achteckigen Kampffläche. Der Sieger stößt wiederholt seine Fäuste in die Luft und brüllt in die Menge. Nora brüllt mit, zumindest sie hat Spaß.

Zane Young kündigt den nächsten Fight an. Für mich spielt es keine Rolle, dass die beiden Kämpfer Neulinge sind und heute ihre Premiere feiern. Laute Musik ertönt aus den Lautsprechern und ich schmunzle über den Namen des Herausforderers.

»The Nightpaw«, sagt Nora in mein Ohr, während ein junger Mann mit zusammengebundenen Haaren in den Käfig steigt. »Seine tätowierte Pranke auf der Brust würde ich mir gerne genauer anschauen.«

Ich ahne bereits, dass ich alleine mit dem Taxi zurück ins Wohnheim fahren werde. Noch zwei Kämpfe, für Nora, sage ich mir selbst, wäge ab, ob ich mich noch einmal durch die Menge zur Bar drängen soll, und suche gedanklich nach dem besten Weg dorthin.

Hinter dem DJ-Pult entdecke ich Mason und remple Nora mit meinem Ellbogen an. »Da, Mason arbeitet heute scheinbar doch.«

Nora folgt meinem Fingerzeig und runzelt die Stirn. »Eigenartig. Ich habe nirgends von einem Auftritt von ihm gelesen, die kündigen sie doch normalerweise groß an.«

Mason dreht an den Reglern und ein immer schneller werdender Herzschlag erfüllt die plötzlich stockfinstere Halle. Einige Fangirls beginnen zu kreischen, als sie die rauchige Stimme von DJ Maze erkennen. »Diese Nacht gehört ihm. Dieser Käfig ist für ihn gemacht. Und diesen Kampf wird er gewinnen.«