Dünenweise Schnäppchenpreise - Meike Möhle - E-Book

Dünenweise Schnäppchenpreise E-Book

Meike Möhle

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Beschreibung

Kleine Leseerlebnisse für zwischendurch: In 17 Erzählungen erfahren Sie hier, wieso Eva auf die Schlange hereinfiel und was passieren kann, wenn ein Mann sich in eine Kaffeemaschine verliebt. Sie erleben die tägliche Schlacht am Badesee und erhalten tiefe Einblicke über die Vertreibung von Maulwürfen in Norddeutschland. Mal heiter, mal besinnlich, immer gut beobachtet und irgendwie alltäglich: Gewiss werden auch Sie in der einen oder anderen Geschichte Bekanntes entdecken.

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Seitenzahl: 134

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Inhaltsverzeichnis

Beatrice

Götterdämmerung

Die Farben der Freiheit

Nackte Tatsachen oder: Wo ist Harry?

Evas Problem

Keine Gefangenen

Englischer Rasen

Dünenweise Schnäppchenpreise

Ein umsichtiger Mann

Der Lumpensammler und die Tänzerin

Der fallende Stern

Herbert

Wolkenhimmel

Traummann in Scherben

Badesee-Blues

Hitze – und sonst nichts Besonderes

Formschön, bunt und praktisch

Beatrice

Sie hieß Beatrice, und Werner hatte sie vom ersten Augenblick an geliebt. Der Name passte zu ihr, wenn man ihn richtig aussprach: Beatrietsche, nicht Beatriiieß, wie dieses dumme kleine Mädchen aus dem Haus gegenüber, und auch nicht Beatrix, wie die vollbusige holländische Königsmutti. Werners Beatrice war einfach perfekt: Diese wunderbaren, weichen Formen, die sanften Rundungen an genau den richtigen Stellen. Dazu dieses glänzende Mahagonibraun und die warmen Goldtöne – er vergötterte sie einfach. Immer wieder kam er in dieses Café, nur um sie anzusehen und sich vorzustellen, wie es wäre, wenn sie ihm gehören würde. Beatrice: Er sah sie in seiner Küche stehen und arbeiten, und lächelte glücklich bei dieser Vorstellung. Das war nur ein Traum, natürlich, denn so etwas wie Beatrice konnte er sich einfach nicht leisten. Sie hatte Stil und Klasse, war ganz Italienerin, wie man unschwer an ihrem Namen und auch an ihrer Erscheinung erkennen konnte.

Werner erinnerte sich noch gut daran, wie er sie das erste Mal gesehen hatte, die Beatrice Bravo des Baujahres 1952: Das war 1964 gewesen, er selber war gerade 18 geworden und hatte die erste Freundin seines Lebens. Marion, die später zuerst seinen Freund Peter geehelicht und finanziell ruiniert hatte, besuchte mit ihm ein kleines italienisches Café in der Innenstadt von Rom. Dort gab es diese wunderbare Espressomaschine mit den glänzenden Kolben, den Holzgriffen und dem langen Hebel, der an einen einarmigen Banditen erinnerte. Werner verfiel ihr sofort, vergaß Marion und hatte nur noch Augen für Beatrice. Aufgrund dieser Begegnung studierte er nach dem Abitur Elektrotechnik, wurde Ingenieur für Haushaltsgeräte und beschäftigte sich sein ganzes Leben lang mit der Erschaffung formschöner und funktionaler Dinge. Es war ein wunderbarer Beruf, den er bis zu seiner Pensionierung mit Leidenschaft ausübte. Und auch danach blieb er den Haushaltsgeräten treu: Er sammelte die besten Exemplare in seinem kleinen privaten Museum im Keller. Waagen, Staubsauger, Fleischwölfe und auch Espressomaschinen bildeten eine beachtliche Sammlung. Aber eine Beatrice Bravo, die damals nur in einer Auflage von 1500 Stück hergestellt und weltweit verkauft worden war, konnte er niemals ergattern. Trotzdem hatte er sie nie vergessen, dieses menschengeschaffene Wunder, das sein Leben so maßgeblich beeinflusst hatte.

Und dann, eines Tages, traf er sie wieder: Im neu eröffneten Café am Markt. Er besuchte es mit einer Dame, die er über eine Kontaktanzeige kennengelernt hatte. Wie sie hieß, hatte er sofort vergessen, als er Beatrice sah, und sie verließ empört das Lokal, als er sie zum vierten Mal mit diesem geliebten Namen angesprochen hatte. Es war sein letzter Versuch gewesen, sich dem anderen Geschlecht anzunähern – 55 war er damals. Danach lebte er nur noch für seine Haushaltsgeräte und träumte von der Beatrice Bravo. Mehrmals versuchte er, sie dem Cafébesitzer Luigi abzukaufen, doch der wusste genau, was für einen Schatz er sein Eigen nannte und lehnte jede Verhandlung über die Beatrice ab. Sogar, als die jungen Leute immer mehr nach diesen mit Milch verpanschten Kaffees verlangten und nur noch wenige Gäste einen original Espresso bestellten, wollte Luigi sich von Beatrice nicht trennen. Er baute einfach eine zweite Kaffeemaschine hinter seiner Theke auf, mit der er die modernen Getränke zubereitete. Dieser große Vollautomat war zweckmäßig, leise und gut zu reinigen: Alles Attribute, die die verwöhnte Beatrice für sich nicht in Anspruch nehmen konnte. Luigi blieb ihr dennoch treu und polierte sie jeden Abend mit einem Lederlappen. Wenn Werner ihn dabei beobachtete, spürte er das schmerzhafte Ziehen der Eifersucht im Leib und sehnte sich danach, ebenfalls mit der Hand über diese Formen fahren zu dürfen. Ein weiches samtenes Tuch würde er dazu nehmen und keinen Winkel aussparen. In so mancher Nacht schlief er mit diesem Gedanken ein.

Irgendwann konnte Werner der Sehnsucht nach der Beatrice Bravo nicht mehr widerstehen. Es verging keine Stunde, in der er nicht an sie denken musste. Und so beschloss er, dass sie die Seine werden musste – koste es, was es wolle. Er bereitete ihr ein Zimmer vor: Im kleinen Gästezimmer neben seiner Küche sollte sie stehen. Sie zu den anderen Geräten in den Keller zu verbannen, hätte er nie über sein Herz gebracht. Er renovierte das Zimmer, beklebte die Wände für Beatrice mit italienischen Retro-Tapeten und stellte ihr ein stilechtes Küchenbuffet aus den 50er Jahren an eine Wand. So würde sie sich wohl fühlen, und er würde hier mit ihr leben. Er stellte noch einen alten Nierensessel nebst Tischchen mit in die Kammer, dann war der kleine Raum voll.

Werner brauchte jemanden, der ihm die Beatrice beschaffte: Einen professionellen Dieb, der in Luigis Café eindringen und die geliebte Maschine stehlen würde. Ein Unrecht sah er darin nicht, schließlich hatte er es über zehn Jahre lang im Guten mit Luigi versucht. Er suchte und fand einen passenden Kriminellen in einer Spelunke in der Nähe des Bahnhofs. Den Kontakt hatte ihm ein Zuhälter namens Hotte vermittelt, den er aus einer Kur in Bad Kreuznach kannte. Dort war Werner nach einem Herzinfarkt wieder auf die Füße gebracht worden, der Zuhälter war wegen eines offenen Beines behandelt worden. Die beiden Männer hatten sich gut verstanden, und Werner hatte Hotte bezüglich der Ausstattung seines Etablissements beraten: Kaffeemaschine für die Damen, Kühlschränke, Eiscrusher – was man als Zuhälter eben so brauchte. Nun hatte Hotte sich revanchiert und Werner einen passenden Langfinger empfohlen. Der hieß Volker, war gerade so intelligent, dass es zum Geradeauslaufen reichte, und zog an einem Abend im April los, um die Beatrice Bravo für Werner zu besorgen. Das Risiko war gering bis gar nicht vorhanden, denn das Café wurde nicht bewacht.

Trotz der Aufregung ging Werner gegen sieben Uhr zum Stammtisch. Das war die einzige gesellschaftliche Zerstreuung, die er sich gönnte: Einmal die Woche ging er in seinen Skatclub „Pik As“, und im Winter ab und zu zum Preisskat. Natürlich hatte er an diesem Abend eigentlich etwas anderes im Sinn als das Kartenspiel, aber er brauchte ein Alibi. Schließlich hatte er sich immer wieder um die Beatrice Bravo bemüht, auf ihn würde gewiss ein Verdacht fallen. Deshalb saß Werner nun am Kartentisch – „18, 20, weg“ – und drosch routiniert seinen Skat. Bloß nichts anmerken lassen!

Etwa gegen zehn Uhr hörte man Sirenen von draußen. Werner schrak innerlich zusammen, fragte aber ganz ruhig: „Polizei oder Notarzt?“

Der am Fenster sitzende Dieter schob die Gardine etwas zusammen und lugte hinaus: „Keines von beiden – Feuerwehr. Aber sonst sieht man nichts.“

„Ach so.“ Werner beruhigte sich wieder und hob den Kartenstapel ab, den der vierte Mann ihm hingeknallt hatte. Nicht auszudenken, wenn der einfältige Volker geschnappt worden wäre. Der hätte sicherlich sofort ausgepackt und seinen Auftraggeber verpfiffen. Und dann hätte Werner sein Leben ganz ohne Beatrice fristen müssen. Wahrscheinlich waren im Gefängnis nicht einmal Fotos solcher Kostbarkeiten erlaubt.

Es war fast Mitternacht, als sich die Skatrunde auflöste. Werner ging zu Fuß heim. Die ersten 500 Meter begleitete ihn Dieter und machte sich gemeinsam mit ihm über den Brandgeruch Gedanken, der in der Luft hing. Aber sie trafen niemanden, der ihnen über dessen Ursache hätte Auskunft geben können.

„Wahrscheinlich ein Unfall“, meinte Werner.

„Oder ein angezündeter Papiercontainer“, überlegte Dieter. „Diese Chaoten zünden doch heutzutage alles an.“

Als Werner nach Hause kam, sah er gleich, dass Licht in seiner Garage brannte. Er spähte hinein: Eine große Pappkiste stand vor seinem Wagen. Er fluchte: Natürlich hatte er mit Volker die Übergabe der Beatrice vereinbart, aber doch nicht in der gleichen Nacht! Wenn ihm jemand gefolgt wäre! Und wie konnte man dieses edle Gerät in so einer simplen Pappkiste in die feuchte Garage stellen! Der Junge war ja wohl nicht ganz bei Trost!

Werner hob die Kiste auf und schleppte sie stöhnend ins Haus. Seine Bandscheiben krachten, aber er stellte die Last nicht ab. Erst im Wohnzimmer ließ er sie vorsichtig auf sein Sofa sacken, strich mit der Hand über die Pappe und lächelte glücklich. Schon beim Reintragen hatte er geglaubt, Wärme und ein sachtes Pulsieren aus der Kiste zu spüren. Nun löste er vorsichtig und zärtlich die Schnur, mit der der Karton geschlossen war, und hob den Deckel ab. Im nächsten Moment stockte ihm der Atem und er glaubte, seinen Augen nicht zu trauen: Denn in dem Karton war nicht die Beatrice Bravo. Der dämliche Volker hatte die neue Gastro 2000 geklaut.

Werner spürte ein Reißen in der Brust. Er brauchte lange, bis er sich beruhigen konnte, und weinte sich erst früh um fünf in den Schlaf. Er träumte schlecht, wachte immer wieder auf und war ohne Hoffnung. Am nächsten Tag stand er spät auf und versuchte, sich durch das Lesen der Lokalzeitung abzulenken. Er fand Einzelheiten über den Brand am Vorabend: Das Café am Markt, vielen auch einfach als „Luigis Café“ bekannt, war völlig ausgebrannt. Man vermutete als Ursache einen Kurzschluss, da ein fest an der Wasserversorgung installierter Kaffeevollautomat anscheinend unsachgemäß abmontiert worden war. Der Schaden wurde auf über 200.000 Euro geschätzt, das Gebäude drohte einzustürzen.

Werner verstarb an diesem Tag im April an seinem zweiten Herzinfarkt, der Postbote fand ihn am nächsten Morgen. Er wurde 68 Jahre alt und war damit sechs Jahre älter als die von ihm angebetete Beatrice Bravo, die nur einen Tag vor seinem Tod in einem Flammeninferno zu einem Klumpen aus Messing, Stahl und Asche verschmolzen war.

Götterdämmerung

Horst saß auf der Terrasse eines großen Cafés, nuckelte gelangweilt an einem Joghurt-Drink und sah dem Treiben auf der Straße zu. Alles war wie immer im Vorfeld eines Wettkampfes: Der kleine Ort, der Schauplatz seines Sieges sein würde, summte vor Aufregung, Zuschauer und Sportler drängten sich, hungrig aussehende Frauen versuchten, einen Blick auf die athletischen Surfer zu erhaschen. Und es gab auch einige wirklich ansehnliche Exemplare – gut gebaute Jungs, die ihr Handwerk sicher verstanden und nicht gleich die Stange losließen, wenn eine der kalten Nordseewellen auf sie eindonnerte. Die Mädchen, die dabei waren – na ja. Horst hielt nichts von Surferinnen. Gut, einige waren recht tüchtig, aber alles in allem fand er, dass Frauen lieber an Land bleiben sollten. Zuschauen, jubeln, das starke Geschlecht bewundern. Ihn bewundern.

Er war noch nie auf dieser kleinen Insel gewesen. Der jährliche Wettkampf interessierte ihn eigentlich nicht besonders – er hatte nicht viel für die Provinz übrig. Aber er war in diesem Jahr nicht recht zum Zuge gekommen: Trubel in seiner Firma hatte verhindert, dass er seine Karibiktour und die Atlantikwettkämpfe hatte wahrnehmen können. Dazu noch Ärger mit Anna. Die wurde langsam komisch. Die hatte doch glatt mitfahren wollen zu seinen Surfevents. Das war neu, bislang hatte sie sich nie für seinen Sport interessiert. Sie hatte statt dessen pflichtbewusst den Staub von seinen Pokalen gewischt und stolz gelächelt, wann immer ein neuer dazu gekommen war. Und er war stets großzügig gewesen, hatte das gewonnene Geld, das er nicht brauchte, zum großen Teil in seine Frau investiert: Hatte ihr von seinen Reisen Schmuck mitgebracht, teure Parfums und exotische Delikatessen. Aber plötzlich reichte das nicht mehr, plötzlich wollte sie an seinem „Hobby“, wie sie es nannte, teilhaben. Der Anfang vom Ende. So war es mit Betty und Lisa auch gewesen. Warum konnte er diesen Mist mit der Heiraterei nur nicht lassen?

Seufzend strich Horst sich über die weißen Haare, die ihm in Surferkreisen den Spitznamen Snow White eingebracht hatten – oder auch Schneeweißchen, wenn man ihn ärgern wollte. Seine Haare hatten schon früh die Farbe verloren, was ihn nicht störte. Er hatte weiß zu seinem Markenzeichen gemacht und surfte seit Jahren nur noch ganz in weiß: Weißes Board, weißer Anzug, weiße Haare. Dazu sein noch immer straffer, appetitlich gebräunter Körper und seine blauen Augen – die Frauen waren schier verrückt nach ihm. Heute Abend würde er sich so ein Appetithäppchen gönnen, eines der Häschen, die auf Surfer standen und es erotisch fanden, dass er dreißig oder gar vierzig Jahre älter war als sie. Sie waren jünger als Anna, deutlich jünger sogar. Insofern betrog er seine Frau auch nicht, wenn er eines dieser zarten Dinger vernaschte. Er holte sich nur, was sie ihm ohnehin nicht geben konnte. Nicht mehr geben konnte, mit 42. Er fühlte sich nicht schlecht deshalb, sein Gewissen war rein.

Am Nachmittag qualifizierte Horst sich souverän für das Finale am nächsten Tag. Er wurde von einem aufgeregten Sprecher mit viel Tamtam angekündigt – anscheinend hatten sie nicht so viele Teilnehmer von internationaler Klasse hier. Obwohl er mit seinen sechzig Jahren der älteste Teilnehmer war, glitt er nach dem Rennen problemlos in die Runde der Fachsimpelnden und gab dem Jungvolk großzügig Ratschläge. Einige wollten sogar ein Autogramm von ihm: ‚Snow White‘, krakelte er dann auf die hingehaltenen Unterlagen, lachte die Jungens kameradschaftlich an und warf den Mädchen einen betörenden Blick aus seinen blitzblauen Augen zu. Noch hatte er keine Gefährtin für die Nacht gesichtet. Aber das würde sich finden. Es fand sich immer.

Horst stand der Sinn nach etwas Ruhe. Er schlenderte zurück zu dem Café, von dem aus man so gut die Straße einsehen konnte. Sondieren, die Chancen ausloten, das war seine Absicht. Dummerweise war „sein“ Tisch besetzt: Am Premiumplatz direkt vorne an der Windschutzwand saß eine Dame. Keine Beute, das sah Horst sofort. Aber durchaus ansehnlich, es würde seinem Renommee also nichts schaden, wenn er sich ein Weilchen dazu setzte. Er fragte, sie nickte und widmete sich wieder ihrem Kreuzworträtsel. Ein herzliches Willkommen sah anders aus. Aber egal, er wollte ja auch nichts von ihr.

Horst bestellte einen Becher Kaffee – von diesen modischen Gesöffen mit zwei Dritteln Milch, von denen seine Tischnachbarin eines trank, hielt er gar nichts – und sah der Dame beim Rätseln zu. Sie war flink, offensichtlich geübt, und kam selten ins Stocken. Schade eigentlich. Er hätte es gerne gehabt, wenn sie ihn um Rat gefragt hätte. Er gab gerne Rat. Dabei konnte man sich so selbstlos vorkommen, und väterlich. Wobei die Dame natürlich zu alt war, um seine Tochter zu sein. Sie war überhaupt zu alt für ihn, sicher Mitte bis Ende vierzig. Und ihr Haar war in einem dunklen Rotton gefärbt, wohl um graue Strähnen zu verdecken. Er fand den Ton zu dunkel für die helle Haut und die blauen Augen der Frau, aber das sollte seine Sorge nicht sein. Er sah auf die Straße – wo blieb seine Gespielin?

Die Dame winkte dem Kellner – wollte sie ihm seinen Tisch endlich überlassen? Zu seiner großen Überraschung bestellte sie ein Becks. Auf seinen fragenden Blick hin zuckte sie nur die Schultern.

„Ist nach vier!“

Stimmte schon, die Zeit erlaubte ein Bier. Aber tief in sich drin fand Horst, dass Frauen, gerade solche in reiferem Alter, kein Bier, sondern Kaffee trinken sollten. Oder mal ein Glas Wein. Aber kein Bier am Nachmittag, und schon gar nicht aus der Flasche.

Der Kuli seiner Tischnachbarin flog über das Papier. Anscheinend waren in diesem ganzen Heft nur Rätsel. Damit konnte sie sich bis morgen früh beschäftigen und sich dabei einen gepflegten Rausch ansaufen. Wenn man denn von gepflegt sprechen konnte, wenn jemand Becks aus der Flasche soff. Horst fühlte sich ungewohnt missachtet und beschloss, diesem Zustand ein Ende zu machen. Er würde dieser Person nun ein Gespräch aufdrängen. Entweder sie ging darauf ein und schenkte ihm ein angemessenes Maß an Aufmerksamkeit, oder sie räumte das Feld und machte den Platz für etwas Schnuckeligeres frei. Sie hatte die Wahl.

„Sind das Preisrätsel?“ fragte Horst, scheinbar interessiert.

„Hmmmm.“

Aha. Das Interesse an Konversation schien nicht gerade riesig zu sein.

„Um was kämpfen Sie denn gerade?“ wollte Horst wissen. Der Blick aus den blauen Augen hob sich vom Heft, bohrte sich in sein Gesicht. Oha. Charmant, charmant. Er musste schlucken – wie gut, dass das nicht seine Feindin war. Als er schon überlegte, sich strategisch zurückzuziehen, antwortete sie:

„Um Eierlikör.“

Eierlikör. Horst wusste, was das war. Natürlich wusste er das. Aber wieso konnte man das gewinnen? Wieso wollte man das gewinnen? Wollte irgendjemand das haben? Unverständlich. Oder veräppelte sie ihn?