Effektives Lehren an der Hochschule - Jörg Zumbach - E-Book

Effektives Lehren an der Hochschule E-Book

Jörg Zumbach

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Beschreibung

Mit dem Anspruch der effektiven Gestaltung von Lehr-Lernprozessen werden an die didaktischen Kompetenzen des Lehrpersonals seit "Bologna" ganz neue Anforderungen gestellt. Das Buch bietet einen kompakten Einstieg in die Grundlagen und Methoden guter Hochschullehre. Es verknüpft dabei die praktische Handlungsorientierung mit den theoretischen und empirischen Einsichten moderner Hochschuldidaktik und Instruktionsforschung. Von diesen Grundlagen aus werden konkrete Handlungsempfehlungen zu den spezifischen Lehrformen entwickelt und anhand von Best-Practice-Beispielen in ihrer Umsetzung anschaulich gemacht. Das Buch vermittelt praxisorientiert das didaktische Grundlagenwissen, das zur Verbesserung der Lehre und Lehrkompetenz hilfreich ist.

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Jörg Zumbach/Hermann Astleitner

Effektives Lehren an der Hochschule

Ein Handbuch zur Hochschuldidaktik

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

1. Auflage 2016

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-025091-8

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-025092-5

epub:    ISBN 978-3-17-025093-2

mobi:    ISBN 978-3-17-025094-9

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

 

Inhalt

 

 

 

Vorwort

1 Einführung: Internationale Trends in der Hochschuldidaktik

1.1 Aktuelle Entwicklungsziele und -maßnahmen in der Lehre an Hochschulen

1.1.1 Lebenslanges Lernen und Schlüsselkompetenzen in den Fokus der Hochschuldidaktik

1.1.2 Internationalisierung als Ziel hochschuldidaktischer Entwicklungen

1.1.3 Professionalisierungstrends in der Hochschullehre: Dienstleistungen für Lehrende

1.1.4 Ökonomische Konsequenzen für die Lehre und Hochschuldidaktik

1.1.5 Finden von Balance und Selbststeuerung als zentrale hochschuldidaktische Zielbereiche

1.2 Best Practices

1.2.1 Ganzheitliche Evaluierungsansätze in der Hochschuldidaktik

1.2.2 Fokus auf Wirkungsgrad von Lehre und Persönlichkeitsentwicklung

1.2.3 Personalisierte Lehrangebote

1.3 Umsetzungshilfen

1.3.1 Handbücher zur Hochschullehre und zur Qualität in Studium und Lehre

1.3.2 Checkliste für Lehrveranstaltungen zu internationalen Trends in der Hochschuldidaktik

2 Allgemeiner didaktischer Zugang

2.1 Grundlagen des Lehrens und Lernens

2.1.1 Ergebnisse von Lernprozessen: Wissen und unser Gedächtnissystem

2.1.2 Der Weg zum Wissen im Langzeitgedächtnis: Vom sensorischen Register in das Arbeitsgedächtnis

Exkurs: Das Arbeitsgedächtnis und die Cognitive-Load-Theorie

2.1.3 Wissen über Wissen: Metakognitionen

Exkurs: Lernstrategien – die SQ3R-Methode

2.1.4 Emotionale und motivationale Aspekte des Lernens in der Hochschule

Exkurs: Emotionale Stimmung und Lehrevaluation

2.1.5 Motivation, Emotion und Prokrastination

2.1.6 Gestalten von Lernumgebungen: Lernort Hochschule

2.1.7 Umsetzungshilfen

2.2 Lehrveranstaltungsplanung und curriculare Überlegungen

Exkurs: Die didaktische Rekonstruktion

2.2.1 Die Instruktionsstrategie und Unterrichtsplanung

Exkurs: Das TPACK-Modell

2.2.2 Medienwahl und Materialkonstruktion

2.2.3 Evaluation

2.2.4 Curriculare Überlegungen

2.2.5 Umsetzungshilfen

2.3 Ziel- und Kompetenzorientierung

2.3.1 Kompetenzen und deren Korrelate

2.3.2 Best Practices

2.3.3 Umsetzungshilfen

2.4 Differenzierung, Individualisierung und Diversitätsmanagement

2.4.1 Stand der Forschung: Lehren und Lernen persönlich machen

2.4.2 Best Practices

2.4.3 Umsetzungshilfen

2.5 Forschendes Lernen

2.5.1 Ziele und Bewertung forschenden Lernens

2.5.2 Förderung forschenden Lernens

2.5.3 Umsetzungshilfen

3 Methodenwerkstatt: Spezielle Didaktiken

3.1 Die Gestaltung von Seminaren

3.1.1 Planung und Förderung aktiver Informationsverarbeitung in Seminaren

3.1.2 Umsetzungshilfen

3.2 Die Gestaltung von Vorlesungen

3.2.1 Stand der Forschung zur Gestaltung von Vorlesungen

3.2.2 Best Practices

3.2.3 Umsetzungshilfen

3.3 Selbstgesteuertes Lernen

3.3.1 Kognitive und metakognitive Faktoren selbstgesteuerten Lernens

3.3.2 Motivationale und affektive Aspekte selbstgesteuerten Lernens

Exkurs: Prokrastination an der Hochschule

3.3.3 Selbstgesteuertes Lernen an der Hochschule

Exkurs: Prüfungsangst

3.3.4 Spezifische Strategien des selbstgesteuerten Lernens

3.3.5 Zusammenfassung und Umsetzungshilfen

3.4 Die Gestaltung von Lernmaterialien

3.4.1 Was Lernmaterialien wirksam macht

3.4.2 Best Practices

3.4.3 Umsetzungshilfen

3.5 Hybride Lernszenarien: E-Learning und Blended Learning

3.5.1 E-Learning

3.5.2 Zusammenfassung und Umsetzungshilfen

4 Hochschuldidaktische Interaktion

4.1 Hochschuldidaktische Kompetenzen der Lehrenden

4.1.1 Stand der Forschung zur Lehrkompetenz

4.1.2 Best Practices

4.1.3 Umsetzungshilfen

4.2 Visualisieren und Präsentieren

4.2.1 Gestaltung von Texten

4.2.2 Bildmedien

4.2.3 Bild- und Textkombinationen

4.2.4 Lernen mit dynamischen Visualisierungen

4.2.5 Präsentationen

4.2.6 Umsetzungshilfen

4.3 Zeit- und Selbstmanagement

4.3.1 Stand der Forschung

4.3.2 Best Practices

4.3.3 Umsetzungshilfen

4.4 Projektbasiertes Lernen und Projektmanagement

4.4.1 Forschungsergebnisse zum projektbasierten Lernen an Hochschulen

4.4.2 Best Practices

4.4.3 Umsetzungshilfen

5 Hochschuldidaktische Qualitätsentwicklung

5.1 Von der Lehrevaluation zur Lehrkompetenzentwicklung

5.1.1 Stand der Forschung: Komplexe Bedingungen einer hochschuldidaktischen Qualitätsentwicklung

5.1.2 Best Practices

5.1.3 Umsetzungshilfen

5.2 Leistungen beurteilen, prüfen und bewerten

5.2.1 Didaktische Funktionen der Leistungsbewertung

Exkurs: Der Testing-Effekt als didaktische Funktion der Leistungsbewertung

5.2.2 Gesellschaftliche Funktionen der Leistungsüberprüfung

5.2.3 Leistungsbewertung: Hintergründe und Rationale

5.2.4 Ebenen der Leistungsbeurteilung

Exkurs: Portfolios und die individuelle Bezugsnorm

5.2.5 Kriterien zur Prüfungsgestaltung

5.2.6 Unterschiedliche Prüfungsformate im Vergleich: Die schriftliche Prüfung

Exkurs: Plagiatsprüfung und automatisierte Essaybewertung

5.2.7 Unterschiedliche Prüfungsformate im Vergleich: Die mündliche Prüfung

Exkurs: Welches Prüfungsformat bevorzugen Studierende?

5.2.8 Alternative Prüfungsformate

5.2.9 Umsetzungshilfen

5.3 Interessen, Motivation, Anstrengung und Dropout in Lehrveranstaltungen

5.3.1 Stand der Forschung zur Leistungsmotivation im Studium

5.3.2 Best Practices

5.3.3 Umsetzungshilfen

Literatur

Stichwortverzeichnis

 

Vorwort

 

 

Lehren und Lernen an der Hochschule ist ein breites Feld, welches im deutschsprachigen Raum einerseits durch das Festhalten an Traditionen und andererseits durch einen steten Wechsel des Stellenwerts und Anpassungen an Reformen sowie didaktische Innovationen geprägt ist. Es sei gleich vorab formuliert: Es gibt nicht »die« Hochschullehre, sondern Hochschullehre ist durch viele Facetten geprägt, die einerseits aus den einzelnen Disziplinen heraus resultieren, andererseits durch formale Rahmenbedingungen und Curricula geprägt werden. Eng damit verbunden ist auch die ständige Gratwanderung zwischen Forschung, forschungsnaher Lehre und der Grundausbildung von Studierenden. Dies alles macht den Themenbereich der Hochschullehre – und damit verbunden der Hochschuldidaktik – zu einem komplexen Wirkungsbereich.

Dieser Komplexität wird in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten immer mehr Rechnung dahingehend getragen, dass die Professionalisierung der Lehre vorangetrieben wird. Dies lässt sich insbesondere daran festmachen, dass zum einen die Ausbildung junger Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Angelegenheiten der Hochschullehre an vielen Hochschulen zur Regel geworden ist. Dies beinhaltet auch die Gründung bzw. den Ausbau hochschuldidaktischer Zentren als Anlaufstelle bei Fragen und Problemen, aber auch als Institution zur Aus-, Fort- und Weiterbildung. Zum anderen lässt sich diese Professionalisierung auch daran festmachen, dass die Hochschuldidaktik den Wandel zu einer eigenen wissenschaftlichen Disziplin zwischen Grundlagen- und Anwendungsforschung durchgemacht hat. Dies äußert sich im Boom eigener internationaler Fachzeitschriften, einem zumeist (auf internationaler Ebene) solide geprägten sozialwissenschaftlich orientiertem Wissenschaftsverständnis und der Gründung bzw. dem Ausbau entsprechender Forschungseinrichtungen mit eigenen Professuren. Auch die Fachdidaktik etabliert sich innerhalb dieser Entwicklungen, etwa durch die Gründung eigener fachbezogener Hochschuldidaktiken (z. B. gerade innerhalb der Medizin).

Aus diesen Entwicklungen und dem gegenwärtigen Status quo heraus ist es daher nicht weiter verwunderlich, dass hier unterschiedlichste Zugänge zur Hochschuldidaktik resultieren, die jeweils eigene Auffassungen haben sowie Traditionen pflegen. Einer dieser Zugänge kommt von der Seite einer allgemeinen Didaktik heraus, die sich an allgemeinen Theorien und Erkenntnissen des Lehrens und Lernens orientiert und diese Erkenntnisse an die Rahmenbedingungen und Anforderungen des Lernortes Hochschule transferiert. Hier sind es insbesondere die Forschungsbefunde der Pädagogischen Psychologie sowie der Instruktionspsychologie, die viele Phänomene des Hochschulalltags präzise beschreiben können und Vorhersagen ermöglichen. Neben dieser allgemeinen didaktischen Zugangsweise spielen gerade auch die fachdidaktischen Entwicklungen in der Hochschullehre eine zentrale Rolle. So können didaktische Modelle und Methoden nicht einfach pauschal übernommen werden, sondern müssen an die jeweiligen fachlichen Inhalte und Voraussetzungen angepasst werden. Dies betrifft die Hochschullehre in allen Disziplinen und Teilfächern, sei es die Lehre in sprachlichen Fächern, Medizin, Rechtswissenschaften, laborintensiven Disziplinen etc. Ein drittes wichtiges Feld ist die sog. »Evidenzorientierung«, also angewandte Forschung, welche Hinweise auf erfolgreiche (mitunter auch weniger erfolgreiche) Ansätze und Entwicklungen in der Hochschullehre gibt.

Das Ziel des vorliegenden Werkes ist es, allen diesen Richtungen so weit Rechnung zu tragen, wie dies im gegebenen Rahmen möglich ist. Entsprechend ist dieses Buch auch nicht als ein weiterer »gewöhnlicher« Ratgeber zur Gestaltung und Entwicklung der Hochschullehre zu verstehen, sondern bietet deutlich mehr. Denn die Empfehlungen, welche hier gegeben werden, basieren auf soliden Theorien und Befunden aus der Forschung. Diese muss nicht immer ausschließlich aus dem Kontext der Hochschule kommen, sondern kann sich durchaus auch der Erkenntnisse und Methoden der Lehr-Lernforschung aus Bereichen der Erwachsenenpädagogik oder auch dem schulischen Feld bedienen. Allerdings erfolgt dies nur an Stellen, an denen diese Befunde auch tatsächlich transferierbar und verallgemeinbar sind. Zentral bleibt jedoch die Evidenzorientierung, ähnlich wie im Buch von Schneider und Mustafic (2015).

Evidenzorientierung

Angesichts der mittlerweile vorhandenen Fülle von Publikationsorganen und Veröffentlichungen stellt sich die berechtigte Frage, wie im vorliegenden Buch damit umgegangen wird. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass versucht wird, eine Vielzahl von Ergebnissen quantitativ-empirischer Untersuchungen zu berücksichtigen bzw. evidenzbasiert zu argumentieren (Timmer & Urquiza, 2014). Dies bedeutet, dass vor allem empirische Studien aus dem Bereich der Hochschullehre bzw. -didaktik berücksichtigt werden, die eine entsprechende Forschungsqualität (hinsichtlich Objektivität, Reliabilität, Validität etc.) aufweisen. Damit liefert dieses Buch Ergänzendes zu vielen aktuellen Buchpublikationen im Bereich der Hochschullehre, die primär praktisch oder handlungsorientiert, einführend, ohne die Berücksichtigung aktueller Entwicklungen im Hochschulbereich (z. B. zur Kompetenzorientierung), ohne Nutzung internationaler Studien, an Spezialproblemen orientiert oder problemerkundend ausgerichtet sind (Becker, Krücken & Wild, 2012; Böss-Ostendorf & Senft, 2010; Eberhardt, 2010; Egger & Merkt, 2012; Macke, Hanke & Viehmann, 2008; Reinmann, Ebner & Schön, 2013).

Klar eingestanden muss werden, dass die verwendete Literaturbasis nur eine eingeschränkte Aufarbeitung des aktuellen Standes der Forschung zur Lehre an Hochschulen darstellt. Insbesondere wurden vor allem die letzten fünf bis zehn Jahre einschlägiger Forschung in den Fokus genommen, wobei selbst dieser eingeschränkte Zeitraum nicht vollständig erfasst wurde. Zugegeben werden muss auch, dass die für dieses Buch angewandte wissenschaftliche Methode weder eine Meta-Analyse bzw. eine Best-Evidence-Synthese (Slavin, 1986) darstellt, noch z. B. eine Synthese kausaler Schlussfolgerungen (Briggs, 2008) oder eine fallbasierte Theoriebildung (Eisenhardt & Graebner, 2007). Am ehesten weist die wissenschaftliche Methode, die für dieses Buch gewählt wurde, Ähnlichkeiten zu narrativen Literaturarbeiten (Baumeister & Leary, 1997) oder integrativen Forschungsübersichten (Whittemore & Knafl, 2005) auf, wobei (quasi-)experimentelle Studien, Ergebnisse aus Befragungen oder Testungen und Erkenntnisse aus Meta-Analysen und ähnlichen auf quantifizierte Effekte beruhenden Forschungsübersichten Berücksichtigung fanden.

Anwendungs- und Implementierungsorientierung

In diesem Buch wird – neben der Berücksichtigung des aktuellen theoretischen und empirischen Standes der Forschung – angestrebt, eine Brücke zur praktischen Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse zu schlagen (Grossman & Walfish, 2014 oder Kelly & Perkins, 2014). Diese Absicht wird u. a. dadurch befördert, dass in den meisten Kapiteln Best Practices und praktische Umsetzungshilfen angeführt werden. Manchmal sind diese in die einzelnen Kapitel integriert, manchmal kommen sie gesondert in eigenen Subkapiteln vor. Sie stellen keine fertigen Problemlösungen oder Messinstrumente dar, sondern sollen Anregungen für eine eigenständige praktische Umsetzung bzw. Berücksichtigung des jeweiligen Forschungsstandes geben. Zu betonen ist dabei auch, dass im vorliegenden Buch keine hochschuldidaktischen Rezepte zu finden sind, die mehr oder minder allgemeingültig angewandt werden können. Vielmehr ist es so, dass gleiche instruktionale Elemente in unterschiedlichen Situationen oder bei unterschiedlichen Lernenden nicht gleiche Auswirkungen zeigen (Joy & Garcia, 2000). Jeglicher instruktionale Eingriff in eine Lehrveranstaltung wäre demnach mit einem sich wiederholenden Implementierungsprogramm, das aus Diagnose, Intervention, Evaluation und Kalibrierung besteht, zu begleiten. Bei der Diagnose wird der Ausgangszustand der Lernenden am Beginn einer Maßnahme erfasst. Bei der Intervention ist es das Ziel, eine Lehrmaßnahme möglichst wirkungsvoll einzusetzen. Die Evaluation misst dann, welcher Effekt mit der Lehrmaßnahme erzielt werden konnte, speziell in Relation zum Ausgangszustand. Die Kalibrierung hat dann die Aufgabe, die Evaluationsergebnisse in eine Veränderung bzw. Verbesserung der Lehrmaßnahme umzusetzen. Dieser gesamte Vorgang wird so lange wiederholt bis der gewünschte Effekt (z. B. Kompetenzaufbau bei den Studierenden) erzielt worden ist.

Zielgruppe

Das Buch richtet sich an Lehrende, Forschende, Verantwortliche und Studierende an Universitäten und Hochschulen, die an der Qualität der Lehre oder an hochschuldidaktischen Fragen interessiert sind. Das Buch ist darüber hinaus nicht nur für einschlägige Referenzwissenschaften oder -wissenschaftszweige relevant (wie z. B. Instruktionspsychologie oder Didaktik), sondern auch für fachdidaktische Ausrichtungen wie sie in naturwissenschaftlichen, geisteswissenschaftlichen, juridischen, medizinischen, theologischen usw. Fakultäten gefunden werden können.

Konzeption, Themen und Struktur dieses Buches wurden gemeinsam durch die beiden Autoren erarbeitet. Die Kapitel 1, 2.3, 2.4, 3.2, 3.4, 4.1, 4.3, 4.4, 5.1 und 5.3 wurden federführend von Hermann Astleitner verfasst, alle anderen Teile von Jörg Zumbach.

Salzburg im Sommer 2016

Jörg Zumbach und Hermann Astleitner

 

1          Einführung: Internationale Trends in der Hochschuldidaktik

 

1.1       Aktuelle Entwicklungsziele und -maßnahmen in der Lehre an Hochschulen

Entwicklungen im Bildungswesen und Konsequenzen für die Hochschuldidaktik

Hochschulen sind weltweit mit einem Trend zur Globalisierung, Technisierung und Ökonomisierung konfrontiert, der zu verstärkten Qualitätsentwicklungs- und Standardisierungsbemühungen (z. B. Lehrevaluationen, Etablierung von E-Learning oder einheitliche Rahmen für Curricula) geführt hat. Lee (2012, S. 55 ff.) fasst die dabei zentralen politischen Konzepte der Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD) zu zwei allgemeinen Haupttrends zusammen, die zentrale Orientierungspunkte für Lehre an Hochschulen und damit auch für eine Hochschuldidaktik darstellen:

•  Lebenslanges Lernen meint die Notwendigkeit der Etablierung von Formen informeller, individualisierter, bedarfsorientierter, spontaner und selbst generierter Lernkulturen, die über die formelle Bildung hinausgehen und auch als »vierter Sektor« bezeichnet werden.

•  Internationalisierung bedeutet nicht nur eine interkulturelle Ausrichtung von Themen und Perspektiven einer Ausbildung, sondern auch Interesse und Neugier anderen kulturellen Erfahrungen gegenüber zu erzeugen. Außerdem geht es darum, nationale und internationale Lernende häufiger als bisher gemeinsam zu unterrichten, was bewirkt, dass zudem verstärkt interdisziplinär, interaktiv und Theorie-Praxis-integrierend gearbeitet wird.

1.1.1     Lebenslanges Lernen und Schlüsselkompetenzen in den Fokus der Hochschuldidaktik

Lebenslanges Lernen, d. h. ein Lernen, das sich über alle Lebensphasen erstreckt, gelingt dann, wenn die Lernenden selbstgesteuert diese Aufgabe übernehmen und zwar auch dann, wenn sie nicht unmittelbar in Aus- oder Weiterbildungskontexten eingebunden sind. Damit das gelingen kann, wird als notwendig angesehen, dass praktisch gut anwendbare Schlüsselkompetenzen vermittelt werden. Diese sind in allen Fachrichtungen an Hochschulen zu berücksichtigen und umfassen (Murdoch-Eaton & Whittle, 2012):

•  Fertigkeiten im Umgang mit Zahlen (z. B. Daten grafisch darstellen können),

•  Fertigkeiten im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie (z. B. synchrone und asynchrone Kommunikationstools nutzen können),

•  Fertigkeiten zur Verbesserung des Lernens und Handelns (z. B. Lernstrategienoptimieren können),

•  Problemlösefertigkeiten (z. B. kritisch denken, planen und evaluieren können) und

•  Fertigkeiten zur Kooperation (z. B. mit anderen in Teams zusammenarbeiten können).

Auffällig bei solchen Auflistungen ist, dass es sich um sehr allgemeine Fertigkeiten handelt, die zwar in vielen Studienrichtungen gefördert werden, allerdings meist ohne explizit genannt zu werden. Vielfach werden diese Fertigkeiten implizit mitvermittelt, wenn es darum geht, Fachwissen oder Fachexpertise zu erwerben. Damit ist der Nachteil verbunden, dass sie als allgemeine bzw. fachübergreifende Kompetenzen weder genau geprüft noch gezielt gefördert werden. Noch offensichtlicher wird dieser problematische Umstand bei nicht primär kognitiven Persönlichkeitsmerkmalen. Barnett (2004) sieht z. B. die Notwendigkeit, sich für eine unbekannte Zukunft vorzubereiten, und schlägt deshalb vor, den Erwerb von Weisheit in die Schlüsselkompetenzen für Studierende aufzunehmen. Sternberg et al. (2012) sehen in diesem Zusammenhang in ihrer WICS (Wisdom Intelligence Creativity Synthesized)-Theorie vier zentrale Elemente, wenn es um zukunftsrelevante Schlüsselkompetenzen geht:

•  Kreativität, um neue Ideen schaffen zu können,

•  analytische Fertigkeiten, um beurteilen zu können, ob Ideen gut sind,

•  praktische Fähigkeiten, um Ideen umsetzen und andere davon überzeugen zu können und

•  Weisheit, um sicherzustellen, dass Fähigkeiten und Wissen so eingesetzt werden, dass sie etwas gemeinsam Gutes erzeugen und kurz- und langfristig ein Gleichgewicht zwischen eigenen sowie anderen Interessen realisieren.

Solche Elemente von Schlüsselkompetenzen können weiter differenziert werden. Zum Beispiel hat Rieckmann (2012) in einer Delphi-Studie mit europäischen und lateinamerikanischen Experten und Expertinnen folgende Schlüsselkompetenzen identifiziert:

•  Kompetenzen für systematisches Denken und den Umgang mit Komplexität,

•  Kompetenzen für antizipatorisches Denken,

•  Kompetenzen für kritisches Denken,

•  Kompetenzen zum fairen und ökologischen Handeln,

•  Kompetenzen zur Kooperation in (heterogenen) Gruppen,

•  Kompetenzen zur Partizipation,

•  Kompetenzen für Empathie und Perspektivenwechsel,

•  Kompetenzen für interdisziplinäres Arbeiten,

•  Kompetenzen für Kommunikation und Mediennutzung,

•  Kompetenzen für die Planung und Realisierung von innovativen Projekten,

•  Kompetenzen für Evaluation und

•  Kompetenzen für Ambiguität und Frustrationstoleranz.

Bei diesen und ähnlichen Kompetenzlisten zeigt sich, dass Schlüsselkompetenzen theoretisch und auch empirisch belegt als zentral für die Bewältigung von aktuellen und zukünftigen Aufgaben der Studierenden angesehen werden. Allerdings fehlen Modelle oder Verfahren, wie diese wirkungsvoll in die Lehre an Hochschulen integriert werden können. Solche Fertigkeiten müssen in entsprechenden Studienplänen, extracurricularen Aus- und Weiterbildungsprogrammen fachintegrativ konzeptualisiert, verankert und dann auch Gegenstand von Prüfungen bzw. Prüfungsleistungen sein. Zudem müssen Lehrende darin ausgebildet sein, solche Fertigkeiten auch zu vermitteln. Diese Bereiche stellen damit wesentliche Entwicklungsfelder einer zukünftigen Hochschuldidaktik dar.

1.1.2     Internationalisierung als Ziel hochschuldidaktischer Entwicklungen

Internationalisierung bedeutet zunächst einmal Internationalisierung der Forschung und damit der Lehrinhalte in Lehrveranstaltungen. Allerdings messen auf Internationalisierung der Forschung bezogene Rankings vor allem den Einfluss von Publikationen und die Reputation von Forschern und Forscherinnen. Solche Rankings messen nicht die Qualität einer forschungsgeleiteten Lehre, den Einfluss von Forschung auf Lehrinhalte und -methoden oder studentisches forschendes Lernen. Nützliche Alternativen oder Ergänzungen zu Forschungs-Rankings liefern z. B. Studienführer (als kombinierte Übersichten über Forschungs- und Lehrprogramme), internationale Assessments studentischer Forschungskompetenzen oder multi-dimensionale, d. h. auch die Qualität von Lehre berücksichtigende Hochschul-Rankings (Hazelkorn, 2011).

In Sachen Internationalisierung stellt ein hochschuldidaktisch relevanter Faktor auch die studentische Mobilität dar. Findlay et al. (2012) interviewten Studierende und fanden, dass Entscheidungen über Aufenthalte an ausländischen Hochschulen abhängig sind von

•  der sozial konstruierten bzw. auf Rankings basierenden Reputation, die eine Hochschule international genießt,

•  den beruflichen und anderen Vorteilen, die mit einem Aufenthalt an der Hochschule verbunden sind oder

•  der Möglichkeit, eine eigene Identität aufzubauen, die es erlaubt, sich von anderen Studierenden zu unterscheiden, um Karrierechancen zu verbessern.

Ziele des lebenslangen Lernens und der Internationalisierung erzeugen einen kontinuierlichen Professionalisierungsdruck, nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Hochschullehre.

1.1.3     Professionalisierungstrends in der Hochschullehre: Dienstleistungen für Lehrende

Tam (2013, S. 5 ff.) sieht sechs zentrale Professionalisierungstrends in der Aus- und Weiterbildung, die Rahmenbedingungen für eine Hochschuldidaktik definieren (hier in eigener Übersetzung und verändert dargestellt):

•  eine steigende Bedeutung der Erziehung gegenüber fachorientierter Ausbildung, was z. B. bedeutet, dass kommunikative Fertigkeiten, Fähigkeiten zur Kooperation oder Kreativität verstärkt zu fördern sind;

•  die Verwischung der Grenzlinie zwischen Hochschulerziehung und beruflicher Erziehung und zwar in der Form, dass auch an Hochschulen über das herkömmliche Studium hinaus stärker anwendungsorientierte (und selbstfinanzierte) Lehrgänge angeboten werden;

•  den Fokus auf Lernergebnisse und deren standardisierter Messung, wobei nicht nur wichtig ist, was Studierende wissen, sondern auch was sie mit ihrem Wissen tun können und wie das möglichst genau und gültig beurteilt werden kann;

•  verstärkte Verantwortlichkeit der Bildungsanbieter für die Qualität ihrer Angebote sowie deren Bewertung mit hochwertigen Evaluationsprozessen;

•  das Entstehen eines spezifischen und anerkannten Qualifikationsrahmens für unterschiedliche Ausbildungsfelder mit dem Ziel, vielfältige primäre, sekundäre und tertiäre Kursangebote über Kompetenzen strukturieren zu können und

•  die Notwendigkeit, Lernleistungen bzw. erworbene Qualifikationen übertragbar auf andere regionale und überregionale Systeme und Sektoren zu machen.

Solche Professionalisierungstrends sind eng mit dem aktuell an Hochschulen umzusetzenden Bologna-Prozess und der New-Governance-Orientierung verknüpft. Mittlerweile liegen auch erste empirische Untersuchungen dazu vor, ob solche Trends wirklich nachhaltige Effekte an der Hochschule und in der Hochschullehre hinterlassen.

Schomburg, Flöther und Wolf (2012) befragten Lehrende an deutschen Hochschulen und fanden eine grundsätzliche Zustimmung zum Bologna-Prozess und dessen Reformbemühungen, wobei Fortschritte in der Kompetenz- und Anwendungsorientierung und der Qualitätssicherung in der Lehre konstatiert werden. Allerdings werden der erleichterte Zugang zum Beruf nach der ersten Studienstufe (Bachelor) skeptisch gesehen, weil der Bachelor nur als Zwischenetappe auf dem Weg zum Master eingeschätzt wird. Auch sehen viele das Ziel der Erhöhung der Durchlässigkeit und der Mobilität von Studierenden und Lehrenden als nicht erreicht an. Zudem werden nicht-intendierte Folgen des Bologna-Prozesses darin gesehen, dass der Verwaltungs-, Beratungs- und Betreuungsaufwand in der Lehre massiv gestiegen ist.

Der Bologna-Prozess findet zudem nicht isoliert statt, sondern in Kombination mit der New-Governance-Orientierung. Wilkesmann und Schmid (2012) befragten über 1.000 Professoren und Professorinnen an deutschen Hochschulen über die Auswirkungen der New-Governance-Orientierung basierend auf z. B. leistungsabhängigen Gehältern, evidenzbasierter Lehrbudgetzuweisung, Zielvereinbarungen als Managementgrundlage oder Preise für hervorragende Lehre. Als abhängige Variable wurde das Lehrverhalten gemessen und zwar an Indikatoren wie Lehrveranstaltungsvorbereitungen, Revisionen von Lehrinhalten, eingesetzten didaktischen Methoden und Evaluationsergebnissen. Die Ergebnisse zeigten, dass keine der Maßnahmen aus der New-Governance-Orientierung einen bedeutsamen Einfluss auf das Lehrverhalten ausübte. Die Autoren empfehlen deshalb verstärkt auf sozialisierte Routinen zu setzen, z. B. in der Form, dass im frühen Habilitationsstadium angehende Professoren und Professorinnen in hochschuldidaktische Kurse geschickt werden.

Auch Krücken, Blümel und Kloke (2013) untersuchten die Rolle des Managements von Hochschulen und fanden über die letzten Jahre eine Zunahme des administrativen Personals, allerdings gilt diese Zunahme auch für das akademische Personal, speziell, wenn man befristete Doktorats- und Post-Doktoratsstellen berücksichtigt. Zudem ist zu beachten, dass auch das akademische Personal vermehrt administrative Leistungen zu vollbringen hat, die aus dem Bologna-Prozess (z. B. bei der Neugestaltung von Studienplänen) oder der New-Governance-Orientierung (z. B. über intensivierte Evaluations- bzw. Qualitätssicherungsmaßnahmen) entstanden sind. Wichtig erscheint, dass die Akzeptanz und auch Wirksamkeit des administrativen Personals davon abhängig ist, ob es gelingt, für die Lehrenden Dienstleistungen zu installieren, die im Lehralltag als unterstützend erlebt werden.

Fasst man diese Erkenntnisse zusammen, um Anhaltspunkte für Trends in der Hochschuldidaktik zu gewinnen, dann scheint evident, dass eine zukünftige Hochschuldidaktik verstärkt an Dienstleistungen zu arbeiten hat, die für Lehrende nicht nur eine Belastung, sondern eine Unterstützung für Qualitätsentwicklungsprozesse darstellt. Zum Beispiel wäre denkbar, dass Qualitätsentwicklungsmaßnahmen im Bereich der Prüfung von Lernergebnissen mit der Dienstleistung der Gestaltung und statistischen Auswertung von Lehrveranstaltungsprüfungen gekoppelt werden. Zu solchen Dienstleistungen im weiteren Sinne könnte man z. B. auch hochschuldidaktische Kursprogramme für Lehrende an Hochschulen rechnen, in denen versucht wird, den Lehrenden didaktische Kompetenzen zu vermitteln. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass diese Angebote auf die individuellen Bedürfnisse der Lehrenden zugeschnitten sind. Allerdings sind solche Maßnahmen kostenintensiv, was besonders bedeutsam ist, weil Hochschulen auch verstärkt ökonomischen Entwicklungen ausgesetzt sind. Kern dieses Trends ist der Umstand, dass Hochschulen einen mehr oder minder großen Teil ihrer Kosten selbst aufzubringen haben. Im Bereich der Forschung geschieht das über Drittmitteleinwerbung, im Bereich der Lehre und damit der Hochschuldidaktik werden neuerdings ähnliche Wege gegangen.

1.1.4     Ökonomische Konsequenzen für die Lehre und Hochschuldidaktik

Kaum jemand wird bestreiten, dass die Quantität und Qualität von Forschung mit den investierten Mitteln in bedeutsamem Zusammenhang steht (Auranen & Nieminen, 2010). Was für die Forschung gilt, ist auch für die Lehre wahrscheinlich. Siemens und Matheos (2010) sowie Gibb, Haskins und Robertson (2013, S. 13 ff.) analysierten, wie Hochschulen auf den Trend der Ökonomisierung, des Informationszeitalters und der damit verbundenen Globalisierung reagieren und stellten dabei vor allem folgende für die Lehre relevanten Entwicklungen fest (hier ausgewählt und in eigenen Worten dargestellt):

•  Breite Masse: Zentrales Ziel ist es, eine höhere (universitäre) Ausbildung für möglichst viele Menschen zu realisieren, um deren Berufs- und Lebenschancen fördern zu können.

•  Berufliche Verwertbarkeit: Höhere Ausbildungszahlen erhöhen auch den Wettbewerb um Arbeitsstellen für Studierende, weshalb die Hochschulen auch stärker als bisher die Verwertbarkeit bzw. Nützlichkeit ihrer vermittelten Lehrinhalte in Bezug zu berufsrelevanten Kompetenzen reflektieren müssen.

•  Unternehmerische Fertigkeiten: Erwartet wird auch, dass Studierende verstärkt zu selbstständigen wirtschaftlichen Tätigkeiten finden müssen, weshalb diese Fertigkeiten in vielen Fächern oder fachübergreifend zu fördern sind.

•  Schaffung öffentlicher Werte: Hochschulen sind nicht nur Orte, wo Wissen geschaffen und in verschiedenen Formen weitergegeben wird. Sie haben darüber hinaus auch Angebote und Engagement bei wichtigen regionalen, nationalen und internationalen Themen einzubringen.

•  Etablierung von Wissensmanagement: Ziel ist nicht mehr nur die Schaffung von neuem Wissen unter üblichen formellen Szenarien (Forschung und Lehre). Es besteht auch die Aufgabe, das Wissen aus informellen verteilten und fragmentierten Kontexten (z. B. Internet, persönlichen Projekten oder Initiativen) zu inkludieren und weiterzugeben. Dabei ist auf Vollständigkeit des Wissensmanagements durch Schaffung, Validierung, Dissemination und Kontextimplementierung von Wissen zu achten.

Die Konsequenzen dieser angenommenen Trends für die Lehre an Hochschulen bestehen darin, dass Lehrangebote in ihrer Nützlichkeit erhöht und z. B. mehrfach verwertbar gestaltet werden. So könnte man ein Kursmodul in einem Fach (z. B. Pädagogische Psychologie im Fach Psychologie) auch als solches in einem anderen verwandten Fach (z. B. Pädagogik) oder in einem anderen Verwertungszusammenhang (z. B. im Rahmen der schulpraktischen Ausbildung von Lehrern und Lehrerinnen) anbieten. Auch ist notwendig, dass Hochschulen, wenn diese schon keine berufspraktische Ausbildung leisten wollen, dann zumindest allgemeine Fertigkeiten (z. B. in der Berufsfeldanalyse oder in Bewerbungsstrategien) vermitteln, die den Berufseinstieg für Studierende erleichtern. Dazu können auch ökonomische Grundkompetenzen (z. B. zur Gründung von Unternehmen oder zur Kostenrechnung) zählen. Schließlich scheint es notwendig, dass sich Hochschulen und dabei speziell Universitäten mehr um die nachhaltige Dissemination und praktische Implementation von Forschungsergebnissen kümmern. Für die Lehre und eine darauf bezogene Hochschuldidaktik bedeutet das die Intensivierung von projekt- oder problembasierten Lehrveranstaltungen. In solchen Kursen arbeiten Studierende, Forschende, Experten und Expertinnen aus der Berufswelt zusammen, um im Kontext von »translational science« (Kurpinski et al., 2014) praktische Problemlösungen zu erarbeiten.

1.1.5     Finden von Balance und Selbststeuerung als zentrale hochschuldidaktische Zielbereiche

In Abbildung 1 sind die erwähnten zentralen allgemeinen Trends an Hochschulen und einer darauf bezogenen Hochschuldidaktik zusammengefasst. Klar ist, dass diese Entwicklungen sich auf unterschiedlichen Ebenen z. B. der Gestaltung von Studienplänen, der Evaluation von Lehrveranstaltungen oder der Bewertung von Prüfungsergebnissen niederschlagen. Zentral ist der Umstand, dass man sich im Rahmen der Weiterentwicklung der Hochschuldidaktik bewusst sein muss, dass man multiplen gleichzeitig wirkenden Trends unterliegt und dass es eine wichtige Aufgabe ist, eine Balance in den Auswirkungen dieser Trends herzustellen. Wenn man davon ausgeht, dass in den letzten Jahren Lehrende an Hochschulen durch den Bologna-Prozess und der New-Governance-Orientierung unter einem bedeutsamen Anpassungsdruck waren, dann scheinen zukünftig vor allem Unterstützungsmaßnahmen für Lehrende notwendig. Solche Maßnahmen (z. B. das Angebot von Dienstleistungen) sollen dazu führen, dass Potenzial für eine stärker selbstgesteuerte Weiterentwicklung der Lehrqualität und damit verbunden der Hochschuldidaktik gewonnen wird. Allerdings kann man auch davon ausgehen, dass viele Trends im aktuellen Hochschulwesen von den betroffenen Lehrenden und Studierenden sehr kritisch gesehen werden. Viele Themen der Forschungsfreiheit oder der Lehrfreiheit der Hochschulen sind ins Hintertreffen geraten oder erfordern eine immer wieder neue Diskussion und Standortbestimmung, die an Werten (z. B. Wertneutralität oder Selbstbestimmung) reflektiert und relativiert werden (Schurz & Carrier, 2013 oder Wilholt, 2012).

Abb. 1: Multiple simultane Trends im Hochschulwesen und in der Hochschuldidaktik

1.2       Best Practices

Hier stellt sich die Frage nach besonders gelungenen praktischen Initiativen, um den oben behandelten Trends im Hochschulwesen und vor allem in der Hochschuldidaktik reflektiert und nachhaltig begegnen zu können.

1.2.1     Ganzheitliche Evaluierungsansätze in der Hochschuldidaktik

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass Entwicklungen in der Lehre an Hochschulen und einer damit zusammenhängenden Hochschuldidaktik multiplen Einflüssen ausgesetzt sind (Abb. 1). Damit diese Einflüsse möglichst umfassend und auch ausgewogen zum Tragen kommen, scheint es notwendig, bei den diversen hochschuldidaktischen Qualitätsentwicklungs- und Evaluierungsmaßnahmen eine weite, d. h. ganzheitliche und integrierende Perspektive zu wählen. Es gibt eine Reihe von Einrichtungen, die sich mit der Messung der Qualität an Hochschulen befassen, die dabei an aktuellen und zukünftigen Trends im Hochschulwesen ausgerichtet sind und eine trendorientierte Qualitätsentwicklungsperspektive aufweisen (vgl. eine zusammenfassende Darstellung in: Green, Marmolejo & Egron-Polak, 2012). Eine besondere Einrichtung stellt dabei das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) dar, das unterschiedliche Hochschulrankings liefert (vgl. http://www.che.de/ [Datum des Zugriffs: 08.04.2014]). Im Rahmen der sog. CHE-Rankings werden deutschsprachige Hochschulen in den Bereichen Forschung aber auch Lehre bewertet und dabei unterschiedliche Orientierungen (z. B. für Studierende oder herausragende Fachbereiche mit Exzellenzzielen) verfolgt. Befragt werden Studierende, Professoren und Professorinnen, Absolventen und Absolventinnen oder auch die Hochschulverwaltung. Zentral dabei ist, dass an multiplen Dimensionen orientiert gearbeitet wird, so z. B. zum Lehrangebot, zur Betreuung oder Ausstattung, zu speziellen Fragen in der Forschung, aber auch in Bezug zur Anwendungs- oder Studierendenorientierung. Ein ähnliches Ziel verfolgt auch die Online-Plattform »U-Multirank«, die den internationalen Vergleich von Hochschulen zum Ziel hat (vgl. http://www.umultirank.org/ [Datum des Zugriffs: 26.05.2014]). Erfasst werden dabei die Themenbereiche »Lehren und Lernen« (z. B. relative Ausgaben für die Lehre), Forschung (z. B. Publikationen), Wissenstransfer (z. B. Einkommen von privaten Ressourcen), internationale Orientierung (z. B. Studierende mit Auslandsaufenthalten), regionales Engagement (z. B. Einkommen aus regionalen Ressourcen) und allgemeine (zielbezogene) Rahmenbedingungen (z. B. Anteil von Online-Kursprogrammen).

1.2.2     Fokus auf Wirkungsgrad von Lehre und Persönlichkeitsentwicklung

Bedenkt man die oben angesprochenen Einflüsse, dann kann man daraus den Schluss ziehen, dass eine reine fachwissenschaftliche bzw. -inhaltliche Orientierung bei der Gestaltung von Lehrveranstaltungen an Hochschulen nicht mehr ausreichend ist, um Studierende so auszubilden, dass sie mit dynamischen gesellschaftlichen Entwicklungen erfolgreich umgehen können. Vielmehr ist es notwendig, Lehrveranstaltungen als »programmatische Interventionen« zu sehen (Funnell & Rogers, 2011 oder Mazurek Melnyk & Morrison-Beedy, 2012). In solchen Lehrveranstaltungen wird davon ausgegangen, dass es bestimmte Inputs (z. B. Merkmale der Studierenden), Prozesse (z. B. individuelle Lernphasen) und kurz- und langfristige Outputs (z. B. Kompetenzen) zu konzipieren, gestalten und messen gilt. Die aus den Messungen (z. B. Prüfungsergebnissen) gewonnenen Daten sind wiederum dafür zu verwenden, um die Lehrveranstaltung bzw. deren Elemente zu optimieren. Zentral dabei ist, dass der Wirkungsgrad der Lehrveranstaltung beachtet wird, d. h. das Verhältnis von Input zu Output, was in herkömmlichen Lehrevaluationen in der Regel nicht der Fall ist. Der Input in Lehrveranstaltungen setzt sich z. B. aus der Anzahl von Studierenden, dem Workload, eingesetzten Lehrmethoden oder Lernmaterialien zusammen. Bewertet man jetzt den Wirkungsgrad, dann hat das zur Folge, dass verstärkt in Lehrmethoden investiert wird, die einen möglichst optimalen Wirkungsgrad (z. B. gute Lernergebnisse bei geringem Vorbereitungsaufwand) haben. Zudem ist der Wirkungsgrad ein faireres und gerechteres Kriterium für die Beurteilung von Lehrveranstaltungen als der reine Output (vgl. dazu Ergebnisse der Equity-Forschung in Klendauer et al., 2006).

Der Wirkungsgrad einer Lehrveranstaltung wird auch dadurch verbessert, in dem man die Lernergebnisse erweitert. Offensichtlich ist, dass Studierende aktuell und in Zukunft mit fordernden gesellschaftlichen Bedingungen konfrontiert sind, die auch hochschuldidaktisch nicht unberücksichtigt bleiben können. Der erfolgreiche Umgang mit diesen Bedingungen wird nicht von selbst oder außerhalb der Hochschule gelernt. Vielmehr ist es in der Verantwortung der Hochschulen, nicht nur neues Wissen zu erzeugen und weiterzugeben, sondern auch darauf zu achten, dass das nachhaltig und wirksam passiert, was in der Regel über Prozesse der Lehre und Anwendung des Gelernten realisiert wird. Shek und Sun (2012) integrierten viele aktuelle Trends in der Hochschulbildung in eine holistische (ganzheitliche) Persönlichkeitsentwicklung von Studierenden. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine Lehrveranstaltung mit dem Titel »Die führenden Persönlichkeiten von morgen« konzipiert. Im Rahmen dieser Lehrveranstaltung wurde Studierenden die Aufgabe gestellt, ihre intra- und interpersonalen Fähigkeiten zu entwickeln und zu reflektieren. Studierende mussten Theorien und Forschungsergebnisse zu intra- und interpersonalen Fähigkeiten von führenden Persönlichkeiten kennen, Selbstaufmerksamkeit und Selbstverstehen entwickeln, zwischenmenschliche Fähigkeiten erwerben und Fähigkeiten der Selbstreflexion bezogen auf ihr persönliches Leben entwickeln. Shek und Wong (2011) beschreiben außerdem Kurse an der Hong Kong Polytechnic University zur Förderung der mentalen und körperlichen Gesundheit von Studierenden und den darin behandelten Themen wie z. B. Bindungsverhalten, Widerstandsfähigkeit, kognitive und sozial-emotionale Kompetenz, Verhaltenskompetenz, moralische Kompetenz, Autonomie und Selbstwirksamkeit, Spiritualität, positive Identitätsentwicklung, Glauben an die Zukunft, prosoziales Engagement und Förderung prosozialer Werte.

1.2.3     Personalisierte Lehrangebote

Die stärkere Berücksichtigung von Persönlichkeitsentwicklung in der Hochschullehre bedeutet auch, dass Studierende in ihrer Heterogenität bewusst wahrgenommen werden. Wird diese ernst genommen, dann hat das auf die persönlichen Bedürfnisse der Studierenden abgestimmte Lehrangebote zur Folge. Blaschke (2012) berichtet von Universitäten (z. B. der University of Western Sydney in New South Wales, Australien), die versuchen, Schritt für Schritt diverse aktuelle Trends gebündelt, koordiniert und nachhaltig umzusetzen. Dabei relevante Orientierungs- und Zielpunkte sind Ansätze der »Heutagogy«, die eine hohe Selbststeuerung der Studierenden erlauben und folgende Bestandteile aufweisen:

•  Individuelle Lernverträge: Solche gemeinsam fixierten Lernpläne unterstützen Studierende dabei festzulegen, was wann, wie und auf der Basis welcher Prüfungen gelernt wird.

•  Flexible Curricula: Diese erlauben es Studierenden, dass sie an eigenen Bedürfnissen orientiert Lehrstoffe und deren Reihenfolge der Behandlung festlegen.

•  Lerngerechte Fragen: Das sind Fragen, die die Studierenden zu Themen in Lehrveranstaltungen haben und die dann auch in diesen Lehrveranstaltungen beantwortet werden.

•  Verhandelbare Lernbewertungen: Das bedeutet, dass Studierende auch über die Inhalte bzw. die Gestaltung von Prüfungen mitreden können bzw. zumindest eine Auswahlmöglichkeit haben.

•  Lernjournale als individuelle Bezugsnormen: Diese haben die Aufgabe, Studierende zur Reflexion des Gelernten anzuregen und eine Entwicklungsperspektive in den eigenen Kompetenzerwerb zu implementieren.

•  Eigene Handlungsforschungsprojekte: Damit ist gemeint, dass Studierende lernen sollten, mit ihren Ansichten und Erfahrungen (auch in der Praxis) zu experimentieren und diese in die Ausbildung offensiv einzubringen.

•  Formative und summative Assessments: Wichtig hierbei ist es, dass der Prozess der Kompetenzentwicklung mit konstruktivem und auch in der praktischen Anwendung verankertem Feedback begleitet wird.

Solche personalisierten Lehrangebote stellen Hochschulen vor schwierige organisatorische Aufgaben, wenn es z. B. darum geht, individuell zugeschnittene Studienangebote zu realisieren. Auf der anderen Seite gibt es seit jeher Studien (z. B. »Studium irregulare«, »freies Studium« oder »individuelles Studium«), die Studierende weitgehend selbstgesteuert zusammenstellen können. Dabei können Studierende sogar aus dem Angebot unterschiedlicher Universitäten wählen (vgl. dazu z. B. das Österreichische Universitätsgesetz, § 55). Es ist im Sinne der skizzierten Entwicklungen, dass man solche Studien zusammen mit Bestandteilen hoher Flexibilität in Zukunft an Hochschulen forciert. Zudem ist wahrscheinlich, dass ein vergrößerter Selbststeuerungsanteil der Studierenden auch Lehrende entlastet, was zusätzliche Ressourcen für andere Aktivitäten (z. B. Forschung) freimacht.

1.3       Umsetzungshilfen

1.3.1     Handbücher zur Hochschullehre und zur Qualität in Studium und Lehre

Im deutschen Handbuch für Hochschullehre werden seit den 1990er Jahren vielfältige Beiträge zur Hochschuldidaktik und Hochschullehre erfasst (vgl. http://www.nhhl-bibliothek.de/ [Datum des Zugriffs: 17.11.2014]). International bzw. im anglo-amerikanischen Raum liegen auch ähnliche Handbücher vor (z. B. Deardorff et al., 2012). Solche Beiträge geben nicht nur Hilfen zu praktisch allen relevanten Themen (von Grundlagen des Lehrens und Lernens bis zu hochschuldidaktischer Aus- und Weiterbildung), sondern erlauben zudem die Verfolgung, Bewertung und Umsetzung von Trends in der Hochschuldidaktik. Speziell für das Hochschulmanagement und für hochschulisches Führungspersonal werden vom Handbuch Qualität in Studium und Lehre (vgl. http://www.hqsl-bibliothek.de/ [Datum des Zugriffs: 17.11.2014]) zudem viele praktische Umsetzungshilfen angeboten, die helfen, an aktuellen Trends orientiert, hochschulische und hochschuldidaktische Planungs- und Steuerungsentscheidungen zu fundieren. Diese Hilfen betreffen die Entwicklung neuer Studiengänge, Evaluationsverfahren, Qualitätsmanagement oder Hochschulprofile.

1.3.2     Checkliste für Lehrveranstaltungen zu internationalen Trends in der Hochschuldidaktik

In Bezug auf die oben gemachten Ausführungen können Aussagen formuliert werden, die als Orientierungshilfen bei der Gestaltung und Bewertung von Lehrveranstaltungen an Hochschulen dienen können (Tab. 1). Orientierungshilfen stellen für sich keine fertigen Evaluationsinstrumente dar, wohl aber Grundlagen für deren Formulierung. Solche Checklisten ermöglichen es festzustellen, ob allgemeine Trends oder deren Vorgaben und Auswirkungen tatsächlich in Lehrveranstaltungen gegeben sind.

Tab. 1: Checkliste für Lehrveranstaltungen zu internationalen Trends in der Hochschuldidaktik

Merkmale von Lehrveranstaltungen

1.  Einbettung in Kontexte Lebenslangen Lernens

–  Diese Lehrveranstaltung ist für Studierende unterschiedlicher Studienrichtungen zugänglich.

–  Die Lehrveranstaltung wird nicht nur in einem Hochschulstudium angeboten, sondern ganz oder teilweise auch in anderen Aus- oder Weiterbildungsangeboten außerhalb der Hochschule.

–  In der Lehrveranstaltung wird explizit die Vermittlung von allgemeinen Schlüsselkompetenzen (z. B. Kreativitätoder Kooperationsfähigkeit) angestrebt undgeprüft.

–  In der Lehrveranstaltung werden nicht nur Erkenntnisse aus der klassischen wissenschaftlichen Forschung beachtet, sondern auch informelle Formen der Wissensgewinnung (z. B. individuelle Projekte der Studierenden) integriert.

2.  Internationale Ausrichtung

–  Die Lehrveranstaltung gründet sich in einem bedeutsamen Ausmaß auf Erkenntnisse von Forscher und Forscherinnen mit internationaler Reputation.

–  Die Lehrveranstaltung wird von Studierenden aus dem Ausland besucht.

–  Die Lehrveranstaltung ist Teil eines internationalen Lehrangebotes.

–  Die Lehrveranstaltung ist Teil eines Lehrangebotes der Hochschule, das international evaluiert wird.

3.  Nützlichkeit

–  In der Lehrveranstaltung wird versucht, eine praktische und/oder berufliche Verwertbarkeit des Lehrstoffes zu fördern.

–  Bei der Prüfung zur Lehrveranstaltung wird die Anwendung des gelernten Wissens bei der Lösung von praktischen Problemen gemessen.

–  Studierende erfahren in der Lehrveranstaltung, wie sie das erworbene Wissen wirtschaftlich nutzen können.

–  In der Lehrveranstaltung werden aktuelle regionale und nationale Themen und gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigt.

4.  Unterstützungshilfen für Lehrende

–  Die Lehrveranstaltung wird unter Mithilfe von studentischen Hilfskräften vorbereitet und durchgeführt.

–  Die Lehrveranstaltung wird von der Anmeldung bis zur Prüfungsrückmeldung online (über Internetbasierte Lernmanagementsysteme) verwaltet.

–  Prüfungen zu dieser Lehrveranstaltung werden von eigenen Zentren für die Organisation und Auswertung von Prüfungen durchgeführt und ausgewertet.

–  Für die Verbesserung der didaktischen Qualität dieser Lehrveranstaltung werden an der Hochschule hilfreiche Kurse angeboten.

5.  Holistische Orientierung

–  Die Ergebnisse zur hochschuldidaktischen Evaluation der Lehrveranstaltungen werden mit anderen Evaluationsergebnissen zur Forschungs- und/oder Dienstleistungsqualität gekoppelt.

–  Die Lehrveranstaltung wird als Interventionsprogramm aufgefasst, in dem eine Input-Output- bzw. Wirkungsgrad-Bewertung stattfindet.

–  Die Lehrveranstaltung hat nicht nur das betreffende Fach im Fokus, sondern auch eine Persönlichkeitsförderung der Studierenden.

6.  Selbststeuerung durch die Studierenden

–  Die Lehrveranstaltung wird von Studierenden mit einem eigenen bzw. individuell zusammengestellten Studienplan (z. B. »Studium irregulare«) gewählt.

–  Ziele, Inhalte und/oder Methoden der Lehrveranstaltung werden gemeinsam mit Studierenden festgelegt.

–  Das in der Lehrveranstaltung Gelernte wird in eine individuelle Kompetenzentwicklung der Studierenden eingeordnet.

 

2          Allgemeiner didaktischer Zugang

 

 

2.1       Grundlagen des Lehrens und Lernens

Wie funktioniert eigentlich Lehren und damit auch Lernen an der Hochschule? Für Lehrende an Hochschulen mag diese Frage manchmal mehr und manchmal weniger im Hintergrund stehen. Tatsache ist, dass genau diese Frage einen recht komplexen Gegenstandsbereich adressiert, mit dem sich verschiedenste Disziplinen innerhalb der Hochschuldidaktik beschäftigen wie etwa die Erziehungswissenschaft oder die Psychologie. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist, dass Lernen einerseits manchmal ein automatisierter Prozess sein kann, manchmal allerdings auch harte (mentale) Arbeit erfordert. In Bezug auf die eingangs gestellte Frage muss man allerdings festhalten, dass Lehren an Hochschulen nicht immer auch zu Lernen führt. Manchmal gelingt dieser Automatismus, allerdings in den seltensten Fällen. Um näher zu verstehen unter welchen Bedingungen denn tatsächlich Lernen stattfinden kann, muss man zunächst verstehen, welche unterschiedlichen Prozesse dabei involviert sind bzw. was als Resultat eines Lernprozesses zu erwarten ist. Grob kann dabei zwischen drei psychologisch relevanten Bereichen unterschieden werden, die beim Lernen in und außerhalb der Hochschule involviert sind.

•  Den ersten Bereich stellen hier die kognitiven und metakognitiven Prozesse dar. Hier ist zentral, was wie gelernt wird und welche Ergebnisse des Lernprozesses im Sinne der Speicherung von Wissen zu erwarten sind. Metakognitive Prozesse dienen dabei der Steuerung und Überwachung des primär selbstgesteuerten Lernens an der Hochschule.

•  Ein zweiter Bereich ist die Motivation von Lernenden. Hier spielen insbesondere Aspekte wie das Interesse und die Leistungsorientierung beim Lernen eine Rolle. Aber auch Langeweile und Frustration können motivationale Prozesse sein, die beim Lernen an der Hochschule involviert sind.

•  Der dritte Bereich sind die Emotionen. Positive Emotionen wie etwa die (Vor-)Freude beim Lernen oder aber auch negative Emotionen wie Prüfungsangst sind hierfür Beispiele.

Im folgenden Abschnitt sollen zunächst Erwartungen hinsichtlich der kognitiven Dimension an die Ergebnisse des Lernens an der Hochschule thematisiert werden. Emotionale und motivationale Aspekte werden ebenso wie metakognitive Aspekte insbesondere im Kapitel über das selbstgesteuerte Lernen (Kap. 3.3) fokussiert.

2.1.1     Ergebnisse von Lernprozessen: Wissen und unser Gedächtnissystem

Als Ergebnis von Lernprozessen können unterschiedliche Arten von mentalen Repräsentationen betrachtet werden. Hier kann man grob zwischen kognitiven, emotionalen, motivationalen oder motorischen Bereichen unterscheiden, die sich aber auch durchaus überschneiden können. Eng verbunden mit diesen Bereichen ist auch die Frage, wie diese Ergebnisse erworben und repräsentiert werden. Mit anderen Worten: Wie wird gelernt? Dabei spielt in den meisten hochschulrelevanten Bereichen die Auffassung über Lernen im Sinne des Aufbaus und der Veränderung von Wissensstrukturen eine wesentliche Rolle.

Grundlegend ist dabei die Annahme aus der Kognitionswissenschaft, dass wir Informationen in unserem Langzeitgedächtnis auf unterschiedliche Art und Weise speichern. Eine grundlegende Form der Wissensrepräsentation im Langzeitgedächtnis ist die sog. »analoge« Speicherung von Informationen in Form von grundlegenden Bedeutungseinheiten, den sog. »Propositionen« (vgl. Myers & Wilson, 2014). Aufbauend auf Befunden der Leseforschung wird hier angenommen, dass Lernende etwa beim Lesen oder auch beim Zuhören nach einer gewissen Zeit die aufgenommenen Informationen nicht mehr wortwörtlich wiedergeben können, die Bedeutung des Gesagten/Geschriebenen allerdings schon. Bei der Verarbeitung der Informationen werden also die grundlegenden Bedeutungseinheiten erfasst und diese dann gespeichert (Kintsch & van Dijk, 1978; vgl. auch Pollatsek, Ashby & Clifton, 2012). Diese Propositionen sind im Gedächtnis miteinander verbunden. Neue Informationen können in diese Bedeutungsnetzwerke ein- oder angefügt werden; zudem können auch bestehende Verbindungen aufgelöst und neue Verbindungen geknüpft werden. Diese Form der Speicherung kann kognitive, emotionale wie auch motivationale Informationen beinhalten.

Neben der Speicherung von Propositionen ist die Speicherung mentaler Bilder und Modelle noch eine zusätzliche Speicherung. Auch hier entspricht die Information, die etwa gesehen wurde, nicht genau dem, was gespeichert wird. Gespeichert wird hier nur das vermeintlich wichtige. Auch dabei können emotionale, motivationale als auch kognitive Inhalte gespeichert werden (Johnson-Laird, 1995).

Eine weitere Speicherform sind sog. »Scripts« (Schank & Abelson, 1977). Dies sind Speicherungen über Ereignisabfolgen. Ein Beispiel für ein Script ist etwa die Kenntnis über die Reihen- und Abfolge von Handlungen, etwa in »traditionellen« Vorlesungen aus studentischer Sicht: Man findet sich zu Beginn der Veranstaltung im entsprechenden Raum ein, sucht sich einen freien Platz, setzt sich, nimmt die Unterlagen sowie Schreibutensilien zur Veranstaltung heraus, der/die Vortragende kommt und beginnt die Vorlesung, während der Vorlesung werden Notizen angefertigt, nach neunzig Minuten endet die/der Vortragende, die begleitenden Dokumente werden eingepackt, man verlässt den Veranstaltungsraum.

Nicht nur solche, typischerweise gesellschaftlichen Konventionen folgende Scripts gibt es, sondern auch etwa bezogen auf physikalische oder biologische Ereignisse (z. B. Wissen, was mit einem Ball passiert, der im schrägen Wurf geworfen wurde oder wie sich der Zustand eines Laubbaums im Lauf eines Jahres ändert; vgl. Heran-Dörr, Wiesner & Kahlert, 2007). Eine weitere Betrachtung dessen, was als Produkt eines Lernprozesses aufgefasst werden kann, ist das sog. »fallbasierte« Wissen. Das Besondere an dieser Speicherform ist, dass wir uns hier an einzelne Ereignisse (Fälle) erinnern, die wir bereits entweder erfolgreich oder auch erfolglos gelöst haben. Wenn wir einen Fall bearbeiten (z. B. die Lösung eines statistischen Problems, die Behandlung einer Krankheit, den Entwurf eines Motors etc.), speichern wir sowohl die Besonderheiten dieses speziellen Einzelfalls als auch in generalisierter Form die übergreifenden Merkmale. Alle diese Informationen werden in Form von Abrufmerkmalen (sog. » cues«) kodiert und wenn wir vor einer neuen, aber ähnlichen Aufgabe stehen, können wir diese Information anhand dieser Merkmale abrufen. Gerade mit zunehmender Expertise steht so eine umfangreiche Fallbibliothek zur Verfügung, die das Lösen neuer Probleme erleichtert (Zumbach, Haider & Mandl, 2008).

Neben diesen grundlegenden Speicherformen wird Wissen weiterhin in sog. »Deklaratives Wissen« und »Prozedurales Wissen« unterschieden. Diese Unterscheidung bezieht sich in erster Linie auf das, was wir mit diesem Wissen anfangen können. Grob kann das deklarative Wissen als »Wissen, dass …« bezeichnet werden, also das Wissen über Sachverhalte und die Fähigkeit, diese wiederzugeben. Das prozedurale Wissen ist hingegen grob als »Wissen, wie …« zu verstehen, also Wissen, wie eine Handlung durchgeführt werden kann und auch die Fähigkeit, diese Handlung durchzuführen (Myers & Wilson, 2014).

Implikationen hat dies insbesondere dafür, was man als Lehrziel vor Augen hat, bzw. welches Lernziel die Studierenden erreichen sollen. Dies findet insbesondere in sogenannten »Lernzieltaxonomien« Berücksichtigung. Zu den bekanntesten Lehrzieltaxonomien gehört die von Bloom (vgl. Krathwohl, Bloom & Masia, 1964; Krathwohl, 2002). Eine revidierte und überarbeitete Form, die eher von angewandten Kompetenzen ausgeht, ist die Lehrzieltaxonomie von Anderson und Krathwohl (2001). Tabelle 2 zeigt beide Taxonomien im Vergleich (vgl. Zumbach, 2010, S. 31). Als Lehrziele definiert man dabei das, was man plant bei der Wissensvermittlung zu erreichen. Im Gegensatz dazu sind Lernziele das, was Lernende tatsächlich erreichen.

Tab. 2: Lehrzieltaxonomie nach Bloom und Lernzieltaxonomie nach Anderson und Krathwohl (2001)

In der Bloom’schen Taxonomie steht im Vordergrund, welche Art von Wissen man als Lehrender bei den Lernenden erreichen möchte. Entsprechend steht die Gestaltung von Lehrzielen und deren Umsetzung im Unterricht im Vordergrund. Die Revision von Anderson und Krathwohl (2001) adressiert in erster Linie Kompetenzen, welche die Lernenden nach einer Lehreinheit erworben haben sollten (also Lernziele im engeren Sinn). Je nach Lehrziel (bzw. Lernziel) sind bestimmte tradierte Formate und zugrunde liegende didaktische Methoden der Hochschullehre mehr oder weniger indiziert. So ist es eher unwahrscheinlich, dass mit dem üblichen Format der Vorlesung höhere Ebenen wie Synthese oder Evaluation adäquat erreicht werden können.

Aber unabhängig davon, welche Stufe in welcher Taxonomie erreicht werden soll oder erreicht wird, erfolgt die Speicherung dieses Wissens im Langzeitgedächtnis. Dieses Gedächtnissystem steht in Wechselwirkung mit einem anderen Gedächtnissystem, dem sog. »Arbeitsgedächtnis«. Und dieses Speichersystem weist einige Eigenschaften auf, die direkte Relevanz für die Gestaltung von Hochschullehre haben (Abb. 2).

Abb. 2: Menschliche Informationsverarbeitung (nach Mietzel, 2007)

2.1.2     Der Weg zum Wissen im Langzeitgedächtnis: Vom sensorischen Register in das Arbeitsgedächtnis

Informationen aus unserer Umwelt nehmen wir mit unseren Sinnen auf. Durch unsere Sinneskanäle landen diese Informationen zunächst in unserem Ultrakurzzeitgedächtnis, welches auch als »Sensorisches Register« bezeichnet wird. Theoretisch ist die Menge an Informationen, die hier gespeichert werden kann, unbegrenzt. Allerdings ist die Speicherdauer dieser Informationen nur sehr kurz und nur durch aktive Aufmerksamkeit können Informationen dorthin gelangen, wo sie auch bewusst verarbeitet werden: ins Arbeitsgedächtnis.

Das Arbeitsgedächtnis ist die Instanz, in welcher bewusst Informationen verarbeitet werden (vgl. Mietzel, 2007; Mayer, 2014). Zu diesen gehören sowohl neue Informationen, die wir aus der Außenwelt aufnehmen als auch solche, die wir aus dem Langzeitgedächtnis abrufen. Diese Instanz weist einige Besonderheiten auf, welche die Informationsverarbeitung direkt beeinflussen. So ist die Dauer der Speicherung von Informationen auf wenige Sekunden beschränkt (vgl. Ericsson & Kintsch, 1995). Zudem ist die Kapazität der Informationen, welche gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis gehalten werden können, beschränkt. In die Literatur ging diese Beschränkung als » Miller’s Magical Number 7« ein, da die Zahl der Informationseinheiten, die bei Erwachsenen hier gehalten werden können, zwischen fünf und neun liegt (»7±2«). Dies gilt allerdings nur für einzelne Informationseinheiten wie etwa einzelne Zahlen und nur dann, wenn keine Operationen wie etwa Rechenvorgänge durchgeführt werden. In letzterem Fall steht entsprechend weniger Kapazität zur Verfügung. Die Informationen, die aus dem Langzeitgedächtnis ins Arbeitsgedächtnis überführt werden, nehmen aber nicht nur Speicherplatz in Anspruch, sondern tragen auch dazu bei, dass wir mehr Informationen im Arbeitsgedächtnis aufnehmen können. Den hier zugrunde liegenden Prozess nennt man » Chunking«, also das Zusammenfassen von Informationen in übergeordnete Informationseinheiten. Dadurch steigt zwar nicht die Menge an Informationseinheiten, die im Arbeitsgedächtnis gehalten werden können, aber der Umfang der darin zusammengefassten Informationen (vgl. Oberauer, Mayr & Kluwe, 2005).

Ziel der Informationsverarbeitung ist es, neue Informationen in das Langzeitgedächtnis zu überführen bzw. an dort gespeicherte Informationen anzubinden. Auch Neuordnungsprozesse oder das Schaffen neuer Verbindungen von Informationen, die bereits im Langzeitgedächtnis gespeichert sind, gehören zu den Prozessen im Arbeitsgedächtnis. Während manche Autoren das Arbeitsgedächtnis als eigene Instanz betrachten (z. B. Baddedley, 2002), sehen andere im Arbeitsgedächtnis einen Prozess, der als Teilaktivierung des Langzeitgedächtnisses verstanden werden kann (z. B. Cowan, 1999; 2001).

Direkte Implikationen der Eigenschaften des Arbeitsgedächtnisses bzw. des gesamten Gedächtnissystems ergeben sich für die Hochschullehre in verschiedener Hinsicht. So ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Informationen überhaupt im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden können, dass die Aufmerksamkeit der Lernenden vorhanden ist. Dies scheint auf den ersten Blick trivial zu sein, dennoch gilt es zu überlegen, dass hier verschiedene Faktoren wie Interesse, Motivation, Emotion, aber auch etwa physiologische Faktoren einen wesentlichen Einfluss nehmen können. Betrachtet man den studentischen Alltag, dann kann es durchaus vorkommen, dass Studierende etwa die dritte oder vierte Lehrveranstaltung in Folge besuchen. Hier kann schon alleine durch Ermüdungsprozesse die Aufmerksamkeit deutlich eingeschränkt sein. Eine weitere Implikation ergibt sich aus der Frage, wie Informationen vom Arbeitsgedächtnis dauerhaft ins Langzeitgedächtnis überführt werden können. Der ausschlaggebende Faktor ist dabei, dass eine aktiveInformationsverarbeitung stattfindet. Aktiv bedeutet dabei etwa nicht, dass man nur aktiv zuhört (das ist doch eher passiv), sondern dass der oder die Lernende aktiv etwas mit neu gewonnenen Informationen macht.

Exkurs: Das Arbeitsgedächtnis und die Cognitive-Load-Theorie

Mit der Frage der Auslastung der begrenzten Ressourcen des menschlichen Arbeitsgedächtnisses (AG) beschäftigt sich die Cognitive-Load-Theorie. In der ursprünglichen Version der Theorie (vgl. Sweller, 1999; Sweller, van Merriënboer & Paas, 1998) wurden drei unterschiedliche Arten der Nutzung des Speichers im AG unterschieden: Die intrinsische Belastung (Intrinsic Cognitive Load; ICL), die lernirrelevante Belastung (Extraneous Cognitive Load;ECL) und die lernförderliche Belastung (Germane Cognitive Load, GCL). Die intrinsische Belastung ergibt sich aus der Anzahl an Elementen, welche gleichzeitig im Arbeitsgedächtnis gehalten werden müssen sowie dem Grad ihrer Interaktivität. Je mehr Elemente dies sind und je mehr diese interagieren (z. B. verschiedene Zahlen, mit denen auch noch mathematische Operationen durchgeführt werden müssen), desto höher ist diese Belastung. Diese Art der Belastung ist in hohem Maße vom Vorwissen der Lernenden abhängig, da es dieses Vorwissen (aus dem Langzeitgedächtnis) ermöglicht, dass einzelne Elemente zu übergeordneten Bedeutungseinheiten zusammengefasst werden können (durch Chunking). Die lernirrelevanten Belastungen sind allesamt solche, die nichts mit dem eigentlichen Lernprozess zu tun haben und unnötig Ressourcen in unserem AG okkupieren. Diese gilt es aus der Sicht der Lehrenden zu minimieren. Die lernförderliche Belastung ist aktiviertes Wissen aus unserem Langzeitgedächtnis, an welches neue Informationen angeknüpft werden können. Da diese aktivierten Inhalte aus dem Langzeitgedächtnis kaum zu trennen sind von den Inhalten, die bei der intrinsischen Belastung involviert sind, wird in neueren Ansätzen der Cognitive-Load-Theorie wesentlich nur noch zwischen der lernrelevanten und der lernirrelevanten kognitiven Belastung unterschieden (Paas & Sweller, 2014; Sweller, Ayres & Kalyuga, 2011). Bei der Gestaltung von Lehr-Lernszenarien ist es nun ein zentrales Anliegen, dass die lernirrelevante kognitive Belastung minimiert wird. Hierzu haben sich verschiedene Möglichkeiten zur Gestaltung von Lernmaterialen etabliert. Zu den prominentesten Effekten gehören dabei der Split-Attention-Effekt und der Worked-Example-Effekt. Beim Split-Attention-Effekt liegt das Prinzip zugrunde, dass Lernmaterialen, bei denen die Informationen räumlich voneinander getrennt sind, ein zusätzlicher kognitiver Aufwand (ECL) durch die mentale Zuordnung dieser getrennten Informationen entsteht (vgl. Ayres & Sweller, 2014). Gerade in Lehrbüchern findet sich häufig aus Gründen des Drucksatzes eine Abbildung auf einer Seite und die dazugehörigen Erläuterungen auf Folgeseiten. Gerade diese Form der Darstellung kann zu einer geteilten Aufmerksamkeit führen. Bei solchen räumlich getrennten Informationen spricht man auch vom separierten Format (im Gegensatz zum integrierten Format; Abb. 3).

Abb. 3: Integriertes und separiertes Format (nach Yeung, Jin & Sweller, 1998)

Das obige Beispiel kann beim separierten Format bei Lernenden zu einer geteilten Aufmerksamkeit führen, weil die synonymen Vokabelerläuterungen räumlich vom eigentlichen Satz getrennt sind. Dies ist beim separierten Format nicht der Fall. Allerdings spielt hier auch wiederum das Vorwissen der Lernenden eine zentrale Rolle. Sind etwa die Vokabeln aus dem aufgeführten Beispiel den Lernenden bereits bekannt, dann sind die Informationen redundant. Diese Redundanz muss erkannt und eliminiert, also kognitiv verarbeitet werden, was wiederum auch Ressourcen unseres Arbeitsgedächtnisses okkupiert. Beim separierten Format können diese Informationen einfach ausgeblendet bleiben. Daher kann ein und dasselbe Präsentationsformat für unterschiedliche Zielgruppen von Lernenden unterschiedliche Auswirkungen haben. Hier kehrt sich der Effekt mit zunehmender Expertise der Lernenden um (der sog. » Expertise-Reversal-Effekt« vgl. Kalyuga, 2014; Kalyuga et al., 2003). Bei wenig Vorwissen führt das separierte Format zu einer höheren lernirrelevanten Belastung (dem Split-Attention-Effekt), bei hohem Vorwissen führt das integrierte Format zu einer höheren lernirrelevanten Belastung (dem Redundanz-Effekt).

Beim Worked-Example-Effekt folgt man der Annahme, dass beim Lösen von Problemlöseaufgaben das reine Ausprobieren bzw. Üben ebenfalls Lernende mit geringem Vorwissen kognitiv überfordern kann bzw. die kognitive Belastung zu hoch ist. In verschiedenen Studien konnte gezeigt werden, dass man durch das Lernen mit sog. » Worked Examples«, also Lösungsbeispielen den Lernerfolg hier fördern kann. Durch das Vorgeben der Problemstellung, den notwendigen Lösungsschritten und der finalen Lösung werden unnötige kognitive Prozesse vermieden, welche nichts mit dem Verstehen zu tun haben (vgl. Sweller & Cooper, 1985; Van Gerven et al., 2002). Allerdings besteht die Gefahr bei Lösungsbeispielen darin, dass diese nur oberflächlich verarbeitet werden. Hier können zusätzliche Maßnahmen wie das eigenständige Erklären des Lösungsbeispiels durch die Lernenden (sog. Selbsterklärungen) dazu beitragen, dass eine tiefere Verarbeitung erfolgt (Renkl, 2014; Wylie & Chi, 2014).

2.1.3     Wissen über Wissen: Metakognitionen

Metakognitionen sind Denkprozesse, welche über das Denken selbst stattfinden. Diese kann man wiederum in Kategorien bündeln, welche unterschiedliche Aspekte von Metakognitionen wiedergeben (vgl. Hacker, Dunlosky & Graesser, 2009, sowie Kap. 3.3).

•  Wissen und Kontrolle über die Umwelt: Diese Form von Denkprozessen beschäftigt sich mit der Frage, welche Umwelteinflüsse positive bzw. negative Einflüsse auf unsere Denk- und Lernprozesse haben können. So gehört hier etwa die Organisation des Lernplatzes dazu wie auch die Bevorzugung (oder Vermeidung) von Orten, an denen besser (oder schlechter) gelernt wird.

•  Wissen und Kontrolle über die eigene Aufmerksamkeit: Die eigene Aufmerksamkeit zu überwachen ist ein wesentlicher Schritt, um oberflächliche Informationsverarbeitung zu vermeiden. Erst wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf lernrelevante Aspekte richten, können diese Informationen auch im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden. Negative Entwicklungen wie etwa Ermüdungsprozesse gilt es hier zu erkennen und dann entsprechend beispielweise Pausen beim Lernen zu machen. Auch das Wissen über den eigenen Organismus wie natürliche Aufmerksamkeitsschwankungen im Tagesverlauf zu erkennen und damit umgehen zu können, gehören hierzu.

•  Wissen und Kontrolle über eigene Gedächtnisprozesse: Hierzu gehört die Nutzung von Lernstrategien, die es uns hilft, Informationen tiefer zu verarbeiten. Dazu können einfache Strategien wie das Markieren von Textpassagen, Wiederholen oder bspw. MindMapping-Methoden gehören. Auch das Nutzen von spezifischen Lernstrategieansätzen wie die SQ3R-Methode (siehe folgender Exkurs) fällt in diese Kategorie.

•  Wissen und Kontrolle über den eigenen Lernfortschritt: Gerade beim selbstgesteuerten Lernen (z. B. bei der Vorbereitung auf eine Prüfung) ist es notwendig, den eigenen Lernfortschritt systematisch zu evaluieren. Ansonsten läuft man Gefahr, etwa den eigenen Fortschritt zu überschätzen. Dies kann sich etwa darin äußern, dass man vermeintlich etwas verstanden hat, dies dann aber letztlich doch nicht der Fall ist. Oder aber man meint, dass man sich einen spezifischen Inhalt gemerkt hat, diesen aber dann doch nicht wiedergeben kann.

Die Forschung um den Einsatz metakognitiver Prozesse belegt, dass diese den Lernfortschritt begünstigen können (vgl. Azevedo & Aleven, 2013; Bannert & Mengelkamp, 2013; Hacker, Dunlosky & Graesser, 2009). Metakognitionen lassen sich auch fördern, etwa durch das Training von Lernstrategien oder auch durch die Aufforderung zur Nutzung von Metakognitionen. In einer Studie von Bannert, Hildebrand und Mengelkamp (2009) wurden Studierenden in einer Gruppe grundlegende metakognitive Strategien vermittelt (z. B. sich einen Überblick verschaffen und Lernziele setzen). In einer anschließenden Auseinandersetzung mit vorgegebenem Lernstoff wurden sie zu verschiedenen Zeitpunkten aufgefordert, diese Strategien anzuwenden. Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe, welche ohne diese zusätzlichen Maßnahmen sich mit dem Stoff auseinanderzusetzen hatte, zeigten sich deutlich bessere Lern- und Behaltensleistungen.

Exkurs: Lernstrategien – die SQ3R-Methode

Die SQ3R- Methode gehört zu den bekanntesten Strategien zur Förderung des selbstgesteuerten Lernens mit Texten. Ein wesentliches Ziel ist es hierbei, eine aktive und tiefe Verarbeitung von Informationen zu fördern. Dies ist beispielsweise auch bereits beim Markieren von Textstellen gegeben, denn nicht das Markieren an sich stellt die Lernförderung dar, sondern das aktive Überlegen, welche Stellen markiert werden sollen und welche nicht. SQ3R steht für Survey (Überblick), Question (Fragen stellen), Read (Lesen), Recite (Beantworten) und Review (Wiederholen, Prüfen der eigenen Notizen). Beim Überblick geht es darum, dass man sich anhand der Textgestaltungsmerkmale eine Übersicht verschafft. Hierzu gehört etwa das Sichten der Überschriften, aber auch das Betrachten von Abbildungen, Abbildungsbezeichnungen etc. Dies soll dazu dienen, das Vorwissen zu aktivieren und sich entsprechend auf das vorzubereiten, was einem an Inhalten erwartet. Beim Fragenstellen geht es darum, dass man anhand der Überschriften oder anderer Textgestaltungsmerkmale (z. B. auch Marginalien) Fragen formuliert. Für diesen Abschnitt könnte die entsprechende Frage beispielweise lauten »Was ist die SQ3R-Methode und wofür stehen die Buchstaben?«. Erst im nächsten Schritt wird dann der entsprechend vorbereitete Abschnitt gelesen. Wichtig ist dabei, dass umfangreiche Texte nicht auf einmal bearbeitet werden. Beim vorletzten Schritt werden dann nach dem Lesen die zuvor formulierten Fragen beantwortet. Schließlich wird der Inhalt des bearbeiteten Textteils nochmals wiederholt.

Die Entwicklung dieser Methode wird Robinson (1946) zugeschrieben und ähnliche Ansätze finden sich etwa im MURDER-Skript (Mood, Understanding, Recall, Digest, Expand, Review; vgl. Dansereau et al., 1979) oder der PQ4R-Methode (Preview, Question, Read, Reflect, Recite, Review; vgl. von Werder, 1994). Neben Strategien zur Verarbeitung von Texten gibt es ähnliche Techniken auch für Vorträge bzw. Vorlesungen. Pauk und Owens (2005) schlagen hier als sog. Cornell-Methode das 6R-System vor. Das 6R-System steht für Record (eine Mitschrift anfertigen), Reduce (die Kernpunkte herausarbeiten), Recite (Wiederholen der wichtigen Punkte), Reflect (Reflektieren der Inhalte, Herausarbeiten der Bedeutung), Review (die eigenen Notizen überdenken), Recapitulate (Wiederholen der gesamten Punkte). Als Grundlage für diese Strategie wird auch die Aufteilung der Notizen vorgeschlagen (Abb. 4). Durch die räumliche Trennung der einzelnen Bestandeile bleibt die Mitschrift übersichtlich und kann einfacher wiederholt werden.

Abb. 4: 6R-System nach Pauk und Owens (2005) zur Gestaltung von Mitschriften

2.1.4     Emotionale und motivationale Aspekte des Lernens in der Hochschule

Neben den kognitiven und metakognitiven Prozessen nehmen auch motivationale und emotionale Prozesse beim Lernen in der Hochschule einen hohen Stellenwert ein. Wie bereits skizziert, sind im motivationalen Bereich gerade Prozesse der Handlungsinitiierung wie auch der Handlungsaufrechterhaltung relevant. Hier sind auch entsprechende Emotionen bei der internen Steuerung von Lernprozessen involviert.

Lernrelevante Emotionen können hinsichtlich ihrer Valenz, ihrer Dauer und der Art ihrer Energetisierung