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Auch wenn der Diamantring verheißungsvoll funkelt, sie trägt ihn nur, weil sie Christos' Verlobte spielen soll. Das glaubt Natalie zumindest. Doch als die hübsche junge Frau ihren attraktiven Boss in seine Heimat Brasilien begleitet, erlebt sie eine angenehme Überraschung …
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Seitenzahl: 168
IMPRESSUM
Ein Diamantring vom Boss erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© 2009 by Barbara Schenck Originaltitel: „One-Night Mistress … Convenient Wife“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 335 - 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg Übersetzung: Kerstin Ruhkieck
Umschlagsmotive: TongRo Images Inc / ThinkstockPhotos
Veröffentlicht im ePub Format in 05/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733777425
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY
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Als Natalie mit ihrem Wagen in die Garage fuhr, spürte sie eine betäubende Panik, die sie seit drei Jahren nicht mehr empfunden hatte.
„Absolut unnötig“, sagte sie laut zu sich selbst und stellte den Motor aus. Vielleicht half es ja, wenn sie ihre Gedanken laut aussprach. Doch leider besaß ihr Verstand nicht annähernd die gleiche Macht wie das angespannte Gefühl in ihrer Brust.
„Jetzt reiß dich zusammen.“
Natalie sollte doch nur auf die Katze aufpassen! Sie würde die Blumen gießen und für zwei oder drei Wochen in der Wohnung ihrer Mutter leben. Laura war nach Iowa geflogen, um ihre eigene Mutter nach einer Hüftoperation zu pflegen. Mehr nicht.
Eigentlich hätte der Nachbarjunge Harry von gegenüber sich um die Blumen kümmern sollen. Doch er hatte sich ein Bein gebrochen und fiel aus. Und so hatte Natalie erst vor ein paar Stunden erfahren, wo sie in den nächsten Wochen wohnen würde.
„Es tut mir leid, dass ich dich das fragen muss“, hatte Laura Ross am Telefon zu ihrer Tochter gesagt.
„Ist schon in Ordnung. Natürlich mache ich das gern für dich.“ Das war eine glatte Lüge gewesen.
Und da war Natalie nun. Sie musste nur aus dem Auto steigen, einmal um das Gebäude herum gehen, die Treppen hoch zur Wohnung ihrer Mutter steigen und die Tür öffnen.
Mit etwas Glück musste sie sich keine Sorgen machen. Wie groß war schon die Wahrscheinlichkeit, dass sie ausgerechnet bei dem kurzen Weg um das Gebäude herum und die Treppe hoch zur Wohnung auf den Eigentümer und Chef ihrer Mutter traf?
Gering, entschied Natalie. Und wenn es nach ihr ginge, würde sie in den nächsten Wochen gar nicht auf Christos Savas treffen. Und falls doch? Sie war eine erwachsene Frau. Sie würde ihn höflich anlächeln und sich nicht von ihm durcheinanderbringen lassen. Es spielte nicht die geringste Rolle, was er über sie dachte!
„Genau!“, bestätigte Natalie sich selbst.
Sie holte noch einmal tief Luft und stieg aus ihrem Auto. Dabei passte sie auf, dass ihre Wagentür nicht den Lack von Christos’ Jaguar direkt daneben zerkratzte. Es war noch der gleiche Jaguar wie vor drei Jahren.
Damals hatte auch Natalie in dem Wagen gesessen. Das Verdeck heruntergeklappt, hatte sie ihren Kopf zurückgelegt und den Wind in ihrem Haar gespürt. Sie hatte gelacht, den Kopf zu dem Mann am Steuer geneigt und es gewagt, sich diesem lächerlichen Traum hinzugeben …
Natalie wandte sich von dem Jaguar ab und schlug ihre Wagentür mit einem heftigen Stoß zu. Sie ging zum Kofferraum und holte ihre Laptoptasche und ihren Koffer. Ihr Herz klopfte heftiger, als es ihr lieb war, während sie das Tor zu dem kleinen Garten öffnete.
Der Garten war leer, und Natalies Atem beruhigte sich. Dann ging sie los, ohne Christos’ großes Haus auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie wusste auch so, dass ihre Mutter dort ein wunderschönes Blumenmeer angelegt hatte. Eilig huschte Natalie über die Holzstufen, die zu Lauras Wohnung über der Garage führten. Als sie die Veranda erreichte, konnte sie die Straße zur Promenade mit dem Strand dahinter sehen. Niemand war dort. Natalie stellte ihr Gepäck ab und suchte in ihrer Handtasche nach dem Haustürschlüssel.
Es war fast sechs Uhr. Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass Christos für gewöhnlich nach der Arbeit zum Surfen ging, um den Kopf frei zu bekommen. Danach kam er gegen sieben zum Abendessen, das er und Laura zusammen einnahmen.
„Du isst mit ihm zu Abend?“, hatte Natalie ihre Mutter bestürzt gefragt, als diese ihr von den abendlichen Abläufen erzählte.
„Ich koche nur ungern für mich allein.“
„Du kochst für ihn?“
„Ich koche für mich“, erklärte ihre Mutter nüchtern, als sie Natalies Missbilligung bemerkte. „Und ich koche immer zu viel, wie du weißt. Das reicht für zwei.“
„Also ich werde bestimmt nicht für ihn kochen“, sagte Natalie entschlossen.
„Natürlich nicht“, verwarf Laura diesen Gedanken. „Das würde er sowieso nicht erwarten.“
Nein, und er würde es auch nicht wollen.
„Wahrscheinlich wird er nicht einmal bemerken, dass du da bist“, fuhr ihre Mutter fort. Diese Aussicht hob Natalies Stimmung schlagartig. „Er weiß, dass ich Harry gebeten habe, sich um die Katze und die Pflanzen zu kümmern. Ich habe ihm noch nicht erzählt, dass Harry ausfällt. Ich möchte nicht, dass er sich verantwortlich fühlt. Vermutlich würde er denken, er müsste sich nun um Herbie und die Pflanzen kümmern. Aber wie könnte er das? Er hat so viel zu tun.“
Das stimmte. Natalie hatte selbst miterlebt, wie hart Christos Savas arbeitete. Und wenn es nach ihr ging, brauchte er nicht zu erfahren, dass sie hier war.
Nachdem sie die Tür aufgeschlossen hatte, stellte Natalie ihre Sachen in dem kleinen Eingangsbereich ab, schloss die Augen und holte erleichtert Luft. Hier war es angenehm kühl.
„Natalie?“ Die Stimme klang schroff, ausgesprochen männlich und ebenso schockiert, wie Natalie sich in diesem Moment fühlte. Sie riss die Augen auf und blinzelte mehrmals, bevor sie sich an das dämmrige Licht der Wohnung gewöhnt hatten. Ein Mann hockte vor dem Kamin und richtete sich bei ihrem Anblick zu seiner vollen Größe auf. Argwöhnisch sah er auf Natalie herab.
Ungläubig blickte sie ihn an. „Christos?“ Es war ihr fast unmöglich, seinen Namen auszusprechen. Ihre Augen trafen sich, und für einige Momente ließ keiner von ihnen den Blickkontakt wieder abreißen.
„Was machst du hier?“, fragten schließlich beide gleichzeitig.
„Ich wohne hier. Also da drüben“, sagte Christos und deutete mit dem Kopf in Richtung des Hauses hinter dem Garten. Dann entdeckte er den Koffer zu Natalies Füßen. „Wofür brauchst du den?“
Das unterschwellige Misstrauen in seiner Stimme verletzte Natalie. „Ich ziehe hier ein“, erwiderte sie und gab sich die größte Mühe, selbstsicher zu klingen. „Aber nur zeitweise.“
Christos sah sie zweifelnd an. „Und warum?“
„Ich passe auf Herbie und die Pflanzen auf.“
„Ich dachte, Harry …“
„Harry hat sich ein Bein gebrochen.“
Natalie sah die Verblüffung in seinem Gesicht. „Davon hätte ich gehört …“
Es war ganz eindeutig, dass er ihr nicht glaubte.
„Frag doch Harrys Mutter. Aber weißt du was? Vielleicht hast du recht, und das ist alles nur ein gut eingefädelter Plan meiner Mutter, um uns zusammenzubringen.“
Der Hohn in ihrer Stimme gefiel ihm offenbar ganz und gar nicht. „Ich kann die Katze füttern und die Blumen gießen“, wechselte er das Thema, wobei sein Vorschlag eher wie ein Befehl klang.
„Ich bin sicher, dass du das kannst, aber meine Mutter hat nun einmal mich darum gebeten, also werde ich es auch tun“, erklärte Natalie etwas steif.
Er verzog das Gesicht.
„Jetzt weißt du zumindest, warum ich hier bin“, beendete sie schließlich das Verhör. „Aber was ist mit dir? Ich hoffe, es ist keine Gewohnheit, dass du dich allein in der Wohnung meiner Mutter aufhältst.“
Christos’ Unterkiefer spannte sich an. „Natürlich ist es keine Gewohnheit. Ich bin gerade dabei, die Bücherregale auszumessen.“ Er hob eine Hand, in der er einen Zollstock hielt.
„Welche Bücherregale?“, fragte Natalie irritiert.
„Deine Mutter spricht immer davon, dass sie sich Bücherregale neben dem Kamin wünscht.“ Mit dem Kopf deutete er zu dem leeren Platz hinter sich. Natalie verstand sofort, was ihre Mutter meinte. Bücherregale wären dort einfach perfekt.
„Es soll ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk sein.“
Dass Christos tatsächlich wusste, dass ihre Mutter letzte Woche Geburtstag gehabt hatte, überraschte sie.
„Du willst die Regale also aufbauen lassen, während meine Mutter fort ist?“
„Nein. Ich habe die Absicht, es selbst zu tun.“
Natalie und Christos starrten sich an. Die Anziehung zwischen ihnen war überdeutlich zu spüren, auch wenn Natalie das nicht wahrhaben wollte.
„Nun ja, ich fürchte, das wird nicht gehen“, verkündete sie und verschränkte ablehnend die Arme vor der Brust.
Sein Kiefer spannte sich noch mehr an, doch diesmal sagte er nichts. Immer noch blickten sie sich an, und Natalie wollte nicht die Erste sein, die wegsah.
„Von mir aus“, sagte Christos schließlich. „Ich vermesse das hier eben zu Ende. Das Holz bringe ich dann hoch, wenn Laura wieder da ist. Ich bin mir sicher, sie hat nichts dagegen, wenn ich ihre Wohnung in ein Chaos verwandle, während sie danebensitzt.“ Damit drehte er sich um und kniete sich wieder hin, ohne Natalies Reaktion abzuwarten.
Natalie starrte seinen Rücken an. Wie hatte sie nur jemals mit diesem Mann den Rest ihres Lebens verbringen wollen? Wie hatte sie sich überhaupt in jemanden wie ihn verlieben können?
Eigentlich war sie auch nur ein wenig vernarrt in ihn gewesen. Die Jurastudentin, die als Büroangestellte in der Kanzlei den talentierten Anwalt anhimmelte. Eine einfache Schwärmerei. Er hatte ihr mit seiner Intelligenz und seinem Aussehen den Kopf verdreht, und die ständige erotische Spannung zwischen ihnen hatte ein Übriges getan.
Dann erinnerte Natalie sich an den Kuss. Der Kuss!
Niemals würde sie ihn vergessen! Sie hatte es versucht, doch es war ihr nicht gelungen, den Moment, als ihre Lippen die von Christos berührten, vollständig aus ihrer Erinnerung zu verbannen. Es war der heißeste und verführerischste Kuss ihres Lebens gewesen – und daran hatte sich bis heute nichts geändert.
Dieser kurze Moment trug die Schuld an dem, was später in jener unheilvollen Nacht vor drei Jahren geschehen war. Doch das würde sich nicht wiederholen, ganz egal, was Christos denken mochte.
„Meinetwegen. Dann bring die Bücherregale eben an, solange ich hier bin“, gab sie schließlich nach.
Christos drehte sich zu ihr um und warf ihr einen misstrauischen Blick zu.
Sie erwiderte ihn mit einem zuckersüßen Lächeln. „Keine Sorge. Ich werde dir aus dem Weg gehen, so gut es geht. Ich werde dich nicht nerven und auch nicht in mein Bett einladen. Oder in deinem auftauchen, falls du das denkst.“ Mit Absicht ließ sie ihre Stimme spöttisch klingen.
Dabei wussten beide, dass sie nicht ihn verspottete, sondern sich selbst. Damals war sie ein naives kleines Mädchen gewesen, das ihre Schwärmerei und einen kurzen bedeutungslosen Kuss völlig überbewertet hatte. Sie hatte wirklich gedacht, sie und Christos würde etwas verbinden. Hatte sich eingebildet, er würde sie ebenso lieben, wie sie ihn liebte. Um das zu beweisen, war sie sogar in sein Bett gestiegen.
Natalie zwang sich zu einem Lächeln und hielt seinem Blick weiter stand. Sie wollte, dass er ihr glaubte – schließlich war es die Wahrheit. Unter keinerlei Umständen würde sie sich jemals wieder so zum Narren vor ihm machen!
„Wenn du dir sicher bist …“, begann Christos.
„Natürlich bin ich mir sicher!“ Sie griff nach ihrer Laptoptasche und ihrem Koffer und hielt beide wie einen Schutzschild vor ihre Brust, als sie das Wohnzimmer betrat. „Ich war nur … überrascht, dich hier zu sehen.“ Sie stellte die Laptoptasche auf den Esstisch. „Ich bring das mal weg“, erklärte sie, deutete mit dem Kopf auf ihren Koffer und drehte sich zum Schlafzimmer um. „Ich bin gleich wieder da und helfe dir.“
„Ich brauche keine Hilfe“, erwiderte Christos in einem Ton, der keinerlei Widerspruch zuließ. Und Natalie erkannte, dass er trotz ihrer Beteuerungen des Gegenteils immer noch befürchtete, sie könnte ihm jeden Augenblick um den Hals fallen.
„Wie du meinst“, sagte sie schulterzuckend und trug ihren Koffer ins Schlafzimmer. Dort ließ sie sich auf das Bett sinken und atmete einmal tief durch. Natürlich könnte sie auch später auspacken, doch sie hatte sehr wohl gespürt, dass sie im Wohnzimmer nicht erwünscht war. Und eigentlich wollte sie selbst auch nicht dort sein. Also beschloss sie, erst einmal im Schlafzimmer zu bleiben und die Zeit zu nutzen, um ihre Kleider in die Schränke einzusortieren – und ihre Fassung zurückzubekommen.
Warum musste sie auch unbedingt auf Christos treffen, wo sie doch versucht hatte, genau dies zu vermeiden? In den vergangenen drei Jahren war sie zu einer echten Meisterin in dem Bemühen geworden, ihm aus dem Weg zu gehen. Denn noch immer spürte sie die furchtbare Demütigung, wenn sie an die Nacht in seinem Apartment dachte.
Die Nacht, in der sie in seinem Bett auf ihn gewartet hatte.
Heute noch trieb ihr die Erinnerung die Schamesröte ins Gesicht.
Natalie war klar gewesen, dass er im ersten Moment schockiert sein würde, wenn er sie in seinem Bett entdeckte. Aber sie hatte erwartet, dass er ihr nicht widerstehen könnte.
Genau da hatte sie sich geirrt. Und nun musste sie mit dieser Demütigung leben, weil sie Christos’ Signale falsch gedeutet hatte.
Das passiert mir nie wieder! Sie stand vom Bett auf und begann, ihre Kleider auszupacken. Dabei gab sie sich die größte Mühe, die Geräusche aus dem Wohnzimmer zu ignorieren. Niemals wieder würde sie in sein Bett springen, so viel stand fest! Es wäre allerdings um einiges einfacher, wenn sie nur Gleichgültigkeit für den Mann im Nebenzimmer empfinden würde. Doch irgendetwas an Christos Savas brachte ihr Herz immer noch durcheinander. Lag es an dem vollen dunklen Haar? Oder an den kantigen und männlichen Gesichtszügen mit den unergründlichen grünen Augen? An seinem gut gebauten Körper, der immer anziehend auf sie wirkte, ganz gleich, ob er einen Anzug oder verwaschene Jeans trug?
Sicher war sein gutes Aussehen in dem Sommer vor drei Jahren, als Natalie in der Kanzlei ihres Vaters als Büroangestellte ausgeholfen hatte, der Grund gewesen, weshalb Christos ihr aufgefallen war. Doch sehr schnell hatte sie bemerkt, dass sie auch sein zielstrebiges und entschlossenes Wesen und seinen messerscharfen Verstand ausgesprochen anziehend fand. Es dauerte nicht lange, bis sie Hals über Kopf in ihn verliebt war.
Natalie hatte geglaubt, dass es Schicksal sein musste. Und sie hatte ihr Bestes gegeben, um ihrem Schicksal zu folgen. Doch Christos war so sehr mit seiner Arbeit beschäftigt, dass er die neue Bürohilfe nicht einmal bemerkte.
Aber sie wäre niemals auf ihre eigene Träumerei hereingefallen, wenn sie Christos nicht eines Abends in der Bibliothek getroffen hätte, wo er missmutig diverse Bücher wälzte und frustriert vor sich hin murmelte.
„Alles in Ordnung?“, fragte sie ihn mutig.
„Alles? Gar nichts ist in Ordnung!“, erwiderte er grimmig.
Wie sich herausstellte, arbeitete er an einem Sorgerechtsfall, in dem er zum vorläufigen Vormund eines siebenjährigen Jungen namens Jonas ernannt worden war. Jonas war der Streitpunkt einer schmutzigen Scheidung, in der es um Millionen ging. „Ich habe nicht die geringste Ahnung von Familienrecht! Ich weiß nichts über Kinder. Ich weiß nicht einmal, wo ich überhaupt anfangen soll!“
Das stimmte natürlich nicht. Christos wusste sehr viel und bei Weitem genug, um zu wissen, wo er anfangen sollte. Er war lediglich frustriert und überarbeitet.
„Ich könnte Ihnen helfen, wenn Sie möchten. In meiner freien Zeit natürlich“, schlug Natalie vor, und ihr Herz hüpfte dabei wie verrückt. „Es wäre für mich eine gute Übung“, fügte sie hinzu und lächelte ihn hoffnungsvoll an. Und als ihre Blicke sich trafen und er ihr zunickte, spürte sie die Anziehung zwischen ihnen.
„Wenn es Ihnen nichts ausmacht …“
In den nächsten drei Wochen beschäftigte sich Natalie Tag und Nacht mit dem Fall. Sie wollte Christos unbedingt helfen. Sobald sie etwas Brauchbares in den Büchern fand, berichtete sie es ihm sofort, denn auch er arbeitete bis spät in die Nacht.
Dennoch nahm er sich immer die Zeit, Natalie etwas zu erklären oder zu zeigen. Manchmal beugte er sich zu ihr herunter, wenn er sich in einem Buch ansah, was sie gefunden hatte. Dabei berührten sich ihre Schultern, und Natalie konnte seinen Atem in ihrem Haar spüren.
Zwar hatte sie damals schon an seine Zuneigung geglaubt, doch ohne den Kuss hätte sie sich niemals so bedingungslos auf ihn eingelassen.
Es passierte an dem Tag, an dem Jonas’ streitsüchtige Eltern endlich einsahen, was sie ihrem Kind antaten. Am späten Nachmittag stand Natalie in der Garage bei ihrem Auto, als Christos mit seinem Wagen in die Parklücke neben ihr fuhr. Er kam gerade von seinem Termin mit Jonas’ Eltern. Sie wartete, bis er ausgestiegen war, und befürchtete bereits schlechte Neuigkeiten, als sie seinen Gesichtsausdruck sah. Diesen Ausdruck purer Freude würde sie ihr Leben lang nicht vergessen.
Ihr Herz setzte für einen Schlag aus. „Haben sie …?“, begann sie.
Christos’ Strahlen wurde breiter. „Ja, sie haben. Endlich!“ Plötzlich stand er vor ihr, und was als pure Freude begonnen hatte, verwandelte sich in eine glückliche Umarmung. Natalie hob den Kopf und lächelte Christos an – und dann küssten sie einander.
Damals war Natalie erst zweiundzwanzig gewesen und hatte noch nicht viele Erfahrungen mit Männern gemacht, aber sie wusste, dass nicht alle Küsse gleich waren. Dieser Kuss mochte aus Erleichterung über das glückliche Ende des Falls entstanden sein. Aber innerhalb einer Sekunde verwandelte er sich in etwas völlig anderes. Es war nur ein einziger Funken, der einen ganzen Flächenbrand entfachte, als ihre Lippen sich berührten.
Noch nie in ihrem Leben hatte Natalie dieses Feuer gespürt.
Der Kuss dauerte nicht lange. Nur wenige Augenblicke später brach Christos ihn ab, trat einen Schritt zurück, und blickte sich um, als erwarte er geheime Beobachter. Natalie wusste, dass er Schwierigkeiten bekommen konnte, wenn sie jemand gesehen hätte. Immerhin war sie die Tochter seines Seniorpartners, und dessen Zorn könnte Christos den Job kosten.
„Sie fahren jetzt besser nach Hause“, sagte er mit heiserer Stimme, während er sich noch einmal nach allen Richtungen umdrehte. Dann wandte er sich ab und ging zum Fahrstuhl.
Natalie konnte sich nicht bewegen. Sie stand einfach nur da, ihre Fingerspitzen berührten die Lippen, und gab sich der Erinnerung hin. In diesem Augenblick glaubte sie, dass sie Teil von etwas Besonderem geworden war, das noch weit in ihre Zukunft hinein wirken würde. Es waren nur Sekunden gewesen, aber ein Kuss von Christos Savas hatte genügt, um Natalie den Verstand zu rauben. Auch jetzt noch konnte sie ihn auf ihren Lippen spüren …
Hinter ihr räusperte sich jemand. Erschrocken drehte sie sich um, das Gesicht noch erhitzt von den Erinnerungen. Christos stand in der Tür und beobachtete sie.
„Was?“, fragte sie etwas schnippisch.
„Ich bin mit dem Abmessen fertig. Morgen werde ich das Holz bestellen. Ich werde dich rechtzeitig warnen, bevor ich anfange.“ Er klang sehr geschäftsmäßig.
Doch das war Natalie nur recht. Sie nickte. „Vielen Dank. Meine Mutter wird sich sicher sehr darüber freuen.“
„Das hoffe ich. Sie ist mir sehr ans Herz gewachsen.“
Das beruhte auf Gegenseitigkeit. Laura hielt große Stücke auf Christos Savas. Sie hatte nie verstanden, warum ihre Tochter ihm aus dem Weg ging.
Wieder sahen sie einander an. Und da war sie wieder, diese unerwünschte Anziehung.
Vielleicht sollte sie einen sauberen Strich machen und dafür sorgen, dass sie einander so wenig wie möglich begegneten. „Meine Mutter sagte, du gießt die Pflanzen im Garten.“
Christos nickte.
„Ich schlage vor, ich übernehme das. Und das tue ich nicht, um mich bei dir einzuschmeicheln“, fuhr sie fort.
„Soll mir recht sein“, erwiderte Christos und drehte sich zum Wohnzimmer um. Doch bevor er ging, wendete er noch einmal den Kopf in ihre Richtung und sagte: „Vielleicht sieht man sich.“
„Ja, vielleicht.“ Natalie beobachtete, wie er aus ihrem Sichtfeld verschwand, hörte, wie seine Schritte leiser wurden. Erst als sie ihn draußen die Treppe heruntergehen hörte, holte sie tief Luft und sprach das aus, was sie tatsächlich dachte: „Nicht wenn ich es verhindern kann!“
Natalie Ross.
Bildhübsch und verführerisch wie eh und je.
Christos lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück, murmelte unzufrieden irgendetwas und versuchte, sich die Müdigkeit aus den Augen zu reiben. Dann beugte er sich wieder vor und versuchte erneut, sich zu konzentrieren.