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Ein Schneesturm beschert Melissa zauberhafte Stunden mit Rob in einem malerischen Cottage mit Blick auf das Moor. Aber das Glück der beiden ist bedroht. Eine romantische Geschichte aus dem reizvollen Cornwall, die den Blick für die Kostbarkeiten des Lebens schärft.
"Das ist eine großartige Familiengeschichte, von der es heutzutage nicht viele gibt. Die Liebe zu einem alten Cottage führt Menschen zusammen, die gerade eine Trennung verkraften mussten. Ein außergewöhnlicher Roman."
Elizabeth Roosevelt
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Seitenzahl: 608
Marcia Willett, in Somerset geboren, studierte und unterrichtete klassischen Tanz, bevor sie ihr Talent für das Schreiben entdeckte. Ihre berührenden Familiengeschichten erscheinen inzwischen weltweit in elf Sprachen. Sie sind so facettenreich und so feinfühlig erzählt, dass THETIMES die Autorin »eine geniale Stimme unserer Zeit« nannte. Marcia Willett lebt mit ihrem Ehemann in Südengland, das auch den malerischen Schauplatz ihrer Romane bildet.
Marcia Willett
EIN HAUS IN CORNWALL
Ins Deutsche übertragen von
Vollständige E-Book-Ausgabedes in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Titel der englischen Originalausgabe: A WEEK IN WINTER
© 2001 by Marcia Willett
Published by Headline Book Publishing,
a division of Hodder Headline, London
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2003/2014 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Boris Heczko
Lektorat: Regina Maria Hartig
Einbandgestaltung: Guido Klütsch, Köln
unter Verwendung eines Fotos von ZEFA
Datenkonvertierung E-Book:
hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-0151-9
Für Rachel
Maudie Todhunter schenkte sich Kaffee ein, köpfte ihr Frühstücksei und legte sich ihre Post zurecht. Heute fand sich eine viel versprechende Kollektion neben ihrem Teller: ein erfreulich dickes Päckchen vom Scotch House, ein blauer Umschlag mit der eigenwilligen Handschrift ihrer Stiefenkelin und ein eher geschäftsmäßiger Brief, auf dem das Logo eines Immobilienmaklers prangte – den verbannte sie im Stapel ganz nach unten. Dann öffnete sie Posys Umschlag mit dem Buttermesser, lehnte die Karte ihrer Enkelin gegen das Marmeladenglas und tauchte den Löffel in den appetitlich goldgelben Dotter ihres weichen Eis. Posys Briefe erforderten Konzentration, da sie ihre Ausführungen stets mit winzigen Zeichnungen verzierte und auch mit Ausrufezeichen und dicken Unterstreichungen nicht sparte.
»Vergiss nicht«, hatte Posy an den Rand geschrieben, sodass Maudie die Karte drehen musste, um es zu entziffern, »dass du mir versprochen hast, über Polonius nachzudenken. Mum sagt, dass er zu den Dacres muss. Bitte, Maudie! ...«
Maudie schauderte. Die Vorstellung, Polonius zu beherbergen, einen großen Mastiff, den Posy in den Osterferien gerettet hatte, versetzte sie in Angst und Schrecken.
»Ich bin kein Hundefreund«, hatte sie Posy streng erklärt. »Das weißt du doch nach all den Jahren ganz genau.«
»Dann wird es höchste Zeit«, hatte Posy erwidert. »Spaziergänge mit Polonius würden deiner Figur gut tun. Du hast mir gerade gesagt, dass dir die Hälfte deiner Kleider nicht mehr passt. Außerdem ist es doch nur während des Semesters. Ich habe Mum das Versprechen abgenommen, dass ich ihn in den Ferien zu Hause haben darf, wenn ich ihn während des Semesters irgendwo unterbringe. Aber nimm dich in Acht, Mum wird Gift und Galle spucken, wenn sie erfährt, dass du bereit bist, ihn zu nehmen ...«
Maudie lachte zufrieden in sich hinein, als sie ihren Toast mit Marmelade bestrich. Selina hatte mit allen Mitteln versucht, ein Bündnis zwischen ihrer Stiefmutter und Posy zu verhindern, aber ihre wechselseitige Zuneigung hatte allen Anfechtungen standgehalten. Sobald Posy alt genug war, eigene Wege zu gehen, hatte sie so viel Zeit wie möglich mit Maudie verbracht. Und wenn ihre Mutter darüber eingeschnappt war, kümmerte Posy sich nicht darum, verbat sich die eifersüchtigen Bemerkungen und fand sich damit ab, dass ihre Mutter es verstand, anderen das Leben schwer zu machen. Posy war klug genug, um zu wissen, dass Maudie Polonius vielleicht allein deshalb aufnehmen würde, um Selina zu ärgern; Posy war jedes Mittel recht, um den Hund behalten zu können.
Maudie öffnete den nächsten Umschlag. Weiche Tartanmuster purzelten auf den Tisch. Vom Frühstück abgelenkt, ließ sie ihren Kaffee in der großen blau-weißen Tasse kalt werden und strich über die feine Wolle. Sie nahm die Stoffquadrate genau in Augenschein und las die Beschreibungen auf den weißen Etiketten, die darauf hafteten: Muted Blue Douglas, Ancient Campbell, Hunting Fraser, Dress Mackenzie. Die Stoffmuster glitten durch ihre Finger und landeten zwischen Toastkrümeln. Miss Grey vom Scotch House hatte ihr wieder einmal eine wunderbare Auswahl zusammengestellt.
»Etwas anderes«, hatte Maudie gebeten. »Nicht das langweilige alte Black Watch. Haben Sie meine Maße noch?«
Maudie war seit vielen Jahren Kundin im Scotch House, ihre Maße waren dort vermerkt, aber sie hatte nun schon eine ganze Weile kein neues Kleid mehr bestellt. Doch man hatte ihr versichert, ihre Kartei sei zur Hand, man werde sich ihrer Bestellung sofort annehmen und umgehend Muster schicken. Die hoch gewachsene Maudie mit dem üppig gerundeten Busen und den langen Beinen dachte voller Wehmut an die guten alten Zeiten zurück, als es noch nicht ein Vermögen gekostet hatte, Kleider nach Maß anfertigen zu lassen. Gewebe und Farben waren ihre Leidenschaft: geschmeidiger Tweed in Erdfarben, cremefarbene Rohseide mit den natürlichen Unregelmäßigkeiten, feine Batisthemden, frische weiße Baumwolle, weiche, schmeichelnde kirschrote Lammwolle.
»Bei dir wirkt alles so ... so dezent«, hatte Hector einmal, nach dem rechten Wort suchend, bemerkt. »Ganz anders als bei Hilda.«
Ja, ganz anders als bei Hilda, die leuchtende Blumenmuster und aufwändige Seidentaftroben mit Schleifchen geliebt hatte. Ganz anders als bei Hilda, die sich zu der Überzeugung bekannte, eine Frau solle stets das Beste aus sich machen, und die es für eine nahezu heilige Pflicht hielt, stets gut gelaunt und duldsam zu sein, koste es, was es wolle. Nach einer Weile, als Patricia und Selina auf schmerzliche Weise klargestellt hatten, dass Maudie ihre tote Mutter niemals würde ersetzen können, hatte sie sich praktisch verpflichtet gefühlt, alles ganz anders als Hilda zu machen.
»Hab Geduld«, hatte Hector sie gebeten. »Sie sind noch so jung. Der Verlust ist noch frisch, und Hilda war so eine wunderbare Mutter.« Alle wollten Maudie das wissen lassen, mit respektvoll gesenkter Stimme und mit wachsamen Augen auf ihre Reaktion lauernd: eine wunderbare Mutter, eine fantastische Köchin, eine hinreißende Ehefrau, eine großartige Freundin. Selbst jetzt noch kämpfte Maudie gegen den Unmut an, der über dreißig Jahre hinweg periodisch wiedergekehrt war, hartnäckig an ihr nagte, das Glück überschattete und den Frieden zerstörte – und jetzt war auch Hector tot.
Maudie sammelte die Stoffquadrate ein und steckte sie wieder in den Umschlag. Draußen vor dem Fenster auf der Veranda pickten Spatzen die Krümel auf, die sie ihnen vor einer Weile hingestreut hatte, während zwei Türkentauben auf dem Vogelhaus balancierten. Sie trank einen Schluck lauwarmen Kaffee, verzog das Gesicht und füllte die Tasse mit heißem Kaffee aus der Kanne auf. Die Regenwolken, die am vergangenen Abend von Westen her aufgezogen waren, hatten sich nach Norden verzogen, und die Sonne schien. Von ihrem Tisch neben der Terrassentür sah Maudie Spinnweben, glitzernd spannten sie sich in den hohen Hecken, die den langen, schmalen Garten umgaben. Goldenes und rostrotes Laub war über den Rasen verstreut. Die Sonne stand noch nicht hoch genug, um bis in die dunklen Winkel unter den Bäumen zu dringen oder die düsteren Wasser der Teiche in ihr Licht zu tauchen, aber das große quadratische Wohnzimmer war hell und freundlich. Bald würde es kalt genug sein, um im großen Holzofen Feuer zu machen.
Maudie nahm Posys Karte wieder zur Hand. Erstaunlich, wie klar sich die Persönlichkeit des Kindes in den schmalen, krakeligen Buchstaben ausdrückte. Sie übermittelten die gewohnte Botschaft der Zuneigung, eingebettet in scharfsinnige Bemerkungen und kleine Sticheleien, eigenartig und tröstlich zugleich. Posy weigerte sich, Zugeständnisse an Maudies fortgeschrittenes Alter zu machen – »Ich bin zweiundsiebzig, Kind!«, pflegte Maudie zu protestieren. »So?«, lautete dann die ungeduldige Antwort –, und jetzt schlug sie vor, Maudie solle nach Winchester fahren, sich Posys neues Zimmer ansehen, ihre Mitstudenten kennen lernen und im Pub um die Ecke ein Bier mit ihr trinken. Sie schrieb:
Wir wohnen in einem alten viktorianischen Haus. Es ist wirklich toll. Jude wird dir gefallen. Er studiert mit mir Theaterwissenschaften, und Jo studiert Kunst und so was. Sie ist cool. Ich habe im obersten Stock ein richtig großes Zimmer ganz für mich. Es ist wunderbar, nicht mehr im Studentenwohnheim zu hausen und unabhängig zu sein. Du musst unbedingt kommen, Maudie ...
Maudie legte die Karte beiseite und betrachtete beinahe gleichgültig den letzten Brief, der den Poststempel von Truro trug. Die Makler hatten bestimmt noch keinen Käufer gefunden, dafür war es zu früh. In Moorgate waren nach wie vor die Handwerker zugange, auch wenn sie im Haus selbst nur noch Aufräumarbeiten zu erledigen hatten. Hector hatte immer darauf bestanden, dass sie Moorgate bekommen sollte. Das Londoner Haus sollte verkauft und der Erlös zwischen Patricia und Selina aufgeteilt werden; Maudie würde eine Rente und Moorgate bekommen – und, natürlich, The Hermitage.
Hier, in diesem Bungalow im Kolonialstil, erbaut Ende des neunzehnten Jahrhunderts und einige Meilen nordwestlich von Bovey Tracey am Waldrand gelegen, hatten Maudie und Hector den Sommer verbracht, seit er aus dem diplomatischen Dienst ausgeschieden war. Maudies Vater, ein früh verwitweter, eher einzelgängerischer Mann, hatte das Haus für seinen Ruhestand nach dem Abschied von Whitehall gekauft, und Maudie hatte stets erklärt, sie werde hier einziehen, sollte Hector etwas zustoßen. Ihre Freunde hatten ihr das nicht geglaubt. »Erstaunlich«, meinten sie nun. »Hast du schon gehört? Maudie lebt jetzt unter den Einheimischen in einem Holzbungalow unten in der Wildnis von Devon ...« – »Ich weiß. Ich konnte es auch nicht glauben. Sie war aber schon immer ein bisschen merkwürdig, findest du nicht? Einen wunderbaren Humor hat sie ja, man kann wirklich Spaß mit ihr haben, aber wenn man an der Oberfläche kratzt ...« – »Nicht gerade der mütterliche Typ, und ich frage mich, ob es der liebe Hector nicht ein bisschen schwer mit ihr hatte. Von Hector kann man ja nur schwärmen, nicht wahr? Hilda hast du ja nicht mehr gekannt, oder? Sie war ein Schatz, meine Liebe. Ein richtiger Schatz ...«
Maudie konnte sich vorstellen, was sie redeten, und sie genoss es, sich das auszumalen. Seit ihrer Heirat mit Hector warf man ihr vor, taktlos zu sein und im falschen Augenblick zu lachen. Außerdem hatte sie eine verstörende Respektlosigkeit gegenüber der herrschenden Hackordnung an den Tag gelegt, während sie sich an der Haushaltsfront als erstaunlich unbedarft erwies. Sie gab weder Dinnerpartys für zwanzig Diplomaten samt Ehefrauen noch organisierte sie Wohltätigkeitsbasare und Weihnachtsfeste für Kinder. Die Männer mochten sie trotzdem – manche fürchteten sie sogar. Die Jahre, die Maudie während des Krieges in Bletchley Park verbracht hatte, und ihre anschließende Tätigkeit als Assistentin eines bekannten Physikers in Amerika verliehen ihr einen eigentümlichen Glanz, was ihr einige der Ehefrauen verübelten.
»Und gerade das war es, was Hector faszinierte«, murmelte Maudie und nahm den länglichen weißen Umschlag zur Hand. »Nach Hilda, der perfekten Hausfrau, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, einfach nur Spaß zu haben. Und wir hatten unseren Spaß, wenn die Mädchen nicht da waren und ihm Schuldgefühle einflößten.«
Noch mehr Missbilligung – vor allem von Selina – hatten sie geerntet, als bekannt wurde, dass Maudie Moorgate erben sollte.
»Meine ganze Kindheit ist mit diesem Haus verbunden«, hatte Selina pathetisch erklärt. »Wir haben den Sommer immer mit Mama in Moorgate verbracht.«
»Aber was willst du denn damit anfangen?«, hatte Selinas Mann peinlich berührt gefragt. »Es wurde doch vereinbart, dass Maudie das Haus in der Arlington Road verkaufen soll. Was willst du mehr?«
Maudie hatte sich gefreut, dass er für sie Partei ergriff, wollte aber auch nicht als Märtyrerin dastehen.
»Ohne Hector würde ich nicht in London leben wollen«, hatte sie knapp erwidert. »Aber du und Patricia, ihr werdet für das Haus einen wesentlich besseren Preis bekommen als für ein altes Bauernhaus am Rande des Bodmin-Moors.« Sie hatte grimmig gelächelt. »Oder bist du der Meinung, dass dir beide Häuser zustehen, Selina?«
»Natürlich nicht.« Patrick war entsetzt gewesen. »Um Himmels willen! Hector hat sich um größte Fairness bemüht ...«
»Mir gegenüber? Oder gegenüber den Mädchen?«, hatte Maudie mit Unschuldsmiene gefragt.
»Ich meine, na ja, in Anbetracht der Umstände ...« Patrick hatte mit seiner Verwirrung gerungen, bis Maudie ihn von seiner Qual erlöste.
»Ich habe ja noch das Haus meines Vaters in Devon und eine Rente. Moorgate ist meine Absicherung für schlechte Zeiten. Hector weiß, dass weder Patricia noch Selina das Haus nutzen oder ohne Mieter in Stand halten könnten. Er glaubt, dass das Geld, das ihr durch den Verkauf des Hauses in der Arlington Road bekommt, euch ausreichende Rücklagen verschafft. Nun«, meinte sie mit einem Schulterzucken, bevor sie ging, »soll ich eurem Vater mitteilen, dass ihr mit seinen Plänen nicht einverstanden seid?« Sie wehrte Patricks Beteuerungen ab und bedachte die schmollende Selina mit einem strahlenden Lächeln. An der Tür drehte sie sich noch einmal um. »Natürlich ist nicht auszuschließen, dass du früher stirbst, und dann bist du all deine Sorgen los. Ziemlich anstrengend zu entscheiden, was andere Leute mit ihrem Eigentum anstellen sollen, nicht wahr?«
Bei der Erinnerung an diese Szene kicherte Maudie in sich hinein, doch dann wurde sie wieder ernst. Was würde Selina sagen, wenn sie entdeckte, dass sie Moorgate tatsächlich verkaufen wollte? Die bereits betagten Mieter waren verstorben, und Maudie hatte sich lange den Kopf zerbrochen, ob sie es wieder vermieten oder veräußern sollte. Schließlich hatten praktische Überlegungen den Ausschlag gegeben. Der Bungalow brauchte ein neues Dach, und auch ein neuer Wagen war längst fällig. Wenn sie Moorgate verkaufte, blieb ihr ein größerer finanzieller Spielraum. Ein Polster, das sie vor den harten Tatsachen des Lebens abschirmte, erschien ihr als ein angenehmer Luxus.
Während sie den Umschlag aufschlitzte und den Briefbogen herauszog, überlegte Maudie wieder einmal, was wohl aus den Geldanlagen geworden war, von denen Hector ihr vor Jahren erzählt hatte. Damals hatte sie sich nicht besonders dafür interessiert, aber er ließ es sich nicht nehmen, ihr den Umfang seines Vermögens genau zu erläutern. Er war kein reicher Mann gewesen, aber sie wusste, dass auch nach dem Kauf ihres Pensionsfonds noch einige Aktien und festverzinsliche Papiere vorhanden sein mussten, die in seinem Testament schließlich unerwähnt geblieben waren. Hatte er womöglich seine Meinung geändert und sie den Mädchen schon viel früher überlassen? Sie verwarf diese Vermutung. Selbst wenn er seine Töchter zu Stillschweigen verpflichtet hätte – Selina hätte doch gewiss nicht der Versuchung widerstehen können, vor ihrer Stiefmutter mit diesem Triumph zu prahlen? Aber Maudie konnte sich andererseits auch nicht vorstellen, dass Hector ihr finanzielle Probleme verheimlicht hatte. Sie schob diese unangenehme Frage beiseite und widmete sich dem Brief der Immobilienmakler in Truro.
... die Arbeiten im Haus sind beinahe abgeschlossen, und wir haben ein Schild aufgestellt, um Passanten aufmerksam zu machen. Da Moorgate jedoch so abgelegen ist, wollen wir vor allem mit Anzeigen arbeiten und Interessenten nähere Informationen zuschicken ... Es gibt ein Problem wegen eines Schlüssels zu dem Büro, dem Vorratsraum und der Toilette. Dieser Bereich ist sowohl durch die Küche als auch von draußen zugänglich; er stellt zwar kein besonders wichtiges Verkaufsmerkmal dar, sollte aber von potenziellen Käufern besichtigt werden können. Mr. Abbot wird sich deshalb an Sie wenden, da er diesen Teil des Hauses nicht renovieren kann ... Vielleicht wären Sie so freundlich, mit mir Kontakt aufzunehmen?
Maudie runzelte die Stirn. Sie hatte Rob Abbot doch den vollständigen Schlüsselbund gegeben und lediglich zwei Ersatzschlüssel für die Eingangstür behalten – einen für sich und einen weiteren für den Makler. Rob war nicht der Typ, der Schlüssel verlegte. Mitte dreißig, groß, drahtig, mit beißendem Humor – er hatte ihr sofort gefallen. Er hatte Moorgate in Augenschein genommen, sich Notizen gemacht, Witze gerissen und ihr erzählt, er habe seinen Job als Ingenieur in London an den Nagel gehängt, weil er nach einer Beförderung mehr mit Verwaltungsaufgaben zu tun hatte als mit seinem eigentlichen Metier.
»Auf Sitzungen und Konferenzen fühle ich mich nicht wohl«, hatte er gut gelaunt gemeint. »Ich mache mir lieber die Hände schmutzig. Also bin ich in den Westen gezogen, um reich zu werden.«
»Auf meine Kosten wird Ihnen das aber nicht gelingen«, hatte sie sarkastisch entgegnet. »Ich kann mir keine größeren Ausgaben leisten.«
»Sie wären schlecht beraten, wenn Sie es nicht anständig renovieren«, hatte er mit ernster Miene erwidert. »Die Leute sparen am falschen Platz. Sie weigern sich, ein paar Pennys in ein heruntergekommenes Cottage zu stecken, und verkaufen es an einen Bauunternehmer, der es auf Vordermann bringt und sich eine goldene Nase verdient. Das alte Haus ist es wert, ordentlich hergerichtet zu werden. Sie bekommen Ihr Geld doppelt zurück, das verspreche ich Ihnen.«
Sie hatte ihn angehört und unterdessen mit dem alten Kessel in der riesigen, kahlen Küche Tee gekocht. Dann waren sie von Raum zu Raum gegangen, und er hatte ihr gezeigt, was man daraus machen konnte. Seine Vorschläge waren einfach, aber gut, und sie beschloss, ihm den Auftrag mit ein paar Einschränkungen zu erteilen, wenn er einen vernünftigen Preis forderte. Er lud sie ein, sich zwei andere Anwesen anzusehen, die er renoviert hatte, und sie war insgeheim beeindruckt.
Er lächelte sie an. »Warten Sie ab. Wenn ich fertig bin, werden Sie Ihr Haus nicht mehr verkaufen wollen.«
»Dann müssen Sie aber auf Ihr Geld verzichten«, entgegnete sie. »Schicken Sie mir ein Angebot, und ich werde es mir überlegen.«
Das war zu Anfang des Sommers gewesen. Vielleicht war es an der Zeit, Moorgate erneut einen Besuch abzustatten, mit Rob zu sprechen und seine Arbeit zu begutachten. Sie war schon einmal dort gewesen und hatte wieder hinfahren wollen, aber der rechte Augenblick war nie gekommen.
Maudie fand, dass es nun so weit war. Sie würde nach Cornwall fahren, Moorgate besichtigen, Rob treffen und das Problem mit dem Schlüssel lösen. Sie setzte die Brille ab, sammelte ihre Post ein und stand vom Frühstückstisch auf, um ein Telefongespräch zu führen.
Als Maudie die aufgeweckte Stimme des jungen Maklers in Truro hörte, konnte sie sich ihn recht gut vorstellen, auch wenn sie ihn noch nie gesehen hatte.
»Es ist ein super Anwesen, Lady Todhunter, absolut – wirklich mein Lieblingsobjekt. Ich kann es gar nicht erwarten, es auf den Markt zu bringen. Da ist nur die Sache mit den Schlüsseln zum Büro ...« Ziemlich atemlos plapperte er weiter, während sie sich die sauberen, glatt in die Stirn fallenden Haare und das frische Gesicht vorstellte, das ledergebundene Ringbuch vor sich sah, dessen Seiten raschelten, als er darin blätterte, und sich ausmalte, wie er den Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter klemmte. Vor ihrem geistigen Auge erschien auch seine Krawatte, aus Seide natürlich, mit einer Comicfigur dekoriert: Daffy Duck vielleicht? Natürlich besaß er auch ein Handy, einen Laptop und einen sportlichen Wagen: das unerlässliche Spielzeug für Leute seines Metiers.
»Ich verstehe, Mister ...?« Sie spähte auf den getippten Namen unter der hingekritzelten Unterschrift auf dem Brief, den sie in der Hand hielt. »Mr. Cruikshank, oder ...? Oh, na gut, Ned.« Sie hasste die moderne Zwanglosigkeit, konnte der Jugend aber nicht widerstehen. »Ich habe verstanden, dass die Schlüssel verloren gegangen sind, aber ich habe keine Ersatzschlüssel für das Büro und den Seiteneingang. Was sagt Mr. Abbot dazu?«
»Nun, das ist es ja gerade.« Neds Stimme nahm einen vertraulichen Ton an und lud sie ein, seine Verwunderung zu teilen. »Er kann sich nicht erinnern, dass er sie je gehabt hätte.«
Maudie runzelte die Stirn und strengte ihr Gedächtnis an. »Ich bin ganz sicher, dass ich ihm den ganzen Schlüsselbund überlassen habe«, entgegnete sie mit fester Stimme. »Soweit ich mich erinnere, gab es nur einen vollständigen Satz, und ich hielt es für vernünftig, wenn Mr. Abbot ihn hat, bis er fertig ist. Einen Schlüssel für die Vordertür habe ich für den Notfall selbst behalten, und Ihnen habe ich den anderen gegeben. Wie unangenehm.«
»Ist es nicht möglich«, sagte er zögernd, »dass es noch einen zweiten Schlüsselbund gibt? Vielleicht ganz hinten in einer Schublade oder auf dem Boden einer alten Vase?«
»Das ist nicht auszuschließen. Die Mieter haben mir den Bund zurückgegeben, den ich Mr. Abbot überlassen habe. Möglicherweise hat mein Mann irgendwo einen zweiten Satz aufbewahrt.«
»Vielleicht könnten Sie ihn ja fragen«, regte Ned hoffnungsvoll an.
»Unter den gegebenen Umständen ist das nicht ganz einfach«, erwiderte Maudie ironisch. »Er ist tot, und ich halte nichts von spiritistischen Sitzungen ... Nein, nein. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Woher sollten Sie es denn wissen?« Sie bereute ihre schroffe Bemerkung, die einen Schwall verlegener Entschuldigungen ausgelöst hatte. »Meine Schuld. Verzeihen Sie meine Taktlosigkeit. Ich werde nach den Schlüsseln suchen, aber ich bin nicht sehr optimistisch. Als ich von London aufs Land gezogen bin, habe ich alles geordnet, aber ich werde auf Nummer sicher gehen. Nein, es macht keine Umstände ... Denken Sie sich nichts dabei ... Ja, ich melde mich wieder.«
Sie legte auf und ging zurück ins Wohnzimmer, wo sie die Frühstückssachen auf das große Holztablett stapelte, um sie in die Küche zu tragen. Ihr Blick fiel auf das Vogelhäuschen im Garten, und für einen Augenblick ließ sie sich von einer Spechtmeise ablenken, die an dem Meisenknödel pickte. Sie liebte diese beiden großen sonnigen Räume, die auf die Veranda und in den Garten hinausführten. Sie waren von den übrigen Zimmern durch einen breiten Korridor getrennt, der an einem Ende zur Vordertür, am anderen zu einer Abstellkammer führte. Eine geräumige Küche, ein erstaunlich großes Badezimmer, eine kleine Toilette und ein Gästezimmer bildeten den Rest des Hauses, aber für Maudie war es groß genug. In den Ferien hatte Hector sich immer über den Platzmangel beklagt, da es unmöglich war, Partys zu geben oder Freunde übers Wochenende einzuladen.
»Du meine Güte«, hatte sie ungeduldig ausgerufen, »wir sind nur für ein paar Wochen hier. Die wirst du doch gewiss ohne Freunde überstehen? Ist es nicht auch nett, wenn wir für eine Weile unter uns sind?«
Er lächelte reumütig. »Das Ruhestandssyndrom«, sagte er dann. »Lass mir ein paar Tage Zeit ...« Aber er hatte nie seine Vorfreude verbergen können, wenn der Tag der Abreise nach London näher rückte.
Maudie trug das Tablett in die Küche und stellte die Sachen neben der Spüle ab. Hector war immer in Hochform gewesen, wenn er von Menschen umgeben war – einem ausgewählten Kreis vorzugsweise, aber er hätte nahezu jede Gesellschaft dem Alleinsein vorgezogen. Maudie fühlte sich in einer intimeren Atmosphäre wohler; ein Freund oder eine Freundin, auf die sie sich konzentrieren konnte, waren ihr lieber als das rege Treiben und der Lärm einer großen Party. Dennoch waren sie ganz gut zurechtgekommen, wenn man bedachte, dass Maudie, bevor sie Hector kennen lernte, nie mehr als sechs Gäste auf einmal um sich versammelt hatte. Selbstverständlich war Hilda die perfekte Gastgeberin gewesen ...
Der Strahl heißen Wassers prallte gegen einen Löffel und bespritzte Maudies Jerseykleid. Laut fluchend drehte sie den Hahn ab. Wie albern, wie vollkommen sinnlos war es doch, solche Feindseligkeit gegen eine Frau zu hegen, die vor über dreißig Jahren das Zeitliche gesegnet hatte! Jung Verstorbene – nun ja, vierundvierzig war halbwegs jung – hatten die ärgerliche Eigenschaft, dass sie eine Art Heiligenschein der Unfehlbarkeit umgab. Sie hatten immer einen Vorsprung, waren eine Nasenlänge voraus, es war kein faires Spiel.
Maudie fuhrwerkte herrlich unbekümmert im heißen Spülwasser herum, ohne im Geringsten auf das gute Geschirr zu achten. Selbst jetzt noch, da Hilda und Hector beide tot waren, litt sie unter dem »Syndrom der zweiten Frau«, wie sie es nannte. Vielleicht wäre alles einfacher gewesen, wenn Patricia und Selina ihr ein Stück weit entgegengekommen wären. Der Gerechtigkeit halber – wollte sie eigentlich gerecht sein? – musste gesagt werden, dass Patricia halbwegs tolerant gewesen war: Sie hatte sich für ihre Stiefmutter einfach nicht interessiert. Mit sechzehn war sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen, als dass sie Maudie das Gefühl hätte geben können, zur Familie zu gehören. Selina aber hatte die Unterstützung ihrer Schwester eingefordert, und Patricia hatte sie – ob aus Loyalität oder aus Gleichgültigkeit – in ihrem Widerstand unterstützt.
Während Maudie abtrocknete und Marmelade und Butter wegräumte, zwang sie sich zur Vernunft. Hector war es nicht leicht gefallen, von der Feindseligkeit seiner Töchter unbeeindruckt zu bleiben. Patricia, abgelenkt durch Freunde und Partys, hatte Maudie nur gelegentlich attackiert, während Selina ihr den Krieg erklärte und hartnäckig kämpfte. Mit zwölf vermisste sie ihre Mutter schrecklich und hatte nicht die Absicht, ihren Vater mit dieser fremden Frau zu teilen. Vielleicht war es ein unglücklicher Zufall, dass sie im Herbst nach der Hochzeit ins Internat kam. Daher konnte sie, obwohl es seit Jahren so geplant gewesen war, Maudie stets den Vorwurf machen, sie habe sie – typisch für die böse Stiefmutter – einfach ins Internat abgeschoben.
»Vollkommener Unsinn!«, hatte Hector ärgerlich gerufen. Selinas Tränen und Anschuldigungen hatten ihn zur Verzweiflung getrieben. »Du hast ganz genau gewusst, dass du im nächsten Schuljahr ins Internat kommst. Patricia ist mit dreizehn gegangen, und du warst vollkommen zufrieden bis ... bis jetzt. Du weißt genau, dass ich nach Genf versetzt worden bin, und es wäre Mamas Wunsch gewesen, dass du dich mit Patricia im Internat eingelebt hast, bevor ich abreise. Mit Maudie hat das rein gar nichts zu tun!«
Er schlug die Tür seines Arbeitszimmers zu und ließ die wütende Selina draußen stehen.
»Sieh mal«, sagte Maudie unbeholfen, »ich weiß, es ist schwer zu begreifen, aber er leidet auch darunter.«
Selinas Miene war hart wie Granit. »Ich hasse dich«, sagte sie leise, damit Hector es nicht hörte und herausgestürmt kam, »und ich wünschte, du wärst tot.«
»Das kann ich mir vorstellen«, hatte Maudie fröhlich entgegnet. »Aber während wir auf dieses freudige Ereignis warten, könnten wir doch versuchen, miteinander auszukommen?«
Selina hatte sich nicht die Mühe gemacht zu antworten, sondern war auf ihr Zimmer gegangen, hatte sich eingeschlossen und sich geweigert, zum Mittagessen herunterzukommen. Bis zum Beginn des Schuljahres hatte im Haus eine gespannte Atmosphäre geherrscht. Wie schön war es dann gewesen, allein mit Hector zu sein, die bösen Geister und Schuldgefühle waren gebannt – wenn auch nur vorübergehend. Denn in den Ferien tauchten sie mit ermüdender Regelmäßigkeit wieder auf.
»Wir müssen Geduld haben«, erklärte Hector mit ebenso ermüdender Regelmäßigkeit. »Schließlich haben wir wenigstens die Schulzeit für uns.«
Als Maudie das Geschirrtuch aufhängte, lächelte sie in sich hinein. Wie viel Spaß sie miteinander gehabt hatten, sorglosen, egoistischen, wunderbaren Spaß!
»Eins muss ich sagen«, hatte er immerhin ein- oder zweimal eingeräumt – nach einem Nachmittag im Bett oder beim zweiten Brandy nach einer besonders gelungenen Dinnerparty. »Ich muss zugeben, dass es ganz schön ist, sich nicht ständig Sorgen um die Mädchen zu machen. Wenn Hilda einen Fehler hatte, dann war es das Theater, das sie ständig der Kinder wegen veranstaltet hat. Weißt du, was ich meine? Ich hatte das Gefühl, in erster Linie Vater und Ernährer zu sein und erst in zweiter Linie Ehemann und Liebhaber ...«
Sie hatte feststellen müssen, dass es nicht angebracht war, auf solche Kritik mit einem kleinen Scherz einzugehen. »Was ist das für eine Gotteslästerung?«, hatte sie einmal lachend gefragt. »Habe ich recht gehört? Hilda war also doch nicht vollkommen?« Das war nun wirklich harmlos gewesen, aber er hatte sich sofort Asche aufs Haupt gestreut, eine Liste von Hildas Vorzügen heruntergebetet, sie in höchsten Tönen gelobt und ihr Ableben beklagt. Nein, es war völlig verfehlt, auch nur spaßeshalber anzudeuten, dass sie sich angesichts solcher Perfektion ein klein wenig unzulänglich fühlte. Stattdessen hatte Maudie das getan, was sie gut konnte: Sie hatte ihn zum Lachen gebracht und ihm das Gefühl gegeben, jung, sexy und stark zu sein. Die Last der Verantwortung, Trauer und Sorge fielen dann von ihm ab, und er reagierte in einer Weise, dass ihr Selbstwertgefühl wieder in die Höhe schnellte und sie sich begehrt, witzig und lebendig fühlte. Schließlich war es nicht leicht gewesen, ihren Beruf aufzugeben, um die Frau eines Diplomaten und die Stiefmutter seiner undankbaren, anstrengenden Töchter zu werden.
Obwohl sie sich hatte eingestehen müssen, dass es anfangs allzu leicht gewesen war.
Sie befand sich auf dem Heimweg nach England, beurlaubt nach der Pensionierung des Physikers, für den sie fünfzehn Jahre lang gearbeitet hatte. Ein Lebensabschnitt war für sie zu Ende gegangen, es war Weihnachten, und der Flughafen war wegen Schneesturm geschlossen. Verstimmte Passagiere fanden sich in Grüppchen zusammen und jammerten, während Hector »das Kommando übernahm«, wie Maudie es später ausdrückte. »Du hast das Kommando übernommen und das Personal dazu verdonnert, uns eine Unterkunft zu besorgen.«
»Das war nur vernünftig«, erwiderte er. »Du hattest nichts gegen ein schönes warmes Bett einzuwenden, wenn ich mich recht erinnere ...«
Seltsam war es gewesen – seltsam und wunderbar –, wie rasch sie und Hector zusammengefunden hatten. Sie hatten gemeinsam gelacht, aus seinem Flachmann getrunken, die Probleme von der heiteren Seite betrachtet – die kurze Episode war romantisch, irreal, fantastisch gewesen, aber danach hatten sie sich geweigert, wieder auseinander zu gehen. Maudie hatte ihren Beruf an den Nagel gehängt, und Hector hatte die Irritation und Missbilligung von Freunden und Verwandten in Kauf genommen, als er Maudie zwölf Monate nach dem Tod seiner Frau heiratete.
»Es könnte heikel werden«, hatte er besorgt eingeräumt, als sie im Auto saßen, unterwegs zum ersten Treffen mit Hildas Mutter und den Mädchen. »Womöglich wird es ein kleiner Schock für sie sein. Alle waren so begeistert von Hilda ...«
Erst dann war ihr klar geworden, dass ihr gemeinsames Leben ein Balanceakt, ein Auf und Ab der Gefühle werden würde. Hier war der Hector, den sie kannte, der Liebhaber und Gefährte, und dort der Hector, der als ältester Sohn Verantwortung trug, der als Vater geliebt, als Freund bewundert und als Kollege geachtet wurde.
»Ich habe das Gefühl, dass mich niemand als Hectors Frau ansieht«, hatte Maudie einmal zu Daphne gesagt. »Ein merkwürdiges Gefühl – so als hätten wir eine außereheliche Beziehung, als wäre Hilda seine offizielle, rechtmäßige Frau und ich seine Geliebte.«
»Hört sich gut an«, hatte Daphne erwidert. »So macht es bestimmt viel mehr Spaß.«
Daphne hatte sie willkommen geheißen, ihr Bestes getan, damit sie sich zu Hause fühlte, und ihr den Weg geebnet: Daphne, Hildas beste Freundin und Patricias Patin.
»Es könnte Schwierigkeiten mit Daphne geben«, hatte Hector sie gewarnt, als sie bei einem Empfang ihre Gäste erwarteten. »Sie und Hilda haben einander seit der Schulzeit gekannt. Sie waren wie Schwestern.«
Ihm war bei dieser ersten Begegnung unverkennbar mulmig zu Mute gewesen. Als er sie mit Daphne bekannt machte, wirkte er ziemlich unbeholfen, seine gewohnte Weltläufigkeit war wie weggeblasen, aber Daphne hatte Maudies Hände bereitwillig ergriffen und gelächelt, auch wenn ihr Blick sehr direkt und forschend gewesen war.
»Wie klug von dir, Hector«, hatte sie gemurmelt. »Wirklich klug.« Und sie hatte Maudie auf die Wange geküsst.
Selbst jetzt noch, dreißig Jahre später, erinnerte sich Maudie an die Wärme, die sie bei Daphnes kurzer Umarmung empfunden hatte. Sie hatten sich auf Anhieb gemocht, das war sogar in dieser steifen Atmosphäre spürbar gewesen: diese Wärme, in der Maudies Zurückhaltung geschmolzen war wie Eis in der Sonne.
»Ich mag Daphne«, sagte sie später beim Schlummertrunk, und Hector, der vor dem Kaminfeuer stand und sich reckte, atmete spürbar erleichtert auf.
»Es ist alles sehr gut gelaufen«, meinte er. »Wirklich sehr gut.«
Daphne war Maudies engste Freundin geworden, ihre Verbündete im Krieg gegen Selina, ihre Verteidigerin gegen die Flüsterpropaganda von Hildas Anhängerinnen.
»Schließlich«, rief Maudie einmal, empört über eine verletzende Bemerkung, »hat sich Hector ja nicht von dieser verdammten Frau scheiden lassen! Er hat sie doch nicht meinetwegen verlassen! Er war Witwer, in Gottes Namen!«
»Du meine Güte.« Daphne betrachtete sie mitfühlend. »Siehst du denn nicht, welche Bedrohung du für uns alte Ehefrauen darstellst? Hector hat die ungeschriebenen Gesetze missachtet, die in unserem kleinen Kreis gelten. Er hat sich eine attraktive jüngere Frau gesucht, die nicht kochen kann, keine Kinder will und Seine Exzellenz nicht vom Gärtner unterscheiden kann, und ihm ist es schnurzegal. Offensichtlich geht es ihm blendend. Er sieht zehn Jahre jünger aus und stellt alle unsere lieb gewonnenen Vorurteile infrage.«
»Aber warum?«, fragte Maudie. »Warum können uns die Leute nicht einfach in Ruhe lassen?«
»Forschungslabore müssen wirklich außergewöhnliche Orte sein.« Daphne schüttelte den Kopf. »Kapierst du denn erst jetzt, dass einer, der aus der Herde ausschert, mit Vorliebe in Stücke gerissen wird? Wir sind doch alle so unsicher. Wenn du dich anders verhältst als ich, muss ich entweder meine eigenen Grundsätze und Gewohnheiten infrage stellen oder beweisen, dass du Unrecht hast. Irregeleitet, dumm, schlecht erzogen, es spielt keine Rolle, wie ich dich bezeichne, solange ich meine selbstgefällige Lebenseinstellung nicht aufgeben muss. Du bist in unseren Kreis gekommen und hast alles über den Haufen geworfen. Aber du musst ein bisschen Geduld mit uns haben, Maudie. Ehefrauen mittleren Alters sind ziemlich verletzlich. Und Männer mittleren Alters sind leicht zu beeindrucken.«
»Ich will für niemanden eine Bedrohung sein«, rief Maudie. »Ich will nur meine Ruhe haben. Ich kritisiere keine von euch. Mir ist es gleich, was ihr macht und wie ihr es macht.«
»Das ist ja gerade das Problem«, seufzte Daphne. »Du bist so selbstbewusst, so sicher, so gar nicht zu beeindrucken. Du wirst feststellen, dass manche Leute damit einfach nicht zurechtkommen.«
»Das klingt, als wäre mein Leben nur eitel Sonnenschein«, erwiderte Maudie mürrisch. »Aber ich kann dir versichern, das ist es nicht. Das Dasein als zweite Frau und Stiefmutter kann die Hölle sein. Ich bin nicht annähernd so selbstbewusst, wie du glaubst.«
»Mag sein, aber du gibst es nicht zu. Du denkst gar nicht daran, dich all den Ehefrauen anzuvertrauen, die dir so gern mit Rat und Tat ...«
»Und sich hinterher vor Schadenfreude nicht halten können.«
»Genau, da hast du’s. Aber warum vertraust du dich dann mir an?«
»Weil du anders bist«, antwortete Maudie nach einer kleinen Weile. »Dir vertraue ich.« Und dann lachte Daphne, sie lachte so lange, bis sich Maudie beinahe unbehaglich fühlte.
»Ich weiß, es ist seltsam, dass ich ausgerechnet dir vertraue«, sagte sie, wie um sich zu verteidigen, »obwohl du Hildas beste Freundin warst und so weiter. Aber ich vertraue dir. Und jetzt kannst du dich deiner heimlichen Schadenfreude hingeben.«
»Nein, das mache ich nicht. Aber ich muss zugeben, dass es seltsam ist. Ich habe Hilda wirklich gern gehabt. Wir waren gemeinsam im Internat, und ich habe die Ferien oft bei ihrer Familie verbracht, wenn meine Eltern im Ausland waren. Wir hatten viel Spaß miteinander. Aber im Grunde war sie immer ein ernstes Mädchen, ein bisschen etepetete, und als sie älter wurde, hat sich dieser Charakterzug zu einer Selbstgefälligkeit entwickelt, die, ehrlich gesagt, ziemlich enervierend sein konnte. Und, was sagst du zu meiner Treulosigkeit?«
»Nicht schlecht für den Anfang«, erwiderte Maudie grinsend, »aber ich bin mir sicher, du kannst es noch besser, wenn du dran arbeitest.«
Daphne zögerte, dann lachte sie. »Du böses Mädchen!«, sagte sie. »Hector hat das große Los gezogen. Und offensichtlich ist er noch dazu ziemlich glücklich.«
War er wirklich glücklich gewesen? Maudie nahm ihre Jacke vom Haken an der Tür und suchte in ihrer Handtasche nach dem Autoschlüssel. Und was war mit diesem endlosen Streit wegen Selina? Den Anschuldigungen, die er ihr an den Kopf geworfen hatte: Sie sei mitleidlos, kalt, egoistisch? Und dann die Male, als er seine Tochter und deren Kinder allein besucht hatte, weil Selina geklagt hatte, Maudie sei so kritisch, so lieblos, dass die Jungs Angst vor ihr hätten? Der Schmerz, als sie feststellen musste, dass Hector Selina inzwischen fast mehr Glauben schenkte als ihr?
»Vorbei«, sagte Maudie laut, als sie hinausging und die Tür hinter sich zuschlug. »Vorbei, vorbei, vorbei!«
Warum, fragte eine leise, hartnäckige Stimme in ihrem Kopf, warum bist du dann immer noch wütend?
»Halt den Mund«, sagte Maudie. »Darauf lasse ich mich nicht ein. Ich werde mir jetzt eine schöne Zeit machen. Hau ab, und lass mich in Ruhe!«
Sie öffnete die Tür des großen Schuppens, in dem das Auto stand, fuhr langsam die moosbewachsene Auffahrt entlang und wandte sich nach Westen, Richtung Bodmin-Moor.
Das Farmhaus stand in einer kleinen Senke neben dem schmalen Feldweg. Am Ende des Gartens, bei der Natursteinmauer, erhoben sich zu beiden Seiten eines Viehgitters, hinter dem der Weg steil ins offene Moor hinaufführte, zwei Granitpfosten – das Tor zum Moor. Maudie stellte den Wagen am Hoftor ab und stieg aus. In der vorne offenen Scheune parkte ein Lieferwagen, und ein Unkrautfeuer schwelte vor sich hin. Es war ein milder grauer Tag, die fernen Wiesen hüllten sich in Nebel, und über dem Land lag eine brütende Stille. Das Anwesen wirkte verlassen, das Haus abweisend und leer. Von der Baumgruppe im Westen jenseits des Feldwegs erhob sich lärmend ein Krähenschwarm in die feuchte Luft, und leiser Hufschlag drang an Maudies Ohr.
Sie betrachtete anerkennend das kräftige kleine Pferd, das nun an der Wegbiegung auftauchte. Der Reiter hob grüßend die kurze Reitpeitsche an den Hut, und als er zum Viehgitter gelangte, beugte er sich hinunter, um das niedrige Tor daneben zu öffnen. Pferd und Reiter passierten den Durchgang, das Tier wartete geduldig, bis er wieder geschlossen war, und begann dann den Aufstieg über die Moorstraße. Sobald sie außer Sicht waren, wandte sich Maudie wieder dem Haus zu. In diesem Land voll Granit und Schiefer wirkten die beige verputzten Mauern anheimelnd und freundlich. Das alte Farmhaus mit dem Dach aus Delabole-Schiefer und der Eingangstür aus massiver Eiche strahlte Beständigkeit und Sicherheit aus, ein Zufluchtsort in unwirtlicher Landschaft.
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