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Im "Paradies", einem malerischen Cottage in St. Meriadoc, Cornwall, pflegt Joss ihre Großmutter Honor, die auf ein erfülltes Leben in Indien und England zurückblickt. Der Gesundheitszustand der liebenswerten alten Dame verschlechtert sich rapide, als ein junger Amerikaner auf der Suche nach seiner Familie auftaucht, um Honor ein verblichenes Foto zu zeigen. Niemand ahnt, dass dieses Foto ein Geheimnis enthüllen könnte, das Honor schwer auf der Seele lastet. Als sie Joss einen Stapel Briefe anvertraut, tritt eine Lebenslüge zutage, die Honor aus Liebe viele Jahrzehnte aufrechterhalten hat und an der die Familie nun zu zerbrechen droht. Doch zugleich belegen Honors Briefe den Mut einer außergewöhnlichen Frau, die zum Schutz ihrer Tochter eine schicksalhafte Entscheidung treffen musste. Meisterhaft erzählt Marcia Willett von Lebenslügen und schenkt uns einen mitreißenden Roman voller Wahrheit.
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Seitenzahl: 542
Cover
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
St Meriadoc – Dichtung und Wahrheit
Prolog
Erster Teil
Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs
Sieben
Acht
Neun
Zehn
Elf
Zwölf
Dreizehn
Vierzehn
Fünfzehn
Zweiter Teil
Dritter Teil
Sechzehn
Siebzehn
Achtzehn
Neunzehn
Zwanzig
Einundzwanzig
Zweiundzwanzig
Dreiundzwanzig
Vierundzwanzig
Fünfundzwanzig
Sechsundzwanzig
Siebenundzwanzig
Achtundzwanzig
Neunundzwanzig
Dreissig
Einunddreissig
Zweiunddreissig
Dreiunddreissig
Vierunddreissig
Fünfunddreissig
Sechsunddreissig
Siebenunddreissig
Achtunddreissig
Neununddreissig
Vierzig
Epilog
Marcia Willett, in Somerset geboren, studierte und unterrichtete klassischen Tanz, bevor sie ihr Talent für das Schreiben entdeckte und sich zu einer außergewöhnlichen Erzählerin entwickelte, die THE TIMES als »eine authentische Stimme ihrer Zeit« feierte.
Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann in Südengland, dem Schauplatz vieler ihrer Romane.
Marcia Willett
Ein Paradies in Cornwall
Roman
Aus dem Englischenvon Rita Seußund Sonja Schuhmacher
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
Titel der Originalausgabe: »The Golden Cup«
Für die Originalausgabe:
Copyright © 2005 by Marcia Willett
Originalverlag: Bantam Press,
a division of Transworld Publishers, London
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2007/2014 by Bastei Lübbe AG, Köln
Lektorat: Regina Maria Hartig
Textredaktion: Boris Heczko
Titelillustration: © Johnér Bildbyrå AB / Elisabet Zeilon
Umschlaggestaltung: Bettina Reubelt
E-Book-Produktion: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
ISBN 978-3-7325-0156-4
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Für Clare Foss
Zuerst die Wahrheit:
Meriadoc war ein reicher Waliser, der im 5. oder 6. Jahrhundert lebte. Irgendwann entschloss er sich, sein Geld an mittellose Geistliche und sein Land an die Armen zu verteilen. Er verzichtete auf ein Leben in Luxus und auf die purpurfarbenen Seidengewänder, die er so gern trug, kleidete sich in Lumpen, aß schlichte Speisen und lebte in völliger Entsagung. Er kam nach Cornwall, wo er mehrere Kirchen gründete; schließlich setzte er seine Mission in der Bretagne fort. Das Amt des Bischofs von Vannes nahm er nur widerstrebend an und führte weiterhin ein asketisches Leben. Bis heute wird er in Cornwall und in der Bretagne verehrt – die Gemeindekirche in Camborne ist dem heiligen Martin und dem heiligen Meriadoc geweiht, ein Mirakelspiel in kornischer Sprache erinnert noch heute an seine legendären Taten. Außerdem ist ein Kindergarten nach ihm benannt. Sein Namenstag wird am 7. Juni gefeiert.
»Armut behebt alle Sorgen und ist die Mutter der Heiligkeit.«
Der heilige Meriadoc
Und nun zur Dichtung:
Die St-Meriadoc-Bucht, die Quelle und das »Paradies« sind frei erfunden, ebenso die Osteopathie-Praxen in Bodmin und Wadebridge. Die fiktive Bucht liegt an der Nordküste Cornwalls zwischen Com Head und Carnweather Point oberhalb der Port Quin Bay und nördlich von Polzeath. Zwei Wege führen zur Bucht hinunter; der östliche wird kaum noch benutzt und führt direkt zum Haus, dem »Paradies«. Der westliche fällt steil zum einen Ende der Bucht ab, führt an der alten Bootswerft und den Cottages vorbei, gabelt sich dann und führt linker Hand zum »Krähennest« und rechter Hand zum »Paradies«.
Die beiden Tiere, die sich unter den kahlen Zweigen einer alten Buche aneinanderdrängten, waren im schwindenden Winterlicht kaum zu erkennen. Sie standen reglos da, dunkelgraue Silhouetten vor der hohen Granitmauer, die den Garten von der sanft abfallenden, reifbedeckten Wiese trennte. Er hörte, wie sich das geschwungene schmiedeeiserne Tor quietschend öffnete, und sah eine junge Frau herauskommen, die es sorgfältig hinter sich schloss. Er erkannte sie wieder, denn er hatte sie bei einem früheren Besuch in dem Haus schon einmal flüchtig gesehen. Sie trug ein Plaid um die Schultern, einen langen Rock aus grobem Stoff und grüne Gummistiefel.
Die Esel trotteten auf sie zu, und sie redete leise auf sie ein und neigte sich zu ihnen herab, als würde sie ihnen einen Kuss auf die weichen Mäuler drücken. Er zögerte. Gern hätte er sie angesprochen, doch er brachte nicht den Mut dazu auf. Stattdessen rief er sich ins Gedächtnis, wie er sie zum ersten Mal gesehen hatte, als sie durch eine Tür hinten im dunklen Korridor getreten war: mit klarem, entschlossenem Blick, symmetrischen dunklen Brauen, die Arme über der Brust verschränkt, als trage sie ein Buch oder eine Schachtel. Argwöhnisch war sie stehen geblieben, hatte sich umgesehen und war dann durch eine andere Tür wieder verschwunden, sodass er mit der älteren Frau allein zurückgeblieben war, die ihn freundlich und voller Mitgefühl anlächelte.
»Es tut mir wirklich leid. Aber heute können Sie Mrs Trevannion auf keinen Fall besuchen. Sie hat eine schwere Lungenentzündung. Hätten wir doch nur vorher gewusst, dass Sie kommen.«
»Ich habe Mrs Trevannion geschrieben«, entgegnete er rasch. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. »Und ich habe auch ein Foto mitgeschickt. Ich glaube – das heißt, ich hoffe –, dass sie damals im Krieg die Schwester meiner Großmutter gekannt hat. Meine Großmutter ist 1946 in die Staaten ausgewandert, danach haben sie sich aus den Augen verloren. Wir fanden es so aufregend, als meine Mutter das Hochzeitsfoto gefunden hat, auf dem alle vier zu sehen sind. Die Namen auf der Rückseite waren ganz deutlich zu lesen. Hubert und Honor Trevannion –«
»Ich fürchte, sie war nicht in der Lage, Ihren Brief zu beantworten. Zuerst hat sie sich den Knöchel gebrochen, und dann kam diese Lungenentzündung.« Die ältere Dame hatte ihm höflich, aber bestimmt eine Absage erteilt. »Vielleicht in ein, zwei Wochen.«
»Ich bin aber nur noch diese Woche hier«, hatte er bestürzt erwidert. »Ich wohne drüben in Port Isaac. Zurzeit arbeite ich in London und nutze die Gelegenheit, um den Spuren zu folgen, die ich hier finden kann. Ich interessiere mich schon so lange dafür, und das Foto hat mich ein ganzes Stück weitergebracht…«
Wieder glaubte er zu spüren, dass sie bei der Erwähnung des Fotos ein wenig reservierter wurde.
»Ich wüsste wirklich nicht, wie wir Ihnen im Moment helfen könnten.«
Er unternahm noch einen Anlauf. »Was für ein bezauberndes kleines Tal das doch ist, so verschwiegen und so fruchtbar! Und welch ein wunderschöner Name für ein Haus, ›Paradies‹. Hier in Cornwall haben Sie wirklich merkwürdige Namen, finden Sie nicht? ›Indian Queens‹, ›Lazarus‹, ›Jamaica Inn‹.« Er schüttelte staunend den Kopf. »Und dann auch noch die vielen Heiligen. Aber ›Paradies‹ gefällt mir. Und der Name passt.«
»Das finden wir auch.«
Ihre Höflichkeit war jetzt abweisend wie eine Wand. Er gab ihr seine Visitenkarte, und sie versprach, sich zu melden, verabschiedete ihn mit einem Lächeln und schloss leise die Tür. Seine Enttäuschung war groß, und als er die Zufahrt hinunterging, die zu der schmalen Straße führte, fühlte er sich gekränkt – sie hätte ihm ja wenigstens eine Tasse Tee anbieten können. Als er nun am Gatter stand und die Esel beobachtete, versuchte er, die Sache vernünftig zu betrachten. Zweifellos war Honor Trevannion schwer krank; und die beiden Frauen, die ältere und die junge, waren so besorgt um ihr Wohlergehen, dass sie einfach keine Zeit für einen Fremden auf der Suche nach Angehörigen hatten. Fröstelnd zog er die Schultern hoch und lehnte sich auf das Gatter. Die Gruppe am anderen Ende der Wiese war jetzt kaum noch zu erkennen, denn die Sonne war hinter dem Horizont versunken, und die Dämmerung brach herein. Stirnrunzelnd dachte er noch einmal an das Gespräch zurück. Hatte er sich diese leichte Nervosität nur eingebildet? Dieses Widerstreben, auf seinen Brief und das Foto einzugehen? Er zuckte die Achseln. Wahrscheinlich hatte die ältere Dame gar keine Ahnung, wovon er gesprochen hatte. Sie war wohl zu sehr mit ihren Sorgen beschäftigt, um sich für sein Anliegen zu interessieren.
Wieder hörte er das Quietschen, als sich das Eisentor schloss. Die junge Frau war fort, die Esel waren verschwunden. Ernüchtert, aber nach wie vor neugierig und fest entschlossen, diese Spur weiter zu verfolgen, kehrte er zu dem stillgelegten Steinbruch zurück, in dem er seinen Wagen abgestellt hatte, und fuhr davon.
Baumhohe Rhododendren mit tief verwurzelten, knorrigen Stämmen säumten den Weg von der Wiese herauf. Die zähen lanzenförmigen Blätter zitterten in der frostigen Brise. Am Ende des Wegs leuchteten Schneeglöckchen zart aus dem Halbdunkel. Aus einem Fenster im ersten Stock drang Licht. Eine Gestalt mit weit ausgebreiteten Armen spähte hinaus und zog energisch die Vorhänge zu.
Die junge Frau war nun wieder im Haus, schlüpfte aus den Stiefeln und ging ins Wohnzimmer, wo Mousie Holz in den offenen Kamin schichtete.
»Da bist du ja, Joss.« Die Stimme klang irgendwie erleichtert. »Ich habe mich schon gefragt, wohin du verschwunden bist. Hast du die Esel zu Bett gebracht?«
»Ja, mit ein paar Äpfeln.« Joss hockte sich auf den Kaminvorsetzer, die Füße in mollig warmen Socken, und genoss die Hitze der Flammen, die mit gelb und orangerot lodernden Zungen an den groben Scheiten leckten. »Wie geht’s Mutt?«
»Sie schlummert friedlich. Nachher bringe ich ihr ein Tablett hoch und setze mich eine Weile zu ihr. Kommst du mit?«
Joss schüttelte den Kopf. »Ich geh später rauf und lese ihr vor. Nach dem Abendessen ist sie immer unruhig, und das Zuhören lenkt sie ab. Was war das für ein Mann, der gerade hier war? Was wollte er?«
Mousie zögerte, als falle es ihr schwer, die Frage korrekt zu beantworten. »Ein Amerikaner, der nach einer Verwandten sucht. Anscheinend glaubt er, dass deine Großmutter während des Kriegs seine Großtante gekannt haben könnte. Er hat sich nicht gerade den günstigsten Zeitpunkt ausgesucht, fürchte ich.«
»Und kennt Mutt sie?«
»Ich habe sie nicht gefragt«, gab Mousie zurück. »Möchtest du Tee?«
»Ich nehme mir gleich eine Tasse. Lass die Kanne einfach stehen!« Joss schenkte Mousie ein Lächeln. Die ältere Dame war klein und hielt sich kerzengerade. Um den Hals trug sie mehrere Brillen an langen Ketten. »Ich komme sehr gut allein zurecht, falls du nach Hause gehen möchtest, Mousie.«
»Das weiß ich, mein Schatz.« Mousie entspannte sich sichtlich, und ihre Sorgenfalten verschwanden. Aus ihren graublauen Augen unter dem schwer zu bändigenden weißen Haar sprach Zuneigung. »Aber vielleicht sollte ich doch noch mal nach ihr sehen. Dieses neue Antibiotikum…«
Joss gluckste in sich hinein. »Du bist ein hoffnungsloser Fall. Das liegt vermutlich daran, dass du so viele Jahre Verantwortung als Krankenschwester tragen musstest. Die Macht der Gewohnheit. Glaub nur nicht, dass ich keine Ahnung habe. Ich bin zwar keine Krankenschwester, aber ich kann Mutt schon heben. Und ich prophezeie dir, dass eine sanfte Massage wirklich hilft, nachdem sie nun den Gips los ist.«
»Du weißt ganz genau, dass ich keine Vorurteile gegen Osteopathie habe«, erklärte Mousie mit Nachdruck. »Ich habe nichts dagegen, dass du dich um deine Großmutter kümmerst. Aber diese Lungenentzündung finde ich sehr beunruhigend. Außerdem ist Mutt ziemlich verwirrt, was bestimmt auf die Antibiotika zurückzuführen ist.«
Wieder blickte sie so besorgt drein, dass Joss die Lust verging, sie zu necken. Ihr Magen krampfte sich vor Angst zusammen.
»Sie braucht einfach Zeit, um sich zu erholen«, meinte sie. »Es war ein komplizierter Bruch, und die Lungenentzündung macht die Sache nicht besser. Sie wird schon wieder gesund, Mousie.« Ihre Stimme klang so verstört, dass Mousie sofort reagierte.
»Natürlich wird sie wieder gesund, mein Schatz. Gott sei Dank hast du Zeit, ihr Gesellschaft zu leisten. Das ist die beste Medizin.« Sie lächelte schelmisch, ihr Humor und ihr Lebensmut hatten erneut die Oberhand gewonnen. »Und natürlich die Massagen.«
Als Mousie den Raum verlassen hatte, zog Joss die Füße an, stützte das Kinn auf die Knie und dachte an den gut aussehenden Amerikaner. Ihr gefiel der Eifer, den er an den Tag gelegt hatte. Wie schade, dass sie so zurückhaltend gewesen war! Sie hätte sich ruhig einmischen und ihm etwas zu trinken anbieten können. Sie hatte ihn auf der Wiese stehen sehen, aber die Zurückhaltung, die sie sich neuerdings zum Selbstschutz auferlegt hatte, hatte ihr verboten, ihm einen freundlichen Gruß zuzurufen. Allerdings wunderte sie sich über Mousies Misstrauen, denn so kannte sie Mousie gar nicht. Sie hatte den Mann ziemlich brüsk abgefertigt. Aber unter den gegebenen Umständen war es wohl nur natürlich, dass Mousie andere Dinge im Kopf hatte.
Als Joss nun ins Feuer starrte, stellte sie sich eine andere Szene vor: wie sie auf ihn zuging, seinen freundlichen Blick mit einem Lächeln erwiderte und sagte: Meine Güte, das klingt ja spannend! Worum geht’s? Sie hätten miteinander Tee getrunken, und er hätte ihr das Foto seiner verschollenen Großtante gezeigt. Wie frustrierend diese ständige Vorsicht war, die ihre Zunge lähmte! Wenigstens konnte sie noch mit ihren Patienten offen und vertrauensvoll umgehen. Die erkundigten sich selten nach dem Privatleben ihrer Therapeutin, und so brauchte sie ihnen gegenüber nicht auf der Hut zu sein. Wenn die gefürchtete Frage kam: »Sind Sie verheiratet? Haben Sie einen Freund?«, konnte sie lockerer damit umgehen, als wenn Menschen, die ihr nahestanden, sie darauf ansprachen. Die Beziehungen zu ihrer Familie waren komplizierter geworden, seit sie aus ihrem Einzimmerapartment in Wadebridge ins »Paradies« übergesiedelt war, während sie das kleine Cottage in der Bucht renovierte. Aber wie hätte sie vorhersehen können, dass aus einer Sandkastenfreundschaft eine Liebe werden würde, die geheim gehalten werden musste?
»Der Tee ist fertig«, rief Mousie ihr von der Treppe aus zu.
Joss ging auf den Flur, blieb kurz stehen und ließ die Atmosphäre des Hauses auf sich wirken, das sie so innig liebte. Es war ein Kleinod, elegant proportioniert mit hohen Schiebefenstern. Manchmal stellte sie sich vor, sie könne das Dach wegschieben und wie in ein Puppenhaus von oben hineinsehen. Durch die geschlossene Tür des Schlafzimmers drang Mousies beruhigende Stimme, und Joss frage sich, ob ihre Großmutter in jungen Jahren wohl tatsächlich die Großtante des Amerikaners gekannt hatte. Sie hatte Verständnis dafür, dass er den Spuren verschollener Verwandter nachging. Familiäre Bindungen vermittelten ein Gefühl von Geborgenheit. Sie selbst fühlte sich hier, im Tal des heiligen Meriadoc, wo ihre Familie mütterlicherseits seit Jahrhunderten lebte, viel tiefer verwurzelt als in ihrem Elternhaus in Henley oder in der Londoner Wohnung, wo ihr Vater während der Woche lebte.
Sie würde Mousie bitten, ihr das Foto zu zeigen. Vielleicht bestand ja wirklich eine Verbindung, die dem jungen Mann bei seiner Suche weiterhalf. Während Joss sich Tee einschenkte und mit dem Becher ans Feuer zurückkehrte, weilten ihre Gedanken immer noch bei ihm.
Oben räumte Mousie das Tablett fort, vergewisserte sich, dass Mutt wieder eingeschlafen war, und ließ den Blick durchs Zimmer schweifen. Ein kleines Feuer flackerte hinter dem hohen Schutzgitter im Kamin. Ein hübsch bemalter Paravent schirmte die alte Dame im Bett vor dem Licht der Lampe auf dem Klapptisch am Fenster ab. An diesem Tisch hielt Mousie Krankenwache; darauf stapelten sich Bücher, Zeitungen und alles, was man zum Briefeschreiben braucht.
Sie nahm sich einen Augenblick Zeit, ordnete die Zeitungen und sammelte die beschriebenen Briefbögen ein, die sie dann in einer Lederkladde verschwinden ließ. Die Füller und Stifte landeten in einem blau-weißen Keramikbecher. Schließlich zog sie das Bild unter der Kladde hervor und betrachtete es. Offensichtlich war es ein neuerer Abzug vom Originalfoto, nicht vom Negativ, denn es wies Kratzer und Abnutzungsspuren auf. Dennoch hatte sie es sofort erkannt: 1941 hatte ihr Cousin Hubert aus dem fernen Indien das gleiche Foto an seine Tante in Portsmouth geschickt.
Damals hatte er geschrieben:
Die Nachricht, dass Onkel Hugh beim Untergang der Hood ums Leben gekommen ist, hat mich zutiefst erschüttert. Aber ich freue mich, dass du nach St Meriadoc gehst, um bei meinen Eltern zu wohnen… Ich kann es gar nicht erwarten, dass ihr Honor endlich kennenlernt, sie ist ein Schatz. Viele liebe Grüße an Mousie und Rafe…
Noch heute saß ihr der Schock in den Gliedern, den sie bei dieser Nachricht so kurz nach dem Tod ihres Vaters empfunden hatte. Von klein auf hatte sie Hubert bedingungslos geliebt. Sie hatte sich nichts sehnlicher gewünscht, als bald groß zu sein, und sich den wundervollen Augenblick ausgemalt, wenn er sie als erwachsene Frau wiedersehen und erkennen würde, dass auch er sie schon immer geliebt hatte. Hubert hatte ihr den Kosenamen »Mousie« gegeben, und obwohl er sie erbarmungslos aufzog, konnte er sie immer zum Lachen bringen. Hubert war einzigartig. Für Huberts junge Frau, die ein bezauberndes Hütchen trug, schräg aufgesetzt — wie albern! –, und sie von dem Foto rätselhaft anlächelte, empfand sie dagegen nichts als bitteren Hass. Im Laufe des Krieges waren immer wieder Briefe mit Neuigkeiten aus Indien eingetroffen: Honor hatte einen Sohn – Bruno – zur Welt gebracht und drei Jahre später eine Tochter, Emma. Mousie war siebzehn gewesen, als Hubert versuchte, für Frau und Kinder die Überfahrt nach England zu buchen, um sie vor den Unruhen zu schützen, die mit der Teilung Indiens einhergingen. Er wollte ihnen noch im selben Jahr folgen, sobald seine Kündigung durch war. Aber wenige Tage vor der geplanten Abreise seiner Familie war er an einer Lebensmittelvergiftung gestorben. Und so war Honor, die Hubert liebevoll Mutt nannte, mit den Kindern allein in sein Elternhaus zurückgekehrt.
Mousie schob das Foto wieder unter die Kladde und warf einen Blick auf das Bett. Mutt lag auf der Seite und beobachtete sie mit wachem Blick. Wie immer überspielte Mousie mit einem Lächeln den Schock, den dieser abrupte Wechsel von fiebriger Verwirrung zu hellen Augenblicken bei ihr auslöste.
»Ich fürchte, der Tee ist inzwischen kalt geworden«, sagte sie. »Möchtest du noch eine Tasse?«
Mutt schüttelte entkräftet den Kopf, und Mousie setzte sich auf den niedrigen Polstersessel, sodass sie fast auf derselben Höhe war wie die Kranke im Bett.
»Arme Mousie«, flüsterte Mutt, und Mousie rückte näher heran, um ihre Worte zu verstehen. »Was bin ich doch für eine Last!«
»Aber woher denn.« Mousie ergriff Mutts ausgestreckte Hand und umfasste sie voller Wärme. »Es geht dir doch schon viel besser. Gleich kommt Joss rauf und liest dir vor.«
Eine Weile hörte man nur das Knistern der Holzscheite im Feuer, das tanzende Schatten an die Wand warf.
»Merkwürdig, findest du nicht?«, murmelte Mutt. »Dass wir beide Krankenschwestern geworden sind.«
»Daran ist nur Hubert schuld«, erwiderte Mousie heiter. »Du weißt doch, dass er mein Idol war, als ich klein war. Als er Medizin studierte, habe ich den Entschluss gefasst, Krankenschwester zu werden. Und ich dumme Gans habe mich gefreut, dass ich noch vor seinem Tod mit der Ausbildung angefangen habe und er es auch erfahren hat. Als wäre damit ein Band zwischen uns geknüpft.«
Ruhelos drehte sich Mutt auf den Rücken, bemüht, eine bequemere Lage zu finden. »Vielleicht kann ich ja noch ein wenig schlafen«, sagte sie.
Der Augenblick der Klarheit war vorüber, obwohl sie offenbar nicht mehr fieberte. Nachdenklich betrachtete Mousie die Kranke, legte schließlich die Glocke neben sie auf die Bettdecke und ging leise hinaus.
Das Portalzimmer, das diesen Namen trug, weil es direkt über der Eingangstür lag, blickte nach Süden über den Garten auf die schmale Straße und den Flickenteppich der Wiesen und Felder, der sich dahinter erstreckte. Vor dem Fenster wuchs eine robuste Glyzinie mit blassblauen Blüten, deren Duft im Frühsommer durch das offene Fenster hereinströmte. Hier hatte Mutt einen Korbstuhl so aufgestellt, dass sie an Juniabenden das exotische Dunkelrot und Weiß der Rhododendronblüten genießen und den Vollmond beobachten konnte, der orangerot leuchtend über den Akazien am oberen Ende des Tals aufstieg.
Als Joss später am Abend in das Zimmer trat, freute sie sich über den Komfort, den es bot, obwohl ihr das eigene Zimmer besser gefiel, das nach Norden auf die hohen, zerklüfteten Klippen blickte. Nachts hörte sie das rhythmische Seufzen der Wellen, die mit ihren Schaumfingern unentwegt nach den unverrückbaren Felsen griffen und schiefergrauen Sand aus den Höhlen wuschen. Jetzt war die Frostnacht hinter dicke Samtvorhänge verbannt, und das Zimmer ihrer Großmutter wirkte still und abgeschieden wie ein Raumschiff, das durch das Universum gleitet.
Sie warf einen Blick auf das Bett mit der reglosen Gestalt und machte, von jäher Angst gepackt, einen Schritt darauf zu. Mutt schlug die Augen auf, als Joss sich über sie beugte, nach dem schmalen Handgelenk griff und den leichten, schnellen Puls fühlte. Sie verzog das Gesicht, als ahne sie die Furcht ihrer Enkelin und mache sich darüber lustig.
»Ich bin noch da«, murmelte sie.
»Ja.« Joss seufzte erleichtert. »Das bist du.«
Sie tauschten ein Lächeln, erfüllt von der besonderen Zuneigung, die sie seit jeher verbunden hatte. Mutt drückte sanft die warme Hand ihrer Enkelin. Ihre Pläne für ihre Joss, die Erbin dieses Garten Eden, durften durch nichts gefährdet werden. Joss und sie hatten stets zusammengehalten. Hin und wieder hatten sie auch der mittleren Generation die Stirn geboten und ihren Spaß dabei gehabt.
Joss drückte die magere Hand an die Lippen und lächelte. »Es ist bald Zeit für deine Medikamente«, sagte sie, »aber vielleicht möchtest du ja zuerst eine kleine Massage?«
»Mhm.« Mutt stimmte bereitwillig zu, denn dieser Liebesdienst brachte ihr tatsächlich Linderung. Sie hatte Joss beigestanden, als diese Unterstützung gegen die Vorurteile ihres Vaters brauchte, und ihr auch finanziell unter die Arme gegriffen. Jetzt erntete sie den Lohn dafür. »Hat vorhin nicht das Telefon geklingelt?«
»Richtig.« Joss rückte ihre Großmutter behutsam zurecht, sodass sie den unteren Rücken und die Wirbelsäule massieren konnte. »Mama kommt morgen.« Sie griff nach einem Fläschchen auf dem Nachttisch, goss ein wenig Öl auf ihre Handflächen, wartete, bis es sich erwärmt hatte, und begann dann, Muskeln und Bindegewebe sanft und geschickt zu bearbeiten. »Sie übernachtet bei Bruno im ›Krähennest‹, will dich aber so bald wie möglich besuchen.«
Mutt schwieg, denn ihre Gedanken waren woanders.
»Ist vorhin Besuch da gewesen?«
Joss zögerte. Ob ihre Großmutter über den Amerikaner und sein Foto Bescheid wusste? Offenbar hatte sie die Türglocke gehört. Joss hasste Heimlichtuerei, und was sollte eine wahrheitsgemäße Antwort schon schaden?
»Ein Amerikaner war hier. Er glaubt, dass du seine Großtante während des Krieges gekannt haben könntest.«
Wieder drehte sie ihre Großmutter, um sich nun den Waden zuzuwenden. Doch nun verzog sich das Gesicht der alten Frau vor Schmerz.
»Hat das wehgetan?«, fragte Joss besorgt.
Mutt schüttelte den Kopf und begann krampfhaft zu husten. Joss setzte sie auf, legte ihr liebevoll den Arm um die Schulter und schüttete mit der anderen Hand Medizin in einen Messbecher. Nachdem der Hustenanfall vorüber war, bettete Joss ihre Großmutter behutsam auf ihr Kissen und stützte das verletzte Bein mit einem Polster.
»Ich muss mir die Hände waschen«, sagte sie. »Bin gleich wieder da.«
Als Mutt allein war, wanderte ihr Blick zu dem Tisch hinüber, an dem Mousie noch vor ein paar Tagen gesessen, die Post geöffnet und ihr die Briefe vorgelesen hatte, weil sie selbst dafür zu schwach war.
»Menschenskind!«, hatte Mousie amüsiert gerufen. »Hier ist ein Brief von einem jungen Mann, der wissen möchte, ob du seine Großtante kennst. Er hat ein Foto beigelegt.« Als sie nach einer Weile weitersprach, klang ihre Stimme belegt. »Das ist ja wirklich erstaunlich«, sagte sie. »Erinnerst du dich an das Foto, Honor?« Und sie war aufgestanden, ans Bett getreten und hatte ihr das Bild hingehalten.
Es war ein richtiger Schock gewesen: ihr eigenes junges, fröhlich lachendes Gesicht inmitten von Freunden zu sehen und sich mit schmerzlicher Freude an diesen glücklichen Tag zu erinnern – und an die Sorgen, die wenig später folgten. Diese Gefühle hatten einen Augenblick lang jeden klaren Gedanken unmöglich gemacht. Daher dauerte es eine Weile, bis ihr der Brief wieder einfiel, den Mousie ihr vorgelesen hatte.
»Ich kann nicht mit ihm sprechen«, hatte sie ängstlich gerufen. »Ich kann einfach nicht. Das ist alles zu schmerzlich und zu lange her!« Mousie hatte sie beruhigt. Sie hatte ihr Recht gegeben, dass sie noch nicht kräftig genug war, um Besuche zu empfangen, und ihr Medizin verabreicht, um den schlimmen Hustenanfall zu mildern. Nachdem Mousie fort war, war Mutt mit unsicheren Schritten zum Tisch getappt, hatte aber weder den Brief noch das Foto gefunden und kaum noch die Kraft aufgebracht, wieder ins Bett zu steigen.
Als sie jetzt auf Joss wartete, dachte sie an etwas anderes – ein törichtes, halb vergessenes Geheimnis –, und ihr wurde flau vor Angst. Unwillkürlich spannte sie die Muskeln an, als wolle sie aufstehen, aber das Medikament wirkte allmählich, und sie wurde schläfrig. Wieder stellte sie sich vor, sie sei in Indien. Bilder und Geräusche drängten sich in ihre wirren Gedanken: rumpelnde Wagenräder und die Rufe der Fuhrleute, schlurfende Schritte und schrille Stimmen; scharfe, stechende Gerüche; dunkle Körper und leuchtende Bougainvilleen; warmer, weicher Staub und unerbittliche Hitze.
Plötzlich schrillte das Telefon unten im Korridor und verstummte, als Mousie den Hörer abnahm. Mutt murmelte und schrie im Schlaf, und Joss, die neben ihr saß, blickte von Zeit zu Zeit von ihrem Buch auf und beobachtete sie.
»Ich habe mir überlegt, dass ich doch lieber droben im Haus übernachten sollte und nicht bei Bruno.« Emma war am Apparat, und wie immer redete sie sehr hastig. »Wenn es Mutt mit dieser Lungenentzündung wirklich so schlecht geht, Mousie, sollte ich vielleicht doch lieber bei ihr wohnen. Ich möchte nur Joss nicht im Weg sein. Sie kümmert sich so rührend um ihre Großmutter. Die beiden waren schon immer ein Herz und eine Seele.«
Mousie lächelte versonnen. Sie malte sich aus, wie Emma neben dem Telefon hockte und mit der freien Hand gestikulierte – warmherzig, zerstreut, liebenswert.
»Bei Bruno bist du gut aufgehoben«, versicherte sie ihr. »Es ist doch nur zehn Minuten von hier, und Honor schwebt schließlich nicht in Lebensgefahr…« Sie rief sich in Erinnerung, was der Arzt gesagt hatte, und biss sich auf die Lippen. »Allerdings muss man bei ihrem Alter auf alles gefasst sein –«
»Das hat Raymond auch gesagt«, unterbrach Emma sie besorgt. »Dass ich bei ihr sein sollte. Du weißt ja, dass er Joss nicht viel zutraut. Von dieser Alternativmedizin hält er nichts, und er meint, dass wir dich zu stark in Anspruch nehmen.«
Mousie konnte sich gut vorstellen, dass Raymond Fox es gern sehen würde, wenn seine Frau zu diesem kritischen Zeitpunkt am Ort des Geschehens wäre.
»Sag ihm, er soll sich wegen Honor nicht allzu viel Kopfzerbrechen machen«, gab sie ungerührt zurück. »Er kann sich darauf verlassen, dass ich genau weiß, was ich zu tun habe.«
»Aber Mousie«, antwortete Emma, halb verlegen und halb amüsiert. »Er meint es nicht so, der gute alte Ray. Manchmal nörgelt er einfach gern ein bisschen herum. Mein lieber Bruder ist nicht sonderlich begeistert darüber, dass ich komme. Momentan kämpft er anscheinend mit einer kniffligen Passage in seinem Buch, und ich höre schon an seiner Stimme, dass er an nichts anderes denken kann. Macht nichts. Ein bisschen Ablenkung wird ihm guttun.«
»Wenn du meinst.« Mousie dachte voller Mitgefühl an Bruno. »Ich halte es für das Klügste, wenn Joss hier weiter freie Hand hat. Sag Raymond, dass Honor bei ihr in guten Händen ist. Darauf kommt es im Augenblick an.«
»Du hast Recht, Mousie. Das Problem ist nur, er kapiert einfach nicht, dass sie ein erwachsener Mensch ist. Und schließlich ist sie keine ausgebildete Krankenpflegerin wie du, obwohl ich ihm immer wieder erkläre, dass sie ihre Sache großartig macht. Sie war schon als Kind so fürsorglich und vernünftig, ganz anders als ich, findest du nicht? Aber natürlich war Vater Arzt und Mutt gelernte Krankenschwester, das muss sie also von ihnen haben…«
»Joss ist großartig«, entgegnete Mousie energisch, »und Raymond hat allen Grund, stolz auf sie zu sein. Sie war im Krankenhaus in Truro, um Honors Röntgenbefunde mit dem Physiotherapeuten zu besprechen, und sie weiß genau, was sie tut.«
»Es tut so gut, mit dir zu reden«, meinte Emma euphorisch. »Ich hoffe, dass ich rechtzeitig zum Mittagessen bei euch bin. Sag allen liebe Grüße von mir.«
Mousie legte den Hörer mit dem wohlbekannten Gefühl auf, einen Spurt zurückgelegt zu haben. Dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück. Zwei kleine, gemütliche Sofas standen im rechten Winkel zum offenen Kamin, und ein drittes, das etwas länger war, ergänzte das Quadrat. Mutts Vorliebe für zurückhaltende Eleganz war in jedem Raum des Hauses spürbar, doch nirgends mehr als hier in dem kleinen Handarbeitszimmer, in das sie sich zum Lesen oder Sticken zurückzog. In der ganzen Umgebung war sie für ihre schönen Stickereien bekannt. Sie hatte auch schon zahlreiche größere Aufträge erhalten, aber wegen ihrer nachlassenden Sehkraft hatte sie in letzter Zeit nicht mehr so viel angenommen. Der halb fertige Gobelin, an dem sie abends vor dem Kamin gearbeitet hatte, stand noch in dem Stickrahmen neben dem Rosenholztisch mit den Zeitschriften und Büchern.
Mousie setzte sich in die Ecke am Feuer und öffnete ihre große Gobelintasche. Behutsam zog sie das Foto mit dem Brief heraus und betrachtete die vier lachenden Gesichter: Hubert, seine Frau und ein zweites Paar.
Der Amerikaner hatte geschrieben:
Es wurde eine Doppelhochzeit gefeiert, weil die vier so eng befreundet waren. Meine Großmutter wusste noch, dass die beiden Mädchen Krankenschwestern waren, meinte aber, dass mein Großonkel in Indien eine Firma leitete. Das alles klingt ein bisschen vage. Fest steht nur, dass der Mädchenname meiner Großtante Madeleine Grosjean war. Ich weiß, dass sich die beiden Krankenschwestern sehr nahestanden, aber kurz nachdem meine Großmutter in die Staaten gegangen war, kamen keine Briefe mehr aus Indien. Die Nachforschungen, die damals angestellt wurden, ergaben, dass Madeleine und ihre Familie spurlos verschwunden waren. Wir vermuten, dass sie bei den Unruhen im Jahre 1947 umgekommen sind.
Vielleicht waren Sie und Dr. Trevannion damals ja bereits nach Großbritannien zurückgekehrt. Es wäre wunderbar, wenn wir der Wahrheit auf die Spur kommen könnten. Ich hoffe, dass Sie ein bisschen Zeit für mich haben, wenn ich nächstes Wochenende vorbeikomme, sagen wir am Samstag gegen drei?
Mousie faltete den Brief zusammen und dachte an Honors Ankunft in St Meriadoc zurück. Damals, 1947, war Huberts Mutter bereits tot und sein Vater ziemlich gebrechlich gewesen. Doch alle hatten ihr Bestes getan, damit sich die Neuankömmlinge wie zu Hause fühlten. Der kleine Bruno, der so viel Ähnlichkeit mit seinem Vater hatte, war noch ganz benommen von den Ereignissen der letzten beiden Monate, und die süße Emma, zu klein, um das alles zu begreifen, war dankbar dafür, in den Schoß ihrer neuen Familie aufgenommen zu werden. Vom ersten Augenblick an hatte Mousie die Kinder ins Herz geschlossen – aber Honor… Mousie seufzte. Zwischen ihnen war eine Barriere gewesen, eine Reserviertheit, gegen die Mousie einfach nichts ausrichten konnte. Ob der Grund dafür ihre Liebe zu Hubert war? Sie hatte sich alle Mühe gegeben, diese Distanz abzubauen, aber es war ihr nicht gelungen. Sie hatte sich nicht einmal angewöhnen können, den albernen Kosenamen der Kinder zu benutzen: Für Mousie blieb Mutt immer »Honor«.
Sie hörte Schritte auf der Treppe und ließ Brief und Foto rasch wieder in ihrer Tasche verschwinden. Als Joss hereinkam, saß Mousie scheinbar in die Zeitung vertieft vor dem flackernden Feuer.
Während Emma hinter Launceston die vertraute Landstraße entlangfuhr, bei Kennards House abbog und Ausschau nach dem glitzernden Meer in der Ferne hielt, führte sie Selbstgespräche. Sie machte sich Mut: Lange würde es nicht mehr dauern, dann war sie da, dann war sie zu Hause. Obwohl sie in aller Frühe losgefahren war, fühlte sie sich wach und voller Energie und freute sich auf das Wiedersehen mit ihrer Familie – vor allem auf Joss und Bruno.
»Und die gute alte Mutt«, sagte sie laut. Die Krankheit ihrer Mutter bedrückte sie, aber vor allem machte ihr der Gedanke zu schaffen, dass sie sich im Umgang mit Kranken so hilflos fühlte – ganz anders als Mousie, die es verstand, ihre Fürsorge zu zeigen, ohne sich dabei aufzureiben.
»Sie sieht schrecklich aus«, hatte Emma geklagt, als sie Mutt das letzte Mal besucht hatte. »So gebrechlich und alt.«
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