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Weißwurst statt Currywurst Die junge Ärztin Elly fällt aus allen Wolken, als sie erfährt, dass sie einen Gutshof in den Alpen geerbt hat. Eigentlich ist sie ein absoluter Stadtmensch, eine mietfreie Unterkunft kann die junge Mutter allerdings gut gebrauchen. Kurzentschlossen zieht sie mit ihrer kleinen Tochter von Berlin ins Berchtesgadener Land. Nicht alle Dorfbewohner sind begeistert, eine alleinerziehende Stadtzicke zur Nachbarin zu haben. Aber Elly lässt sich nicht unterkriegen und startet eine Charme-Offensive, der selbst ihr Nachbar Phillip nicht widerstehen kann. Er ist der Tierarzt im Ort und ein richtiger Eigenbrötler ...
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Das Buch
Elly ist mit den Nerven am Ende: Die Kosten für die Kinderbetreuung ihrer zweijährigen Tochter Mia fressen ihre gesamten Ersparnisse auf. Als junge Kinderärztin in einer Berliner Kinderklinik hält sich ihr Gehalt in Grenzen, und ihr Ex lässt mit den Unterhaltszahlungen auf sich warten. Als sie ein Brief aus Bayern erreicht, hofft Elly auf aufmunternde Worte ihrer alten Tante Lisbeth. Stattdessen erhält sie eine traurige Nachricht: Lisbeth ist gestorben, und Elly wird gebeten, zur Testamentseröffnung nach Schönau am Königssee zu kommen. Dort erfährt sie zu ihrem Erstaunen, dass Lisbeth ihr den alten Gutshof vermacht hat. Elly ist hin und her gerissen. Eigentlich ist sie ein absoluter Stadtmensch, aber der Königssee ist das Paradies ihrer Kindheit, und eine mietfreie Unterkunft käme ihr sehr gelegen. Als sich herausstellt, dass in der örtlichen Kinderarztpraxis eine Stelle frei ist, steht die Entscheidung fest: Elly zieht mit Mia ins Berchtesgadener Land. Doch schon kurz nach ihrer Ankunft merkt sie, dass die Uhren in Schönau anders ticken: Nicht alle Dorfbewohner sind begeistert, eine protestantische Preußin zur Nachbarin zu haben, die noch dazu alleinerziehend ist. Ob im Kindergarten oder in der Kirche: Überall eckt Elly erst einmal an. Zum Glück gibt es da noch Ellys Freundin aus Kindertagen, Vroni, und den hilfsbereiten Tierarzt Philipp, der Elly zwar für eine Stadtzicke hält, aber offensichtlich trotzdem Gefallen an ihr findet …
Die Autorin
Caroline Lenz, geboren 1981, hat Medizin studiert und arbeitet seit einigen Jahren als Kinderärztin.
Wann immer ihr der Schichtdienst Zeit dazu lässt, widmet sie sich ihrer Leidenschaft, dem Schreiben. Ein Kerl zur Brotzeit ist ihr zweiter Roman.
Caroline Lenz
Roman
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Originalausgabe im Ullstein Taschenbuch
1. Auflage Mai 2014
© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2014
Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
Titelabbildung: © FinePic; © getty images (Reh)
ISBN 978-3-548-28612-9
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Kapitel 1
»Wenn Sie beide das nicht in den Griff bekommen, werde ich mich von einem von Ihnen beiden trennen müssen«, brüllte Doktor Sperling cholerisch.
Mann, hat der Chef mal wieder eine miese Laune, grummelte Elly in Gedanken. Sie wollte nach einem endlos langen Nachtdienst einfach nur noch ins Bett.
Stattdessen hatte Sperling sie in sein Büro zitiert und ließ den tobenden Chefarzt raushängen. Da fuhr er auch schon fort: »Det finden Se wohl och noch witzig!«
Mist, sie hatte sich offenbar zu sehr bemüht, ihren freundlich verständnisvollen Blick aufzusetzen. Wenn Sperling anfing zu berlinern, wurde es ernst. Vielleicht sollte sie die Mundwinkel nicht so krampfhaft anspannen und lieber versuchen, die Augen offen zu halten.
»Frau Paul, Sie brauchen überhaupt nicht so verdutzt aus der Wäsche zu gucken. Sich vor Patienteneltern lautstark mit einem Kollegen zu streiten gehört sich einfach nicht!«
Na, Sie sind auch nicht gerade diskret mit Ihrer Brüllerei, dachte sie mürrisch.
»Sie ruinieren den Ruf unserer Abteilung!« Sperlings Halsschlagader schwoll bedenklich an.
»Ganz ehrlich, ich glaube, der ist schon ruiniert«, konterte Elly. Es wurde Zeit, das Gespräch zu beenden. Bevor sie nach Hause ging, wollte sie unbedingt noch ihre zwei Jahre alte Tochter im Kindergarten besuchen. Mia würde furchtbar enttäuscht sein, wenn sie nicht pünktlich zum zweiten Frühstück mit den versprochenen Muffins auftauchte.
»Was soll’n det heißen?« Sperlings Kopf war tiefrot.
Wenn er so weitermachte, würden ihm die Augen aus dem Gesicht ploppen.
Elly musste sich ein Grinsen verkneifen: »Ach bitte, das wissen Sie doch genau. Jeder hier weiß es.«
Genau das war das Problem. Jeder, selbst der fast blinde und taube Alte, der immer rauchend am Kiosk rumlungerte, wusste es. Sogar die Studenten zerrissen sich ihre Mäuler darüber, wie Jan, Ellys langjähriger Freund, jetzt Exfreund, sie mit ihrer Kollegin Vicky betrogen hatte. Vermutlich war es nicht Jans erste Affäre. Da Vicky aber bereits im sechsten Monat schwanger war, konnte selbst Elly nicht mehr darüber hinwegsehen. Jan, dieses elende …
»Arschloch«, entfuhr es Elly leise, aber unüberhörbar.
»Bitte?!« Sperlings Augen quollen noch weiter hervor.
Elly versuchte ihren Ausbruch als Hustenanfall zu tarnen.
Sperling war nicht so blöd, darauf reinzufallen.
»Ich erwarte, dass Sie und Doktor Petersen auch nach Ihrer Trennung professionell zusammenarbeiten.«
Elly öffnete den Mund und schloss ihn sofort wieder.
»Na det hätten Se mal eher machen sollen.«
»Bitte was?«
»Na den Mund halten.«
Okay jetzt reicht’s. »Zum Streiten gehören ja wohl immer noch mindestens zwei«, auch Elly hatte ihre Stimme erhoben.
Sperling hob abwehrend die Hände.
»Sie kennen die Konkurrenz zwischen den Berliner Kinderkliniken. Sie haben hier Leistung abzuliefern. Die privaten Belange meiner Mitarbeiter haben in der Abteilung nichts verloren.«
»Das ist wohl kaum möglich, wenn Ihr feiner Herr Oberarzt mich ständig zu den unmöglichsten Zeiten einteilt und sich weigert, sich um seine Tochter zu kümmern.«
»Wollen Sie mir gerade weismachen, dass Sie als Einzige unserer berufstätigen Mütter eine Sonderbehandlung verdient haben?«
»Nein, aber …«
»Ich habe hier eine schriftliche Beschwerde über Sie.« Sperling wedelte mit einem zerknitterten grünen Zettel des Beschwerdemanagements vor ihrer Nase herum.
»Die Dinger sind anonym, da beschwert sich ständig irgendwer über irgendwas. Kein Flachbildschirmfernseher im Zimmer, kein Pay-TV, kein Parmaschinken zum Frühstück. Letzte Woche hat sich eine Mutter, die bei ihrem Kind übernachtet hat, beschwert, weil sie morgens um zehn zur Visite geweckt wurde«, wiegelte Elly ab.
Sperlings Augen bohrten sich erst in das Papier und dann in Elly. »Glauben Sie, die Eltern unserer Patienten interessiert es, wie beschissen – und mit diesem Wort werden Sie hier zitiert –, wie beschissen Sie es finden, wenn Herr Petersen Ihre Tochter bei Ihrer Freundin abgibt, weil er wichtige Dinge zu erledigen hat?«
Saufen und Rumvögeln. Sehr wichtig, dachte Elly verbittert. War ja klar, dass die Männer mal wieder zusammenhielten. Eigentlich war es doch Jan, Sperlings heißgeliebter Oberarzt persönlich, der sich hier ständig danebenbenahm. Wenn er sich wenigstens einmal an eine Abmachung gehalten hätte und während ihres Nachtdienstes auf Mia aufgepasst hätte. Dann, na ja, dann hätten sie sich wegen irgendetwas anderem in die Haare gekriegt.
Sperlings Stimme überschlug sich wieder: »Nee, det interessiert niemanden! Merken Sie sich det ein für alle Mal!« Er ließ seinen massigen Körper in den riesigen Chefsessel plumpsen. »Sie können gehen.« Er fuchtelte mit seinen fleischigen Händen in der Luft herum, als wäre Elly eine lästige Fliege, die er verscheuchen musste.
»Darf ich die Beschwerde mal sehen?«, fragte sie.
»Ich weiß nicht, was das bringen soll, aber bitte.« Sperling schob ihr den Zettel hin.
Mit zittrigen Händen nahm Elly ihn in die Hand. Die Schrift kannte sie. Sie hatte sie schon von weitem erkannt. Das war Vickys verstellte Schrift, die sie manchmal gebrauchte, um Materialbestellungen zu fälschen, die von der Wirtschaftsabteilung bereits abgelehnt worden waren. »Die Beschwerde ist möglicherweise gar nicht von Patienteneltern. Sie könnte auch von einer Mitarbeiterin stammen«, versuchte sie Sperling aufzuklären.
Der hatte dafür keine Geduld mehr. »Ach, jetzt gibt es hier anjeblich och noch Intrigen? Ich sag es zum letzten Mal. Ihr Privatleben bleibt draußen. Ich möchte nichts mehr über irgendwelche Streitereien zwischen Ihnen und Herrn Petersen hören. Verstanden?«
»Mir ist nicht ganz klar, wieso Sie nur mich maßregeln«, erwiderte Elly.
Sperling beugte sich vor: »Sie sind eine gute Mitarbeiterin. Ehrlich, ich mag Sie. Aber ich werde nicht auf meinen besten Oberarzt verzichten, nur weil Sie hier einen Rosenkrieg ausfechten müssen.«
Elly stand auf und ging zur Tür. Das war deutlich.
Draußen im Gang steuerte Jan – Arschloch – Petersen direkt auf sie zu.
»Und, wie war’s?«
»Oh, sehr nett. Wir haben gemeinsam gefrühstückt und uns Geschichten aus unserem Leben erzählt«, giftete Elly.
»Ach komm, jetzt sag schon. Bekommen wir Probleme?«
Das war ja mal wieder typisch. »Du willst wissen, ob du Probleme bekommst? Frag doch mal dein Flittchen, wer hier Probleme macht.«
»Halt Vicky da raus. Sie tut niemandem was.«
»Ja klar. Soll ich dir mal was sagen, mein Lieber? Du hast schon Probleme. Du hast eine Menge Probleme. Und die werden nicht weniger, solange du Mia und mir keinen Unterhalt zahlst.«
»Jetzt fang nicht schon wieder damit an.«
»Hast du dir mal überlegt, wie ich von meinem Assistenzarztgehalt die Miete zahlen soll? Oder das Kindermädchen?«
»Oh, Madame hat jetzt ein Kindermädchen!«
»Ja, weil du mich ständig zu völlig beknackten Zeiten für Dienste einträgst, wenn der Kindergarten längst geschlossen hat.«
»Ich teile dich genau so oft ein wie alle anderen auch.«
Jan setzte sein rechthaberisches Gesicht auf, was Elly wie immer zur Weißglut trieb. Sie ballte die Fäuste.
»Weißt du was, Jan? Leck mich. Wir kommen auch ohne dich klar.«
»Na, da bin ich ja gespannt.« Während Jan sich abwandte, schickte er noch hinterher: »Dann kannst du ja dieses Wochenende auf Mia aufpassen. Ich habe was vor. Ich nehme sie dann vielleicht nächstes Wochenende.«
Er ging zum Stationszimmer, wo Vicky in einem viel zu kurzen pinken T-Shirt ihren Babybauch zur Schau stellte. Obwohl Jan es ständig abstritt, war Elly sich sicher, dass zwischen den beiden immer noch was lief. Sie hoffte inständig, dass er diese Affäre, oder was auch immer das war, bald beendete. Nicht auszudenken, welchen schlechten Einfluss Vicky auf ihren kleinen Sonnenschein haben würde. Bisher hatte Mia die Trennung ihrer Eltern ganz gut verkraftet. Und Elly wollte unbedingt, dass das so blieb.
Es war schon fast Mittag, als sie nach einer regelrechten Kindergarten-Muffin-Orgie endlich zu Hause im Prenzlauer Berg ankam. Sie hoffte inständig, noch ein paar Stunden Schlaf zu finden, bevor sie ihre Tochter am späten Nachmittag abholte.
Aus dem Briefkasten quollen Briefe und Werbung. Elly warf die Werbung sofort in die Altpapiertonne und trug den beachtlichen Poststapel in den dritten Stock. Sie ging in die Küche ihrer gemütlichen Altbauwohnung, legte die Briefe auf den Küchentisch und machte sich einen Kaffee. Mit der dampfenden Tasse in der Hand begann sie, die Umschläge zu öffnen. Mahnungen, Mahnungen, Werbung und, na klar, noch mehr Mahnungen.
Wenn das so weiterging, würden Mia und sie sich wirklich nach einer neuen Bleibe umschauen müssen. Aber aus ihrem Viertel wollte Elly auf keinen Fall wegziehen. Und eigentlich auch nicht aus der wunderschönen Dreizimmerwohnung mit den hohen, stuckverzierten Decken und dem kleinen verträumten Südbalkon. Hier hatte sie doch alles, was sie brauchte. Cafés, Restaurants, schöne Geschäfte, Wochenmarkt, Spielplatz und angesagte Bars waren in wenigen Fußminuten erreichbar. Zwischen den Mahnungen befanden sich, quasi zur Abwechslung, noch zwei Absagen auf ihre Bewerbungen an verschiedenen Kinderkliniken in Berlin.
Sehr geehrte Frau Paul, vielen Dank für Ihre Bewerbung, leider … blablabla. Ellys ohnehin schlechte Laune verdüsterte sich zunehmend. Na toll! Den ganzen Schlamassel hatte sie Jan zu verdanken. Nicht mal bei dem Versuch, die Arbeitsstelle zu wechseln, um ihm aus dem Weg gehen zu können, unterstützte er sie. Im Gegenteil. Bei allen, ihm leider nur zu gut bekannten Chefs und Oberärzten hatte er sich über sie beklagt. Sein Ego vertrug es offensichtlich nicht, dass sie ihn vor wenigen Monaten aus der gemeinsamen Wohnung geworfen hatte. Wütend fegte Elly die Post vom Tisch. Wenn sie könnte, würde sie Jans heißgeliebten Fernseher gleich noch einmal vom Balkon auf die Straße werfen. Das hatte gutgetan. Und erst sein Gesicht … Unwillkürlich musste sie lächeln und versetzte den geöffneten Briefen gleich noch einen Tritt. Dabei fiel ihr Blick auf einen zartrosa Umschlag, den sie bislang übersehen hatte. Neugierig fischte Elly den Brief aus dem Haufen und öffnete ihn. Das Papier war eher altrosa und ganz leicht mit Rosenduft parfümiert. Der konnte nur von Tante Lisbeth sein, was ein kurzer Blick auf den Absender auf der Rückseite bestätigte. Elly seufzte. Vermutlich war das mal wieder eine Einladung, ihre einzige noch lebende Verwandte in ihrem Kaff am Ende der Welt zu besuchen. Halt! Zweite noch lebende Verwandte. Mia war ja auch noch da. In dem kitschigen Urlaubsörtchen im tiefsten Bayern könnten sie beide sich bestimmt gut erholen. Aber dann müsste Elly der Tante irgendwann gestehen, dass sie eine einsame, gedemütigte Singlemutter war. Das würde Lisbeth, die sich seit dem Tod von Ellys Eltern für sie verantwortlich fühlte, sicher sehr aufregen. Aufregung und Mitleid waren das Letzte, was Elly jetzt gebrauchen konnte. Sie gab sich einen Ruck, öffnete den Umschlag und begann zu lesen. Dann ließ sie das altrosafarbene Papier sinken, ging zum Küchenschrank, holte eine Flasche Cognac heraus und goss einen ordentlichen Schuss in ihre Kaffeetasse. In einem Zug trank sie die Tasse aus und setzte sich wieder. Sie holte tief Luft und las den Brief noch einmal.
Liebe Elisabeth,
wenn Du diesen Brief liest, weile ich nicht mehr unter den Lebenden. Mit meiner Gesundheit ist es schon seit einer Weile nicht zum Besten bestellt, und ich merke, dass meine Zeit langsam zu Ende geht. Sei nicht traurig. Ich werde jetzt bei Deinen Eltern, meinem Mann und meinem Sohn sein. Gerade meine Schwester habe ich seit jenem unglückseligen Tag furchtbar vermisst. Sie wäre sicher stolz darauf, was für eine wundervolle erwachsene junge Dame ihre Tochter geworden ist. Nein, ich bin mir sicher: Sie ist stolz auf Dich!
In Ellys Kehle machte sich ein gigantischer Kloß breit. Sie schenkte sich noch Cognac nach und trank einen großen Schluck, um den aufwallenden Kummer runterzuspülen. Das konnte doch nicht sein! Lisbeth war doch immer so rüstig gewesen. Warum bloß hatte sie sie schon so lange nicht mehr besucht?
… Ich hoffe, dass Du eines Tages wieder den Weg nach Hause auf unseren Familienhof, den Ort, an dem Deine Mutter und ich aufgewachsen sind, findest. Ich weiß ja, dass Du ein echtes Berliner Kind bist. Trotzdem wünsche ich mir von Herzen, dass Du an meiner Beerdigung teilnimmst. Um Dich nicht mit den Formalitäten zu belasten, habe ich bereits alles in die Wege geleitet. Pfarrer Oberhuber wird sich darum kümmern. Melde Dich einfach bei ihm. Du erreichst ihn unter …
Die Schrift begann vor ihren Augen zu verschwimmen. Elly knallte den Brief auf den Tisch. Schnell noch einen Schluck Cognac. Dann atmete sie tief durch. Nun war sie also tatsächlich ganz und gar eine Waise. Vollwaise. Was für ein hässliches Wort. Sie schob die Tasse beiseite. Wenn sie mit diesem Pfarrer telefonierte, wollte sie wenigstens halbwegs nüchtern sein.
Kapitel 2
Jetzt wusste Elly wieder ganz genau, warum sie Tante Lisbeth so lange nicht mehr besucht hatte. Die Fahrt nach Schönau am Königssee mit der quengeligen Mia im Kindersitz auf der Rückbank war die reinste Tortur. Auf der Autobahn führte eine Baustelle nach der anderen zu endlosen Staus. Kurz hinter Leipzig warf Mia ihren Stoffhund durch den Wagen, um gleich darauf lauthals schreiend nach ihm zu verlangen. Die Kreischfrequenz von Kleinkindern, selbst wenn es sich um die eigenen handelte, konnte manchmal einfach unerträglich sein. Elly angelte bei unverminderter Geschwindigkeit nach dem angesabberten Kuscheltier und hätte fast die Ausfahrt verpasst. Erst hatte Mia Durst, dann Hunger, dann flogen Trinkbecher und Kekse durch das Auto. Hinter Nürnberg entschied sich Elly, kurz von einem Plastikpferd abgelenkt, das sie am Kopf traf, dummerweise für die falsche Route. Bei München hätte sie das Auto am liebsten stehen gelassen und den nächsten Flug zurück nach Berlin genommen. Zu allem Übel musste sich Mia auf den endlosen kurvigen Landstraßen auch noch zweimal übergeben.
An einer Raststätte hielt sie kurz an und reinigte ihre sich mit Händen und Füßen sträubende Tochter, so gut es ging, mit Feuchttüchern. Das einzige beerdigungstaugliche Outfit war nun ruiniert. Sie öffnete alle Türen, um den penetrant sauren Geruch im Auto loszuwerden, und setzte sich mit Mia auf eine Bank. Elly schloss die Augen und atmete ein paarmal tief durch. Am liebsten hätte sie einfach nur losgeheult. Aber als einzige Erwachsene in ihrer kleinen Familie musste sie jetzt wohl Haltung bewahren. Sie öffnete die Augen und sah sich um. Eigentlich war es auf dem Land ja ganz schön. Das hatte sie fast vergessen. Die Natur war hier viel weiter als in Berlin, das erste frische Grün der Wiesen und Bäume viel intensiver. Auf einer Weide grasten ein paar Kühe, und drei Schafe lagen träge in der Sonne. Bald würden die ersten Wildblumen blühen und einen betörenden Duft verströmen. In der Ferne konnte Elly die Berge erkennen. Dort, ganz weit hinten, musste auch der Königssee liegen. Sie atmete noch einmal tief durch. Die Luft hier war so viel frischer und klarer. Na ja, nach dem Mief im Auto wäre vermutlich selbst die versmogte Luft in Peking eine Wohltat. Elly streckte sich und trug Mia zum Auto. Dann fuhren sie weiter durch die idyllische Landschaft … zwanzig Kilometer im Schneckentempo hinter zwei Traktoren mit Anhänger. Die klare Bergluft war inzwischen dem beißenden Gestank der Gülle, mit der die Bauern ihre Felder düngten, gewichen. Davon wurde Mia gleich noch einmal schlecht.
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