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Millie Longfellow hat genaue Vorstellungen von ihrer Arbeit als Nanny. Doch leider stößt ihre unkonventionelle Art bei den Eltern ihrer Zöglinge nicht gerade auf Begeisterung, sodass sie ihre Anstellung immer wieder schnell verliert. Als der Junggeselle Everett Mulberry händeringend nach einer neuen Nanny für seine drei wilden Pflegekinder sucht, wird ihm Millie vermittelt ... Während diese sich Hals über Kopf in den jungen Mann verliebt, bemüht sich Everett darum, die Erwartungen der feinen Gesellschaft zu erfüllen und eine Dame aus guter Familie zu ehelichen. Doch allmählich beginnt er zu ahnen, dass zu einem glücklichen Leben mehr gehört als Geld und die Anerkennung der Gesellschaft.
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Seitenzahl: 480
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Über die Autorin
Jen Turano wuchs in der Kleinstadt St. Clairsville, Ohio, auf und lebt heute mit ihrem Mann und ihrem Sohn in Denver. Mit dem Schreiben begann sie, als ihr kleiner Sohn ihr erzählte, dass er die Geschichten, die sie sich selbst ausgedacht hatte, genauso sehr mochte wie die in den Büchern.
Jen liebt es, humorvolle Geschichten mit skurrilen Charakteren und spannenden Verwicklungen zu verfassen – und sie schreibt historische Romane, weil sie diese schon als Teenager selbst gern gelesen hat. Von ihr sind bislang auf Deutsch erschienen: „Die falsche Gouvernante“, „Zwei wie Katz und Hund“, „Eine Dame außer Rand und Band“ und „Braut auf Zeit“.
Für Jeb, Madison und Morgan Turner.Hab euch lieb!Jennifer
1
Long Island, New York, Juli 1882
Sie sind entlassen. Mit sofortiger Wirkung!“
Millie Longfellow musste die Augen zusammenkneifen, da plötzlich ein grelles Licht in die enge Besenkammer fiel, in der sie stand. Sie unterdrückte ein Seufzen, als Mrs Cutling sich vor ihr aufbaute. Die junge Frau schluckte den Kloß hinunter, der sich in ihrer Kehle bildete, und trat zögernd einen Schritt vor. „Entschuldigen Sie, Ma’am, aber haben Sie soeben ‚entlassen‘ gesagt?“
„Allerdings.“
„Aber warum?“
Mrs Cutling, die seit einer ganzen Woche Millies Arbeitgeberin war, stemmte eine Hand in ihre Hüfte. Wie alle Damen ihrer Gesellschaftsschicht war sie nach der neuesten Mode gekleidet. „Ich denke doch, dass der Grund für Ihre fristlose Kündigung auf der Hand liegt.“
„Für mich leider nicht.“
Mrs Cutling kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. „Habe ich Sie eingestellt, um auf die Kinder aufzupassen?“
„Ja, natürlich, aber –“
„Und Sie glauben, Sie kommen dieser Aufgabe auf zufriedenstellende Weise nach, wenn Sie sich in dieser Besenkammer verstecken?“
„Oh, ich habe mich nicht versteckt, Mrs Cutling. Ich habe nur an einem Ort, an dem die Kinder mich ganz bestimmt nicht sehen, ein wenig gewartet.“
„Und diese Ausrede sollte mich geneigt machen, Sie doch zu behalten? Es wird mir keine Probleme bereiten, umzudisponieren und meine Kinder in Zukunft von einem anderen Kindermädchen betreuen zu lassen.“
„Ich weiß nicht genau, was ‚umdisponieren‘ bedeutet, Ma’am, aber da ich hier nur gewartet habe, damit die Kinder nicht denken, ich würde bei unserem Versteckspiel schummeln, finde ich schon, dass Sie mir erlauben sollten, meine Stelle zu behalten.“ Millie lächelte. „Es sieht zwar vielleicht so aus, als würden wir nur spielen, aber in Wirklichkeit kümmere ich mich um die mathematischen Fähigkeiten der Kinder. Es wird Sie freuen zu hören, dass der kleine James mit seinen fünf Jahren vorgeschlagen hat, dass ich bis tausend zählen soll, bevor ich anfange, ihn und Edith zu suchen.“
Mrs Cutlings Lippen bildeten nun einen dünnen Strich. „Ich bin sicher, dass James keine Vorstellung davon hat, wie lange Sie brauchen, um bis tausend zu zählen. Außerdem hätten Sie wissen müssen, dass es unklug ist, die Kinder so lange unbeaufsichtigt zu lassen.“
„Die Kinder wollten sichergehen, dass ich lange genug aus dem Weg bin, damit sie ein gutes Versteck finden können.“
„Und das haben sie tatsächlich gefunden!“ Mrs Cutling trat auf Millie zu und legte die Hand wie einen Schraubstock um ihren Arm.
Millie zuckte mit keiner Wimper. In all den Jahren, die sie nun bereits als Kindermädchen oder Zofe tätig war, hatte man ihr schon Ohrfeigen gegeben und sie an den Haaren gezogen, und einmal hatte man sogar mit einem Bettwärmer nach ihr geworfen. Bei diesem Vorfall hatte sie Glück gehabt, dass sie den heißen Kohlen hatte ausweichen können. Aber wenn Millie ehrlich war, konnte sie ihrer damaligen Herrin keinen Vorwurf machen, da sie mit dem Bettwärmer unabsichtlich das Bett der Dame in Brand gesetzt hatte.
Jedoch hatte sie durch die Gewaltausbrüche, die sie im Laufe der Jahre erlebt hatte, gelernt, dass so manche Dame der feinen Gesellschaft eine große Befriedigung empfand, wenn Millie vor Schmerzen zusammenzuckte. Dieser Befriedigung folgte normalerweise noch mehr Gewalt. Aus diesem Grund achtete sie inzwischen sehr darauf, ihre Gefühle nicht zu zeigen.
Daher widerstand sie dem Drang, sich zu wehren, als Mrs Cutling sie aus dem Besenschrank zerrte und unsanft mehrere düstere, schmale Gänge und Flure entlangschob. Zu ihrer Überraschung führte Mrs Cutling Millie nicht durch die Küche – was bei der Köchin und den Küchenmädchen sicher unerwünschte Spekulationen ausgelöst hätte –, sondern durch eine helle Halle, von deren zehn Meter hoher Decke zahlreiche Kristallkronleuchter hingen.
Bevor Millie Gelegenheit hatte, eine Bemerkung zu den schönen Gemälden im Raum zu machen, wurde sie bereits durch breite Terrassentüren geschoben, die in den Garten hinausführten. Sie errötete, als sie auf die gepflasterte Terrasse trat und sogleich den missbilligenden Blicken von mindestens zehn Damen der feinen Gesellschaft ausgesetzt war. Wie zu erwarten war, waren alle Damen nach der neuesten und teuersten Mode gekleidet. Ihre Kleider waren perfekt geschnitten. Modische Hüte, die mit Federn und breiten Krempen kunstvoll verziert waren, schützten ihre empfindliche Haut vor der Sommersonne.
„Wie Sie sehen können“, begann Mrs Cutling, „habe ich Besuch von meinen Freundinnen.“
„Wie nett“, war alles, was Millie dazu einfiel.
„Es hätte nett sein sollen“, erwiderte Mrs Cutling. „Aber ich glaube, keine meiner Freundinnen hat mit einem derart infamen Schauspiel gerechnet, als sie meine Einladung zum Lunch annahm.“
Millie biss sich auf die Lippe und zog das kleine, zerfledderte Wörterbuch, das sie immer griffbereit hatte, aus ihrer Schürzentasche. Der Anblick dieses Wörterbuches überraschte Mrs Cutling offensichtlich so sehr, dass sie tatsächlich einen Schritt zurücktrat.
„Ist das etwa ein Wörterbuch?“
Millie, die beim Buchstaben „I“ blätterte, nickte nur.
„Was machen Sie denn da?“
„Da ich nicht weiß, was ‚infam‘ bedeutet, hielt ich es für sinnvoll, das Wort nachzuschlagen, damit ich besser für das gerüstet bin, was mich erwartet.“ Millie ignorierte das Tuscheln der Damen und blätterte weiter, bis sie das Wort fand. Als sie die Definition gelesen hatte, schaute sie sich um. „Entschuldigen Sie, Mrs Cutling, aber ich sehe hier nichts, das von schändlicher oder“, sie schaute noch einmal in ihr Wörterbuch, „perfider Natur wäre. Obwohl“, sie blätterte zum Buchstaben „P“, „ich auch nicht genau weiß, was das heißt.“
„Das genügt, Miss Longfellow. Ich werde nicht hier herumstehen und Däumchen drehen, während Sie in diesem Wörterbuch blättern.“ Mrs Cutling verschränkte die Arme. „Außerdem benötigen Frauen Ihres Standes keinen großen Wortschatz, da niemand Personal einstellt, das sich für etwas Besseres hält. Wenn Sie mich fragen, wäre Ihre Zeit sinnvoller investiert, wenn Sie lernen würden, ein brauchbares Kindermädchen zu werden, statt Ihre Zeit mit so überflüssigen Dingen zu vergeuden.“
Millie ließ das Wörterbuch sinken. „Bitte entschuldigen Sie nochmals, Mrs Cutling, aber Wissen zu erlangen kann nie hoch genug geschätzt werden. Mrs Charles Hart ist der festen Überzeugung, dass alle Frauen – seien es nun Angehörige der feinen Gesellschaft oder der Arbeiterschicht – anstreben sollten, ihr Wissen täglich zu vergrößern.“
Mrs Cutlings Nasenflügel blähten sich auf. „Ich zahle Sie nicht dafür, dass Sie mit mir debattieren, Miss Longfellow. Darf ich Ihren Worten entnehmen, dass Sie schon einmal in Mrs Harts Diensten standen?“
„Ich bin nicht sicher, ob man sagen kann, dass ich in Mrs Harts Diensten stand, nur weil ich mich einmal bei einem Ball in ihrem Haus als Zofe ausgegeben habe. Aber was ist nun mit den Kindern?“
„Warum in aller Welt sollten Sie sich als Zofe ausgeben? Daraus könnte man ja fast schließen, dass Sie etwas Ruchloses im Schilde führten?“
Millie ließ die Hand sinken, in der sie ihr Buch hielt. „Es überrascht Sie bestimmt, wenn ich Ihnen sage, dass ich weiß, was ‚ruchlos‘ bedeutet. Aber als ich mich als Zofe ausgab, war daran überhaupt nichts Niederträchtiges. Um die Wahrheit zu sagen: Mrs Hart hat mir großzügigerweise ihre Freundschaft angeboten, und diese Freundschaft ist von einem unerschöpflichen Reichtum an Ratschlägen begleitet, an dem mich Mrs Hart mit Freuden teilhaben lässt.“
Mrs Cutling nickte ihren Freundinnen zu. „Haben Sie das gehört, meine Damen? Dieses Kindermädchen will uns weismachen, dass sie mit keiner Geringeren als Abigail Hart befreundet ist, einer der einflussreichsten Damen der New Yorker Gesellschaft.“
„Es ist wirklich weise, dass Sie beschlossen haben, sich von ihr zu trennen“, verkündete eine Dame. Millie beäugte neugierig ihren Hut. Es sah beinahe so aus, als trage sie eine ganze Obstschale auf dem Kopf. „Diese Frau vernachlässigt nicht nur ihre Pflichten, sie ist auch noch eine Lügnerin. Ihr Einfluss hätte sich destruktiv auf die Kinder ausgewirkt.“
Millie war kurz geneigt, das Wort „destruktiv“ nachzuschlagen, aber sie drängte diesen Wunsch zurück, als sie bemerkte, dass Mrs Cutlings Freundinnen jetzt auf sie zukamen. Da sie nicht das Bedürfnis verspürte, zur Zielscheibe der messerscharfen Zungen gelangweilter Damen der feinen Gesellschaft zu werden, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder Mrs Cutling zu. „Vielleicht könnten Sie mir ja jetzt sagen, was die Kinder angestellt haben.“
Mrs Cutling blinzelte, als sie sich an den eigentlichen Grund für den Aufruhr erinnerte. „Ach ja. Die Kinder hätte ich jetzt fast vergessen.“ Sie richtete ihren Blick auf die andere Seite des Gartens und deutete mit dem Kopf zu einem kunstvollen Springbrunnen.
Mit wachsender Sorge ging Millie darauf zu. Ihre Schritte verlangsamten sich, als sie ihrem Ziel näher kam. Als sie bemerkte, dass der Springbrunnen, der mit Meerjungfrauen verziert war, aus deren Mündern sich das Wasser ergoss, offenbar um zwei neue Statuen erweitert worden war, hielt sie inne.
Die neuen Statuen schienen nicht ganz zu den Meerjungfrauen zu passen. Sie sahen eher wie matschbeschmierte Zwerge aus, die mit Seerosenblättern bedeckt waren. Als einer der Zwerge plötzlich eine Hand hob und sich an der Nase kratzte, ging Millie belustigt weiter.
„Das ist ja brillant!“, rief sie aus, als sie neben dem Springbrunnen stehen blieb. Dies brachte ihr ein Lächeln von dem kleinen James ein, dessen Zähne unter all dem Matsch, mit dem sein Gesicht bedeckt war, weiß hervorstachen.
Der Zwerg neben ihm, die sechsjährige Edith, streckte sich und stieß ein theatralisches Seufzen aus. „Mutter hat alles ruiniert, weil sie uns verraten hat.“ Sie zupfte ein Seerosenblatt von ihrem Arm und ließ es in das seichte Wasser fallen, das sich am Boden des Springbrunnens ansammelte.
„Es ist gut, dass sie mir einen Hinweis gegeben hat. Sonst hätte ich euch beide stundenlang gesucht.“ Millie grinste. „Ich habe schon oft Verstecken gespielt, aber ich habe noch nie erlebt, dass Kinder ein so einfallsreiches Versteck gefunden haben. Es war genial – das bedeutet hier übrigens ‚klug‘ –, euch im Springbrunnen zu verstecken.“
„Das war es ganz und gar nicht!“, schimpfte Mrs Cutling, die jetzt anmarschiert kam. Offenbar war sie von Millies Versuch, den Wortschatz der Kinder zu erweitern, völlig unbeeindruckt. Sie bedachte ihre Kinder mit einem strengen Blick, bevor sich ihre Missbilligung auf Millie richtete. „Ich ziehe Sie dafür zur Verantwortung, dass die Kinder in dieser Verfassung sind.“
„Das war nicht Miss Longfellows Schuld, Mutter“, sagte James schnell. „Es war meine Idee, uns hier zu verstecken. Sie kann nichts dafür.“
„Und es hat viel Spaß gemacht“, fügte Edith hinzu.
Mrs Cutling richtete sich steif zu ihrer vollen Größe auf. „Ich sehe hier absolut nichts, das auch nur im Entferntesten nach Spaß aussieht, Edith. Du und dein Bruder habt mich heute Nachmittag sehr in Verlegenheit gebracht. Aus diesem Grund werdet ihr beide den Rest dieses Tages in euren Zimmern verbringen – natürlich nachdem ihr gebadet habt. Dort werdet ihr darüber nachdenken, wie lächerlich ihr euch benommen habt.“ Sie deutete auf den Boden zu ihren Füßen. „Kommt hierher! Und zwar sofort!“
Die Kinder krabbelten hastig aus dem Springbrunnen. Seerosenblätter und Matsch tropften von ihnen herab, was ihnen einen strengen, schmallippigen Blick ihrer Mutter einbrachte. Sie warfen Millie traurige Blicke zu und erhofften sich augenscheinlich ihre Unterstützung. Als sie erkannten, dass Millie ihnen nicht helfen konnte, ließen sie ihre kleinen Schultern hängen.
Hinter Mrs Cutling tauchte ein Zimmermädchen auf. Ohne ein Wort zu sagen, ergriff die junge Frau die schmutzigen Hände der Kinder und führte sie weg.
Ein tiefer Schmerz machte sich in Millie breit, als die Kinder zum Hintereingang geführt wurden, wo ihre kleinen Füße matschige Abdrücke auf dem Kachelboden hinterließen. Als sie nicht mehr zu sehen waren, zwang sie sich, Mrs Cutling anzusehen. „Da Ihre Freundinnen auf Sie warten, will ich Sie nicht länger aufhalten. Ich werde meine Sachen packen und das Haus verlassen.“
„Nicht so schnell, Miss Longfellow!“, sagte Mrs Cutling und hob eine Hand, um Millie daran zu hindern, eilig das Weite zu suchen. „Bevor Sie gehen, muss ich darauf bestehen, dass Sie sich entschuldigen. Nicht nur bei mir, sondern auch bei meinen Freundinnen, denen Sie den Nachmittag verdorben haben.“
Ein Anflug von Trotz – eine Eigenschaft, von der Millie geglaubt hatte, sie hätte sie längst abgelegt – regte sich in diesem Moment in ihr. „Ich kann wirklich nicht verstehen, wie der Anblick von zwei lieben Kindern, die sich einfach nur wie Kinder benehmen, irgendjemandem den Tag verderben könnte.“
„Sie waren schmutzig!“
„Kinder dürfen gelegentlich schmutzig sein, besonders wenn sie spielen.“
„Meine Kinder sollen nur eines sein: sauber und ordentlich. Und was noch wichtiger ist: nicht von oben bis unten mit Matsch bedeckt!“
„Ein wenig Matsch hat noch niemandem geschadet.“
Kalt blickte Mrs Cutling sie nun an. „Meine Liebe, Ihre Eltern haben Ihnen vielleicht erlaubt, inakzeptablen Beschäftigungen nachzugehen, bei denen Sie regelmäßig schmutzig wurden. Aber in meiner Welt wird von Kindern erwartet, dass sie sich immer anständig benehmen, gleichgültig, wie jung sie sind.“
„Ich bin in einem Waisenhaus aufgewachsen, Mrs Cutling. Und durch diese Erfahrung bin ich zu der Überzeugung gelangt, dass es Kindern zusteht, eine richtige Kindheit zu genießen. Eine Kindheit, in der man gelegentlich schmutzig wird, viel Spaß hat und auch hin und wieder mit Matsch bedeckt ist.“
„Gütiger Himmel!“, rief eine der Damen aus. „Ich habe noch nie ein Kindermädchen mit derart radikalen Ansichten erlebt.“ Sie rümpfte die Nase. „Nur zu Ihrer Information: Mrs Cutlings Vater ist einer der Patriarchen. Aufgrund dieser außergewöhnlichen Ehre wird von Mrs Cutlings Kindern zu jeder Zeit tadelloses Verhalten erwartet.“
Mrs Cutling verdrehte die Augen. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass Miss Longfellow weiß, was ein Patriarch ist.“
Da ihr dieses ganze Augen-Verdrehen nicht gefiel, schlug Millie alle Vorsicht in den Wind. Sie steckte ihr Wörterbuch ein, faltete die Hände vor sich und räusperte sich. „Der Begriff ‚Patriarch‘ wurde von Mr Ward McAllister geprägt, der Koryphäe, was die New Yorker Gesellschaft betrifft. Um zu verhindern, dass die Neureichen in ihre heiligen inneren Kreise eindrangen, erstellte er mit Unterstützung von Mrs William Astor eine Liste von 25 Herren, die von ihnen als würdig erachtet wurden. Diese 25 Herren bekamen jeweils die schwere Aufgabe zugewiesen, wiederum vier Gentlemen aus ihrem Freundeskreis sowie fünf entsprechende Damen auszuwählen, die dann alle auf die Einladungsliste von Mrs Astors jährlichem Patriarchenball aufgenommen wurden.“
Millie runzelte die Stirn. „Aber wenn Sie mich fragen, verstehe ich wirklich nicht, warum jeder so viel Wert darauf legt, was dieser Mr McAllister denkt. Es ist doch nicht zu übersehen, dass er eingebildet und übertrieben ehrgeizig ist. Und außerdem hat er wohl viel zu viel Zeit, wenn er nichts Besseres zu tun hat, als fragwürdige Listen zu erstellen.“
Todesstille legte sich über den Garten. Alle Damen starrten Millie mit weit offenem Mund an. Einige erröteten sogar leicht, aber Millie glaubte nicht, dass das mit der Sonne zu tun hatte.
„Sie haben diese Informationen, die Ihnen zweifellos Mrs Hart gegeben hat, offensichtlich völlig falsch verstanden, Miss Longfellow“, sagte Mrs Cutling schließlich.
„Mrs Hart hat mir nichts über die Patriarchen erzählt. Das war Miss Hannah Peabody. Aber ich muss zugeben, dass sie dieses Wissen wiederum vielleicht wirklich von Mrs Hart hatte.“
„Versuchen Sie nicht, mir jetzt auch noch weismachen zu wollen, Sie wären mit Lady Hannah bekannt.“
Millie zwang sich zu einem Lächeln, ging aber vorsichtshalber auf etwas Abstand zu Mrs Cutling. „Hannah und ich sind seit Jahren befreundet. Sie will eigentlich nicht mit ‚Lady Hannah‘ angesprochen werden. Einfach nur ‚Hannah‘ ist ihr lieber. Aber da sie wahrscheinlich verheiratet ist, wenn sie in die Staaten zurückkehrt, sollte man sie wohl mit ‚Mrs Oliver Addleshaw‘ ansprechen.“
Einen Augenblick lang war es ihr gelungen, Mrs Cutling mit ihren Worten zu überrumpeln, aber nur einen Augenblick lang. „Ich möchte doch sehr bezweifeln, dass Sie eine engere Bekanntschaft mit Lady Hannah pflegen. Aber nun genug von diesem Unsinn! Da ich immer noch kein einziges Wort der Entschuldigung aus Ihrem Mund gehört habe, sollte Ihnen bewusst sein, dass ich Ihnen kein Referenzschreiben geben werde. Weil ich fest davon überzeugt bin, dass Sie meine Kinder in ernsthafte Gefahr gebracht haben, bekommen Sie von mir auch nicht den Lohn, der Ihnen Ihrer Meinung nach wahrscheinlich zusteht. Wir können von Glück sagen, dass die beiden in diesem Springbrunnen nicht ertrunken sind.“
Millie warf einen Blick auf das seichte Wasser und runzelte die Stirn. „In diesem Springbrunnen befindet sich fast kein Wasser, Mrs Cutling. Und vergeben Sie mir, wenn ich das sage: Aber wenn Sie sich wirklich Sorgen gemacht hätten, dass die Kinder ertrinken könnten, hätten Sie dafür gesorgt, dass sie unbeschadet aus dem Springbrunnen herausgeholt werden, bevor Sie mich hierherzerrten und ermahnten.“
Nach dieser Erklärung blieben Millie nicht einmal fünf Minuten Zeit, um ihre Sachen zu packen, und sie musste sich von Mrs Cutling auch noch als aufsässig beschimpfen lassen. Es gab keinen liebevollen Abschied von den Kindern, keinen netten Brief, in dem stand, was für ein wunderbares Kindermädchen Millie sei, und keinen einzigen Cent für die Rückfahrt nach New York.
Ehe sie sich versah, wurde sie am Bahnhof abgesetzt, wo sie sich mit dem Geld, das sie für Notfälle gespart hatte, eine Fahrkarte kaufte. Leider hatte der Zug aufgrund eines technischen Problems Verspätung, und als Millie endlich im Hafen ankam, war die letzte Fähre für diesen Tag schon abgefahren. Zu ihrer Erleichterung bot ein bärbeißiger, aber trotzdem hilfsbereiter Kapitän eines verwitterten Fischerboots an, dass sie in seinem Boot mitfahren könne. Er war sogar so freundlich, ihre schwere Reisetasche auf sein Boot zu schleppen.
Die Überfahrt war ein denkwürdiges Erlebnis. Unerwartet kam ein starker Wind auf, und so sah sie ausgesprochen mitgenommen aus, als sie endlich den Hafen von New York erreichten. Ihre Kleidung war durchnässt, sie hatte ihren Hut verloren und war ganz sicher, dass der ordentliche Haarknoten, zu dem sie am Morgen ihre Haare frisiert hatte, Geschichte war.
Und abgesehen davon, dass sie völlig zerzaust und durchnässt war, roch sie sehr stark nach Fisch.
Als das Boot festgezurrt war, bedankte sie sich herzlich bei dem Kapitän und schleppte ihre schwere Tasche an zahlreichen Seeleuten vorbei. Sie ignorierte auch die Pfiffe, mit denen sie bedacht wurde. Als sie die Seeleute hinter sich gelassen hatte, glühte ihr Gesicht, aber ihre Verlegenheit verschwand sofort, als sie die wenigen Münzen, die ihr noch geblieben waren, zählte und feststellte, dass sie sehr knapp bei Kasse war. Das bedeutete, dass sie sich nicht einmal eine Fahrt mit dem Omnibus leisten konnte. Sie nahm das Angebot an, mit dem Mann zu fahren, der die Fische wegbrachte, mit denen ihr Boot in den Hafen gekommen war. Dieser Wagen war zwar alles andere als bequem, aber wenigstens störte sich niemand an ihrem unangenehmen Geruch.
Als der Mann sie vor dem Büro der Arbeitsvermittlung absetzte, lagen ihre Nerven so blank, dass sie fast hinter ihm hergelaufen wäre, um ihn zu bitten, sie irgendwo anders hinzubringen. Mrs Patterson, die Frau, die die Agentur betrieb, hatte Millie davor gewarnt, noch einmal eine Stelle zu verlieren. Millie wusste, dass sie sich nun einige unerfreuliche Bemerkungen würde anhören dürfen, wenn Mrs Patterson erfuhr, dass ihr erneut gekündigt worden war.
Da sie jedoch so bald wie möglich eine neue Stelle brauchte, straffte Millie die Schultern und schritt auf die Treppe zu. Doch bevor sie den Fuß auf die erste Stufe gesetzt hatte, wurde sie von etwas Hartem getroffen. Millie sank wie ein Stein zu Boden und verspürte den unerklärlichen Wunsch, einfach liegen zu bleiben. Sollte sich die Welt doch ohne sie weiterdrehen!
Sie war müde, sie stank nach Fisch, sie war entmutigt, und sie konnte sich nicht vorstellen, dass es noch schlimmer werden könnte, als es in diesem Moment war.
Doch als sie kurz darauf mit zusammengekniffenen Augen den Kopf hob und eine sehr große, sehr männliche Gestalt sah, war ihr klar, dass das ein Irrtum war.
Es konnte doch noch schlimmer kommen.
Über ihr stand kein Geringerer als Everett Mulberry, den sie bereits durch ihre Bekanntschaft mit Oliver Addleshaw kannte. Mit seinen gemeißelten Gesichtszügen, den grünen Augen und braunen Haaren, die normalerweise modisch frisiert waren – auch wenn das in diesem Moment nicht der Fall war –, war er ein ausgesprochen attraktiver Mann.
Als sie ihn das erste Mal gesehen hatte, hatte es ihr tatsächlich die Sprache verschlagen. Da Mulberry kurz zuvor drei kleine Kinder „geerbt“ hatte, hatte Millie ihn nahezu unwiderstehlich gefunden – bis er die Frechheit besessen hatte, ihr Angebot, als Kindermädchen für seine etwas anstrengenden Pflegekinder zu arbeiten, rundweg abzulehnen.
Und nachdem er von ihrer unglücklichen Neigung erfahren hatte, häufig ihre Anstellung zu verlieren, war seine Ablehnung ausgesprochen endgültig gewesen.
Dieser Mann hatte ihr nicht einmal die Gelegenheit gegeben, ihm die Missverständnisse zu erklären, die das Ende ihrer Arbeitsverhältnisse bedeutet hatten. Stattdessen hatte er immer darauf geachtet, ausreichend Abstand zu ihr zu halten, wenn sie zufällig in der Nähe war.
„… muss mich vielmals entschuldigen, dass ich Sie zu Boden gestoßen habe“, sagte Mulberry in diesem Augenblick und riss Millie mit seinen Worten unsanft aus ihren Erinnerungen. „Ich weiß natürlich, dass es keine Entschuldigung für mein rücksichtsloses Verhalten Ihnen gegenüber ist, dass ich in Gedanken war.“
Millie schob die vielen Locken zur Seite, die ihr den Blick versperrten, und wollte gerade die Hand ergreifen, die ihr Mulberry hinhielt, als sich seine Augen plötzlich weiteten und er seine Hand zurückzog.
„Miss Longfellow? Was in aller Welt machen Sie denn hier?“
Millie, der das deutliche Entsetzen in der Stimme dieses Mannes nicht gefiel, versuchte, sich auf die Beine zu rappeln, und griff widerwillig nach der Hand, die ihr Mulberry doch noch entgegenstreckte. „Wie nett, Sie zu sehen, Mr Mulberry. Ich hoffe, Ihnen und den Kindern geht es gut.“
„Sie haben doch nicht schon wieder eine Arbeitsstelle verloren?“, fragte er und unterließ es damit, die üblichen Höflichkeiten auszutauschen.
Millie hob das Kinn. „Mir geht es ausgezeichnet – danke der Nachfrage. Und um Ihre ach so charmante Frage zu beantworten: Warum sollte ich sonst hier sein, statt mich um ein paar liebe Kinder zu kümmern?“
„Das kompliziert die Sache eindeutig.“
„Inwiefern kompliziert es Ihr Leben, dass ich meine Stelle verloren habe? Es sei denn, Ihre Pflegekinder haben ein weiteres Mal ein Kindermädchen vergrault. Ist es etwa so?“
Mulberry runzelte die Stirn. „Mrs Smithey zog es vor, als ‚Gouvernante‘ bezeichnet zu werden, aber ja, meine Pflegekinder haben es irgendwie geschafft, sie zu vertreiben.“
„Und wie haben sie das angestellt?“
Mulberry fuhr mit der Hand durch seine zerzausten Haare und zuckte die Schultern. „Soweit ich verstanden habe, hatte es mit einem Spiel zu tun, bei dem man über ein Brett balancieren musste. Dieses Brett lag sonderbarerweise über einem Springbrunnen.“
„Ah, Springbrunnen sind heute offenbar für einige spaßige Aktivitäten verantwortlich.“ Sie ignorierte seinen verwirrten Blick. „Wie ist es möglich, dass drei Kinder eine Frau durch ein harmloses Spiel vertreiben konnten, bei dem man bloß über ein Brett balancieren muss? Kam diese Gouvernante denn nicht mit den besten Referenzen?“
„Sie hatte die allerbesten Referenzen, aber sie rechnete offenbar nicht damit, dass plötzlich ein Frosch auf dem Brett sitzen würde. Wie sich herausstellte, hat Mrs Smithey vor diesen Tieren eine Todesangst.“
„Es sollte doch selbstverständlich sein, dass Frauen, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdienen, dass sie auf Kinder aufpassen, alle möglichen Tiere mögen!“
„Das ist sicher ein treffendes Argument, Miss Longfellow. Aber zu Mrs Smitheys Verteidigung muss ich sagen, dass sie vermutlich nicht damit gerechnet hatte, dass das kleine Ungeheuer Thaddeus – Mrs Smitheys Worte, nicht meine – einen Frosch in ihre Richtung hüpfen lassen würde, als sie sich in der Mitte des Bretts befand. Dieser hässliche Zwischenfall führte dazu, dass die Frau von dem Brett in den Springbrunnen fiel.“ Mulberry schüttelte traurig den Kopf. „Sie hat schnurstracks ihre Sachen gepackt und das Haus verlassen. Ich hatte noch nicht einmal Gelegenheit, ihr eine deutliche Gehaltserhöhung anzubieten, damit sie weiterhin für mich arbeitet.“
„Wie viel ist denn eine ‚deutliche Gehaltserhöhung‘?“
Mulberry wich hastig zurück. „Ich glaube, dieses Funkeln in Ihren Augen gefällt mir nicht, Miss Longfellow. Und außerdem muss ich Sie um einen kleinen Gefallen bitten.“
„Sie wollen, dass ich mich um Ihre Pflegekinder kümmere?“
„Oh, nein! Auf keinen Fall!“ Er ignorierte ihr Fauchen und wich einen weiteren Schritt zurück. „Ich muss Sie bitten, hier draußen zu warten, bis ich von der Agentur ein neues Kindermädchen bekommen habe.“
„Warum denn das?“
„Als ich das letzte Mal hier war und mir Mrs Smitheys Dienste sichern konnte, hat man mich gewarnt. Es würde unangenehme Konsequenzen haben, wenn die Kinder diese Frau auch wieder vergraulen würden. Da sie das getan haben – und zwar ziemlich schnell, wie ich hinzufügen muss –, fürchte ich, dass Sie eine Rolle bei diesen unangenehmen Konsequenzen spielen könnten, sobald die Agentur erfährt, dass Sie ein weiteres Mal Ihre Anstellung verloren haben.“
Er seufzte hörbar. „Es würde mich nicht überraschen, wenn Mrs Patterson der Auffassung wäre, dass wir einander verdienen. Und dieses Schicksal würde ich wirklich gern vermeiden, wenn es Ihnen recht ist.“
Millie setzte ein, wie sie hoffte, freundliches Lächeln auf. Sie nickte Mr Mulberry zu, und nachdem er ihr Lächeln erwidert hatte und sie nun sichtlich erleichtert ansah, stürmte sie auf die Tür der Agentur zu.
2
Als Miss Longfellow an ihm vorbeirauschte, roch es eindeutig nach Meer. Und nach Fisch. Everett folgte ihr ein paar Schritte, blieb dann aber stehen und schaute ihr nach, als sie durch die Tür verschwand.
Früher hatte er ihre selbstbewusste und unangepasste Art ausgesprochen verwirrend gefunden. Schließlich war sie nur ein Kindermädchen und er ein angesehenes Mitglied der New Yorker Gesellschaft. Aber seit er drei Pflegekinder hatte, die er gelegentlich wenig liebevoll als Bälger bezeichnete, benahmen sich die Mitglieder der arbeitenden Bevölkerung manchmal wirklich sehr seltsam. Gouvernanten, Kindermädchen, Zimmermädchen, Diener und sogar einige seiner besten Kutscher verließen sein Haus in Scharen und brachten so sein angenehmes, wohlgeordnetes Leben durcheinander.
Everett nahm sich einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten er noch hatte. Es war ja nicht so, dass er Miss Longfellow nicht mochte. Ganz im Gegenteil. Mit ihrer lebensfrohen Art und ihrer Angewohnheit, Worte zu benutzen, die nicht immer das trafen, was sie eigentlich sagen wollte, war Miss Longfellow irgendwie charmant, wenn auch etwas schrullig.
Sie schien eine ungewöhnliche Lebensfreude zu besitzen und hatte im Moment ausgesprochen kurze Haare. Das war ihm aufgefallen, als er sich mit ihr unterhalten hatte.
Er hegte den stillen Verdacht, dass der Grund für diese Kürze eine unerfreuliche Begegnung mit dem heißen Lockenstab war, mit dem Miss Longfellow vor einigen Wochen experimentiert hatte. Soweit er gehört hatte, hatte Miss Longfellow die Kunst des Verbrennens perfektioniert und nicht die des Frisierens, was dazu geführt hatte, dass man ihr davon abgeraten hatte, den Lockenstab an Miss Hannah Peabodys Haaren auszuprobieren, die jetzt mit Everetts bestem Freund, Oliver Addleshaw, verlobt war.
Everett lächelte, als er vor seinem geistigen Auge Oliver mit Hannah an seiner Seite vor sich sah. Sie hatten auf dem Deck von Olivers Jacht gestanden und allen, die zum Hafen gekommen waren, um sie vor ihrer Fahrt nach England zu verabschieden, begeistert zugewinkt. Niemand war auf die Idee gekommen, dass diese beiden sich ineinander verlieben würden. Und obwohl Everett am Anfang ein wenig gezögert hatte, Olivers Einfall zu unterstützen, Hannah – eine Frau, die sich ihren Lebensunterhalt als Hutmacherin verdient hatte – tatsächlich zu heiraten, hatte er schließlich erkannt, dass sie genau die Richtige für seinen Freund war.
Er warf erneut einen Blick auf die Tür, die zur Arbeitsvermittlung führte. Seine Gedanken kehrten sofort wieder zu Miss Millie Longfellow zurück.
Es war wirklich schade, dass es für ihn außer Frage stand, sie einzustellen. Sie schien eine ziemlich lebenslustige Frau zu sein, auch wenn sie gewiss nicht wie ein typisches Kindermädchen aussah. Sie hatte die Figur einer Elfe, zarte Gesichtszüge und faszinierende Lippen. Sie waren etwas voller, als man es in einem Gesicht erwarten würde, das so …
Als ihm bewusst wurde, dass seine Gedanken eine Richtung einschlugen, in der sie nun wirklich nichts zu suchen hatten, rief Everett sich in Erinnerung, warum er auf keinen Fall auch nur daran denken durfte, Miss Longfellow als Kindermädchen für seine Pflegekinder einzustellen. Und das hatte absolut nichts mit ihren Lippen zu tun.
Vielmehr hatte es etwas mit den Augen dieser Frau zu tun.
Dass sie in einem vollkommen gewöhnlichen Grün leuchteten, tat nichts zur Sache. Aber in diesem gewöhnlichen Grün, das von dunklen Wimpern umrahmt war, lag immer eine Hauch von … Schalk.
Dieser Hang zum Schalk erklärte, warum er nicht in Betracht ziehen konnte, Miss Longfellow einzustellen, denn es war allgemein bekannt, dass dort, wo Schalk war, Schwierigkeiten nicht ausbleiben konnten.
Und seit er vor über fünf Monaten überraschend zum Vormund von drei lebhaften Kindern geworden war, hatte Everett mehr Schwierigkeiten erlebt, als er je für möglich gehalten hätte. Sein Leben war auf den Kopf gestellt worden. Wo Ordnung geherrscht hatte, war jetzt Chaos. Dieses Chaos hatte ihm den Tadel seiner Freunde und die Enttäuschung von Miss Dixon eingebracht.
Caroline Dixon passte in jeder Hinsicht perfekt zu ihm. Sie hatte eine ebenso hohe Stellung in der Gesellschaft wie er und hegte genauso wie er den Wunsch, diese Stellung zu verbessern. Dass sie kein Schulmädchen mehr war, sondern schon vierundzwanzig, sprach eindeutig für sie. Sie erwartete nicht, dass er ihr zärtliche Worte ins Ohr flüsterte, und er war dankbar, dass ihre Beziehung auf gesellschaftlicher Vernunft basierte und nicht auf romantischen Fantasien, die viele jüngere Damen heutzutage offensichtlich hegten.
Herren seines Standes wählten ihre künftigen Ehefrauen schon seit Jahren nach den gleichen Kriterien aus, die auch Everett seiner Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Wenn ihm gelegentlich der Gedanke kam, dass es vielleicht etwas zu nüchtern war, sich seine Frau auf diese Weise auszusuchen, verdrängte er diesen Gedanken schnell und tröstete sich damit, dass er und Caroline aus ihrer pragmatischen Beziehung beide viel Nutzen ziehen würden.
Mit Caroline bekäme er eine Frau, die selbstsicher und kompetent war und sich in einem Gespräch wacker schlagen konnte. Außerdem war sie perfekt geeignet, ihnen die begehrten Einladungen zu den richtigen Abendgesellschaften und Bällen zu sichern.
Caroline bekäme mit Everett einen Mann, der ein riesiges Vermögen besaß und dem es nicht im Geringsten etwas ausmachte, dieses Vermögen mit ihr zu teilen. Außerdem bekäme sie einen Mann, der ihr nicht lästig wurde, da er einen großen Teil seiner Zeit damit verbrachte, seine Geschäfte zu führen. Ein zusätzlicher Vorteil war seine Begeisterung fürs Segeln. Wenn ihm seine Geschäfte Zeit ließen, war er mit seiner Jacht auf dem Meer unterwegs, was normalerweise kein Problem war, da er eine ganze Brigade von leitenden Angestellten hatte, die sehr wohl in der Lage waren, seine Geschäfte auch ohne ihn zu führen. Caroline war bei Weitem keine so begeisterte Seglerin wie er, was ihr noch mehr Zeit ließe, ihren eigenen Interessen nachzugehen.
Alles in allem passten sie perfekt zusammen. Deshalb zögerte er nicht, nachsichtig zu sein, besser gesagt, sie zu verwöhnen, wenn sie ein wenig … schwierig wurde, was erst an diesem Nachmittag wieder der Fall gewesen war.
Nachdem Mrs Smithey gekündigt hatte und geradezu aus seinem Haus geflüchtet war, hatte Caroline erklärt, dass es ihr jetzt reiche. Daraus konnte er ihr keinen Vorwurf machen. Seit er für die Kinder verantwortlich war, hatte sich das Leben, das er und Caroline gewohnt waren, sehr verändert. Viele ihrer Pläne, einschließlich ihrer Verlobungspläne, waren auf Eis gelegt worden, und er konnte gar nicht mehr zählen, wie oft er sie zu einem gesellschaftlichen Ereignis nicht wie geplant hatte begleiten können, weil es mit den Kindern Schwierigkeiten gegeben hatte.
Obwohl sie in den vergangenen fünf Monaten immer wieder enttäuscht gewesen war, hatte sie Haltung bewahrt. Bis Mrs Smithey einfach geflüchtet war! Dieser unglückliche Vorfall hatte dazu geführt, dass Caroline die Fassung verloren hatte. Es war ihr offenbar nicht möglich, ihre gemeinsame Fahrt nach Newport noch länger aufzuschieben, und nachdem sie schon so viele andere Ereignisse wegen seiner Pflegekinder hatte verschieben müssen, war sie auch nicht bereit dazu.
Nur wenige Sekunden, nachdem Mrs Smithey zur Tür hinaus gewesen war, waren Tränen über Carolines blasse Wangen gelaufen. Und Everett hatte der Macht von Carolines Tränen nichts entgegenzusetzen. Da er sie nicht schon wieder enttäuschen wollte, war er sofort zur Arbeitsvermittlung geeilt und hatte für ein Wunder gebetet.
Dieses Wunder hatte aber gewiss nicht die Gestalt von Millie Longfellow. Wenn er diese junge Frau mit ihrer spitzbübischen Art in sein Haus holte, beschwor er damit weitere verheerende Situationen herauf. Seine Pflegekinder brauchten ein strenges Kindermädchen, das keinen Unsinn duldete. Und eine solche Frau war Miss Longfellow definitiv nicht, denn –
Die Tür der Arbeitsvermittlung ging auf und Everett wurde aus seinen Gedanken gerissen. Doch nicht Miss Longfellow trat aus dem Gebäude. Auf der obersten Stufe stand niemand anders als Mrs Smithey, die Frau, die erst an diesem Tag bei ihm gekündigt hatte. Während sie die Stufen hinabging, schnäuzte sie sich in ein großes Taschentuch, blieb aber abrupt stehen, als sie ihn erblickte.
„Ich komme nicht in Ihr Haus zurück!“, verkündete sie mit einer Stimme, die schon verdächtig hysterisch klang. „Nicht einmal, wenn Sie mir tausend Dollar anbieten würden!“
„Und wenn ich Ihnen zweitausend Dollar anbiete? Würden Sie dann den Rest des Sommers auf die Kinder aufpassen?“
Sie hob das Kinn und schniefte sehr laut. Das war Mrs Smitheys einzige Antwort, bevor sie sich auf dem Absatz ihrer flachen Arbeitsschuhe umdrehte und davonmarschierte. Everett schaute ihr sprachlos nach.
„Ich wäre gern bereit, Sie um zweitausend Dollar zu erleichtern. Besonders wenn ich nichts weiter tun müsste, als auf Ihre entzückenden Engel aufzupassen.“
Er drehte sich wieder zur Agentur herum und betrachtete Miss Longfellow, die ihn mit zusammengekniffenen Augen vom Türrahmen aus beobachtete.
„Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass es sich für eine Dame nicht schickt zu lauschen?“
Sie verdrehte die Augen und winkte ab. „Das habe ich schon oft gehört, Mr Mulberry. Meistens von desorientierten ehemaligen Arbeitgebern.“
„Desorientiert?“
Miss Longfellow biss sich auf die Lippe. „Ich dachte mir schon, dass ich lieber kein D-Wort hätte benutzen sollen, da ich sie seit einigen Monaten nicht mehr geübt habe.“ Sie zog etwas aus ihrer Tasche, das wie ein Wörterbuch aussah, und blätterte kurz darin. „Vielleicht habe ich auch ‚desillusioniert‘ gemeint, obwohl ‚despektierlich‘ wahrscheinlich eine bessere Beschreibung wäre.“
„Ja, meinetwegen. Vergessen wir einmal, ob sie desorientiert, desillusioniert oder despektierlich waren: Sie hätten mich trotzdem nicht belauschen sollen.“
„Ich habe nicht gelauscht. Sie haben dieser unfreundlichen Frau Ihr Angebot ja praktisch zugerufen. Es war ja wohl kaum meine Schuld, dass sie die Tür nicht richtig zugemacht hatte, nachdem sie Mrs Patterson ihre Meinung über Sie und Ihre Kinder mitgeteilt hatte.“ Miss Longfellow lächelte. „Sie werden sich freuen zu hören, dass ich Mrs Patterson angekündigt habe, dass Sie hier sind. Sie kann es kaum erwarten, Sie zu sehen.“
„Warum haben Sie ihr gesagt, dass ich hier bin?!“
„Natürlich um sie davon abzulenken, auf mich wütend zu werden.“
„Hat Ihnen schon einmal jemand gesagt, dass Sie unverbesserlich sind?“
„Wenn das ‚entzückend‘ bedeutet, höre ich das gern.“ Miss Longfellow grinste, aber ihr Grinsen verschwand schlagartig, als Mrs Patterson plötzlich neben ihr stand.
„Mr Mulberry“, begann diese, während sie ihn mit einem Blick bedachte, aus dem er schloss, dass sie nicht begeistert war, ihn hier zu sehen. „Ich dachte, ich hätte mich das letzte Mal, als wir uns sahen – nämlich gestern –, klar ausgedrückt: Sie müssen sich wirklich bemühen, Ihre Kinder in den Griff zu bekommen, damit Sie nicht noch mehr Angestellte verlieren.“
„War ich wirklich erst gestern hier?“, gab er schwach zurück.
„Das wissen Sie ganz genau.“ Mrs Patterson deutete zur Tür. „Kommen Sie herein.“
Da er wusste, dass ihm keine andere Wahl blieb, trat er vor, obwohl er das ausgesprochen langsam tat und auf der ersten Stufe stehen blieb, um Miss Longfellow zuzunicken. „Ich nehme an, hier trennen sich unsere Wege, Miss Longfellow. Bitte glauben Sie mir, dass ich untröstlich bin, weil ich Sie zu Boden geworfen habe.“
„Miss Longfellow verlässt uns noch nicht“, klärte Mrs Patterson ihn auf. „Sie und ich konnten noch nicht miteinander sprechen, da ich bis vor wenigen Minuten gezwungen war, die aufgewühlte Mrs Smithey zu beruhigen.“ Sie drohte Everett mit dem Finger. „Ich hoffe, Sie haben eine plausible Erklärung, warum Sie zugelassen haben, dass diese arme Frau von einem heimtückischen Tier angegriffen wurde.“
Miss Longfellows wenig damenhaftes Schnauben ersparte Everett eine Antwort.
„Soweit ich Mr Mulberry verstanden habe“, begann Miss Longfellow, „hatte Thaddeus nur einen kleinen Frosch. Und was kann ein Frosch einem Menschen schon antun?“ Miss Longfellow schüttelte den Kopf. „Wenn Sie meine bescheidene Meinung hören wollen: Diese Mrs Smithey hat den falschen Beruf gewählt. Ich hoffe sehr, dass Sie sich weigern, sie an eine andere Familie zu vermitteln, Mrs Patterson, da sie anscheinend eine beunruhigende Neigung zu dramatischen Übertreibungen hat.“
Everett erschauderte leicht, als Mrs Patterson sich zu ihrer vollen Größe aufrichtete.
„Mrs Smithey hat niemals eine Anstellung verloren, weil sie irgendwelche unglücklichen Streiche gespielt hätte, was man von Ihnen leider nicht behaupten kann, Miss Longfellow.“
Mrs Patterson hob das Kinn. „Bevor ich beschließe, Sie beide aus meiner Kundenkartei zu streichen, schlage ich vor, dass Sie sich jetzt wie vernünftige Menschen benehmen und wir in mein Büro gehen.“ Sie drehte sich um und verschwand durch die Tür.
„Ich glaube, sie ist ziemlich verärgert“, sagte Miss Longfellow, doch dann strahlte sie ihn erneut an. „Aber sie hat nicht gesagt, dass sie uns wirklich aus ihrer Kartei streicht. Es besteht also noch Hoffnung.“ Sie schaute ihn an. „Wären Sie so lieb und würden meine Tasche holen? Ich habe sie fallen gelassen, als Sie mich umgerannt haben. Sie liegt einsam und verlassen auf dem Gehweg.“
Everett konnte sich nicht erinnern, wann ihn das letzte Mal jemand gebeten hatte, lieb zu sein und etwas zu holen. Er verzog den Mund zu einem Grinsen. Dann ging er zu der Tasche zurück und bückte sich, um sie aufzuheben. Er packte den abgenutzten Griff und richtete sich wieder auf, begann aber unter dem Gewicht der Tasche leicht zu taumeln. Damit hatte er nicht gerechnet. „Was in aller Welt haben Sie denn in dieser Tasche?“
„Nur das Allerwichtigste.“
„Was gibt es denn Wichtiges, das so viel wiegt?“
„Wenn Sie es unbedingt wissen müssen: Da ich die Absicht hatte, die nächsten neun Wochen im Dienst der Familie Cutling zu verbringen, bevor man mir ungerechtfertigterweise gekündigt hat, musste ich ausreichend Lektüre einpacken, um diese lange Zeit zu überstehen. In dieser Tasche befinden sich einige meiner Wörterbücher, ein Lexikon, meine Bibel, zahlreiche Shakespeare-Werke, obwohl mir seine Bücher nicht sonderlich gefallen, und zwei Bücher von der unvergleichlichen Jane Austen.“ Sie lächelte. „Diese Bücher gefallen mir sehr, aber neben meinen geliebten Büchern habe ich darin auch Kleidung zum Wechseln, ein zweites Paar Schuhe und … nun ja, ich gehe lieber nicht weiter ins Detail, da der Rest für uns beide wahrscheinlich peinlich wäre.“
Everett schleppte die Tasche die Stufen hinauf, folgte Miss Longfellow durch die Tür und ließ die Tasche fallen. Er war nicht im Mindesten überrascht, als ein lauter, dumpfer Aufprall zu hören war. „Wollen Sie mir damit sagen, dass Sie alles, was Sie für zwei Monate brauchen, in diese eine Tasche gepackt haben?“
„Nicht alles. Ich hätte gern noch eine hübsche Sammlung mit Gedichten von Lord Byron mitgenommen, die ich auf einem Flohmarkt günstig erworben habe, und meine etwas zerfledderte Ausgabe von ‚Frankenstein‘, aber ich hatte einfach nicht genug Platz, um sie in meiner Tasche unterzubringen.“
Everett runzelte die Stirn. „Miss Dixon hat vor zwei Tagen das ‚Allernötigste‘ nach Newport geschickt. Drei Wagen waren nötig, um ihre Truhen zum Dampfer zu bringen.“
„Von Miss Dixon, die ein Mitglied der Gesellschaft ist, wird erwartet, dass sie sich mindestens sechsmal am Tag umzieht“, erwiderte Miss Longfellow. „Außerdem wird von ihr erwartet, dass sie nicht zu oft dasselbe Kleid trägt, wenn sie es überhaupt zweimal anziehen darf. Es überrascht mich also nicht, dass sie zahlreiche Truhen und Taschen benötigt. Ich als Kindermädchen brauche nur zwei Garnituren Arbeitskleidung, die ich trage, während ich mich um die Kinder kümmere, und zwei andere Kleider, die ich trage, wenn ich frei habe, was in den Sommermonaten nicht allzu oft vorkommt.“
„Wie viele Stunden arbeiten Sie im Sommer denn am Tag? Bekommen Sie nicht jede Woche einige freie Tage?“
„Ich bekomme einen halben Tag in der Woche frei. Meine tägliche Arbeitszeit variiert, je nachdem, wann die Kinder ins Bett gehen und ob sie im Bett bleiben.“
Er schwieg einen Augenblick ungläubig, aber wirklich nur einen Augenblick lang. „Sie sollten vielleicht bessere Bedingungen aushandeln, Miss Longfellow. Die Frauen, die ich für meine Pflegekinder eingestellt habe – und das waren viele –, hatten alle mindestens einen ganzen Tag in der Woche frei, manchmal sogar zwei Tage, wenn ich besonders verzweifelt war. Und sie arbeiteten höchstens zehn Stunden am Tag, auf keinen Fall länger.“
„Miss Longfellow hat einen sehr starken Verschleiß an Arbeitgebern“, mischte sich Mrs Patterson ein, die jetzt den Kopf aus ihrem Büro steckte. „Das bedeutet, dass sie nur sehr wenig Verhandlungsspielraum hat, obwohl sich dieser Umstand bald ändern könnte, da ich ganz genau weiß, wie groß Ihre Verzweiflung ist.“ Sie bedeutete ihm einzutreten. „Wenn Sie mich fragen: Die einzige Lösung für Ihre Probleme und die von Miss Longfellow besteht darin, dass Sie sich zusammentun. Vor allen Dingen gelange ich immer mehr zu der Überzeugung, dass Sie einander verdienen.“ Damit verschwand sie in ihrem Büro.
„Ich hatte Ihnen doch gesagt, dass sie zu dieser Schlussfolgerung kommen würde“, seufzte Everett, als er Miss Longfellow in Mrs Pattersons Büro folgte.
„Mir gefällt Ihre Einstellung nicht, Mr Mulberry“, sagte Miss Longfellow, bevor sie sich in einen unbequem aussehenden Sessel setzte. „Und mir gefällt auch nicht, dass Sie meinen, die Situation, in der wir uns befinden, wäre meine Schuld. Wenn Sie einfach in Betracht gezogen hätten, mich einzustellen, als Sie erfuhren, dass ich Kindermädchen bin, wären Sie jetzt nicht so verzweifelt.“
„Nur weil ich wahrscheinlich nicht mehr die Verantwortung für meine Pflegekinder hätte, wenn ich Sie eingestellt hätte. Sie hätten sie inzwischen vielleicht verloren oder –“
„Diesen Satz sollten Sie lieber nicht beenden“, fiel Miss Longfellow ihm ins Wort. „Ich habe nie – ich wiederhole: nie – eines der Kinder, die ich betreute, zu Schaden kommen lassen.“
„Und was ist mit diesem kleinen Billy? Ich erinnere mich genau, dass Sie erzählt haben, dass er durch Ihre Schuld beinahe ertrunken wäre.“
„Sie bringen da etwas durcheinander. Es stimmt zwar, dass ich ein wenig falsch darüber informiert war, wie Kinder schwimmen lernen. Aber wenn ich Sie erinnern darf: Nachdem ich den kleinen Billy ins Wasser geworfen hatte, überlegte ich es mir anders und sprang ihm nach. Er bewies, dass ich mich nicht völlig geirrt hatte, da er sofort ans Ufer paddelte, während ich leider unterging.“
„Ich bin wirklich froh, dass Sie dieses Missverständnis endlich ausgeräumt haben. Jetzt habe ich doch gleich viel mehr Vertrauen in Ihre Fähigkeiten.“
„Also wirklich! Wenn man Ihnen beiden zuhört, bekommt man ja Kopfschmerzen!“ Mrs Patterson beugte sich über ihren Schreibtisch und erhob die Stimme, da Miss Longfellow angefangen hatte, vor sich hinzumurmeln. „Darf ich aus Ihrem vertrauten Umgang miteinander schließen, dass Sie sich schon eine Weile gut kennen?“
Als Miss Longfellow schlagartig verstummte und die Lippen zusammenkniff, blieb Everett keine andere Wahl, als für beide zu antworten. „Wir kennen uns, aber ich würde nicht so weit gehen zu behaupten, dass wir uns gut kennen.“
Mrs Patterson lehnte sich zurück. „Können Sie mir bitte verraten, warum Sie dann nicht einfach Miss Longfellow für Ihre Pflegekinder eingestellt haben?“
„Finden Sie wirklich, dass es dafür einer Erklärung bedarf? Immerhin kenne ich diese Dame ein wenig! Mrs Patterson, wir sprechen hier schließlich von Miss Longfellow!“
„Hallo! Ich bin immer noch im Raum!“ Miss Longfellow verschränkte die Arme. „Und ich nehme allmählich Anstoß daran, wie dieses Gespräch verläuft.“
Mrs Patterson ignorierte sie und schaute Everett an. „Sie, mein Lieber, sind im Moment nicht in der Position, übermäßig wählerisch sein zu können. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie mir gesagt, dass Sie schon längst nach Newport hätten fahren müssen und dass Ihre Miss Dixon ausgesprochen ungehalten ist. Ihre Laune wird sich bestimmt nicht bessern, wenn sie gezwungen ist, weitere Sommerfestivitäten in Newport zu verpassen, weil Sie niemanden finden, der bereit ist, die Kinder zu übernehmen. Da ich im Moment außer Miss Longfellow niemanden zur Verfügung habe, der mit Ihnen nach Newport fahren würde, müssen Sie alle Bedenken, die Sie in Bezug auf ihre Fähigkeiten haben, zurückstellen und ihr eine Stelle anbieten.“
Mrs Patterson besaß doch tatsächlich den Nerv zu lächeln. „So schlecht ist sie eigentlich gar nicht, und ich muss ihr zugutehalten, dass die Kinder sie offenbar wirklich lieben.“
„Vergeben Sie mir, Mrs Patterson, aber ich bin noch nicht so verzweifelt, dass ich Miss Longfellow einstellen würde. Mir wurde die Verantwortung für drei Kinder übertragen. Mit dieser Verantwortung ist die Erwartung verbunden, dass ich dafür sorge, dass sie am Leben bleiben, bis sie erwachsen sind. Miss Longfellow die Verantwortung für sie zu übertragen, ist wirklich nicht der beste Weg, um das sicherzustellen.“
„Mir war nicht bewusst, dass Sie so melodramatisch sein können, Mr Mulberry“, begann Mrs Patterson. „Aber auch wenn ich ein gewisses Mitgefühl empfinde, weil ich weiß, dass Sie nicht damit gerechnet haben, plötzlich für drei Kinder verantwortlich zu sein, fürchte ich, dass Sie keine große Wahl mehr haben. Ihr Ruf eilt Ihren Pflegekindern voraus, und niemand ist bereit, für Sie zu arbeiten. Mit Ausnahme von Miss Longfellow.“
Diese erhob sich abrupt. „Hiermit möchte ich feststellen, dass ich nicht länger den Wunsch verspüre, für Mr Mulberry zu arbeiten.“
Mrs Patterson tat Miss Longfellows Protest mit einer lässigen Handbewegung ab. „Natürlich wollen Sie das, meine Liebe. Er zahlt sehr gut und Sie können den Sommer in Newport verbringen. Der Ort, an dem man den Sommer verbringt. Und ich habe gehört, dass Mr Mulberry eines der eindrucksvollsten Sommerhäuser dort besitzt.“ Sie lächelte. „Mit Blick aufs Meer.“
„Genau aus diesem Grund werde ich Miss Longfellow nicht mit nach Newport nehmen“, argumentierte Everett. „Seien wir ehrlich: Entweder wird sie die Kinder ertränken, weil sie sie in die Wellen wirft, um zu überprüfen, ob sie schwimmen können. Oder sie ertrinkt selbst und dann habe ich wieder kein Kinder-“
„Ich würde nicht für Sie arbeiten, selbst wenn Sie mir zweitausend Dollar bieten, mich auf Knien anflehen und mir Blumen bringen würden.“ Miss Longfellow schaute Mrs Patterson an. „Falls Sie eine Familie haben, die meine Dienste benötigt – abgesehen von Mr Mulberry natürlich –, erreichen Sie mich bei Mrs Hart am Washington Square.“
Damit drehte sich Miss Longfellow auf dem Absatz um, ohne ihn noch eines Blickes zu würdigen, und stolzierte aus dem Raum. Als sie an ihm vorbeirauschte, roch es eindeutig nach Meer. Und nach Fisch.
Eine Stunde später betrat Everett sein Haus in der Fifth Avenue. Er hatte keinen Blick für die spektakulären Details, mit denen der Architekt Richard Morris Hunt den Eingangsbereich ausgestattet hatte. Sein Blick blieb weder wie sonst an der hohen Decke mit den Fresken hängen noch an den wertvollen Mahagonimöbeln aus Europa.
Aufgrund seiner verzweifelten Stimmung vergaß er fast, seinem Butler Macon zuzunicken, der ihm die Tür aufhielt, als er den ersten Fuß auf die Treppe setzte. Er hörte jedoch abrupt auf zu nicken, als ihm auffiel, dass Macon ein wenig … abgelenkt wirkte. Das passte überhaupt nicht zu diesem Mann.
„Stimmt etwas nicht, Macon?“, fragte er mit einer gewissen Überwindung.
Macon schloss die Tür. „Ob etwas nicht stimmt? Wie kommen Sie denn zu dieser Annahme?“
Everett zog eine Braue hoch. „Weil in letzter Zeit immer irgendetwas nicht stimmt. Und im Haus ist es ungewöhnlich … still.“
„Wie Sie sehr wohl wissen, Sir, ist der größte Teil des Personals bereits vor einigen Wochen abgereist, um das Haus in Newport herzurichten.“
„Und wie Sie sehr wohl wissen, Macon, war nicht das Personal für den übermäßigen Lärm der vergangenen Wochen und Monate verantwortlich.“
„Das stimmt. Ja, das ist wirklich wahr. Das Personal hat das Sommerhaus inzwischen bestimmt auf Hochglanz poliert. Wahrscheinlich wissen sie nicht mehr, was sie noch tun sollen, da man Sie schon vergangene Woche in Newport erwartet hat.“
„Sie werden sich bestimmt nach dieser Langeweile zurücksehnen, sobald ich mit den Kindern im Schlepptau dort auftauche.“ Everett schüttelte den Kopf. „Ich hatte gewiss nicht vor, meine Abreise so lange hinauszuzögern, aber aufgrund der Streiche meiner Pflegekinder … nun ja, muss ich noch mehr sagen?“
„Wenn ich so frei sein darf, das zu bemerken, Sir: Diese Streiche würden deutlich weniger werden, wenn Sie sich einen Moment Zeit nehmen würden, um den Kindern zu versichern, dass Sie nicht die Absicht haben, sie in naher Zukunft in ein Internat zu schicken.“
„Die Kinder wissen von der Idee mit dem Internat?“
„Die Kinder haben sehr gute Ohren, Sir. Besonders wenn sie vor Türen stehen, hinter denen wichtige Gespräche geführt werden.“
„Sie lauschen an den Türen?“
„Allerdings. Fast immer, wenn Miss Dixon zu Besuch kommt. Apropos Miss Dixon: Sie wartet in der Bibliothek auf Sie.“
„Caroline ist noch hier?“
„Sie haben doch bestimmt nicht erwartet, dass sie nach Hause fährt, ohne zu erfahren, wie Ihre Personalsuche ausgegangen ist?“
„Ich fürchte, sie muss sich auf eine Enttäuschung einstellen, denn ich hatte keinen Erfolg. Aber da es schon so spät ist, kann ich mir vorstellen, dass ihre Begleiterin nicht sehr erfreut ist, dass Caroline auf mich warten wollte.“
„Sie hat Miss Nora Niesen vor einer Stunde nach Hause geschickt, Sir. Soweit ich sie verstanden habe, wollte Miss Dixon Zeit allein mit den Kindern verbringen.“
„Ich finde es zwar ermutigend, dass Miss Dixon Zeit mit den Kindern verbringen will, aber es könnte ihrem Ruf schaden, dass sie ihre Freundin weggeschickt hat. Vielleicht sollte ich Caroline ermutigen, eine richtige Gesellschafterin einzustellen.“
„Vielleicht könnten Sie aber auch einfach ein Kindermädchen einstellen, das fähig ist, seine Arbeit zu machen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass es nicht wenigstens eine Frau in dieser Stadt gibt, die der Aufgabe gewachsen ist, Ihre Pflegekinder zu erziehen.“
„Ein ausgezeichneter Gedanke, Macon. Aber ich denke, ich sollte jetzt wahrscheinlich nachsehen, wie es Miss Dixon mit den Kindern geht.“
Everett nickte Macon zu, drehte sich dann auf dem Absatz um und schritt in Gedanken versunken durch den Flur. Als er an der geschwungenen Treppe vorbeiging, die den Mittelpunkt des Hauses bildete, und schon fast bei der Bibliothek war, fiel ihm aus dem Augenwinkel etwas auf, das ihn seine Schritte verlangsamen ließ. Jemand hatte einer jungen Dame auf einem unbezahlbar wertvollen Gemälde von keinem Geringeren als Bouguereau auf nicht gerade kunstvolle Weise einen Schnurrbart verpasst.
Er beugte sich zu dem Gemälde vor und stieß einen Seufzer aus, als ihm bewusst wurde, dass jemand tatsächlich diesem Meisterwerk seine persönliche Note verliehen hatte. Everett beschloss, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt war, um sich länger mit dem Bild aufzuhalten. Er riss seinen Blick von dem jetzt nicht länger unbezahlbar wertvollen Gemälde los und öffnete die Tür zur Bibliothek. Was ihn dort erwartete, überraschte ihn zutiefst.
Anstelle des erwarteten Chaos’ und Tumults sah er Miss Caroline Dixon, die ihre braunen Haare hübsch und reizvoll aus dem Gesicht frisiert hatte und ein schönes Kleid mit blauen Streifen trug. Sie saß in einem eleganten tannengrünen Sessel und nippte an einer Tasse Tee. Ihr gegenüber saß Elizabeth, die mit ihren acht Jahren das älteste seiner drei Pflegekinder war, und las laut vor. Die fünfjährigen Zwillinge Thaddeus und Rosetta saßen stocksteif auf einem Sofa und trugen identische, schlecht genähte Kleider. Dass Thaddeus ein Kleid trug, war in letzter Zeit ein vertrauter Anblick.
Everett übernahm die volle Verantwortung für die Weigerung des Jungen, etwas anderes als Kleider zu tragen. Aber man musste ihm fairerweise zugutehalten, dass er nicht hatte wissen können, dass Elizabeth nur deshalb ein Kleid für ihren kleinen Bruder genäht hatte, weil sie keine Hosen nähen konnte. Als Everett den Fehler begangen und erklärt hatte, dass Jungen keine Kleider trugen, hatte Thaddeus sich jeder weiteren Korrektur verschlossen. Da er seine Schwester liebte, wehrte er sich jetzt dagegen, irgendetwas anderes als die Kleider zu tragen, die Elizabeth für ihn nähte.
Obwohl Everett die Situation belustigend fand und beeindruckt war, wie treu sich Thaddeus an seine Prinzipien hielt, wusste er, dass es Caroline unglaublich peinlich war, Thaddeus Tag für Tag wie ein Mädchen gekleidet zu sehen. Das bedeutete, dass er eine Möglichkeit finden musste, Thaddeus irgendwie dazu zu bewegen, wieder Hosen zu tragen, bevor Caroline die Sache in die Hand nähme. Letzteres wäre für die Harmonie in seinem Haushalt gewiss nicht förderlich.
„Was für ein hübsches Bild ihr abgebt“, sagte er, als er ins Zimmer trat. Caroline stellte ihre Teetasse ab und lächelte ihn an.
„Everett, ich hatte gehofft, dass du bald zurückkommst.“ Doch dann verschwand ihr Lächeln. „Aber wo ist das neue Kindermädchen?“
„Ich hatte heute Abend leider keinen Erfolg, Liebling, aber mach dir keine Sorgen. Ich gehe morgen früh wieder zur Arbeitsvermittlung.“ Er lächelte Elizabeth an, die ihn über den Rand ihres Buches anschaute. „Was liest du denn da, Elizabeth?“
Elizabeth Burkhart rümpfte die Nase, und einen Moment lang glaubte er schon, sie würde ihm keine Antwort geben, aber dann hielt sie das Buch hoch. „‚Betty und ihre Schestern‘.“
„Das ist aber eine ziemlich deprimierende Geschichte. Wenn ich mich nicht irre, stirbt eine der Schwestern, nicht wahr?“
Elizabeth klappte das Buch zu. „Dann brauche ich das Buch jetzt wohl nicht mehr zu Ende zu lesen.“
Everett verzog das Gesicht. „Ah, ja, stimmt. Tut mir leid.“ Er schaute Caroline an. „War alles in Ordnung, während ich weg war?“
„Alles war bestens“, sagte Caroline und nickte den Zwillingen zu. „Wir sind zu einer Vereinbarung gelangt.“
Er war sofort besorgt. „Was für eine Vereinbarung?“
Caroline winkte beruhigend ab. „Ich habe ihnen nur erklärt, was ich von ihnen erwarte. Mit welchen Strafen sie rechnen müssen, falls sie mit ihrem Unsinn nicht endlich aufhören – kein Essen, keine Frösche, keinen Spaß –, nun … sie haben meinen Standpunkt verstanden. Ich glaube nicht, dass wir noch weitere Schwierigkeiten bekommen werden. Nicht wahr, Kinder?“ Caroline schaute die Zwillinge mit hochgezogener Braue an.
„Nein“, sagten Thaddeus und Rosetta wie aus einem Mund.
„Nein … was?“, fragte Caroline freundlich.
Eine Sekunde lang stand Aufruhr in den Augen der Zwillinge zu lesen, aber dann lächelte Rosetta. „Es wird keine Schwierigkeiten mehr geben, Miss Dixon.“
„Ganz recht.“ Caroline wandte sich wieder Everett zu. „Und nun zurück zu dem Kindermädchen: Was ist passiert?“
„Mrs Patterson hat im Moment keines verfügbar. Zumindest keines, das für unsere Bedürfnisse geeignet wäre.“
„Es gab also doch jemanden?“
„Nicht wirklich.“
Caroline nahm ihre Teetasse und nippte daran. „Ich wäre unsagbar enttäuscht, wenn wir unsere Fahrt nach Newport ein weiteres Mal verschieben müssten, Everett. Ich habe schon zahlreiche gesellschaftliche Ereignisse verpasst. Miss Niesen und ich planen, in zwei Tagen im Casino mit unseren Freundinnen Tennis zu spielen. Es würde mich wirklich sehr schmerzen, wenn ich dieses Spiel absagen müsste, nur weil du kein Kindermädchen findest, das auf die drei aufpasst.“
Everett rieb sich übers Gesicht und trat einen Schritt auf sie zu. „Du und Miss Niesen solltet ohne mich nach Newport fahren. Das habe ich dir schon vor zwei Wochen vorgeschlagen, als Kindermädchen Nummer zwölf gekündigt hat. Schließlich hast du dein eigenes Sommerhaus, das dir deine überaus großzügige Großmutter geschenkt hat. Und es ist schade, dass dieses Sommerhaus immer noch leer steht.“
Caroline schnaubte leise. „Die Gesellschaft würde es nicht gutheißen, wenn ich dich in deiner Notlage allein ließe.“ Sie hob das Kinn. „Aber ich gebe gern zu, dass ich allmählich sehr ungehalten bin. Wenn es eine Frau gibt, die als Kindermädchen einspringen könnte, muss ich darauf bestehen, dass du ihr eine Stelle anbietest, gleichgültig, ob sie für diese Arbeit geeignet ist oder nicht. Und zwar noch heute Abend!“
Everett öffnete den Mund, um ihr die Sachlage zu erklären, doch bevor er auch nur ein einziges Wort über die Lippen brachte, stellte Caroline ihre Tasse ab und machte Anstalten, sich aus ihrem Sessel zu erheben. Plötzlich hielt sie inne und atmete hörbar ein. Eine Sekunde später begriff Everett, was sich hinter ihrem sonderbaren Verhalten verbarg.
Der Sessel klebte fest an Carolines Hinterteil, und es gelang ihr nicht, sich aufzurichten. Ein kurzer Blick auf die Zwillinge, die beide eine viel zu unschuldige Miene machten, bewies, wer für diese neuerliche Katastrophe verantwortlich war.
Im gleichen Augenblick ertönte ein Unheil verkündendes reißendes Geräusch. Zu seiner Erleichterung war Caroline von dem Sessel befreit, aber als sie sich umdrehte, sah er, dass sie auch von der hinteren Seite ihres Rockes befreit war. Während ihr zorniges Kreischen durch den Raum gellte, begriff Everett, was er jetzt tun musste.
Er musste, wider besseres Wissen, zu Miss Longfellow gehen und sie – zweifellos auf Knien und mit Blumen – anflehen, für ihn zu arbeiten.
3
Der Schaum kitzelte Millie in der Nase, als sie den Kopf an den Rand der Wanne lehnte. Sie war für den Luxus dankbar, ein richtiges Schaumbad nehmen zu können. Bevor Abigail Hart vor fast zwei Monaten in Millies Leben und in das ihrer Freundinnen Hannah Peabody und Lucetta Plum geplatzt war, hatte sie nie Gelegenheit gehabt, ein Schaumbad zu nehmen. Es war nicht zu leugnen, dass ihr viel Luxus zur Verfügung stand, seit sie Abigails Angebot angenommen hatte, bei ihr zu wohnen, wenn sie keine Anstellung hatte. Aber für Millie war das alles andere als selbstverständlich.
Der Grund, warum Abigail sie in ihrem Haus aufgenommen hatte, war ihr immer noch ein Rätsel. Abigail behauptete, sie habe es getan, weil sie Pastor Thomas Gilmore einen Gefallen schuldig sei, aber Millie glaubte nicht, dass das der einzige Grund für die unglaubliche Großzügigkeit dieser Frau war. Abigail schien einige Dinge zu bereuen, die in der Vergangenheit geschehen waren. Diese Reue war wahrscheinlich der Hauptgrund dafür, dass Abigail drei junge Damen, die in ärmlichen Verhältnissen gelebt hatten, bei sich in ihrem Haus am Washington Square aufgenommen hatte.