Ein Klassischer Selbstmord von oben - Thomas Mayer - E-Book

Ein Klassischer Selbstmord von oben E-Book

Thomas Mayer

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Beschreibung

Ein Klassischer Selbstmord von oben? NIE IM LEBEN!!! Genau das dachte Jacob Schmalzl -arroganter Ex-Kriminalpolizist- als er vom Arbeitsamt zu einem Job als Bestatter verdonnert wird. Als er über kuriose Todesfälle stolpert, fängt er das ermitteln an, und muss dabei sein ganzes Können unter Beweis stellen. Dabei trifft er auf alte Weggefährten, neue Verbündete und eine sexy Polizistin, die ihm den Kopf verdreht. Mit seiner trocknenden Art ermittelt er an einem ganz besonderem Ort, der es ihm nicht gerade leicht macht, und Tote nunmal nicht mehr sprechen können…

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Thomas Mayer

Ein Klassischer Selbstmord von oben

Erster Fall von Jakob Schmalzl

Ein Klassischer Selbstmord von oben  Erster Fall von Jakob Schmalzl

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Ein klassischer Selbstmord von oben

Ein Buch von Thomas Mayer

Impressum

© 2023 Mayer Thomas

Adolph-Kolpingstraße 3

93105 Tegernheim

Lektorat: Marvin Röllgen ([email protected])

Cover, Design-Palast

"veröffentlicht über Tolino Media"

ISBN:9783757935580

Die Geschichte ist frei erfunden.

Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind Zufall

Ich danke meiner Frau Julia, die mich ermutigte weiterzuschreiben, als ich keine Lust mehr darauf hatte…

Des Weiteren danke ich Nico Flachs, der mich auf die Idee brachte, ein Buch zu schreiben…

Kapitel 1

Da ist er also, der eine Montag, der wieder ein neues Kapitel in meinem Leben aufschlägt.

Es ist ein sehr nebeliger Morgen hier in Regensburg, als ich zum ersten Mal meinen Fuß in das Bestattungsgebäude setze.

Schon komisch, dass ich jetzt statt mit den Lebenden, mit den Toten zu tun habe. Man muss nämlich wissen, dass meine zwei vorhergehenden Berufe mit lebenden Menschen zu tun hatten.

In der Schule war ich ein ganz Gescheiter und so machte ich das Abi ohne Probleme mit einem Schnitt von 1,2, was mich dazu bewog, Medizin zu studieren. Die ersten Jahre im Studium waren echt großartig, hauptsächlich wegen der Partys und den Mädels… nur leider war ich nicht der Beliebteste.

Laut meinem Umfeld war ich angeblich ein arrogantes, selbstverliebtes Arschloch. Sechs Semester hielt ich durch, dann hatte ich keine Lust mehr. Ich bin zwar klug, aber auch ziemlich faul.

Was mich an dem Studium am meisten nervte, war, dass immer freitags Prüfungen geschrieben wurden und ich dann nie fit war.

In Regensburg gibt es die geilsten Studentenpartys, und die sind leider meistens am Donnerstag. Da passt es naturgemäß gar nicht, einen Tag darauf eine Prüfung zu schreiben. Ich bestand zwar jede Prüfung, aber der Stress, jedes Mal nur zwei Stunden - oder gar nicht - zu schlafen, war mir dann eben zu viel. Da brach ich das Studium lieber ab.

Nach einem Jahr Denkpause, was eigentlich ein Jahr Playstation spielen hieß, beschloss ich, wieder etwas Sinnvolles zu machen. Ich absolvierte die Polizeiausbildung und schloss mich nach erfolgreichem Abschluss der Kriminalpolizei München an. Dort blieb ich auch sieben Jahre, bis ich unehrenhaft entlassen wurde. Dieser blöde Graf-Fall hat mir sprichwörtlich das Genick gebrochen. Aber das war die Vergangenheit, jetzt beginnt die Zukunft, und zwar hier im Bestattungsunternehmen „Fröhlich“.

„Das soll doch ein schlechter Scherz sein?!“, sagte ich lachend zu der Dame vom Arbeitsamt, als sie mir dieses Jobangebot rüberreichte. „Ich soll als Bestattungshelfer bei einem Bestattungsunternehmen, das „Fröhlich“ heißt arbeiten?“, fragte ich verwundert. „JA“ antwortete die Frau in einem etwas herrischen Ton. „Sie haben bis jetzt über zehn Stellen abgelehnt und jetzt reicht es uns…“, fuhr sie mürrisch fort, „wenn sie dieses auch ablehnen, dann bekommen Sie kein Geld mehr vom Staat.“ „Gut“ sagte ich, „dann probiere ich das halt mal aus“. Aber da unterbrach sie mich gleich und fügte hinzu, dass ich das schon mindestens ein Jahr durchhalten muss. „Ist nicht ihr Ernst“, schrie ich sie aus Versehen an. „Doch!“ erwiderte sie etwas aufgebracht und außerdem solle ich auch noch einen Tätigkeitsnachweis führen bzw. von meinem Arbeitgeber bestätigen lassen.

„Das heißt, je weniger Sie arbeiten, beispielsweise durch Krankmachen, desto weniger Geld bekommen Sie.“ „Das ist eine Frechheit“, schrie ich die Sachbearbeiterin wütend an, „das darf man doch niemandem antun.“ „Doch“, unterbricht sie mich gleich, „das darf man, vor allem bei Kandidaten wie Ihnen...“

Kapitel 2

So stehe ich also in dem Gebäude, in dem ich mindestens für ein Jahr gefangen bin. „BESTATTUNG FRÖHLICH“ steht dort mit großen Buchstaben an der Tür, und ich muss schmunzeln. Wer sich so einen Namen für ein solches Gewerbe ausgedacht hat, kann nicht alle Tassen im Schrank haben, oder muss zumindest einen ziemlich morbiden Humor haben. Nachdem mein Finger die Türklingel betätigt hat, wird die Tür auch schon geöffnet. Eine kleine Asiatin steht jetzt vor mir, und ich schwöre, sie ist wirklich nicht größer als ein Kind. Deswegen war auch der nachfolgende Satz nicht der Beste...

„Ist dein Vater da?“, fragte ich die Person, die im Türrahmen stand. „Sie sind?“, bekam ich im gebrochenen Deutsch zu hören. „Jakob Schmalzl“, stellte ich mich mal netterweise und im sehr guten Deutsch vor. „Kommen Sie bitte mit, mein Mann erwartet Sie.“ „Ihr Mann?“, antwortete ich verblüfft und handelte mir dabei böse Blicke von der Person vor mir ein.

An der Bürotür stand mit großen Buchstaben gedruckt „Herr Theodor Fröhlich, Bestattungsmeister“.

Als ich das lese, muss ich wieder schmunzeln, aber diesmal so, dass das Kind … ich meine die Frau mein Gesicht nicht sieht. Sie klopft an, und nach einem lauten „Herein!“ betreten wir gemeinsam das Büro. An einem sehr großen und breiten Holzschreibtisch sitzt ein kleiner, glatzköpfiger, dicker Mann in seinen Fünfzigern.

„Ah, der Herr Schmalzl!“, sagte er, als er mich erblickte, und sah danach gleich auf seine Armbanduhr. „Sie sind zu spät! Warum kommen Sie jetzt erst?“, wollte er von mir wissen. „Naja, ich habe erst letzte Woche Bescheid bekommen, dass ich hier anfangen soll…“. „Das meine ich nicht!“, unterbrach Herr Fröhlich mich gleich wütend und haute mit seiner Faust auf den Tisch. „Warum kommen Sie heute an Ihrem ersten Tag zu spät? Arbeitsbeginn ist bei uns um 7 Uhr, und das gilt auch für Sie, Herr Schmalzl!“ „Ich habe verschlafen“, erklärte ich ihm und setzte mich in einen der beiden Stühle vor seinem Schreibtisch. „Ich muss mich erst einmal wieder daran gewöhnen, so früh aufzustehen, aber jetzt bin ich da.“

Ein Kaffee wäre jetzt echt der Wahnsinn, und so frage ich einfach mal, ob ich einen Kaffee bekommen kann. „NEIN“, schreit er mich gleich wieder an und legt mir auch gleich eine Zettelwirtschaft hin. Ich unterschreibe jeden Zettel und bin ab jetzt Bestattungshelfer bei „Bestattung Fröhlich“.

Nachdem die Formalitäten erledigt sind, holt er seine Frau, die die ganze Zeit unbemerkt in der Ecke stand, wieder zu uns und bittet sie, mich in den Aufenthaltsraum zu bringen. Dort soll ich warten, bis die Kollegen von einer Beerdigung zurückkommen.

Da sitze ich nun in diesem kleinen Raum, der mit einem großen Tisch und fünf Stühlen ausgestattet ist. Mein Blick schweift sofort zu dem einzigen elektronischen Gerät in diesem Raum.

„Endlich!“ stöhnt es aus mir raus als ich die Kaffeemaschine sehe. Natürlich bewege ich mich sofort zu ihr hin, um wütend festzustellen, dass man dort Geld einwerfen muss, und zwar 50 Cent pro Tasse. „Was für eine Frechheit“, knurr ich so in mich rein. Ich muss für Kaffee bezahlen. Bei der Kripo in München musste ich das nicht, da stand immer gekochter Kaffee bereit und wenn die Kaffee Kanne mal leer war, wurde sofort ein neuer Kaffee von demjenigen wieder aufgesetzt, der die letzte Tasse rausnahm. Das musste ich aber nie tun, da ich immer ein kleines Noagerl drin ließ und somit im schlimmsten Fall immer der Vorletzte war, der die Kanne benutzte. Natürlich aber versuchte ich eh immer der Erste zu sein, der einen frisch aufgebrühten Kaffee bekam. Und hier muss ich für einen Kaffee aus einem Automaten bezahlen, und auch noch fünfzig Cent und das Schlimmste ist, dass ich nur fünf Euro im Geldbeutel habe und der blöde Automat nicht wechselt?! „Ein Scheißtag ist das bis jetzt“, murmle ich so vor mich hin.

Nach einer halben Stunde sinnlosen Starrens gegen die Wand trudeln endlich meine neuen Kollegen ein. Fünf Männer, alle älter als ich, schätze mal so zwischen Anfang vierzig und Mitte fünfzig. Es dauert ein paar Sekunden, bis sie mich bemerken, um mich dann zu begrüßen. Manuel, Tobias, Heinrich, Dieter und Christoph stellen sich mir vor. Letzterer erklärt mir gleich, dass ich auf seinem Platz sitze und ich mir einen eigenen Stuhl suchen soll.

Auf meine Frage, wo ich einen Stuhl herbekäme, bekomme ich nur ein Schulterzucken von diesem Christoph.

Was für ein Arschloch denk ich mir, während ich ihn freundlich anlächle.

„Ich hole dir einen aus der Trauerhalle“, höre ich Dieter sagen, und schon ist er aus der Tür raus. „Möchtest du auch eine Tasse Kaffee?“ fragt mich Manuel, und gleich verbessert sich meine Laune um ganze zehn Prozent. Denn seien wir mal ehrlich, ich habe immer noch keinen Bock hier zu sein. Also sitze ich jetzt mit meinen neuen Kollegen im Aufenthaltsraum, auf meinem neuen Platz, und trinke eine nicht mal schlechte Tasse Kaffee. Christoph wurde zu Herrn Fröhlich zitiert, und so sitzen wir zu fünft am Tisch und sehen uns schweigend an.

„Bestimmt verpetzt er uns jetzt wieder beim Chef!“, bricht Manuel das Schweigen. „Mit Sicherheit“, fügt Heinrich hinzu. „Du musst nämlich wissen“, fängt Heinrich an, mir zu erzählen, „der Christoph ist die größte Petze, die hier arbeitet. Er steckt mit seinem ganzen Körper im Arsch vom Herrn Fröhlich und deshalb ist er auch die rechte Hand vom Chef. Das lässt er raushängen und glaubt, dass er etwas Besseres ist“, lästert Heinrich weiter. „Im Grunde ist er einfach eine schleimende Sau und ein arrogantes Arschloch“, sagt Manuel und nimmt einen großen Schluck Kaffee.

Ein arrogantes Arschloch, auch ich wurde das schon sehr oft genannt. Ja, die Kollegen in München waren nicht besonders gut auf mich zu sprechen, aber das war mir egal. Die waren bestimmt nur neidisch und eifersüchtig auf mich, weil ich eine hundertprozentige Aufklärungsrate hatte bis zu diesem einen besagten Tag, der alles änderte…

Aber so wie dieser Christoph war ich nicht, dachte ich, bis Dieter mich aus meinen Gedanken holte. „Was hast du vorher gemacht?“ „Arbeitslos“ antworte ich ihm wahrheitsgemäß. „Und davor?“, bohrt er weiter. „Gelegenheitsarbeiten“, log ich, da ich nicht will, dass jemand von meiner Polizeikarriere und meiner dortigen Entlassung erfährt. Ich finde, das geht niemanden etwas an, und auf die blöden Fragen habe ich überhaupt keine Lust. „Seid ihr alle gelernte Bestatter?“ frage ich die Kollegen in der Runde, um das Thema „Jakob Schmalzls Vergangenheit“ zu wechseln.

„Nein, nein“, antwortet Tobias. „Der einzige echte Bestatter ist Herr Fröhlich, aber der macht nur noch das Büro, die theoretischen Sachen und sammelt das eingenommene Geld. Wir sind alle nur wie du Bestattungshelfer und machen das, was uns gesagt wird.“ „Was sind denn unsere Aufgaben?“ frage ich in die Runde, weil ich wirklich noch nicht weiß, was ich hier eigentlich machen soll.

„Wir holen die Verstorbenen ab, präparieren sie so, dass sie wieder gut aussehen, sagen sie ein, heben ihr Grab aus und bestatten sie. Eigentlich simpel“, erklärt mir Heinrich. „Aha“, antworte ich lapidar, da mir wirklich nichts anderes dazu einfällt.

Nach weiteren Minuten in dieser lockeren Runde geht die Tür des Aufenthaltsraums auf, und Herr Fröhlich kommt mit seiner Frau, die ich einfach mal Frau Ling nenne, da ich ihren richtigen Namen nicht kenne, und Christoph zu uns herein.

„Wie ich sehe, habt ihr euch schon kennengelernt“, fängt Herr Fröhlich an zu sprechen an und setzt sich auf Christophs Platz.

Man, schaut Christoph jetzt blöd aus der Wäsche, als er merkt, dass er mit Frau Ling als Einziger in dem Raum stehen muss.

„Ich hol mir schnell auch einen Stuhl“, wirft Christoph in die Runde, doch da widerspricht Herr Fröhlich ihm sofort und sagt ihm, dass es sich nicht rentiert, da das hier nur fünf Minuten dauert und er diese Zeit auch stehen kann. Jetzt schaut Christoph noch blöder drein, und die Kollegen müssen allesamt grinsen. Was ich nur richtig scheiße finde, ist, dass sich dieses Arschloch nur für sich einen Stuhl geholt hätte, aber nicht für Frau Ling, und so etwas macht man nicht als Mann.

„Also“ reißt mich Herr Fröhlich aus meinen Gedanken. „Ich möchte den Herrn Schmalzl recht herzlich bei uns begrüßen und willkommen heißen. Er wird - wie ihr alle - auch als Bestattungshelfer arbeiten und die gleichen Aufgaben durchführen. Helft ihm und erklärt ihm bitte alles, damit er bald selbstständig in unserem Team arbeiten kann.“

„Solltest du Fragen haben“, erklärt mir Herr Fröhlich, „dann kannst du dich immer an deine neuen Kollegen wenden. Natürlich können Sie sich auch an mich wenden; aber bitte immer erst an die Kollegen; da ich immer sehr beschäftigt bin“, höre ich ihn weiter zu mir sagen.

Mein Blick, als Herr Fröhlich das alles sagt, schweift zu diesem Christoph, der die ganze Zeit zu mir rüber schaut und dabei richtig blöd grinst. Steht der Typ auf mich oder überlegt er sich schon, wie er mir eins auswischen kann? Es gibt einfach Menschen, die sieht man zum ersten Mal und man weiß sofort, dass man sie nicht leiden kann. Das ist bei diesem Christoph auf jeden Fall der Fall.

„Dann ist erstmal alles gesagt“, beendet Herr Fröhlich seinen Vortrag und steht von Christophs Stuhl auf.

„Christoph wird Dir alles zeigen und dich bezüglich der Fahrzeuge und Geräte einweisen“, hör ich Herr Fröhlich noch kurz sagen, bevor er mit seiner kleinen Gattin den Raum verlässt.

„Einen Führerschein hast Du aber schon, oder?“, fragt mich Christoph, der plötzlich neben mir steht. „Ja, mit null Fehlern damals bestanden“, antworte ich ihm gleich wahrheitsgemäß. „Gut“ sagt er und wendet sich zu den anderen Kollegen.

„Manuel und Tobias“, sagt er, „ihr zwei sargt Frau Schneider sauber ein, da heute um 15 Uhr eine offene Verabschiedung ist. Heinrich und Dieter, ihr zwei räumt das Sarglager auf“, gibt er mit einem Befehlston an die beiden weiter. „Und du kommst mit mir“, befiehlt er weiter und dreht sich wieder zu mir um. „Jawohl“, sage ich, weil ich das damals einfach auf der Polizeischule gelernt habe.

Damals war der Leitspruch bei uns in der Ausbildung „Nicht denken, machen!“ und wenn ein Ausbilder uns etwas erklärte oder uns etwas befahl, dann haben wir einfach „Jawohl“ geschrien und haben die Sachen gemacht. Das konnte sich auch jeder Dumme merken und ersparte jedem sehr viel Ärger.

So stehe ich also auf, räume meine Kaffeetasse weg und folge Christoph, ohne ein weiteres Wort zu sagen. Wir gehen erstmal das Gebäude ab und beginnen mit dem Umkleideraum mit den echt hässlichen grünen Spinden, die so aussehen, als ob sie schon mehrere Kriege überlebt hätten.

„Spind Nummer sechs ist deiner“, erklärt er mir und öffnet ihn, in der Mitte des Umkleideraums. Als er den Spind öffnete, kam ein beißender Geruch daraus, und ich glaubte, dass da jetzt ein Toter zum Vorschein käme. Aber statt eines stinkenden Toten lagen schon Arbeitsklamotten drin.

"Diese Klamotten sind von einem ehemaligen Kollegen, der ungefähr deine Größe hatte", sagte er und gab mir den Schlüssel. Ich schloss meinen stinkenden Spind zu, und wir begaben uns weiter in den Duschraum. Als ich die Duschen sah, wurde mir gleich schlecht. In meinem Kopf hörte ich nur noch „Oh mein Gott“, und mein Körper wehrte sich, den Raum zu betreten. Dieser Raum war nicht nur dreckig, sondern einfach nur eklig. In den Ecken sammelte sich der Schimmel, und die Abläufe sowie die Duschwannen waren schon verrostet und dreckig in einem. Ich war in meiner Zeit als Kripobeamter schon in mehreren Messi-Wohnungen, aber selbst die hatten schönere Duschen als das hier.

Christoph empfahl mir, wenn ich hier duschen wolle, den Raum am besten mit Badeschuhen zu betreten. „Das mache ich auf jeden Fall“, dachte ich mir, „und danach werde ich sie eigenhändig verbrennen.“ „Wer reinigt eigentlich diesen Duschraum?“, fragte ich mal so interessehalber nach.

„Einmal die Woche kommt eine Putzfrau, die das ganze Gebäude reinigt.“ „Einmal die Woche?!“, gab ich ihm lautstark und erschrocken zurück. „Sei froh, dass sie überhaupt kommt. Sonst müssten wir das wahrscheinlich machen“, erklärte mir Christoph weiter.

„Naja, schlimmer könnte das dann auch nicht aussehen“, denke ich mir dann so. Ich frage mich aber schon, was die Putzfrau hier einmal die Woche eigentlich macht. Denn putzen kann das ja nicht sein, sonst würde es hier nicht so aussehen…

Ich meine, ich bin auch nicht der gepflegteste und ordentlichste Mensch auf dem Planeten, aber ich räume schon immer alles auf und sorge dafür, dass zumindest einmal die Woche meine Wohnung geputzt wird. Und ich kann euch sagen, meine Putzfrau, Zuzanna, die kann putzen. Egal wie es in meiner Wohnung aussieht, nach einer bis zwei Stunden ist Zuzanna fertig, und die Wohnung sieht jedes Mal aus wie nagelneu und duftet nach Apfel und Zitronen. Ja, das ist schon eine Perle, meine Zuzanna… Vor fünf Jahren habe ich sie kennengelernt, bei einer großen Razzia hier im Raum Regensburg. Die Kollegen aus Regensburg brauchten unsere Unterstützung, da sie mehrere Reinigungsfirmen auf Verdacht der Schwarzarbeit kontrollierten. Dabei lernte ich Zuzanna kennen, die sich natürlich, wie sich herausstellte, illegal für die Firma "Gebäudereiniger Weiß" engagiert hatte.

Normalerweise war ich schon ein knallharter Polizist, der, wenn man das so sagen kann, schon richtig auf das Schreiben von Anzeigen stand. Ich liebte es, Menschen auf ihre Fehler hinzuweisen, und das gelingt am besten mit einer Anzeige. Denn meiner Meinung nach sollten die Menschen auch dafür zahlen, wenn sie etwas falsch gemacht haben. Ich habe viele Anzeigen geschrieben, auch wenn die Straftat oder die Ordnungswidrigkeit mich nichts angingen. Zwar war ich bei der Mordkommission tätig, aber trotzdem sah ich bei einem Falschparker nicht einfach weg. So ging ich gerne in meiner Freizeit durch München und notierte Kennzeichen von Fahrzeugen. Das war ein großartiges Hobby.

Aber zurück zu Zuzanna. Eigentlich war mir diese Razzia egal, da ich, wie bereits erwähnt, bei der Mordkommission arbeitete. Aber gelegentlich wurden wir von anderen Kollegen gebraucht, weil sie es allein nicht schafften. So half ich dann hin und wieder aus, aber das geschah natürlich nicht freiwillig, sondern nur auf Befehl.

Es war ein kalter Wintertag in Regensburg, als ich mit meinen Kollegen das Gebäude der Firma "Weiß" betrat. Die Arbeiterinnen waren gerade dabei, ihre Sachen einzupacken, als sie uns kommen sahen. Mann, war das ein Durcheinander. Sechs verschiedene Sprachen wurden in dem Raum durcheinander gesprochen bzw. eher geschrien. Jede Putzfrau erzählte meinen Kollegen etwas anderes, und es dauerte seine Zeit, bis sich die Lage einigermaßen beruhigt hatte. Ich hielt mich aus den Gesprächen heraus, da ich wirklich keine Lust hatte, mit den Frauen zu reden.

Das einzige Gespräch, das ich gerne an diesem Abend geführt hätte, wäre mit dem Chef der Firma gewesen. Leider war er nicht vor Ort, und niemand wusste, wo er sich zurzeit aufhielt. Als ich also sinnlos an der Wand stand, fiel mir diese kleine, unscheinbare Frau in der Ecke auf, die einfach nur dasaß und darauf wartete, dass sich jemand mit ihr unterhielt. Nach fünf Minuten tat mir diese Frau sehr leid, weil sie immer noch allein war und von meinen Kollegen gar nicht beachtet wurde. So fasste ich mir ein Herz und begab mich zu der Frau.

„Guten Abend. Mein Name ist Schmalzl, Kripo München. Können Sie mich verstehen?“, frage ich die Frau. Die kleine Frau sieht mich mit ihren blauen Augen an und nickt ganz verängstigt.

„Haben meine Kollegen Sie bereits befragt?“, frage ich in einem freundlichen Tonfall weiter.

„Nein“, erwidert sie mir. Also begann ich mit der Befragung, denn nur sinnlos rumstehen ist mir auf die Dauer auch zu langweilig. „Wie heißen Sie und wie lange arbeiten Sie schon für diese Firma?“ Diese Fragen musste ich ihr stellen, da sie ihren Ausweis nicht dabeihatte und ich ja irgendwie an Informationen kommen musste.

Die kleine Frau erzählte mir nach einigen Anfangsschwierigkeiten alles. Sie hieß Zuzanna und kam aus Tschechien. Sie arbeitete seit knapp zwei Jahren für diese Firma. Die Bezahlung sei zwar nicht sehr hoch, aber immer noch besser, als wenn sie diesen Job in ihrer Heimat ausüben müsste. Sie fügte hinzu, dass Herr Weiß ein Ausbeuter und ein Verbrecher sei. Sie tat dies nur, um ihre Familie in Tschechien durchzubringen, da ihr Mann schwerkrank sei und leider nicht mehr arbeiten könne. Auch ihre beiden Kinder bräuchten Essen. Das verdiente Geld überwies sie jeden Monat nach Tschechien, da sie hier kein Geld benötigte. Sie teilte sich eine kleine Wohnung mit sechs anderen Arbeiterinnen, und Herr Weiß brachte meistens Suppe als Essen vorbei. So sah sie auch aus, die Zuzanna. Da ihr Magen hörbar knurrte und ich ebenfalls hungrig war, schlug ich vor, dass sie mir folgen sollte. Wir verließen die Firma, ohne bemerkt zu werden, und nach einem kurzen Fußweg durch die Stadt kehrten wir in mein Lieblingslokal ein, das sich gegenüber vom Dom befand. Nachdem ich ein Weizenbier, ein Wasser und zwei Bockbierschnitzel bestellt hatte, fuhr ich mit meiner Befragung fort.

Sie erzählte mir, dass Herr Weiß die Ausweise von allen Mitarbeiterinnen genommen hatte und sie erst wieder herausgeben würde, wenn das Geschäftsjahr gut verläuft.

„Bis jetzt soll es aber nicht gut laufen, zumindest sagt das Herr Weiß immer, und deswegen behält er die Ausweise und lässt uns noch länger arbeiten.“ „

Das ist eine Frechheit“, gebe ich zur Antwort.

Kurz darauf kommt auch schon unsere Bedienung mit unseren Schnitzeln.

Ach, wie diese Bockbierschnitzel doch wieder gut aussehen und duften, ein wahrer Traum.

„Jetzt bin ich aber satt“, stöhnt Zuzanna hervor. „Oh ja“, bestätige ich sie. „Das war wirklich sehr lecker und viel“, füge ich hinzu und lächle Zuzanna dabei freudig an.

„Also, wissen Sie, wo Herr Weiß sich zurzeit aufhält?“, frage ich sie, als die Bedienung mit der Rechnung und zwei Bierschnäpsen kommt. Das Essen geht auf mich, und Zuzanna bedankt sich sehr freudig. Doch dann wird sie gleichzeitig ernst und wütend.

„Ja“, sagt sie, „ich kann mir schon denken, wo er gerade steckt. Er ist bestimmt in seiner geheimen Wohnung in Regensburg, von der niemand weiß. Nicht einmal seine Frau soll von der Wohnung wissen.“ „Aber Sie?“, frage ich überrascht nach. „Ja“, sagt sie immer noch wütend, „in diese Wohnung wurde ich mal gebracht, um zu putzen, weil seine andere private Putzfrau es geschafft hat, sich ihren Ausweis zurückzuholen und dann ist sie verschwunden. Deswegen musste ich dort einmal putzen, und das hat ihm aber damals nicht gepasst, so dass ich nur einmal dort war.“ „Und Sie wissen, wo das genau ist?“, frage ich nach, während ich ihr beim Anziehen des Mantels helfe. „Nicht wirklich“, sagt sie, da sie sich in Regensburg nicht wirklich auskennt, da sie und ihre Kolleginnen immer zu den Auftragsorten gefahren werden. Aber sie könne sich noch daran erinnern, dass an dem Tag, an dem sie geputzt hat, nicht weit entfernt ein großes Fest mit einem großen Riesenrad stattfand. Das konnte sie aus dem Fenster von seinem Badezimmer sehen, und das war nicht weit weg, vielleicht 200 Meter.

„Ok“, sage ich, „dann liegt das Haus beim Dultplatz in Regensburg. Das große Fest, das Sie gesehen haben, nennt man bei uns in Regensburg die Dult. Können Sie das Haus erkennen, wenn Sie davorstehen?“ „Ja, das tue ich“, sagt Zuzanna. „Gut“ sage ich zu ihr, als wir das Lokal verlassen. „Dann fahren wir jetzt mal dorthin und suchen das Haus. Das sollten wir schnell finden, denn so viele Häuser gibt es da nicht.“

Zuzanna und ich fuhren zum Dultplatz, überquerten die Dultbrücke und begaben uns in die Lieblstraße. Hier wohnen nur Leute, die Geld haben. Von daher muss es Herrn Weiß finanziell nicht so schlecht gehen. Wir fuhren langsam an jedem Haus vorbei, bis Zuzanna plötzlich halt schrie. "Das ist das Haus", sagt sie. „Ok“ sage ich und stelle das Auto ein paar Meter entfernt auf einen Parkplatz. "Bitte bleiben Sie im Auto sitzen, während ich den Herrn Weiß besuche. Solange Sie im Auto bleiben, kann Ihnen nichts passieren. Ich beeile mich."

"Rufen Sie nicht Ihre Kollegen?" fragt sie mich, als ich aus dem Auto steige. "Doch," sage ich mit einem Grinsen im Gesicht, "die Kollegen werden schon von mir hören." Und leise schließe ich die Autotür.

So stehe ich vor seiner Tür und suche die Klingel, die ich aber ums Verrecken nicht finde. Also volles Risiko, denke ich mir, wird schon schiefgehen, und trete dann mit einem schnellen Tritt die Tür ein. Das ist meine Art "Hallo" zu sagen, und meistens hatte ich damit einen guten Erfolg. Als die Tür kaputt am Türrahmen hing und ich das Haus betrat, stand ich vor einem sehr verdutzten Mann in Unterhose, der nicht genau wusste, was jetzt gerade passiert war.

"Sind Sie Herr Weiß?" frage ich, und der verdutzte Mann nickt nur noch verängstigt. Bevor er noch etwas weiter erwidern konnte, klickten schon meine Handschellen an seinen Handgelenken, und er küsste seine Marmorfliesen. "Kripo München", sage ich, als ich mich auf ihn setzte. "Sie sind festgenommen wegen illegaler Anstellung von Putzfrauen und Schwarzarbeit."

Ich rief meine Kollegen an und klärte Herrn Weiß über seine Rechte auf. "Saubere Leistung, Herr Schmalzl. Das war zwar sehr riskant und auch sehr unklug, allein hinzufahren, aber das Endergebnis stimmt", bedankte sich der leitende Polizeibeamte. "Woher wussten Sie eigentlich, wo er war?", fragt er mich noch, als ich auf dem Weg nach draußen war. "Das war nur so eine Vermutung", gebe ich mit einem Grinsen im Gesicht zurück.

Als ich wieder zurück zu meinem Auto kam, war das Auto leer. Zuzanna war nicht mehr anwesend. Sie hinterließ mir aber einen Zettel, auf dem stand, dass es ihr sehr leidtut, aber sie auch keinen Ärger will und deswegen erst einmal bei Freunden untertauchen will. Sie hinterlässt mir aber trotzdem ihre Nummer, falls ich sie doch verhaften lassen möchte.

"Wirklich süß, die Zuzanna", dachte ich mir und schob den Zettel ein. Natürlich erzählte ich niemandem von Zuzanna, und dass ich Herrn Weiß gefunden habe, war nur reiner Zufall. Zumindest erzählte ich es jedem, der es hören wollte.

Als ich wieder in Regensburg lebte und in die Wohnung meiner Schwester zog, waren wir beide uns sofort einig, dass wir eine Putzfrau einstellen wollen bzw. müssen. Und so fiel mir Zuzanna wieder ein. Zuzanna freute sich, als sie meine Stimme am Telefon hörte, als ich sie anrief und fragte, ob sie bei mir -schwarz versteht sich- putzen möchte. "Ja, natürlich", war ihre Antwort. Seitdem putzt Zuzanna bei mir und meiner Schwester.

Als nächstes zeigt mir Christoph die Trauerhalle. "Da soll der letzte Weg beginnen," denke ich mir, als ich diesen trostlosen Betonbunker mit einer Orgel und einem Kreuz sehe. "Das Büro vom Chef kennst du ja schon, oder?" beißt er mir her. "Ja," sage ich genervt. "Gut, dann gehen wir noch zum Sarglager, der Kühlung und zu den Aufbewahrungsräumen, die auch als Verabschiedungsräume genutzt werden. Und danach zeige ich dir noch die Fahrzeuge."

Im Sarglager räumen gerade Heinrich und Dieter die Einbettungen auf. Christoph sieht sich das an und erklärt den beiden dann, dass sie es sorgfältiger machen sollen als das letzte Mal. "Ja, machen wir," betonen die beiden sehr ironisch.

Wir gehen zur Kühlung und zu den Verabschiedungsräumen. "Und jetzt zeige ich dir die zwei Leichenwägen," schnauzt er mich an. Ich fahre jetzt schon seit vielen Jahren Auto, wurde in der Polizeiausbildung dazu ausgebildet, schnell und sicher zu fahren, und jetzt soll ich mir von so einem Arschloch wie Christoph ernsthaft erklären lassen, wo zum Beispiel der Blinker ist und wo man Öl nachschaut. Der Typ denkt wirklich, dass er die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat.

Nachdem wir endlich alles angeschaut haben und ich überall eingewiesen worden bin, ist für mich auch schon Feierabend. Ich erzähle nämlich Herrn Fröhlich, dass ich nochmal zum Arbeitsamt muss, wichtige Formulare unterschreiben und dass sie nur bis 15 Uhr heute da sind.

Jetzt sitze ich auf einer Treppe an der Donau und genieße mein kaltes Bier. Es dauert nicht lange, da kommt auch schon mein bester Freund Albert, den ich schon seit dem Kindergarten kenne. Albert ist mein bester Freund, und er ist der Vernünftige von uns beiden: Haus, Familie und einen guten Job bei einer großen Logistikfirma. Ja, Albert hat was aus seinem Leben gemacht.

Ich freue mich für ihn, dass er so ein Leben hat, denn davon hat er schon in der Grundschule gesprochen. Für mich wäre so ein Leben aber nichts, ich liebe das Chaos und das Singleleben. Und vor allem meine Freiheit.

"Na, wie war dein erster Arbeitstag als Bestatter?" fragt er mich gleich, als er sich zu mir auf die Treppe setzt und sich das Bier nimmt, das ich ihm mitgebracht habe. "Der Laden geht mir jetzt schon auf den Sack," antworte ich ihm wahrheitsgemäß. "Du weißt aber, dass du das jetzt für ein Jahr machen musst und dort oben gefangen bist." "Ja, das weiß ich leider," sage ich genervt. "Und bitte zieh es diesmal auch wirklich durch, OK?" "Ja," gebe ich als Antwort darauf. "Gut, dann auf deinen neuen Job," lächelt er mir her und wir stoßen unsere Biere zusammen. Wir sitzen noch eine Weile auf der Treppe, bis sich Albert wieder verabschiedet. Er muss jetzt nach Hause fahren, da es Abendessen gibt. "Ok," sage ich, "dann bis zum nächsten Mal." Und so fahre ich auch nach Hause.

"Da bist du ja endlich! Wie war dein erster Arbeitstag?" erklingt es gleich, als ich durch die Haustür komme. "Hat schon gepasst," gebe ich zur Antwort. "Komm, setz dich zu uns in die Küche und erzähl uns davon," sagt die zweite Stimme aus der Küche. So begebe ich mich in die Küche zu den beiden Mädels, die dort gerade am Kochen sind. "Jetzt erzähl!" fängt die eine an, mich zu nerven. "Nichts Besonderes, Schwesterchen. Das Übliche halt am ersten Tag. Vorstellen und den Betrieb kennenlernen. Nichts Besonderes also."

Meine Schwester ist immer sehr neugierig, aber ich habe sie trotzdem lieb. Sarah und ich haben ja nur noch uns als Familie, da unsere Eltern vor ein paar Jahren ums Leben gekommen sind. Sarah hat mich auch gleich aufgenommen, als sie gehört hatte, dass ich nicht mehr bei der Polizei bin. Gut, die Wohnung gehört auch mir zur Hälfte, da wir sie beide von unserer Oma geerbt haben. Sie hat aber als Ältere von uns beiden das Hauptwohnrecht bekommen. Aber wir verstehen uns einfach saugut, Sarah und ich.

"Willst du auch etwas mitessen?" fragt mich das zweite Mädel in der Küche. "Nein danke, Chris." Christina und Sarah sind schon seit Jahren ein lesbisches Paar. Sarah und Christina waren schon in der Grundschule Freunde, und später an der Uni merkten plötzlich beide, dass sie mehr als nur Freundschaft wollen. So kamen sie sich dann irgendwann immer näher, und seit einer gefühlten Ewigkeit sind sie auch zusammen. Sie wohnen auch schon seit längerem zusammen, was aber für Christina kein Problem war, als sie hörte, dass ich hier wieder einziehen möchte. Wir drei verstehen uns echt gut, und es gibt eigentlich nie Streitereien unter uns. Wir haben uns auch gut in der Wohnung aufgeteilt: Die beiden Mädels kümmern sich ums Essen, und meine Aufgabe ist es, die Wohnung sauber zu halten. Und das mache ich sehr professionell, okay, Zuzanna macht es professionell. Aber wer es letztendlich macht, ist eigentlich auch egal. Hauptsache, das Ergebnis stimmt, und das tut es.

So sitze ich mit den zwei Mädels noch in der Küche, trinke noch ein Glas Weißwein und schaue ihnen zu, wie sie ihre vegane Gemüsepfanne essen. Nachdem ich ausgetrunken habe, wünsche ich den beiden Mädels noch eine gute Nacht und verabschiede mich in mein Zimmer. "Gute Nacht!" kommt von den Mädels zurück, und ich schließe meine Zimmertür.

Als ich im Bett liege, denke ich noch ein bisschen über die Arbeit nach und frage mich echt, wie ich das ein Jahr lang aushalten soll. Doch irgendwann fallen mir die Augen zu, und ich schlafe tief und fest.

Kapitel 3

Am nächsten Morgen war ich fast pünktlich in der Arbeit. Herr Fröhlich war noch nicht da, und Christoph hatte Urlaub, sodass es eigentlich niemanden gestört hat, dass ich fünfzehn Minuten zu spät dran war. Eigentlich, denn wie ich gleich feststellen musste, war auch dieser Tobias eine schleimende Sau.

Nachdem er mich in der Umkleide noch freundlich gefragt hatte, warum ich erst so spät komme, und ich ihm fast wahrheitsgemäß erzählt hatte, dass ich einen kleinen Platten mit dem Fahrrad hatte, musste ich miterleben, wie er sich auf den Weg ins Büro von Fröhlich machte und mich bei ihm, bei dem jetzt erst kommenden Chef, verpetzte.

So kam es, dass ich wieder ein paar Minuten später bei Herrn Fröhlich im Büro sitze und mir anhören muss, dass um sieben Uhr Arbeitsbeginn ist. Auch ihm erzählte ich die Geschichte mit dem Platten und versprach ihm, dass es nicht mehr vorkommt. "Ok", sagt er, "das hoffe ich für dich." Diese Woche bist du mit Heinrich und Manuel am Friedhof draußen eingeplant. Ihr kümmert euch um die Gräber und alles, was sonst noch auf dem Friedhof anfällt. Wir haben einige Beerdigungen diese Woche. "Verstanden", sage ich und verlasse das Büro von Herrn Fröhlich.

Das mit meinem Fahrrad war gelogen. Ich hatte einfach keine Lust, aus meinem warmen Bett zu steigen, aber das muss ja niemand wissen. Heinrich und Manuel warteten schon im LKW auf mich, und so fuhren wir drei auf einen Friedhof in der Stadt. Manuel war eher ein ruhiger Mensch. Er war zufrieden mit allen hier. Er mischte sich nicht in irgendwelche Gespräche oder Streitereien ein, sondern nahm alles regungslos hin und machte seine Arbeit. Zwar nicht schnell, aber er machte sie. Heinrich und Dieter hingegen waren das komplette Gegenteil zu Manuel. Die beiden schimpften den ganzen Tag über die Firma und vor allem über die beiden Kollegen Christoph und seinen "Dackel" Tobias. "Ja, die beiden haben bei mir bis jetzt auch nicht den besten Stand", sage ich zu den beiden, als wir auf den Friedhof fahren. "Der Tobias hat mich nämlich heute gleich beim Chef verpetzt, als ich zu spät gekommen bin."

Heinrich und Manuel lachten laut auf. "Ja, daran musst du dich gewöhnen," sagt Heinrich zu mir. "Der Tobias ist die rechte Hand von Christoph, zumindest denkt er das. Und da kein Platz mehr im Herrn Fröhlichs Arsch war, weil da ja schon der Christoph sich ein Haus gebaut hat, kroch er eben mit seinem ganzen Körper in den Arsch von Christoph rein. Deswegen nennen wir ihn unter uns eigentlich nur den Dackel. Aber der Tobias und der Christoph verstehen das nicht, weil die Schlausten sind die beiden, halt auch nicht." Jetzt verstehe ich das Verhalten von dem Tobias… Was für ein Arsch! Der ist nach Christoph schon jetzt mein zweiter Feind. Das sind tolle Voraussetzungen hier… denke ich so und muss komischerweise auch ein bisschen schmunzeln dabei.

Die erste Arbeitswoche verging wirklich schnell. Wir hatten jeden Tag gut zu tun, und auch mit meinen Kollegen Heinrich und Manuel kam ich sehr gut aus. Mit Christoph und Tobias hatte ich zum Glück die Woche über nichts zu tun, was die Woche entspannter machte. So verabschiede ich mich, als endlich Freitagnachmittag Feierabend ist. "Das wünschen wir dir auch," sagen Manuel und Heinrich. "Wir haben leider Bereitschaftsdienst diese Woche," jammert Heinrich. "Oh, das tut mir leid!" sage ich, obwohl mich das ehrlich gesagt nicht wirklich interessiert, denn ich habe Wochenende, und nur das zählt für mich. Diese Einstellung finde ich auch nicht arrogant von mir. "Dann wünsche ich euch ein ruhiges Wochenende," und ich verabschiede mich. "Danke, bis Montag," höre ich sie noch hinter mir rufen.

„So jetzt habe ich schon mal die erste Woche bei der Firma Fröhlich geschafft“, denk ich mir als ich auf das Fahrrad stieg und Richtung Heimat fuhr.

Auch die zweite Woche verging wieder schnell. Dieter und ich machten die ganze Woche dasselbe. Wir buddelten ein Loch in die Erde, warteten, bis die Kollegen den Sarg versenkt hatten, und schütteten dann die Erde wieder darauf.

Gott sei Dank hatten wir einen Bagger zur Hilfe, der alles ohne Probleme schaffte. Denn so ein Loch mit einem Meter Breite, zwei Metern Länge und zwei Metern Tiefe mit der Hand zu schaufeln, ist glaube ich kein Zuckerschlecken. Und wenn man meine schönen und zarten Hände kennt, dann weiß man, dass sie dafür nicht gemacht sind, so ein großes Loch zu buddeln.

Am Freitag, kurz vor Feierabend, als ich mit Dieter den Bagger putzte, kam Christoph zu mir und schnauzte mich an, "dass ich den Lappen nehmen soll und nochmal das Führerhaus vom Bagger putzen soll", da es seiner Meinung nach immer noch schmutzig war. Denn er ist nächste Woche beim Baggern eingeteilt und hat keine Lust, in einem dreckigen Bagger zu sitzen. "Jawohl", sage ich und bewege mich wieder ins Führerhaus, als ob ich es erneut putzen würde. "Ach ja, Schmalzl", ruft mir Christoph noch zu, als er auf dem Weg in den Aufenthaltsraum ist, "du sollst zum Chef gehen, wenn du mit dem Baggerputzen fertig bist." "Ok!" rufe ich genervt zurück.

Ich legte den Lappen zur Seite, da ich fand, dass das Führerhaus sauber genug war und begab mich sofort ins Büro von Herrn Fröhlich.

Ich klopfte an die Bürotür und wartete nicht lange, bis ich ein lautes "Herein" aus dem Inneren des Büros hörte. So trat ich ein und setzte mich auch gleich unaufgefordert auf den Stuhl vor Herrn Fröhlichs Schreibtisch. Er guckte erst ein bisschen überrascht, als ich mich sofort setzte, fing sich aber schnell wieder und begann das Gespräch. "Hier sind Ihre Tätigkeitsnachweise für das Arbeitsamt für die ersten beiden Wochen," sagte er und reichte mir diese in einem braunen Umschlag. "Danke," sagte ich und wollte den Stuhl verlassen und das Büro wieder verlassen. Doch bevor ich aufstehen konnte, redete Herr Fröhlich weiter. "Du machst bis jetzt einen guten Job," lobte mich Herr Fröhlich. "Die Kollegen sind bis jetzt sehr zufrieden mit dir." "Danke," erwiderte ich erneut. Bis auf die zwei Arschkriecher komme ich auch gut mit den Kollegen aus, dachte ich für mich. "Nächste Woche bist du mit Christoph und Tobias beim Graben eingesetzt. Dann hast du mal alle Kollegen beim Graben gesehen und weißt, wie die so arbeiten." "Oh nein," dachte ich mir, "nicht mit den beiden Arschlöchern." Da hatte ich jetzt schon keine Lust auf die Arbeit nächste Woche. Naja, hilft nichts. Hauptsache ist jetzt erstmal Feierabend und das Wochenende steht bevor. "Ok," gab ich Herrn Fröhlich zu verstehen. "Sonst noch etwas?" fragte ich nach.

"Nein, das war alles. Ich wünsche dir einen schönen Feierabend und ein schönes Wochenende. Bis Montag in aller Frische." "Danke," erwiderte ich, "das wünsche ich Ihnen auch," und verließ das Büro.

Ich stieg auf mein Fahrrad und fuhr los in Richtung Schwabelweiser Treppen, wo Albert bestimmt schon auf mich mit einem Bierchen wartete.

„Wie war die zweite Woche?“, fragte mich Albert, als ich mit dem Fahrrad an der Treppe ankam.

"Bist du immer noch genervt oder gefällt es dir mittlerweile schon?", fragte Albert. "Immer noch nervig und langweilig obendrein", erwiderte ich ehrlich und nahm mir das Bier, das er für mich mitgebracht hatte. Wir saßen wieder einfach nur da und genossen unser Bier in der Sonne, während wir auf die Donau schauten.

Das Wochenende war schrecklich. Es hatte von Freitagabend bis Montagmorgen nur geregnet. So saß ich das ganze Wochenende nur zuhause herum, sah fern oder spielte das neue Kriegsspiel auf meiner Playstation. Am Samstagabend musste ich unbedingt bei einem sinnlosen Spieleabend mit den beiden Mädels mitmachen. Stellt euch vor, wir spielten Shopping Queen! Ja, es gibt auch ein Brettspiel davon… Dazu gab es auch noch Sekt und kleine, wirklich leckere Snacks. Ich trank lieber Bier dazu, damit ich das Spiel irgendwie ertrug. Natürlich habe ich das Spiel gewonnen. Denn wenn ich schon etwas spielen muss, egal ob das Spiel toll ist oder - wie in diesem Fall - einfach nur schrecklich für mich ist, dann will ich es auch gewinnen. Denn: Jakob Schmalzl ist ein Gewinnertyp! Die Mädels zogen mich danach den ganzen Abend auf, und ich musste auch die Siegerkrone aufsetzen, aber das nahm ich hin. Außerdem waren die beiden Mädels eh nur neidisch, dass ich mit der Krone auf dem Kopf gut aussah.

Am Montagmorgen wollte ich einfach nicht aufstehen. Ich hatte wirklich keine Lust auf die Arbeit, weil ich ja leider wusste, dass ich mit den beiden größten Arschlöchern in der Firma zusammenarbeiten muss. Ich ahnte schon jetzt, dass die Woche bestimmt anstrengend werden würde.

"Naja, hilft ja nichts", sagte ich zu mir selbst und stand aus meinem warmen Bett auf, das jetzt wahrscheinlich traurig war, weil ich nicht mehr darin lag. Ich zog mich an und fuhr pünktlich zur Arbeit. "Guten Morgen", rief ich allen im Aufenthaltsraum zu, als ich immer noch unmotiviert eintrat. "Guten Morgen, Jakob", erwiderten Dieter, Manuel und Heinrich gleich. Christoph und Tobias brachten ihren Mund nicht auf oder wollten nicht. "Das fängt ja schon gut an…", dachte ich mir. Ich entschied mich, einfach nett zu sein, und ging zu beiden hin. Ich blieb vor ihnen stehen und sprach im exzellenten und sehr langsamen Hochdeutsch zu ihnen. "Guten Morgen, Christoph und Tobias!" Jetzt schauten Christoph und Tobias mich noch blöder an als zuvor. Als die anderen Kollegen anfingen zu lachen, merkte ich, dass die beiden das überhaupt nicht lustig fanden und ihre Köpfe immer röter wurden. Bevor Christoph etwas sagen konnte, kam Herr Fröhlich schon in den Aufenthaltsraum und fragte gleich, "was es hier so zu lachen gab".

"Eigentlich nichts, Herr Fröhlich", entgegnete Heinrich. "Der Herr Schmalzl hat nur jedem in diesem Raum einen guten Morgen gewünscht." "Das ist ja nett", sagt Herr Fröhlich. "Da schließe ich mich auch gleich an. 'Einen schönen guten Morgen alle zusammen' wünschen wir beide." "Wir beide?!", denke ich mir und schaue in den Raum. Wen meint denn Herr Fröhlich noch? Plötzlich höre ich eine kleine, zierliche Stimme "Guten Morgen" sagen.

Ah jetzt habe ich sie auch entdeckt. Hinter Herrn Fröhlich war noch eine kleine Person, die Frau von Herrn Fröhlich war auch dabei. Man merkt gar nicht ob sie da ist oder nicht, denn sie ist irgendwie immer unsichtbar.

"Wie war das Wochenende?", wollte Herr Fröhlich gleich von Tobias und Manuel wissen. "Eine Frau wurde am Samstag und eine Frau am Sonntag aus einem Altenheim geholt", antwortete Tobias. "Gut", sagt Herr Fröhlich, "das heißt, wir haben weiter Arbeit", sagt er mit einem Schmunzeln im Gesicht. "So, geht jetzt bitte an die Arbeit, denn ihr wisst ja, Zeit ist Geld und Geld haben wir keins. Christoph wird euch alle einteilen und euch die Aufgaben geben", gab uns Herr Fröhlich noch mit auf den Weg, bevor er den Raum verlässt. Frau Ling-Ling war schon draußen, zumindest sah ich sie nicht mehr. Diese Frau fand ich irgendwie seltsam. Mal ist sie da und mal wieder nicht, und das Schlimmste daran war, man sah sie wirklich kommen oder gehen. Sie ist anscheinend ein echter Ninja, denke ich mir. "Hast du verstanden, Schmalzl?!", riss mich Christoph aus meinen Ninja-Gedanken. "Nicht wirklich", antwortete ich ihm, da ich wirklich nichts verstanden habe. "Du sollst den Lastwagen herrichten, denn wir fahren gleich auf einen Friedhof und graben für morgen ein Urnengrab aus." "Ok", sage ich gelangweilt und mache mich auf den Weg zur LKW-Garage. "Wo ist Christoph?" frage ich Tobias, als er zehn Minuten später zu mir in den LKW steigt.

"Christoph hat gesagt, dass wir beide alleine zum Friedhof fahren sollen, um das Urnengrab zu öffnen. Er hat gerade etwas anderes zu erledigen", sagte Tobias, während er sich den Gurt anlegte. Ja klar, ich weiß genau, was er Wichtiges zu tun hat – Kaffee saufen und nebenbei den Arsch von Herrn Fröhlich polieren, denke ich mir, als ich den Lkw vom Betriebshof fahre.

Die Woche war echt furchtbar. Die beiden sprachen kaum ein Wort mit mir. Christoph hatte angeblich oft Wichtigeres zu tun, und Tobias konnte mir nicht wirklich etwas beibringen oder zeigen, da er es selbst nicht gut konnte. Schon als ich einmal mit beiden zusammen war, fiel mir auf, dass Christoph und sein Anhängsel Tobias ziemlich unintelligent waren. Sie konnten sich nichts merken, und wenn sie untereinander redeten, kam es mir vor, als würden sehr dumme Schulkinder sprechen. Dennoch sind beide davon überzeugt, dass sie etwas Besseres sind und die Weisheit mit Löffeln gefressen haben. Ab und zu konnte ich jedoch ganz gut mit Tobias arbeiten, zumindest wenn wir zu zweit waren. Sobald Christoph dabei war, verwandelte sich Tobias jedoch wieder in eine schleimende Kreatur, die nur das Wohlwollen von Christoph suchen wollte.

Am Donnerstag, kurz vor Feierabend, rief mich Herr Fröhlich in sein Büro. Frau Ling war diesmal nicht da; zumindest habe ich sie nicht gesehen. Aber bei einem Ninja kann man sich nie sicher sein, ob er sich nicht doch irgendwo im Raum versteckt hat. So sah ich mich erst einmal um, als ich Herrn Fröhlichs Büro betrat. "Suchen Sie etwas, Herr Schmalzl, dass Sie sich so umsehen?" fragte mich Herr Fröhlich, als er mich in seinem Büro sah. "Nein, alles in Ordnung", antwortete ich und nahm - ohne dazu aufgefordert zu werden - auf einem der beiden Stühle Platz.

"Aber natürlich, setzen Sie sich bitte", ließ mich Herr Fröhlich ein bisschen ungehalten wissen. Dann fuhr er fort: "Leider müssen Sie ab morgen eine Woche Bereitschaftsdienst machen, Herr Schmalzl." "Ich?", fragte ich sehr überrascht zurück. "Ja, Sie", machte mir Herr Fröhlich deutlich. "Sie müssen den Dienst von Christoph übernehmen. Er braucht dieses Wochenende unbedingt frei, und da er noch so viele Überstunden hat, habe ich es ihm erlaubt." "Das ist aber auch für mich schlecht an diesem Wochenende", gab ich verärgert zurück. "Ach, und was hatten Sie denn so Wichtiges vor?", fragte Herr Fröhlich gleich darauf. Mist, erwischt, denke ich mir und gab an: "Nur private Sachen." "Sehen Sie, Herr Schmalzl, es tut mir auch leid, dass es so kurzfristig ist, aber bei Christoph geht es nicht anders. Seine Frau ist auf Wellness und er muss auf seinen Hund aufpassen. Da der Hund im Moment auch noch krank ist, kann Christoph nicht einfach schnell von zuhause weg, wenn eine Abholung eines Verstorbenen anfällt." "Was, der Typ hat eine Frau?" Oh mein Gott, welche Frau hält das mit ihm aus? Die Frau muss ja blind und taub sein, denke ich mir. Und ich glaube nicht, dass sie auf Wellnessfahrt ist – ich vermute eher, sie will einfach nur flüchten. Zumindest hoffe ich das für sie.

„Aha“ sag ich zu Herrn Fröhlich, weil mir sonst nichts weiter einfällt.

Die Sache mit den Überstunden stinkt mir aber gewaltig. Denn Christoph betrügt bei den Stunden. Da Christoph die rechte Hand von Herrn Fröhlich ist, hat er auch Zugriff auf die Stundennachweise – das zumindest sagen die anderen Kollegen. Und da manipuliert er regelmäßig seine Stunden, sodass er immer genügend Überstunden hat, obwohl er oft, besonders wenn Herr Fröhlich nicht da ist, eher geht. Ich traue diesem Typen das auch zu, denn irgendetwas Unrechtes schwingt bei diesem Christoph mit, das spüre ich. "Der Typ kommt einfach mit allem durch", sage ich wütend zu mir selbst.

"Okay, ich werde den Bereitschaftsdienst in der kommenden Woche übernehmen", teilte ich Herrn Fröhlich mit. "Oh, danke Herr Schmalzl, dass Sie so entgegenkommend sind", sagte Herr Fröhlich ironisch. "Aber das war keine Bitte an Sie, sondern ein Arbeitsauftrag. Es gab nur diese Entscheidung." "Auch recht", erwidere ich genervt. "Dieter wird Ihnen alles zeigen und weitere Details für das Wochenende besprechen. Sie werden nämlich gemeinsam mit ihm Dienst haben. Jetzt muss ich weiterarbeiten, bis später, Herr Schmalzl." "Bis später, Herr Fröhlich", sage ich immer noch sehr genervt von der gesamten Situation und verlasse das Büro.

Ich geh jetzt erstmal zu Dieter, um mir das mit dem Bereitschaftsdienst genauer erklären zu lassen.

"Hallo Dieter", sage ich sofort, als ich in den Aufenthaltsraum komme. "Wir haben am Wochenende gemeinsam Bereitschaftsdienst." "Hallo Jakob, ja, das habe ich auch schon gehört. Freut mich", sagt er lächelnd. "Kannst du mir bitte erklären, was ich in dieser Zeit tun muss und wie lange ich hier bleiben soll?" frage ich ihn. "Natürlich, das ist ganz einfach", antwortet er. "Wenn ich einen Anruf bekomme, dass jemand verstorben ist, werde ich dich anrufen und dann fahren wir los, um die verstorbene Person zu überführen. Du kannst im Grunde genommen während des Wochenendes alles machen, was du möchtest, solange du erreichbar bleibst - sowohl tagsüber als auch nachts. Das ist das Wichtigste", erklärt er weiter. "Die Überführung verläuft normalerweise ohne Stress. Wir kümmern uns, wenn möglich, gleich vor Ort um den Verstorbenen und legen ihn idealerweise direkt in den richtigen Sarg. Danach bringen wir ihn hierher und kehren wieder nach Hause zurück, um auf den nächsten Einsatz zu warten. Also, es ist nichts Schlimmes an diesem Bereitschaftsdienst", fügt er lächelnd hinzu. "Ah, okay", sage ich. "Ich glaube, ich habe verstanden. Dann mal sehen, was auf uns zukommt." "Bis morgen", verabschiede ich mich von Dieter und mache Feierabend.

"Guten Morgen allerseits", Grüße ich meine Kollegen, als ich am nächsten Morgen den Aufenthaltsraum betrete, mir eine Tasse Kaffee aus der Maschine nehme und mich neben Dieter setze. "Mit etwas Glück wird es ein ruhiger Dienst", sagt Dieter zu mir. "Zurzeit sterben sehr wenige Menschen, denn das Wetter ist stabil." "Das Wetter ist stabil und deshalb sterben momentan weniger Menschen? Was für ein Unsinn", denke ich mir und nehme einen Schluck aus meiner Kaffeetasse. Als ich noch in der Branche tätig war, gab es zu jeder Witterung Todesfälle. Die meisten davon waren zwar nicht natürlichen Ursprungs, aber für mich zählten sie trotzdem. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Menschen, egal wie alt oder welchen Geschlechts, bestimmen können, an einem bestimmten Tag nicht zu sterben, nur weil das Wetter angenehm ist. "Ja, das hoffe ich auch", antworte ich Dieter, als ich aus meinen Gedanken zurückkehre.

Der Arbeitstag verging schnell. Fahrzeuge und Material säubern – das war heute die Aufgabe. Um zwei Uhr machten dann alle Feierabend, außer Dieter und mir. Uns kam die Ehre zu, um 15 Uhr eine Frau Schreiner abzuholen, die anscheinend heute, trotz der stabilen Temperaturen, im Alter von 94 Jahren in einem Altenheim verstorben war.

"Der Dienst fängt ja gut an!", sage ich zu Dieter, während wir gerade mit dem Leichenwagen vom Hof fahren. Es fasziniert mich immer wieder, wenn jemand verstorben ist. Die Toten sehen aus, als würden sie friedlich schlafen. Gut, das trifft nicht immer auf diejenigen zu, die eines gewaltsamen Todes gestorben sind, aber auch sie haben etwas Faszinierendes an sich.

Die Frau Schreiner lag in ihrem Zimmer im Bett. Die Tochter der Verstorbenen saß weinend an ihrem Bett, als wir den Raum betraten.

"Bestattung Fröhlich", begrüßte Dieter Frau Schreiner Junior. Die Frau fing nun noch lauter und emotionaler an zu weinen. Na toll, dachte ich mir, dieses ständige Geheule nervt mich.

Ich kann verstehen, dass man um einen verstorbenen Menschen Tränen vergießt, aber ständiges Weinen bringt niemandem etwas. Wenn jemand gestorben ist, dann ist er tot und man kann es nicht mehr ändern. Tot ist tot, und mit 94 Jahren zu sterben wie Frau Schreiner, ist jetzt keine große Überraschung, dass sie am nächsten Morgen nicht mehr aufwacht.

"Wir werden uns jetzt um Ihre Mutter kümmern, und danach können Sie sich noch einmal am Sarg von ihr verabschieden. Bis dahin bitte ich Sie draußen zu warten", erklärte Dieter der Tochter von Frau Schreiner.

"Und Jakob, belastet dich das hier?" fragt mich Dieter, während wir die Verstorbene Frau Schreiner vorbereiten. "Nein, bis jetzt ist alles in Ordnung", antworte ich ihm. Wenn Dieter nur wüsste, was ich während meiner Zeit bei der Kripo alles gesehen habe...

Menschen, denen der Kopf abgeschnitten wurde, Wasserleichen ohne Haut, jemand, der fünfmal von seiner Ex überfahren wurde, oder die Opfer von Stichen und Schüssen. Verglichen mit solchen Anblicken war der Anblick von Frau Schreiner hier absolut nichts Besonderes.

Nachdem wir Frau Schneider eingesargt haben, holte Dieter die Tochter wieder ins Zimmer.

"Sie sieht so friedlich aus, das habt ihr wirklich gut gemacht", lobte und bedankte sich die Tochter der Verstorbenen bei uns. Dann tat die Tochter das, was ich persönlich am ekeligsten finde: Sie küsste ihre tote Mutter auf den Mund und verabschiedete sich von ihr.

Ja, das fand ich echt widerlich. Ich war kurz davor, mich zu übergeben. Es ist mir ein Rätsel, wie jemand so etwas tun kann – einen leblosen Körper küssen. Man küsst schließlich auch keinen Stein oder ein totes Stück Holz. Ich persönlich denke, wenn etwas keine Seele mehr hat, dann ist es ein Gegenstand und sollte dementsprechend behandelt werden. Das mag hart klingen, aber so sehe ich es. Ein toter Körper hat keine Seele mehr, also gibt es keinen Grund, ihn zu küssen.

"Sie können ihn jetzt schließen", sagt Frau Schreiner Junior. "Okay", signalisieren wir ihr und schließen den Sarg. Dann gehen wir zum Leichenwagen. "Danke für alles, und hier haben Sie zehn Euro." Wir bedanken uns für das Geld und verabschieden uns von der Tochter der Verstorbenen, bevor wir mit dem Leichenwagen vom Altenheim wegfahren. "Man bekommt Trinkgeld?", frage ich Dieter nach einer Weile auf der Fahrt. "Ja, ab und zu schon", antwortet Dieter. "Aber bezüglich des Trinkgeldes solltest du etwas wissen. Wir geben das Trinkgeld ab, das macht jeder, und am Ende des Jahres zu Weihnachten bekommt jeder von Herrn Fröhlich ein Kuvert mit dem gerecht geteilten Trinkgeld. Das sind jedes Jahr so zwischen dreihundert und vierhundert Euro für jeden."

„Ist ja cool“, sag ich erstaunt.

"Und hält sich jeder an diese Vereinbarung? Denn schließlich könnte niemand sehen, ob wir das Geld einstecken würden", frage ich. "Das stimmt, und Herr Fröhlich ist sich auch sicher, dass Christoph sich nicht immer daran hält. Aber da man immer zu zweit ist, hat man schon ein bisschen Angst, dass der andere einen verpetzt", erklärt mir Dieter. "Aber wie kommt so viel Geld zusammen?" frage ich weiter. "Vierhundert Euro mal sechs Personen, ohne mich mitgerechnet, sind zweitausendvierhundert Euro... Und das kommt nur von dem Trinkgeld der Angehörigen bei den Abholungen?" "Nein, nein", sagt Dieter. "Es kommt tatsächlich noch viel mehr zusammen. Wir erhalten Geld von den Gärtnereien, Steinmetzen und Sarglieferanten – sie spenden uns eine kleine Summe, da wir sie das ganze Jahr über bei den Angehörigen empfehlen. Dann haben wir auch noch Einnahmen bei den Beerdigungen. Wir nehmen das Geld für die Sterbebilder, wenn die Leute zum Grab gehen, und sammeln es ein."

"Das ist Diebstahl und Bestechung!" sage ich empört. "Nenn es, wie du willst, aber freu dich einfach über ein bisschen unversteuertes Weihnachtsgeld", entgegnet Dieter.

Nachdem wir wieder in der Firma angekommen sind und den Sarg in die Kühlung geschoben haben, machen auch wir Feierabend.

"Also, ich rufe dich dann an, wenn was ist", sagt Dieter, und wir verabschieden uns. Jetzt aber schnell, es ist schon 18 Uhr, und Albert wartet schon auf der Treppe auf mich. So radle ich mit schnellem Tempo zur Treppe.

"Na, wie war deine erste Abholung?" grinst mich Albert an, als er mich sieht. "

War okay", sage ich und setze mich neben ihn auf die Treppe. "Es war nur eine 94 Jahre alte Frau in einem Altenheim, nichts Besonderes. Nur die Tochter der Verstorbenen hat mich genervt. Die hat die ganze Zeit geheult, und das hat mich genervt."

"Ich verstehe", stimmt Albert mir zu. "Du und Mitgefühl zeigen, das ist nicht wirklich deine Stärke. Du hast genauso viel Mitgefühl für deine Mitmenschen wie ein Sack Mehl, nämlich gar keins", sagt er scherzhaft. "Ich weiß", grinse ich Albert an, "und trotzdem geht es mir gut." "Komischerweise ja", lacht Albert nun. So sitzen wir eine Stunde dort und genießen unser Feierabendbier.

Als ich am Samstag nichts von Dieter hörte, kam ich schon ins Grübeln, ob ich meine richtige Handynummer angegeben habe.

Also rief ich Dieter nach der Sendung "Heute im Stadion" auf Bayern 1 an. Denn den Sieg meiner Lieblingsfußballmannschaft wollte ich schon noch in Ruhe hören.

"Ja, was gibt es?" nahm Dieter meinen Anruf entgegen. "Ich wollte nur fragen, ob du meine richtige Handynummer hast, da ich bis jetzt noch nichts gehört habe." "Alles gut", sagt Dieter. "Bis jetzt ist es ruhig, und deine Handynummer habe ich." "Hoffen wir, dass es so bleibt." "Ok", sage ich, "dann will ich nicht länger stören" und lege auf.

Ach, es gibt nichts Schöneres für mich, als an einem Samstagabend um 18 Uhr auf der Couch zu sitzen, ein oder zwei Weizen zu genießen und den verdienten Sieg Sicherlich fragt man sich, wie jemand wie ich, der aus Regensburg kommt und sein Bundesland Bayern liebt, gleichzeitig Fußballfan von Borussia Dortmund sein kann. Es gibt zwei Varianten davon:

Die erste Version ist folgendermaßen: Als Kind ging ich alleine durch einen dunklen und gefährlichen Wald. Ich hatte Angst, und mir war kalt. Plötzlich sah ich am Himmel einen leuchtenden Stern, der mir den Weg wies. Ich folgte diesem Stern, und auf einmal spürte ich Wärme und Geborgenheit. Ich ging weiter auf das Licht zu und plötzlich stand sie vor mir: die Gelbe Schwarze Wand. Als ich sie erblickte, fühlte ich mich sicher und beschützt.

Die zweite Version ist weniger spektakulär. Als ich noch ein kleines Kind war, fuhren meine Eltern, meine Schwester und ich auf einen der vietnamesischen Märkte in Tschechien. Meine Schwester war und ist Bayern-Fan, also bekam sie von unseren Eltern ein gefälschtes Bayern-Trikot. Ich durfte mir ebenfalls ein Trikot aussuchen, und mir gefiel das Gelb-Schwarze Trikot von Borussia Dortmund. Von da an begann meine Liebe zu diesem Verein.

Um 22 Uhr kamen Sarah und Christina lautstark nach Hause. Ich war offenbar kurz auf der Couch eingeschlafen, denn ich erschrak, als die beiden Frauen heimkamen. "Jakob, trinkst du mit uns noch einen Whisky Cola?" fragt mich Christina, während sie drei Gläser aus dem Schrank holt. "Aber nur einen, ich bin ja im Dienst." "Das hat dich früher ja auch nicht gestört", lacht Sarah, als sie ins Wohnzimmer kommt. "Stimmt", lache ich zurück. "Prost!", lachen wir und lassen die Gläser klirren.

Am nächsten Morgen wurde ich unsanft geweckt, diesmal durch das klingende Handy.

"Ja, Schmalzl", nehme ich mit starken Kopfschmerzen den Anruf entgegen. "Jakob?", hier ist Dieter. "Wo bist du? Ich versuche dich schon seit einer knappen Stunde zu erreichen! Wir haben eine Abholung. Könntest du bitte in die Firma kommen, so in einer halben Stunde? Und am besten nichts essen vorher", lacht Dieter noch ins Telefon. "Okay", sage ich, noch immer benommen, und lege auf. Ich sehe auf mein Handy, es ist halb acht und das an einem Sonntag. Na toll.

Man, habe ich einen Kater, ich glaube, der letzte Whisky Cola um halb drei Uhr morgens war nicht gut. Nachdem ich mich einigermaßen zurechtgemacht habe, schnappe ich mein Fahrrad und bin dann 45 Minuten später in der Firma Fröhlich.

"Wo bleibst du, und warum kommst du mit dem Fahrrad?", fragt mich Dieter wütend, als er mich sieht. "Mit was sollte ich sonst kommen? An einem Sonntag fährt hier kein Bus hin", antworte ich, während ich meine Krawatte binde. "Komm, wir fahren", sagt Dieter. "Wir reden im Auto weiter, denn wir werden bereits seit einer Stunde erwartet. Du kannst den Leichenwagen nach Hause fahren, wenn du Bereitschaftsdienst hast. Hat dir das Christoph nicht bei der Einweisung gesagt?" "Ah, okay, danke. Nein, Christoph hat mir natürlich nichts gesagt", gebe ich etwas ärgerlich zurück. "Wohin fahren wir eigentlich jetzt, und warum sollte ich vorher nichts essen?", frage ich Dieter, während ich auf die Autobahn auffahre. "Wir müssen nach Sinzing, genauer gesagt unter die Sinzinger Autobahnbrücke. Dort liegt jemand, der dachte, er müsste sich 46 Meter in die Tiefe stürzen, um dann auf den Betonboden aufzuklatschen, anstatt ins Wasser zu fallen", erklärt mir Dieter.

"Das wäre aber egal", sage ich zurück, "denn wer aus 46 Metern Höhe auf die Wasseroberfläche fällt, überlebt das auch nicht wirklich, da sich die Wasseroberfläche dann auch wie Beton anfühlt."

Wir fahren unter die Brücke, und ich fühle mich irgendwie wohl hier. Es ist schon eine Weile her, seit ich das Bild, das ich nun unter der Brücke vorfinde, gesehen habe. Polizisten, die den Bereich weiträumig absperren, andere in weißen Anzügen, die nach Spuren suchen, und wieder andere, die einfach nur dumm herumstehen und versuchen, sich wichtig zu machen. Sogar die Feuerwehr und die Straßenreinigung sind bereits da. Offensichtlich sind wir die Letzten, die hier auftauchen.

"Da seid ihr ja!" begrüßt uns ein Polizist, als er das Absperrband für uns hochzieht, damit wir durchfahren können. Hier bin ich wieder an einem, nun ja, Tatort. Hier wurde bestimmt noch nicht wirklich ermittelt. Man muss nämlich wissen, dass die Kriminalpolizei in Regensburg nie die Schnellsten waren oder sind. "Was wir heute nicht schaffen, machen wir vielleicht übermorgen", könnte das Motto der Regensburger Polizei sein – zumindest glaube ich das. Nachdem wir unseren Leichenwagen abgestellt haben, kommt schon ein Feuerwehrmann von der Berufsfeuerwehr auf uns zu.

"Servus, grüß euch", begrüßt er uns freundlich.

"Wir haben den Toten schon in einen Leichensack gelegt, damit braucht ihr den Toten zumindest nicht mehr sehen", sagt er weiter. "So schlimm?", fragt Dieter. "Naja, es geht. Es gibt Schlimmeres", sagt der Feuerwehrmann. "Das Tragische an diesem Fall ist nur, dass der Tote noch ein Teenager war", fügt er hinzu, bevor er wieder zu seinen Kollegen zurückkehrt.

Das ist echt tragisch, denke ich mir.