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Jahrhundertelang ist Schweizergeschichte als Werden und Wachsen der Eidgenossenschaft geschrieben worden, ein einseitiger Blick. Eine Schweizergeschichte des Mittelalter vom Rand aus gesehen, erzählt dieses Buch. Vor 900 Jahren ist die Habsburg, die namensgebende Burg erstmals erwähnt, vor 700 Jahren ist König Albrecht bei Windisch von seinem Neffen ermordert worden: Anlass für einen neuen Blick auf das Verhältnis zwischen Habsburgern und Eidgenossen. Das Buch erzählt eine Schweizergeschichte des Mittelalters von den Rändern - vom Aargau, Thurgau oder Elsass - aus gesehen. Sie ist die spannende Geschichte vom Aufstieg der Habsburger und ihrem Verhältnis zum eigenen Stammland. Die Habsburger tragen in der Schweizergeschichte zwar den Stempel der Verlierer. Gleichzeitig mit dem Rückzug aus ihrem Stammland, dem Aargau, haben sie sich aber zur bestimmenden Macht in Europa aufgeschwungen. Wenn die Entstehung der Eidgenossenschaft vom Rand aus erzählt wird, ergeben sich ganz neue Blickwinkel. Der mythisch überhöhte Kern in der Innerschweiz wird dabei zum Teil eines übergeordneten Kräftespiels, in dem Kaiser und Könige, Savoyer und Tiroler, Berner und Zürcher, Innerschweizer und Aargauer, eine Rolle spielten.
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Seitenzahl: 414
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Wir danken für die Unterstützung:
Kanton Aargau
NAB-Kulturstiftung
Mitarbeit in der Recherche: Rebecca Sanders, Zürich
Fotografie: Bruno Meier
Lektorat: Sandra Monti, hier + jetzt
Gestaltung und Satz: Christine Hirzel, Sara Glauser, hier + jetzt
Bildverarbeitung: Humm dtp, Matzingen
© 2008 hier + jetzt, Verlag für Kultur und Geschichte GmbH, Baden
www.hierundjetzt.ch
eBook-ISBN 978-3-03919-735-4
eBook-Herstellung und Auslieferung:
Brockhaus Commission, Kornwestheim
www.brocom.de
für Anne
Am Ende eines langen und erfolgreichen Lebens
Eine Kindheit auf der Habsburg? Woher die Habsburger kommen
Eine Burg unter vielen anderen?
Eine mächtige und repräsentative Burg
Feucht und kalt: Alltagsleben auf der Burg
Die Habsburger und ihr Eigen
Herkunft ist Legitimation
Eine Möglichkeit: die Merowinger-These
Weit wichtiger: die schwäbischen Verwandten
Etwas kühner: doch eine königliche Abstammung?
Im Reich der Legenden und Sagen: eine Abstammung von den Römern?
Königsgefolgschaften: von den Saliern zu den Staufern
Die kleinen Grafen im Südwesten des Reichs
Der Aufstieg zur Macht. Rudolf von Habsburg:
Vom armen Grafen zum mächtigen König 1240–1291
Der grosse Sprung
Der Beginn im Jahr 1240: ein Aufstieg im Windschatten der Staufer
Die beiden Habsburger Familien und die Innerschweiz
Den Schwarzwald im Visier
Eine späte Heirat
Der grosse Coup: das Kyburger Erbe
Von der Belagerung Basels zur Krönung nach Aachen
Reichs- und Hausmachtpolitik im Gleichschritt
Ein Gipfeltreffen in Lausanne
Die Gewinnung von Österreich
Rudolf zurück im Westen: der Blick nach Burgund
Zurück in Baden und dem Tod nah
Das Bild vom bescheidenen und weisen König
Zeiten des Umbruchs:
Eine gescheiterte Nachfolge und eine familiäre Katastrophe 1291–1315
Es endet mit einem Mord
Die Königswahl geht verloren
Ein erster Krieg um Zürich
Und der Bund der Eidgenossen?
Der Tyrannenmord, erster Teil
Die Habsburger modernisieren
Albrecht auf dem Höhepunkt der Macht
Der Tyrannenmord, zweiter Teil
Die Verfolgung der Königsmörder
Die Gründung von Königsfelden
Eine neuer Anlauf zum Königtum
Auf dem Weg nach Morgarten
Habsburger und Eidgenossen: ein labiles Gleichgewicht
Eine Königin residiert:
Agnes von Ungarn als Regentin im Aargau 1315–1365
Von Ungarn in den Aargau
Königsfelden wird zum Gravitationszentrum
Habsburg-Österreich expandiert: Kärnten und Tirol
Agnes und ihre Brüder zwischen Luzern, Bern und Zürich
Ein zweiter Krieg um Zürich
Der Schwiegersohn des Kaisers: Rudolf der Stifter
Eine Machtdemonstration in Zofingen?
Die Versöhnung mit dem Schwiegervater
Ein kleiner, aber schmerzlicher Verlust:
Die Katastrophe von Sempach und der Verlust des Aargaus 1365–1425
Die Wege trennen sich: der Teilungsvertrag von 1379
Zwischen Freiburg im Breisgau und Triest: ein rastloser Leopold
Wird Basel habsburgisch?
Eine verhängisvolle Bischofswahl
Die Katastrophe von Sempach
… und die Folgen
Am Rand eines Bürgerkriegs: Bruderzwist im Haus Habsburg
Chaos am Bodensee: die Appenzellerkriege
Der Anfang vom Ende: Städte und Adel orientieren sich neu
Das Konzil von Konstanz: Friedrich in der Reichsacht
Ein Blitzkrieg der Eidgenossen: Der Aargau geht verloren
Das Fell des Bären wird verteilt
Flucht aus Konstanz: Die Habsburger reagieren
Habsburg kommt zurück – aber nicht in den Aargau
Auf dem Weg zum Weltreich:
Das Verhältnis zwischen Habsburgern und Eidgenossen bleibt belastet 1425–1475
Ein König besucht die Eidgenossenschaft
Die Rückkehr auf den deutschen Thron: Albrecht V. und Friedrich V.
Krieg im Dreieck zwischen Zürich, Eidgenossen und Habsburg-Österreich
Die alten Fronten brechen auf
Wie weiter? Der habsburgische Adel im Zwiespalt
Der Thurgau geht verloren: Herzog Sigmund agiert unglücklich
Der Rhein wird Grenze
Auf dem Weg zur Ewigen Richtung
Der Friede auf «ewig»: ein Ausblick
Der Habsburger Adler bleibt im Fricktal
Nachwort und Dank
Glossar
Anmerkungen
Quellen und Literatur
Gedruckte Quellen
Ausgewählte Literatur
Ortsregister
Personenregister
Rudolf von Habsburg ritt Anfang Februar 1291, bereits von Gicht und Arthrose gezeichnet, von Konstanz nach Baden. Mit 73 Jahren war er am Ende eines rastlosen Lebens, das er zu einem grossen Teil unterwegs im Sattel verbracht hatte. Vielleicht hatte er sich mit seinem Gefolge in Zürich auf das Schiff begeben und war die Limmat abwärts gefahren. Oberhalb der Holzbrücke in der Klus von Baden, die mit einem kleinen Turm am rechten der Stadt gegenüberliegenden Ufer bewehrt war, ging er mit seinem Gefolge an Land. Auf einem steilen Strässchen in der noch nicht befestigten Halde führte der Weg auf das Plateau der mächtigen Saalkirche am Fuss des Burghügels. Rudolfs Vogt in Baden und in der Grafschaft Aargau war sein Dienstmann Werner von Wolen. Er residierte auf der Burg Stein, an deren Fuss sich zwischen der befestigten Staffelmauer, die in die Stadt hinunterführte, der Kirche und dem Stadtbach ein kleines Burgstädtchen gebildet hatte. Quartier nahmen der Habsburger und sein Gefolge aber wahrscheinlich in den Bädern, die in einer Distanz von einigen hundert Metern im Limmatknie eine eigene kleine Siedlung bildeten. Auf dem offenen kleinen Platz liegt die schon von den Römern gefasste Quelle, die von einem fünfeckigen Stein, dem sogenannten grossen heissen Stein, bedeckt wird. Zum Gasthof Bären, dem Habsburger Lehen, führte das kleine «stinkende» Gässchen. An diesem Weg lag das «beslossen Bad», ein Badehäuschen, das auf römischen Grundmauern stand.1 Rund um den Bäderplatz gab es weitere Gasthöfe. Das königliche Gefolge, das doch einige Dutzend Ritter und Dienstleute umfasst haben muss, wird in diesen Gasthöfen abgestiegen sein oder im nahen Kloster Wettingen Quartier genommen haben.
Rudolf hielt sich den ganzen Februar in Baden auf und wird im Wasser der heissen Thermen gebadet haben, um sich von seinen arthritischen Schmerzen etwas zu erholen. Er war aber nicht untätig. Er empfing Boten der Stadt Zürich, die ihm 1000 Mark Silber vorschossen, damit er seine Schulden vom Reichstag in Erfurt aus dem vergangenen Dezember begleichen konnte. Den Zürchern erliess er dafür auf sechs Jahre die Reichssteuer. Die 1000 Mark sollte Hartmann von Baldegg in Empfang nehmen, Burggraf in Rheinfelden und enger Vertrauter Rudolfs. Am gleichen Tag bestätigte Rudolf einer Delegation aus Schwyz, dass die freien Leute aus Schwyz keinen unfreien Richter anzuerkennen hätten. In Baden ebenfalls anwesend war sein Vetter Rudolf von Habsburg-Laufenburg, seit 1274 Bischof von Konstanz. Am 23. Februar erschien auch der Bischof Wilhelm von Lausanne, der sich vom König Hilfe gegen Amadeus von Savoyen erhoffte. Die Nachrichten aus Burgund waren wenig erbaulich, der Pfalzgraf von Burgund hatte sich trotz der erst zwei Jahre zurückliegenden Niederlage bei Besançon erneut gegen Rudolf gestellt. Gleichzeitig waren Boten von König Karl II. von Sizilien eingetroffen. Karls Sohn, Karl Martell, war mit Rudolfs Tochter Clementia verheiratet und hatte eine Anwartschaft auf die ungarische Krone. Auf Ende April wurde ein Treffen bei Murten vereinbart.2 König Rudolf verliess Baden Ende März 1291.
Dieser Aufenthalt in Baden, fünf Monate vor Rudolfs Tod in Speyer, war ein Zurückkommen in das alte Stammland der Habsburger, aus dem die Familie einst aufgebrochen war, um eine erfolgreiche Grafenfamilie im Südwesten des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation zu werden. Baden war zu einem bevorzugten Aufenthaltsort der Familie geworden. Unweit davon liegen das Städtchen Brugg und das kleine Schlösschen Altenburg, von wo aus etwa um 1020/1030 Rudolf und Radbot, nach der Legende die Vorväter der Habsburger, sich anschickten, eine Burg zu bauen und zwei Klöster zu gründen: die Habsburg und die Klöster Muri und Ottmarsheim. Damit beginnt die sagenumwobene Geschichte der Habsburger.
Eine Burg unter vielen anderen?
Es ist schwer vorstellbar, dass das mchtige Haus Habsburg in der heute bescheiden wirkenden Burg gleichen Namens seinen Anfang genommen haben soll. Wie muss man sich die Habsburg in der Zeit nach 1200 vorstellen, als die Besitzer ihren Aufstieg im deutschen Reich begannen? Wie sah die Burg aus, wer hat sie erbaut und warum? Hat der 1218 geborene Rudolf und sptere Knig seine Kindheit auf der Habsburg verbracht?
Im Jahr 1108 begleitete Otto, ein Graf von Havichsberg, den deutschen Knig Heinrich V. auf einem Kriegszug gegen die Ungarn. Otto, in der Habsburgergenealogie der II. benannt, wird nach der Rckkehr vom Ungarnfeldzug im Jahr 1111 auf seiner Burg Butenheim (Petit Landau) sdlich von Ottmarsheim ermordet. Sein Bruder, Adalbertus de Havesborc, nimmt 1114 an einem Hoftag des unterdessen zum Kaiser gekrnten Heinrich V. in Basel teil und erwirkt dort einen Freibrief fr das familieneigene Hauskloster in Muri.3 Ottos Sohn, Werner II., wird schliesslich als erster Habsburger als Landgraf im oberen Elsass bezeichnet. Seit dieser Generation nennt sich das Adelsgeschlecht nach der Burg, die in den folgenden Jahrhunderten zum Inbegriff fr ein weltumspannendes Reich wird.
Wie andere Dynastenburgen braucht auch die Habsburg eine Grndungssage. Und wie die meisten Sagen, wird auch diese Geschichte Jahrhunderte spter entstanden und noch spter aufgeschrieben worden sein. Danach soll der Grossvater von Otto II., Graf Radbot, der ein festes Haus in Altenburg an der Aare in dem von den Rmern erbauten Kastell besass, auf der Jagd seines Habichts verlustig gegangen sein. Auf der Suche nach dem entflohenen Vogel stieg die Jagdgesellschaft auf den dicht bewaldeten Wlpelsberg. Zuoberst auf dem Hgel fand man den Habicht. Radbot erkannte sofort, dass sich dieser Ort fr den Bau einer Burg eignete und nahm die Aufgabe in Angriff.4 Eine schne Geschichte, wenn auch eher von einer Vorstellung des mittelalterlichen Ritterlebens aus dem 19. Jahrhundert inspiriert. Vielleicht hatte der Geschichtenerzhler den jungen Staufer Konradin auf Beizjagd vor Augen, eine Miniatur aus der Manessischen Liederhandschrift, die immerhin an den Beginn des 14. Jahrhunderts gehrt. Auf jeden Fall, Fortsetzung folgt
Richtig an dieser Geschichte ist, dass die Habsburg tatschlich als Rodungsburg in den Wald gebaut worden ist. Ebenfalls richtig knnte die Verkrzung des Namens von Habichtsburg auf Habsburg sein, eine Bezeichnung, die seit dem ausgehenden 12. Jahrhundert gebruchlich wird, auch wenn schon andere Herleitungen vorgeschlagen worden sind.5 Wie kommt aber Graf Radbot von Altenburg dazu, sich auf dem Hgel eine Burg zu bauen? Er tut das, was viele seiner Standesgenossen auch machen. Burgen werden im 11. und 12. Jahrhundert zuhauf gebaut. Frhere Geschichtsschreiber gingen davon aus, dass die Burgen primr als Befestigungen erstellt wurden, um das eigene Land oder die Grenze zum Nachbarland zu beschtzen. Fr den Bau der Habsburg wre demzufolge die Auseinandersetzung zwischen dem deutschen Knig und dem Knigreich Burgund im Vordergrund gestanden. Die Habsburg htte dabei die Funktion einer Grenzburg gehabt, verlief doch die alte Grenze zu Burgund entlang der Reuss.6 Heute geht man jedoch davon aus, dass der Burgenbau in erster Linie dem Landesausbau diente. Das 11. und 12. Jahrhundert ist eine Zeit, in der die Bevlkerung wchst. Vom Klima begnstigt, entwickelten sich die Lebensgrundlagen positiv, die Ertrge in der Landwirtschaft stiegen mit der neu eingefhrten Dreifelderwirtschaft an, Wlder wurden gerodet und der Boden urbar gemacht. Eine wichtige Rolle in dieser Entwicklung spielten die lokalen Adligen. Sie grndeten Klster und bauten Burgen, um diesen Landesausbau voranzutreiben und ihre Machtbasis auszuweiten. Mit dem Burgenbau setzten sie weithin sichtbare Herrschaftssymbole. Die frhen Habsburger verhielten sich nicht anders, als sie die Burg auf dem Wlpelsberg erbauen liessen.
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