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Beziehung futsch, Job futsch, Wohnung futsch: Die Buchhändlerin Josie hat nicht mehr viel zu verlieren. Als ihr bester Freund Rufus sie um Hilfe bittet, weil er seine Traumfrau erobern will, fliegt sie zu ihm nach Kalifornien. Gemeinsam versuchen sie, aus ihrem netten Sandkastenfreund einen Mr. Grey zu machen – inklusive Flugerfahrung und BDSM-Fantasien! Doch die Realität ist komplizierter, als Josie es aus Büchern kennt. Und je länger sie bei Rufus ist, desto mehr Gefühle entwickelt sie für ihren besten Freund …
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Die AutorinKelly Stevens studierte in England Literatur und Kreatives Schreiben und arbeitete in Deutschland in der Medienbranche. Sie schreibt Erotic Romance in allen möglichen Längen und Variationen, von Kurzgeschichte bis Roman. Unter dem Namen Kelly Stevens veröffentlicht sie bei Verlagen, als Indie-Autorin ist sie als K.C. Stevens unterwegs.
Das BuchBeziehung futsch, Job futsch, Wohnung futsch: Die Buchhändlerin Josie, für die das Leben bisher vor allem in Romanen stattfand, hat nicht mehr viel zu verlieren. Als ihr bester Freund Rufus sie um Hilfe bittet, weil er seine Traumfrau erobern will, fliegt sie zu ihm nach Kalifornien. Gemeinsam versuchen sie, aus ihrem netten Sandkastenfreund einen Mr. Grey zu machen – inklusive Flugerfahrung, BDSM-Fantasien und allem Drum und Dran! Doch die Realität ist komplizierter, als sie es aus Büchern kennt. Und je länger Josie bei Rufus ist, desto mehr Gefühle entwickelt sie für ihren besten Freund …
Kelly Stevens
Ein Kuss in aller Freundschaft
Roman
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
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Originalausgabe bei Forever.Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinAugust 2015 (1)© Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2015Umschlaggestaltung:ZERO Werbeagentur, MünchenTitelabbildung: © FinePic®Autorenfoto: © privat
ISBN 978-3-95818-054-3
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»Glaubst du wirklich, dass das funktioniert?«
Der Mann in dem teuren, grauen Anzug, der am Fenster stand, seufzte und zuckte mit den Schultern. Seine Haltung wirkte fast resigniert, was so gar nicht zu seiner jugendlichen Erscheinung und sportlichen Figur passte.
Die Villa, in der er stand, befand sich auf einem der Berghänge. Von den bodentiefen Fenstern aus hatte er einen atemberaubenden Blick auf die Vancouver Bay. Doch seine Gedanken waren in der Ferne.
Langsam löste sich die Frau aus der Dunkelheit des Zimmers, legte ihre Arme um ihn und lehnte ihren Kopf an seinen Rücken.
»Ich helfe dir. Wir schaffen das schon.«
Deutschland, einige Wochen zuvor
»Entschuldigen Sie, wo finde ich hier Sex?«
Josie löste ihren Blick von dem Bücherstapel auf dem Boden, neben dem sie kniete, strich sich ihre mittellangen, mittelbraunen Haare aus dem Gesicht und schaute nach oben. Vor ihr stand eine junge Frau in zerlöcherten Jeans und bauchfreiem T-Shirt. Darunter kam ein großflächiges, buntes Tattoo zum Vorschein.
»Wie bitte?«
»Erwachsenenliteratur. Sex und Crime.«
»Krimis dort hinten an der Wand und Thriller gleich daneben. Die Bücher sind alphabetisch nach Autoren geordnet.«
»Ja, und wo ist bei euch die Erotik? Heiße Sexspiele und so ′n Zeug?«
Josie wurde rot. Jetzt erst wurde ihr klar, was die Besucherin tatsächlich suchte. Früher hatte die Buchhandlung die einschlägige Literatur unter ›Geschlechterstudien‛ in einem Viertel Regalmeter zwischen Psychologie und Ratgebern für Paarbeziehungen versteckt. Heutzutage hingegen wurden ganze Büchertische aufgebaut, die sich unter Shades of Grey, Crossfire und Ähnlichem bogen.
»Folgen Sie mir bitte.« Sie stand auf, wobei sowohl ihre Knie als auch ihr Rücken sich schmerzhaft bemerkbar machten. Zu lange in einer gebückten Haltung auf dem Boden gekniet, dachte sie, obwohl sie zum Ausgleich viel Sport machte. Oder sie wurde langsam alt, obwohl sie mit sechsundzwanzig die Jüngste im Team war. Vielleicht hatte die Kundin sie deshalb angesprochen – ihre älteren Kolleginnen hätten sich mit solchen Bitten noch schwerer getan als sie.
Die »Schmuddelecke«, wie sie sie heimlich nannten, war auf Anweisung der Zentrale prominent neben der Jugendliteratur platziert.
»Hier, bitte schön. Diese beiden Tische und das Regal dort sind alles erotische Literatur. Wenn sie etwas Spezielles suchen, kann ich sie gerne beraten.« Hoffte sie zumindest.
»Gay Romance.«
Josie schluckte. Sie hielt sich für einigermaßen aufgeklärt, und als ausgebildete Buchhändlerin empfand sie es als Selbstverständlichkeit, die aktuellen Bestseller alle gelesen zu haben, um ihre Kunden beraten zu können. Aber mit Gay Romance kannte sie sich nun wirklich nicht aus.
»Suchen Sie etwas Bestimmtes? Wir können Ihnen das Buch gerne bestellen, falls wir es nicht vorrätig haben.«
Die junge Frau nannte ihr Autorennamen und Titel. Im Regal stand das Buch nicht. Auch der Computer zeigte keinen Treffer an.
»Es tut mir sehr leid, aber ich kann es bei uns im System nicht finden. Wissen Sie zufälligerweise den Verlag, oder haben Sie eine ISBN?«
»Nee, aber ich hab′s bei Amazon gesehen.«
Josie schwante etwas. Sie rief die Amazon-Website auf, und tatsächlich, gleich der erste Klick war ein Treffer. Nur leider nicht für sie.
»Ich fürchte, der Verlag ist CreateSpace. Ein Selfpublisher-Verlag. Das ist Amazon-exklusiv. Dieses Buch können wir als Buchhandlung leider nicht bestellen.«
»Was ist das hier denn für ′n Saftladen?«, beschwerte sich die Frau. »Ich dachte, Buchhandlungen verkaufen Bücher?«
»Es tut mir wirklich sehr leid.« Josie senkte den Blick. Viele Kunden wollten einfach nicht begreifen, dass Amazon sich den Vertrieb nicht aus der Hand nehmen lassen wollte. Die Marktmacht, die der amerikanische Onlinehändler bei E-Books hatte, hatte schon so manche Buchhandlung in den Ruin getrieben, und nun ging es anscheinend bei gedruckten Büchern weiter. »Ich kann Ihnen leider nur Bücher bestellen, die in unserem Verzeichnis lieferbarer Bücher gelistet sind.«
»Buchhandlungen sind echt das Letzte!« Mit diesen Worten drehte die Frau sich um und verließ lautstark schimpfend den Laden. »Ey, mich seht ihr hier nicht wieder, ich schwöre!«
Josie ließ den Kopf hängen. Sie liebte Bücher, seit sie denken konnte. Die gesamte Schulzeit über, während ihre Klassenkameradinnen mit Freundinnen kicherten, die Tanzschule besuchten oder von Jungen und Popstars schwärmten, hatte sie zu Hause in ihrem Zimmer gelegen und gelesen. Damals war sie wahrscheinlich die beste Kundin der Leihbücherei in der nahegelegenen Kleinstadt gewesen. Selbst heute war sie es möglicherweise noch, obwohl sie als Buchhändlerin auch häufig Leseexemplare bekam. Einen E-Book-Reader besaß sie immer noch nicht. Für sie mussten Bücher gedruckt sein, sie musste sie in der Hand halten, darin blättern und daran riechen können.
Aber immer mehr Kunden sahen das anders. Der Umsatz der kleinen Buchhandlung war in den letzten Jahren stetig zurückgegangen, junge Kundschaft wuchs kaum noch nach. Manchmal kam Josie sich uralt vor, ein Dinosaurier, der sich ins einundzwanzigste Jahrhundert verirrt hatte.
»Die Chefin will uns nachher sprechen.« Clara, ihre Kollegin, kam mit einer Box voller Schreibwaren vorbei. Noch so eine Neuerung, dachte Josie. Der Verkauf von Dingen, die nur am Rande mit Büchern zu tun hatten, war ein Versuch gewesen, zusätzlichen Umsatz zu generieren. Dafür hatte sie nicht Buchhändlerin gelernt, um jetzt bedruckte Tassen oder Notizbücher zu verkaufen.
»Hat sie gesagt, worum es geht?«
»Wohl wieder eine außerordentliche Teambesprechung.«
Von denen gab es in letzter Zeit viele. Genützt hatten sie alle nichts. »Hoffentlich müssen wir uns keine Sorgen machen.«
***
Zwei Stunden später stellte sich heraus, dass dies ein frommer Wunsch gewesen war.
»Die Zentrale schließt unsere Filiale Ende nächsten Monats. Wir rentieren uns für sie nicht mehr. Die Kündigungsschreiben sind gestern in die Post gegangen, ihr solltet sie heute oder morgen bekommen. Alles rechtlich abgesichert, dagegen zu klagen hat keinen Zweck. Es wird einen halben Monatslohn pro Beschäftigungsjahr als Abfindung geben. Geht zur Agentur für Arbeit und meldet euch arbeitssuchend. Neue Bücher werden ab sofort nicht mehr bestellt, Bestellungen auf Kundenwunsch nur noch gegen Vorkasse. Noch Fragen?«
Josie hatte wie betäubt dagesessen. Eine andere Buchhandlung gab es im Umkreis von zwanzig Kilometern nicht, einer der Nachteile, wenn man in einem schwäbischen Dorf wohnte. Außerdem hatten alle Buchhandlungen derzeit mit ähnlichen Problemen zu kämpfen.
Sie war so froh gewesen, als sie die Zusage für ihren Ausbildungsplatz bekommen hatte. Selbst die Bedenken ihrer Eltern, dass sie mit Abitur doch etwas Besseres werden könne als Verkäuferin, hatte sie weggelächelt.
Inzwischen hatten sich die Zeiten geändert, und zwar schneller, als sie es alle gedacht hatten.
Als sie abends in der Wohnung, die sie mit ihrem Freund Michael teilte, ankam, war der Brief schon da. Jetzt hatte sie es schwarz auf weiß: ihre betriebsbedingte Kündigung.
Michael saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher und sah sich eine amerikanische Krimiserie an. Vor ihm auf dem Couchtisch lag der Karton eines Pizza-Lieferdienstes, daneben standen mehrere Bierflaschen.
»Schatz, bringst du mir ein Bier aus dem Kühlschrank mit?«, lautete seine Begrüßung.
Josie ging in die Küche, holte für ihn ein Bier und für sich einen Fruchtquark und setzte sich neben ihn auf die Wohnzimmercouch. Auf dem Bildschirm gab es gerade eine wilde Verfolgungsjagd. Reifen quietschten, Schüsse fielen, eine blonde Frau kreischte.
»Unsere Buchhandlung wird übrigens geschlossen«, sagte Josie. Während der Heimfahrt in ihrem alten Opel Corsa hatte sie sich überlegt, wie sie es Michael am schonendsten beibringen konnte. Nicht, dass sie als Buchhändlerin besonders viel zum gemeinsamen Lebensunterhalt hatte beisteuern können. Michael verdiente als Versicherungskaufmann im Außendienst mehr als doppelt so viel wie sie.
Doch der griff nur nach dem Bier, ohne seine Augen vom Bildschirm zu lösen. »Nicht jetzt, ist grad so spannend!«
Also löffelte Josie ihren Quark und wartete bis zur Werbepause, bevor sie ihren Satz wiederholte.
»Na, dann gehst du eben im Supermarkt arbeiten«, war sein Kommentar. »Oder in dem Modeladen. Die Tankstelle sucht auch gerade Aushilfen. Ist doch egal, ob du Bücher verkaufst oder was anderes.«
Von dem Mann, mit dem sie seit fünf Jahren zusammenlebte, hätte sie sich eine andere Reaktion gewünscht, dachte Josie, als sie in der Badewanne lag, während Michael seine Serie zu Ende schaute. Er wusste doch, wie sehr sie Bücher liebte. Oder etwa nicht?
Sie hatte ihn gegen Ende ihrer Ausbildungszeit kennengelernt. Damals hatte sie noch bei ihren Eltern gewohnt, weil ihr Azubigehalt für keine eigene Wohnung reichte. Michael hatte gerade eine Eigentumswohnung im Nachbarort gekauft. Obwohl Josie alles andere als spontan war, war sie schon nach wenigen Monaten mit ihm zusammengezogen.
Und hatte es nicht bereut, redete sie sich ein, als sie alleine im Bett lag, während er im Arbeitszimmer noch schnell etwas am Computer erledigen musste. Sie griff zu dem Buch, das auf ihrem Nachttisch lag, und tauchte in eine andere Welt ein.
Anderthalb Stunden später war Michael immer noch im Arbeitszimmer. Josie löschte das Leselicht und stellte sich schlafend, bis sie tatsächlich einschlief.
***
Am nächsten Nachmittag nahm sie einen halben Tag Resturlaub und ging zur Agentur für Arbeit. Vor dem hässlichen, grauen Gebäude hätte sie am liebsten wieder kehrtgemacht.
In Romanen wären jetzt freche Freundinnen, tolle Traummänner oder perfekte Projekte aufgetaucht, die die romantische Heldin retten würden, und es gäbe selbstverständlich ein Happy End. Manchmal las sie bei einem Buch tatsächlich das Ende zuerst, um sicherzugehen, dass sich auch wirklich alles zum Guten wenden würde.
Leider war ihr Leben kein Roman. Sie durfte sich stattdessen mit einer desillusionierten, genervten und zu allem Überfluss latent sadistisch veranlagten Sachbearbeiterin herumärgern, die ihr einen dicken Stapel Papier in die Hand drückte und ihr einen Termin in vier Wochen gab.
Entmutigt fuhr sie nach Hause und schloss die Wohnungstür auf. Ein heißer Tee, eine Tafel Vollmilch-Nuss-Schokolade und ein gutes Buch würden sie hoffentlich kurzzeitig trösten, wo ihr Freund es schon nicht tat. Mit ihren Eltern musste sie auch baldmöglichst reden, etwas so Wichtiges konnte und wollte sie ihnen nicht verheimlichen. Grundsätzlich verstand sie sich gut mit ihren Eltern, die im Nachbarort wohnten, und besuchte sie regelmäßig mindestens einmal in der Woche. Nur gestern hatte sie einfach noch keinen Nerv gehabt auf ein »Wir haben dir ja gleich gesagt, dass der Beruf keine Zukunft hat.«
Sie goss gerade den Tee auf, als jemand in die Küche kam.
Eine fremde Frau.
Eine fremde, nackte Frau.
Obwohl, nicht ganz nackt. Um ihren schlanken Hals trug sie ein Halsband aus rosafarbenem Plastik, an dem eine ebenfalls rosafarbene Hundeleine hing, und an ihren Füßen schwarze High Heels.
»Habt ihr auch Rum?«, fragte sie.
Josie ließ beinahe den Wasserkessel fallen. »Rum?«
»Na, für Rum-Cola.« Die Frau öffnete die Kühlschranktür, wobei sie Josie ihren perfekt geformten Po mit einem nicht ganz so perfekt geformten blauen Fleck auf der linken Pobacke präsentierte. »Ah, Cola habe ich schon gefunden.«
»Äh, Rum müsste im Schrank hinter der Tür sein«, stotterte Josie, leicht aus der Fassung gebracht.
»Schatz, bringst du mir aus dem Kühlschrank ein Bier mit?«
Beide Frauen drehten gleichzeitig ihren Kopf zur Tür, wo Michael auftauchte. Er trug grau-rot gestreifte Boxershorts, die sich farblich mit dem Rosa bissen, sonst nichts. Als er Josie sah, nahm auch sein Gesicht eine rötliche Farbe an. »Was machst du denn hier?«
»Ich wohne hier, schon vergessen?«
Michael grinste leicht dümmlich. »Es ist nicht so, wie es aussieht.«
»Na, da bin ich aber mal gespannt.« Josie verschränkte die Arme vor der Brust, um ihr Zittern zu verbergen. Die fremde Frau lehnte sich an die Anrichte, was ihre perfekt geformten Brüste mit den rosigen Brustspitzen und dem – war das etwa ein Nippelpiercing? – nur noch mehr zur Geltung brachte. Ihre Schamhaare waren in Herzform gestutzt.
»Sie wollte nur spielen.«
Die Frau nickte bejahend.
Josies Blick ging von einem zum anderen. »Strip-Poker oder was?«
»Nein, Petplay«, antwortete die Frau und deutete auf ihre Leine. »Sieht man doch, oder?«
»Genau. Wenn sie nicht brav ist, versohle ich ihr den Hintern.«
Josie versuchte, ruhig zu bleiben. Solche Situationen gab es im realen Leben nicht, und im Schwabenländle erst recht nicht. Hier herrschten noch Sitte und Ordnung. Michael wollte ihr bestimmt einen Streich spielen, um sie aufzuheitern. Kindisch genug benahm er sich manchmal. Leider hatten sie selten die gleiche Art von Humor.
»Ja, okay, sehr lustig«, sagte sie daher. »Aber jetzt hattet ihr euren Spaß. Könntet ihr euch also bitte wieder anziehen?«
»Sei doch nicht so eine Spielverderberin. Magst du nicht mitmachen, vielleicht gefällt′s dir ja?«
Josie sah ihren Freund an, als hätte er sich gerade in einen Außerirdischen verwandelt. »Schatz, es reicht. Könntest du sie bitte wieder nach Hause schicken?«
Michael sah doch tatsächlich unentschlossen aus. »Wieso bist du überhaupt schon zu Hause? Ich dachte, du bist erst ab nächsten Monat arbeitslos?«
»Ab übernächsten«, korrigierte Josie automatisch. »Weil ich gerade beim Arbeitsamt war und danach direkt nach Hause gekommen bin.« Moment mal. Wenn Michael gar nicht gewusst hatte, dass sie heute früher nach Hause kommen würde …?
»Wie, ihr habt gar keine offene Beziehung?«, fragte die Frau in diesem Moment.
»Nein! Wir haben gar keine Beziehung!«, rief Michael.
»Das sieht mir aber nicht danach aus. Ich geh besser mal. Du weißt ja, wie du mich erreichen kannst, Tiger«, schnurrte die Frau und strich Michael im Vorbeigehen mit ihren langen, künstlichen, dunkelrot lackierten Fingernägeln über die Brust, bevor sie Richtung Schlafzimmer stöckelte.
Tiger? Michael? Den kannte sie eher als lahmen Kater. Josie stieß die Luft aus, die sie unbewusst angehalten hatte. »Bitte sag mir, dass du mich nicht mit ihr betrügst.«
»Was heißt denn schon betrügen?«
Das war nicht die Antwort, die sie hören wollte. »Michael, das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«
Anstatt zu antworten, sagte er: »Ich denke, es ist besser, wenn du auch gehst.«
»Wie bitte?«
»Das mit uns passt doch schon lange nicht mehr. Ständig hast du die Nase in irgendeinem Buch. Du interessierst dich gar nicht mehr für mich!«, griff er sie an.
Dass sie nur dann las, wenn er entweder nicht da war oder am Computer saß, wagte Josie nicht zu erwidern. Stattdessen fragte sie: »War es das etwa mit uns beiden? Du verlässt mich für so ein … ein Flittchen?«
»Sie ist wenigstens gut im Bett, steht nicht nur auf das ganze Blümchensex-Hausmannskost-Gedöns wie du«, antwortete Michael hart. Auf dem Weg zum Schlafzimmer drehte er sich noch einmal um: »Du hast bis heute Abend Zeit, auszuziehen.«
Was machte man, wenn man gerade seinen Job, seine Wohnung und seinen Freund verloren hatte? Man betrank sich, aß eine Riesenportion Schokoladeneis und rief seine besten Freundinnen an, um sich bei ihnen auszuheulen.
Das Problem an diesem Plan war allerdings, dass Josie kaum Alkohol vertrug, das Schokoladeneis bei Michael im Tiefkühler war und sie ihren Kummer bisher immer mit Lesen verdrängt hatte.
Andere Frauen hatten beste Freundinnen. Josie hatte ihre Bücher und Rufus, ihre männliche beste Freundin.
Zwei Außenseiter: Sie der Bücherwurm, er der Computernerd. Sie waren im selben Dorf aufgewachsen, nur eine Straße voneinander entfernt. Bereits als Kinder hatten sie zusammen im Sandkasten gespielt und während der Schulzeit, nachdem klar war, dass sie beide niemals zu den coolen Cliquen dazugehören würden, ihre Freizeit zusammen verbracht. Was meistens bedeutete, dass Josie mit einem ihrer Bücher bei ihm auf dem Bett lag und las, während Rufus daneben saß, Computerspiele spielte und später selbst programmierte.
Ihre Namen waren auch nicht gerade integrationsfördernd gewesen. Josefine Häberle und Rufus Bock. In der Schule wurde sie meistens Fine oder Finchen genannt, weil die Abkürzung Jo, die ihr viel besser gefiel, bereits durch einen Johannes belegt war. Rufus war der Einzige, der sie Josie nannte. Ihn nannten alle nur Ruf-uns, Böckchen oder Loser.
Ihre Eltern hatten sich anfangs Sorgen gemacht, was die Nachbarn wohl denken würden, weil sie so viel Zeit alleine in Rufus′ Zimmer verbrachten. Aber nachdem sie mehrfach gesehen hatten, dass die beiden, jeder in seiner eigenen Ecke, völlig vertieft in ihre jeweiligen Fantasiewelten waren, hatten sie ihre besondere Freundschaft als harmlos akzeptiert.
Manchmal, wenn Josie beim Lesen lachen oder weinen musste, bat er sie, ihm die betreffende Stelle vorzulesen. Im Gegenzug freute sie sich mit ihm, wenn er ein besonders schwieriges Level bei einem Computerspiel erfolgreich gemeistert oder eine verzwickte Denkaufgabe geschafft hatte.
Sie konnten sich alles sagen. Als Rufus sich in der vierten Klasse in seine Englischlehrerin verliebte und deshalb lieber sitzen geblieben wäre als aufs Gymnasium zu wechseln, war Josie für ihn da gewesen. Und auch Rufus hatte sie getröstet, als ihr Schwarm Tim in der fünften Klasse plötzlich nach Delhi zog, weil dessen Vater von seiner Firma nach Indien versetzt worden war. Die Objekte ihrer heimlichen Schwärmereien selbst hatten davon nie etwas mitbekommen.
Ihre Freundschaft war sogar so weit gegangen, dass sie – sowohl aus Neugier als auch in Ermangelung anderer Partner – ihren ersten Kuss ausgetauscht hatten. Damals war sie zwölf gewesen und Rufus dreizehn. Sie erinnerte sich, dass sie, trotz reiflicher Überlegungen, Diskussion und Trockenübungen, beide fürchterlich nervös gewesen waren. Leider war das Erlebnis ihnen beiden in blutiger Erinnerung geblieben, weil Josies Zahnklammer schmerzhaft in die Quere von Rufus′ Lippe gekommen war. Ein zweites Mal hatten sie es nicht versucht, und obwohl sie weiterhin über alles miteinander redeten und dabei oft zusammen auf seinem Bett lagen, selbstverständlich vollständig angezogen und ohne sich dabei zu berühren, hatte sich keiner von beiden jemals wieder getraut, dieses Thema anzusprechen.
Dann, mit fünfzehn, ging Rufus für ein Jahr zum Schüleraustausch in die USA. Seine Lehrer und seine Eltern hatten es vorgeschlagen, und Josie wollte ihm diese Chance natürlich nicht verbauen.
Ohne ihren besten Freund fühlte sie sich noch mehr als Außenseiterin. Ihre Eltern schlugen schließlich vor, dass sie in einen Sportverein gehen solle, um Anschluss an junge Leute in ihrem Alter zu finden. Josie trat zwar in einen Schwimmverein ein, lehnte es aber ab, an Wettkämpfen teilzunehmen, und fand auch dort keine neuen Freunde.
Als Rufus nach fast einem Jahr endlich wieder da war, hatte er sich verändert. Nicht nur, dass aus dem schlaksigen Teenager, der sich nur für seinen Computer interessierte, ein höflicher und aufgeschlossener junger Mann geworden war, der jede Menge Freunde in den USA hatte. Er wollte unbedingt am MIT studieren, dem berühmten Massachusetts Institute of Technology, und arbeitete zielstrebig auf ein Einser-Abi und ein Stipendium hin.
Josie war zwar nicht abgemeldet, aber sie sahen sich seltener. Nach dem Abi trennten sich ihre Wege dann endgültig: Rufus zog in die USA, um zu studieren, sie blieb bei ihren Eltern wohnen und begann ihre Ausbildung.
Während seiner ersten Trimester blieben sie über Telefonate, E-Mails und Chats in Verbindung. Nach einem Jahr flog sie sogar für zwei Wochen zu ihm, um ihn zu besuchen und den American Way of Life kennenzulernen. Rufus hatte sie in einem freien Zimmer im Studentenwohnheim untergebracht, und gemeinsam hatten sie Boston und die Ostküste der USA erkundet. Sie hatten herumgealbert und viel Spaß gehabt, bevor der Ernst des Lebens für sie weiterging. Rufus war in Amerika aufgeblüht, das Leben dort tat ihm gut, er war deutlich lockerer geworden, hatte Sport als neues Hobby entdeckt und viele neue Freunde gewonnen.
Während sie immer noch in ihrem Heimatdorf lebte, bald arbeitslos sein würde und zudem offiziell wieder Single und ohne Freundeskreis war.
Josie seufzte. Rufus war der Einzige gewesen, der ihren Wunsch, Buchhändlerin zu werden, nachvollziehen konnte. »Tu das, was du liebst«, waren seine Worte gewesen, als Josie noch mit der Entscheidung haderte, ob sie nicht lieber auf ihre Eltern hören und »was mit Zukunft« studieren sollte.
Tja, jetzt wäre »was mit Zukunft« brauchbarer gewesen, sinnierte sie. Sechsundzwanzig Jahre alt und vorübergehend wieder bei ihren Eltern eingezogen. Zwar war ihr altes Kinderzimmer zwischenzeitlich renoviert worden und diente jetzt als Gästezimmer, aber Gast in ihrem eigenen Elternhaus zu sein, war trotzdem kein schönes Gefühl.
Es war kurz nach elf Uhr abends. An der Westküste sollte es neun Stunden später sein.
Normalerweise skypten Rufus und sie sonntagvormittags, wenn sie mit einer Kanne Tee auf ihrem Sofa saß, während Michael beim Sport war. In Kalifornien war es dann Abend, und oft saß Rufus entweder draußen oder hatte es sich in seinem Wohnzimmer gemütlich gemacht.
Während sie ihre Ausbildung abschloss, als Buchhändlerin anfing und mit Michael zusammenzog, war Rufus ins Silicon Valley gezogen und hatte seine eigene Firma aufgebaut. Anfangs hatte er in einem winzigen Zimmer gewohnt, später in einem Appartement, dann in einem kleinen Haus und seit zwei Jahren in einer kleinen, weißen Holzvilla mit eigenem Garten.
Jedes Jahr zu den Geburtstagen seiner Eltern kam er für ein paar Tage in seine alte Heimat. Auch wenn er für eine Messe oder einen Geschäftstermin in Europa war, versuchte er, kurz vorbeizuschauen und auch Josie zu besuchen. Mehrfach hatte er ihr angeboten, ihn in Kalifornien zu besuchen, aber sie hatte sich nie getraut, seine Gastfreundschaft anzunehmen. Außerdem hatte sie Michael gegenüber ein schlechtes Gewissen gehabt, obwohl Rufus doch nur ein Freund war.
Was sie hingegen zugelassen hatte, war, dass Rufus sie zu völlig verrückten, spontanen Kurztrips einlud, wenn er in der Nähe war. Sie waren zum Frühstück nach Paris geflogen, nach London ins Musical, oder einmal für einen Tag nach Rom, weil Josie unbedingt eine Münze in den Trevi-Brunnen werfen wollte.
»Dein Freund sollte all diese Sachen mit dir machen, dich auf Händen tragen und dich jeden Tag aufs Neue überraschen«, hatte Rufus gemurmelt, als sie in einer venezianischen Gondel auf dem Canal Grande fuhren, während Michael mit ein paar Kumpels übers Wochenende nach Mallorca geflogen war.
Ihr bester Freund war der perfekte romantische Liebhaber. Warum hatte er noch immer keine Freundin? Er hatte zwar jede Menge Bekannte, und Josie hatte von ihm das eine oder andere Foto von Partys oder Ausflügen zugemailt bekommen, auf denen jede Menge hübsche Frauen in knappen Kleidern oder Bikinis zu sehen waren. Aber für keine von ihnen schien er sich ernsthaft zu interessieren.
Da es außerhalb ihrer gewohnten Skype-Zeiten war, schickte sie ihm eine kurze Nachricht, ob er Zeit hätte, und wenige Minuten später tauchte sein Kopf auf ihrem Bildschirm auf.
»Hi Josie, ist alles okay?«
»Wie man′s nimmt. Hast du kurz Zeit, damit ich dir die Ohren volljammern kann?«
»Klar, für dich doch immer. Bist du zu Hause, das sieht irgendwie anders aus?«
»Nein, bei meinen Eltern.« Dann brach alles aus ihr heraus: die Schließung der Buchhandlung, die Kündigung, das Arbeitsamt, die fremde Frau, die rosa Leine, der Rausschmiss. »Innerhalb von vierundzwanzig Stunden hat sich mein ganzes Leben in Luft aufgelöst! Ich bin so deprimiert, ich könnte heulen!«
»Dann tu das doch«, antwortete Rufus erstaunlich sanft. »Glaub mir, das hilft. Wie ich dich kenne, hast du mal wieder nur die Zähne zusammengebissen und versucht, dir nicht anmerken zu lassen, wie es dir wirklich geht. Hier, ich biete dir meine virtuelle Schulter zum Ausweinen an.«
Er drehte sich seitlich zur Kamera, und Josie musste lachen. »Spinner.«
Da sie nicht in Tränen ausbrach, fragte er: »Und was machst du jetzt?«
»Tja, ich bin gerade ins Gästezimmer meiner Eltern gezogen. Kannst du dir vorstellen, dass ich außer zwei Bücherregalen noch nicht einmal eigene Möbel besitze? Und der Rest meines Lebens passt auch in ein paar Umzugskisten. Schau dir dieses Chaos an.« Sie schwenkte den Laptop mit der integrierten Kamera durch den Raum.
»Sieht böse aus«, stimmte Rufus zu. »Du sitzt also gerade auf gepackten Koffern?«
»Na, um sie auszupacken, ist überhaupt kein Platz, also ja, und zu allem Überfluss auch noch mit einer Fahrkarte nach nirgendwo.«
»Du könntest mich besuchen kommen«, schlug er vor.
»Dafür habe ich momentan leider kein Geld, aber danke.«
»Vielleicht fällt mir ja noch was ein.« Er schwieg einen Moment. »Skypen wir am Sonntag wieder?«
»Klar, gleiche Zeit wie immer?«
»Gleiche Zeit wie immer. Kopf hoch, Josie, lass dich nicht unterkriegen. Wenn bis dahin irgendwas ist, weißt du, dass du mich jederzeit erreichen kannst.«
Das Gespräch war kürzer als sonst, aber wahrscheinlich hatte sie ihn gerade bei der Arbeit oder sonst etwas Wichtigem gestört, dachte Josie. Außerdem musste sie am nächsten Morgen früh aufstehen, deshalb legte sie sich schlafen und träumte wirres Zeug von fliegenden Büchern, Rufus und rosa Leinen.
***
Am Sonntagvormittag saß sie mit ihrem Laptop auf dem Bett im Gästezimmer, als Rufus sie anskypte. »Na, geht′s dir schon wieder etwas besser?«
»Noch nicht wirklich«, gab Josie zu, aber dass sie immerhin schon so weit sei, Michael keine Träne mehr hinterher zu weinen.
»Richtig so«, bekräftigte er, »der hat so jemanden wie dich gar nicht verdient. Du findest einen Besseren.«
»Wie läuft′s denn bei dir, hast du inzwischen deine Mrs. Right gefunden?«
Ganz untypisch für ihn druckste Rufus eine Weile herum, bevor er zugab: »Jaaa … es gibt da tatsächlich jemanden.«
»Wie aufregend!«, rief Josie, die sich aufrichtig für ihren besten Freund freute. »Wurde aber auch Zeit!«
Schwul war er nicht, da hätte er sich ihr schon längst anvertraut, dessen war sie sich sicher. Er war auch keine schlechte Partie, war großzügig, nett, hatte eine romantische Ader und sah für einen Computernerd wirklich gut aus, wenn man auf verstrubbelten Charme und Dreitagebärte stand. Sogar die Brille von früher war inzwischen Kontaktlinsen gewichen.
Doch Rufus schien ihre Freude nicht ganz zu teilen. »Weißt du, ich habe nachgedacht. Du schienst mit deinem Michael ja lange glücklich, und dann plötzlich …«
»Das ist etwas völlig anderes«, sagte Josie entschieden, ohne ihn ausreden zu lassen. »Du bist nicht ich. Ich habe einen Fehler gemacht. Michael war mein erster richtiger Freund. Ich bin gleich mit ihm zusammengezogen und habe gedacht, er wäre mein Traumprinz, aber wahrscheinlich war ich nur verblendet von den ganzen Liebesschnulzen, die ich gelesen habe. Aber die hören ja meistens in dem Moment auf, in dem die Paare zusammenfinden, und man unterstellt einfach, dass sie danach glücklich bis an ihr Lebensende sind, so wie im Märchen. Aber wenn man erst einmal zusammenlebt, ist nicht automatisch immer alles wunderbar. Man muss miteinander reden und an seiner Beziehung arbeiten. Ich hätte viel früher merken müssen, dass etwas nicht stimmte.«
»Siehst du. Genau deshalb möchte ich sicherstellen, dass mir nicht dasselbe passiert. Wenn ich heirate, dann will ich sicher sein, dass sie wirklich die Richtige für mich ist, für immer und ewig.«
»Wie romantisch«, seufzte Josie. Ihrem besten Freund gönnte sie die ganz große Liebesgeschichte. »Erzähl mir von ihr, wie heißt sie, wie ist sie so, was macht sie …?«
Rufus schwieg einen Moment, dann sagte er schnell, fast wie auswendig gelernt: »Sie heißt Helena, ist achtundzwanzig, lebt in Vancouver, arbeitet in einer Anwaltskanzlei und setzt sich für die Rechte von Kindern ein. In ihrer Freizeit organisiert sie Charity-Events und engagiert sich für den Umweltschutz.«
»Sie klingt perfekt«, meinte Josie beeindruckt. Er brauchte jemanden, die nicht ständig an seinem Rockzipfel klebte und Ansprüche stellte, und Helena schien genau das zu sein. Beruflich erfolgreich und privat engagiert. Zwar hatte er nicht von Liebe gesprochen, aber in dieser Beziehung trug Rufus sein Herz auch nicht auf der Zunge. Josie war sicher, dass er Helena liebte, sonst würde er niemals daran denken, sich an sie zu binden. »Würdest du dann nach Vancouver ziehen?«
»Das haben wir noch nicht besprochen.« Fast klang es, als weiche er ihr aus.
»Du verschweigst mir irgendetwas, oder? Gibt es ein Problem?«
Rufus fuhr sich mit den Fingern durch die Haare, sodass er noch verstrubbelter aussah als vorher. »Wie man′s nimmt. Vielleicht ist sie ja perfekt, aber ich bin es nicht?«
»So ein Unsinn, du bist wunderbar«, widersprach Josie. »Jede Frau sollte sich glücklich schätzen, dich an ihrer Seite zu haben.«
Er schwieg einen Moment und schaute weg, dann richtete er seine Augen auf sie und fragte: »Würdest du mir beibringen, was einen guten Ehemann ausmacht?«
Josie schluckte. »Ich glaube nicht, dass ich das kann. Mein Ex war jedenfalls ein Griff ins … du weißt schon.«
»Gerade deshalb! Dann weißt du schon mal, wie man sich als Mann nicht verhalten sollte. Du bist eine Frau, du musst doch wissen, was Frauen sich wünschen.«
»Einen dominanten Milliardär, der sie abgöttisch liebt und ihnen die Welt zu Füßen legen will und dabei auch vor Mord nicht zurückschreckt.«
Rufus schien perplex. »Das ist es, was Frauen wollen?«
»Na ja, zumindest, wenn es nach den aktuellen Bestsellern geht.«
Um Rufus′ Mundwinkel zuckte es. »Verstehe. Nun, das ist doch schon mal ein Anfang. Du weißt bestimmt, wie der Mann deiner Träume sein soll. Was du dir wünschst, und was du dir nicht wünschst. Du hast so viel gelesen, du kannst mir bestimmt helfen. Bitte.«
Sie las tatsächlich viel, aber ihr Wissen war ja gerade deshalb eher theoretischer Natur. »Wie hast du dir das denn vorgestellt, soll ich dir via Skype aus Beziehungsratgebern vorlesen?«
Rufus lachte. »Nein, ich dachte, du kommst einfach für eine Weile her. Wir erkunden ein bisschen die Gegend, und du gibst mir Nachhilfe, was Frauen sich von Männern wünschen. Bitte, Josie, meine allerallerallerbeste Freundin, ich brauche dich.«
Leicht hyperventilierend hatte Josie ihren Job, das Arbeitsamt, ihre Familie und noch ein halbes Dutzend andere Gründe vorgeschoben, weswegen sie unmöglich nach Kalifornien kommen konnte, die Rufus aber alle entkräftet hatte.
»Du weißt doch, dass ich nicht so spontan bin wie du«, jammerte sie. »Außerdem bin ich wirklich alles andere als eine Männerexpertin. Ich kann dir nur sagen, dass sich Liebesgeschichten mit dominanten Helden momentan sehr gut verkaufen.«
Rufus hatte zunächst eingelenkt, nur um sie mit seiner nächsten Bitte völlig aus dem Konzept zu bringen: »Dann hilf mir wenigstens, zu testen, ob ich ein dominanter Held sein kann und ob sie die Richtige für mich ist. Schließlich willst du nicht, dass dein bester Freund die falsche Frau heiratet, oder?«
Sie war doch sonst nicht so spontan.
Aber Rufus′ Argumente waren einfach zu gut gewesen. Nur deshalb saß sie jetzt in einem Flieger nach San Francisco.
Rufus hatte das Ticket für sie besorgt, weil er argumentiert hatte, dass schließlich sie diejenige sei, die ihm einen Gefallen tue.
Es war also nicht nur Urlaub, sondern sie war auf einer Mission. Einer wichtigen Mission für ihren besten Freund!
Angeblich hatte er noch genug Bonusmeilen gehabt, die ansonsten verfallen wären. Deshalb saß sie auch in der Business Class. Auf einem Sitz, der sich so flach stellen ließ, dass man darin liegen konnte, und mit einer Videoauswahl, die größer war als bei Michaels Kabelanbieter.
Seit ihrem Auszug hatte sie ihren Ex-Freund nicht mehr gesehen. Nicht, dass sie ihn bewusst gemieden hätte, aber sie hatten schon immer andere Tagesrhythmen und Interessen gehabt. Das wurde ihr erst jetzt so richtig bewusst.
Im Prinzip war Michael ihr erster richtiger Freund gewesen. Zwar war sie im ersten Ausbildungsjahr ein paar Wochen mit einem Italiener namens Fabio zusammen gewesen, der in der Eisdiele gegenüber der Buchhandlung arbeitete. Aber erstens hatten sie nie zusammengelebt, und zweitens hatte er neben ihr noch etwa ein halbes Dutzend andere Freundinnen gleichzeitig, wie sie schnell erfahren musste.
Ein Muster, das sich mit Michael nun zu wiederholen schien. Konnten Männer grundsätzlich nicht treu sein, oder konnten sie nur ihr nicht treu sein?