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Der Milliardär Will Cameron ist nicht nur atemberaubend, sondern unwiderstehlich! Die Juwelierin Bella, kann sich kaum darauf konzentrieren, seinen berühmten Familienschmuck zu schätzen. Stattdessen fragt sie sich, wie es sich wohl anfühlt, von ihm geküsst zu werden. Lustvoll? Erregend? Als Will sie in seinem Wagen mitnimmt, erhält sie die Antwort: Verlangend umarmt er sie und küsst sie so leidenschaftlich, dass sie sich wie berauscht fühlt. Bis sie schockiert entdeckt, dass er ein Frauenheld ist. Aber sie will keinen Mann für gewisse Stunden, sondern für ein ganzes Leben!
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Seitenzahl: 204
Lucy King
Ein Mann für gewisse Stunden?
IMPRESSUM
JULIA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH
© 2012 by Lucy King Originaltitel: „Say It With Diamonds“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London in der Reihe: MODERN ROMANCE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIABand 192012 - 2012 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Grit Wölten
Fotos: Masterfile
Veröffentlicht im ePub Format im 09/2012 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86494-246-4
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Bella, meine Süße,
Alex hat einen Geschäftsfreund – Single, sehr gut aussehend, intelligent, stinkreich – der dich gern kennenlernen möchte. Ich weiß, du stehst nicht auf Blind Dates, aber ich kenne ihn und finde, ihr würdet perfekt zusammenpassen. Was meinst du?
Phoebe
PS: Was hast du eigentlich für deinen Geburtstag geplant?
Wie lange würde sie brauchen, um „Nur über meine Leiche“ zu schreiben? fragte Bella sich, während sie die E-Mail zum zweiten Mal las und dann einen Blick auf die Uhr warf.
Ihr blieben noch zehn Minuten bis zu ihrem Zweiuhrtermin. Sie lehnte sich zurück und schüttelte fassungslos den Kopf.
Auf welchem Planeten lebte Phoebe? Du stehst nicht auf Blind Dates war die größte Untertreibung des Jahrhunderts.
Wie konnte ihre angebliche Freundin all die Nächte einfach ausblenden, in denen sie gemeinsam Bellas Blind Dates der vergangenen sechs Monate analysiert hatten?
War es tatsächlich möglich, dass Phoebe diesen ekligen Mann vergessen hatte, der beim Sprechen so stark spuckte, dass sich Bella jedes Mal wie geduscht fühlte? Oder den, der den ganzen Abend nur mit ihrem Dekolleté zu reden schien? Ganz zu schweigen von jenem Typen, der sie in ein Restaurant eingeladen hatte, nur um gleich klarzustellen, dass sie getrennt bezahlen würden, und unmittelbar nach dem Essen seinen Taschenrechner herausgezogen hatte.
Phoebe war eindeutig im Moment nicht zurechnungsfähig. Kein Wunder – schließlich schwebte sie im siebten Himmel und plante gerade ihre Hochzeit mit Alex.
Stirnrunzelnd ignorierte Bella die schmerzhafte Eifersucht, die sie erfasste, als sie an Phoebes stürmische Romanze dachte, die nun in einer unendlichen Glückseligkeit mündete. Zugegeben, auch sie selbst würde gern eine Familie gründen – insbesondere, nachdem sie ihre eigene Kindheit mit einer unsteten, immer nach Abenteuern Ausschau haltenden Mutter verbracht hatte, die ständig in der Panik lebte, ihre besten Jahre könnten bald vorbei sein. Dennoch war Bella nicht verzweifelt und hoffnungslos. Jedenfalls noch nicht so verzweifelt.
Und außerdem, überlegte sie kritisch, wenn dieser Freund von Alex wirklich so gut aussehend, klug und reich war, wie Phoebe sagte – warum war er dann noch zu haben? Was stimmte nicht mit ihm?
Und ihre Frage nach einer Geburtstagsfeier war lächerlich. Was gab es da schon zu feiern?
Als sie fünfundzwanzig war, hatte sie jemand gefragt, wo sie in zehn Jahren sein wolle. Unbekümmert hatte sie geantwortet, in zehn Jahren werde sie einen lukrativen Job haben, einen Ehemann, Familie und die Sicherheit, nach der sie sich immer gesehnt hatte. Und es waren ihr für keine Sekunde Zweifel daran gekommen, dass diese Wünsche in Erfüllung gehen würden.
Aber es hatte nicht geklappt. Hier stand sie nun, fünfunddreißig und noch immer Single, und am Horizont zeichnete sich nicht einmal der Schatten eines Freundes ab. Geschweige denn der Klang von Hochzeitsglocken und das Patschen nackter Kinderfüße. Deshalb gab es überhaupt keinen Grund, diese Niederlage auch noch zu feiern.
Am liebsten hätte Bella sich auf den Boden geworfen und hemmungslos geheult. Was war nur schiefgegangen? Sie sah recht gut aus. War interessant und witzig. Und außerdem nicht mit Dummheit geschlagen. Warum also war sie allein?
Dabei war sie gar nicht so extrem wählerisch. Es war ihr nicht wichtig, dass ein Mann volles Haar hatte oder einen Waschbrettbauch. Sie erwartete kein grandioses Feuerwerk oder spektakulären Sex. Und sie legte keinen Wert auf Urlaube in Fünfsternehotels oder Einladungen in die besten Restaurants der Welt.
Alles, was sie wollte, war ein Mann, der zu ihr stand. Und der treu war. Nun ja, das schränkte die Wahl vielleicht ein wenig ein. Aber war es wirklich zu viel verlangt?
Seufzend stützte Bella die Ellbogen auf den Schreibtisch, legte ihr Kinn in die Handflächen und dachte über ihre Situation nach.
Vielleicht wurde sie tatsächlich langsam zu pingelig. Für eine Frau Mitte dreißig wuchsen die Männer nicht auf Bäumen. Man musste jede Gelegenheit ergreifen, die sich ergab. Doch nach einer Serie von Fehlgriffen und Nieten hatte sie beschlossen, aus diesem Spiel auszusteigen.
Der Traum von einer Familie, den sie seit ihrer Kindheit hegte, würde sich nicht erfüllen.
Hmm. Vielleicht sollte sie nicht ganz so skeptisch sein und diesem Freund von Alex doch eine Chance geben. Sie hatte nichts zu verlieren, und eine misslungene Verabredung würde sie nicht gleich verzweifeln lassen.
Wahrscheinlich sollte sie ihrer Freundin sogar dankbar sein, dass sie nicht locker ließ, statt Phoebe zu verdammen. Sie richtete sich auf und beschloss, positiv zu denken. Vielleicht war dieser Freund von Alex genau ihr Traummann.
Entschlossen spreizte sie die Finger. Dann drückte sie auf „Antworten“, schrieb etwas wie „Hört sich gut an“ und „Einen Versuch ist es wert“ und schickte die E-Mail ab.
Nur den Bruchteil einer Sekunde später hörte sie die Türglocke.
Aha.
Bella sprang auf. Das würde ihr Zweiuhrtermin sein, und der erwartete eine erfahrene Goldschmiedin, die sich bestens mit Schmuck und Edelsteinen auskannte, und keine missmutige Frau voller Selbstmitleid.
Sie straffte die Schultern, setzte ein freundliches Lächeln auf und trat aus dem hinteren Büro in den Laden. Dann blieb sie abrupt stehen. Ihr Herz setzte aus.
Wow.
Der Mann, der vor der gläsernen Eingangstür wartete, sah einfach atemberaubend gut aus. Er war groß, ein dunkler, breitschultriger Typ. Sein marineblauer Mantel stand offen, sodass sie darunter einen hellblauen Pullover und einen dunkleren Schal sehen konnte. Dazu trug er lässige Jeans. Sein gebräunter Teint stammte ganz sicher nicht von der Londoner Oktobersonne.
Bella schluckte. Schon als sie mit ihm telefoniert hatte, war seine Stimme ihr durch Mark und Bein gegangen. Doch sie hatte nicht erwartet, dass der Mann selbst die gleiche Wirkung auf sie haben würde. Die Erfahrung sagte ihr eher, dass sexy Telefonstimmen im wirklichen Leben immer enttäuschend waren. William Cameron aber war genauso attraktiv, wie sein männlich markanter Tonfall versprochen hatte.
Und er war ungefähr in ihrem Alter, schätze sie, während sie sofort überlegte, ob er wohl noch zu haben sei.
Als ihre Blicke sich trafen, richtete er sich zu voller Größe auf und schenkte ihr den Ansatz eines Lächelns. Bellas Mund war sofort wie ausgetrocknet. Ihre Knie wurden weich, sie erschauerte, und gleichzeitig wurde ihr heiß. Es war, als brächte allein der Anblick dieses Mannes alles in ihr zum Schmelzen.
Etwas ungeduldig hob er die Brauen, schenkte ihr ein weiteres kurzes Lächeln, als ahne er, was in ihr vorging, und drückte erneut die Klingel.
Das Geräusch brachte Bella unsanft wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Sie zwinkerte kurz und versuchte, sich zusammenzureißen.
Sehr gut, Bella. Genau so benimmt man sich im Geschäftsleben. Man lässt die Kunden möglichst lange vor der Tür stehen und starrt sie an. Das ist äußerst professionell.
Entschlossen ging sie hinter den Verkaufstresen und hoffte nur, der Fremde könne keine Gedanken lesen.
Guter Gott!
Er musste kein Hellseher sein, um zu wissen, was gerade mit ihr geschah. Ein einziger Blick auf ihr Gesicht würde genügen, wie sie im Spiegel auf dem Tresen sah: Ihre Wangen waren gerötet und ihre Pupillen geweitet.
Wahrscheinlich war das genau der Grund, warum sie keinen Mann abbekam, dachte sie, während sie unter die Arbeitsplatte griff und den Türöffner bediente. Vielleicht konnte sie einfach zu schlecht verbergen, wenn ihr jemand gefiel. Oder sie sandte unbewusst Signale aus, dass sie dringend einen Mann suchte. Himmel! Das wäre entsetzlich! Sie unterdrückte einen Schauer und straffte sich.
Vermutlich wäre es am besten, nicht jeden Mann, dem sie begegnete, gleich als potenziellen Lebenspartner zu betrachten, überlegte sie. Insbesondere Kunden. Egal, wie gut sie aussahen. Dann atmete sie tief durch und lächelte freundlich, als er die Eingangstür aufstieß.
Kühl distanziert und höflich, das war es, was von ihr erwartet wurde. Die vollendete Geschäftsfrau. Aber das war hart.
Bella vertiefte ihr Lächeln, als sie auf Cameron zuging. Zu jedem Schritt musste sie sich zwingen, denn es schien ihr, als sei der Laden zu klein für sie beide. Sie hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, und eine Schrecksekunde lang befürchtete sie, die Besinnung zu verlieren. Sie drückte die Knie durch, nahm einen tiefen Atemzug und hoffte inständig, er werde nicht merken, wie sie sich fühlte.
Ohne die trennende Glastür zwischen ihnen war seine Wirkung auf sie noch beeindruckender. Sein kurz geschnittenes Haar glänzte tiefschwarz wie ein Obsidian, die Augen erinnerten an dunkelblaue Wassersaphire, die Wangenknochen waren markant und wie in Marmor gemeißelt. Ein würziger Duft von Sandelholz umgab ihn.
Sie spürte, wie das Blut heiß in ihren Adern pulsierte. Zu gern hätte sie gewusst, ob sein Körper tatsächlich so schlank und muskulös war, wie er aussah.
Oh Gott. Der Mann war nicht nur atemberaubend, sondern unwiderstehlich.
So viel also dazu, kühl, distanziert und höflich zu sein, dachte Bella, während sie versuchte, seiner Anziehungskraft zu widerstehen. Stattdessen fühlte sie sich von unanständigen Gedanken geplagt und konnte kaum einen klaren Gedanken fassen.
Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und verriegelte sich automatisch mit einem Surren. Er erstarrte und wurde kaum merklich blasser unter seiner Sonnenbräune. Kurz fragte sich Bella, warum, doch dann spürte sie seinen Blick auf ihrem Körper.
Er musterte sie von oben bis unten, langsam ließ er den Blick über ihr Gesicht wandern, ihre Brüste, die Taille und noch tiefer. Dann verzog er die Lippen zu einem wissenden Lächeln und lenkte damit ihre Aufmerksamkeit auf seinen Mund. Sie fragte sich, wie es sich anfühlen mochte, von diesem Mann geküsst zu werden. Und sie ertappte sich dabei, dass sie genau das wollte. Heiß. Hart. Fordernd.
Eine plötzliche Woge der Lust ließ sie taumeln. Sie machte zwei Lidschläge und versuchte, die Kontrolle wiederzuerlangen. Sie musste damit aufhören. Gut, sie hatte nichts gegen eine Beziehung. Und ja, sie hatte gerade beschlossen, jede Chance zu ergreifen. Aber sich vorzustellen, einen Kunden hier im Laden zu vernaschen, führte eindeutig zu weit.
Etwas zu spät erinnerte sie sich daran, dass sie schließlich kein alberner Teenager mit Herzklopfen war. Sie räusperte sich und hob den Kopf. „Guten Tag“, sagte sie und streckte ihm die Hand hin. „Bella Scott.“
„Will Cameron“, erwiderte er, ergriff ihre Hand und schüttelte sie.
Seine volltönende, unerträglich lässige Stimme ließ sie erneut erschauern. Ihre Finger kribbelten von der Berührung.
Nur ihr Geschmackssinn funktionierte noch einwandfrei, und auch das konnte sich schnell ändern. Sie musste nur einen kleinen Schritt machen, sich auf die Zehenspitzen stellen und ihn küssen. Ihm die Arme um den Nacken legen, sich an ihn schmiegen, ihre Zunge zwischen seine Lippen gleiten lassen. Dann würde sie herausfinden, ob seine Küsse wirklich so heiß und fordernd waren, wie sie vermutete.
Ach, das ist verrückt, sagte sie sich, bemüht ihre Fassung zu bewahren. Einer Ohnmacht nahe, atmete Bella tief ein.
„Bitte“, sagte sie und deutete auf den Sessel vor dem Verkaufstisch. Dabei hoffte sie, ihre Hand werde nicht zittern. „Setzen Sie sich doch.“
Will Cameron nahm Platz und lehnte sich zurück. Er schien unendlich viel Raum zu beanspruchen und – was noch viel schlimmer war – den gesamten Sauerstoff in der Luft. „Danke, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich haben.“
„Kein Problem“, versicherte sie schnell.
Oh doch, es war durchaus ein Problem. Sie konnte kaum atmen in seiner Gegenwart. Im Nachhinein wünschte sie sich, sie hätte ihm gesagt, so kurzfristig sei leider kein Termin mehr frei.
Tatsächlich hatte sie im Moment viel zu tun. Seit eines ihrer Colliers im vergangenen Jahr auf einer hochkarätig besetzten Modenschau Aufsehen erregt hatte, war die Nachfrage nach ihren Schmuckstücken so groß, dass sie die Aufträge kaum mehr schaffte. Doch Will Camerons Stimme klang am Telefon so vielversprechend, dass sie ihm einfach nicht absagen konnte. Sie hatte wissen müssen, ob der Rest dieses Mannes hielt, was seine Stimme versprach.
„Sie sagten, dass Sie gern einige Stücke schätzen lassen möchten?“, lenkte sie das Gespräch gleich auf das Geschäftliche.
„Das stimmt.“
„Um die Versicherungssumme festzulegen?“
„Nein, es sind Erbstücke.“
„Oh, das tut mir leid“, murmelte sie.
Er zuckte die Schultern und verzog den Mund zu der Andeutung eines Lächelns. „Nur eine der vielen Formalitäten, die man in einem Todesfall erledigen muss.“
Die verwandtschaftlichen Beziehungen gingen sie in diesem Fall nichts an. Und außerdem interessierte sie sich brennend dafür, was er ihr zeigen wollte. Denn auch wenn sie mittlerweile eine gefragte Schmuckdesignerin war, galt ihre Vorliebe immer noch der Edelsteinkunde.
„Darf ich sie sehen?“, fragte sie und konnte die Aufregung kaum verbergen.
Er griff in seine Jackentasche, zog etwas hervor, beugte sich zu ihr und präsentierte es ihr auf der offenen Handfläche.
Als sie den Schmuck betrachtete, stockte ihr der Atem.
Guter Gott.
Die unglaubliche Schönheit des Ringes zog sie so sehr in ihren Bann, dass sie kaum bemerkte, wie ein Beben durch ihren Körper fuhr, als ihre Finger kurz seine Hand berührten.
Fasziniert drehte sie das Schmuckstück erst in die eine Richtung, dann in die andere. Ehrfürchtig seufzte sie. Nie zuvor hatte sie so etwas Großartiges gesehen. Der Diamant war im Smaragdschliff, also achteckig, geschliffen und hatte eine Einfassung aus Platin. In diesem Moment brach die Sonne durch die dunkle Wolkendecke und sandte ihre sanften Strahlen durch die Schaufenster, sodass das Edelmetall hell glitzerte.
Bella schätzte den Stein auf mindestens drei Karat. Und so ungehindert, wie das Licht sich in ihm brach, musste er lupenrein sein.
„Nun, was meinen Sie?“
Ja! dachte sie mit klopfendem Herzen. Oh ja! Falls – nein, wenn – sie sich verlobte, wollte sie genau so einen Ring bekommen.
„Er ist wunderschön“, sagte sie leise. Ein Hauch von Wehmut hatte sich in ihre Stimme gemischt, ohne dass sie es verhindern konnte.
„Das ist mir, ehrlich gesagt, ziemlich egal“, erwiderte Cameron ungeduldig. „Mich interessiert nur der Wert.“
Entsetzt hob Bella den Blick, und in Sekundenschnelle zerplatzte ihr Traum wie eine Seifenblase. Was? Wie konnte ein Mensch, der auch nur den Hauch eines Gefühls in sich trug, von dieser makellosen Schönheit unberührt bleiben?
Sie riss sich zusammen. Was er für diesen Ring empfand, musste sie nicht interessieren.
Schließlich war er hier, um den Schmuck schätzen zu lassen, und nicht, um eine Lehrstunde über Edelsteine über sich ergehen zu lassen. Und so unwirsch, wie er jetzt wirkte, wollte er ganz sicher nicht ihre Meinung dazu hören, dass die Schönheit des Schmucks den materiellen Wert bei Weitem übertraf.
Vermutlich war er vollkommen gefühllos, überlegte sie, während sie nach der Lupe griff und sie sich ans Auge hielt. Die harte, markante Linie seiner Kinnpartie war zweifellos ein Zeichen dafür. Tatsächlich wirkte er leicht zynisch, und wenn das zutraf, war er ganz eindeutig nicht ihr Typ, so gut aussehend er auch sein mochte.
Sie widmete ihre volle Konzentration dem Ring. Bewegte ihn zwischen den Fingern. Neigte ihn ins Licht. Beäugte ihn prüfend. Holte ihn ganz nah an die Lupe heran. War plötzlich verwirrt und hielt inne. Hmm. Das war seltsam.
Vielleicht stimmte etwas mit der Lupe nicht. Oder mit ihren Augen. Möglichweise lag es auch einfach an dem Bewusstsein, dass Will Cameron jede ihrer Bewegungen beobachtete. Jedenfalls fühlten sich ihre Finger plötzlich dick und unbeweglich an, ihr Kopf war wie mit Watte gefüllt.
„Stimmt etwas nicht?“
Eine ganze Menge. Sie senkte die Lupe und sah ihn an, hoffend, dass er nicht in ihrer Miene lesen konnte. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich mir den Ring noch etwas genauer ansähe?“
„Natürlich nicht.“
Bella nahm ihren Prüfstein heraus und rieb den Ring vorsichtig daran. Dann gab sie einen Tropfen Flüssigkeit hinzu und beobachtete, was geschah. „Haben Sie noch mehr dabei?“
Er nickte, griff erneut in die Jackentasche und legte mehrere Schmuckstücke vor sie auf den Tisch. Dabei rutschten seine Ärmel ein Stückchen hoch. Mit trockenem Mund sah Bella seine muskulösen Unterarme, gebräunt und überzogen von feinen dunklen Härchen. Bisher hatte sie sich nie besonders für die Handgelenke eines Mannes interessiert. Doch in diesem Moment änderte sich das gerade.
Unwillkürlich betrachtete sie seine Hände und stellte sich vor, wie er ihren Körper damit erkundete, sie streichelte, verwöhnte. Wie er mit diesen schlanken, dunklen Fingern jeden Zentimeter ihrer Haut erforschte. Der Gedanke war so real, dass Bellas Puls raste.
Oh, sie musste damit aufhören. Noch nie zuvor hatte sie sich so leicht ablenken lassen. Insbesondere nicht, wenn es um Juwelen ging. Und gerade jetzt, nach dieser Entdeckung, konnte sie es sich nicht leisten, unachtsam zu sein.
Sie zwang ihre volle Konzentration auf die Erbstücke, die es zu begutachten galt.
Himmel, jedes einzelne Schmuckstück war einzigartig. Und ein Vermögen wert, wenn sie echt waren.
„Darf ich?“, fragte sie und sah ihn kurz an.
„Selbstverständlich.“
Sie nahm eine Art déco-Brosche mit Saphiren und Diamanten und hielt den Atem an. Dann legte sie das Stück zurück und ließ ein Collier aus Gold und Smaragden durch die Finger gleiten. Sie fühlte sich seltsam erregt, wie ein Kind im Bonbonladen. Nie zuvor hatte sie derart schön gearbeitete Schmuckstücke gesehen. Wenn Will Cameron noch mehr davon besaß, war diese Sammlung von unschätzbarem Wert.
Vorausgesetzt, ihre Vermutung erwies sich als falsch.
Nachdem sich der erste Sturm der Begeisterung gelegt hatte, griff Bella nach einer präziseren Lupe und überprüfte die restlichen Stücke.
Mit jedem von ihnen machte sie die gleichen Tests. Sie nahm sich Zeit, denn ihr war klar, dass sie ganz sicher gehen musste und keine Zweifel haben durfte.
Aber sie zweifelte. Wenn auch nur ein bisschen. Denn mit jedem Augenblick sank ihr Mut ein wenig mehr.
Nachdem sie das letzte Stück zurückgelegt hatte, seufzte sie. Sie wusste nicht, wessen Enttäuschung schwerer wiegen mochte – ihre, weil die Illusion eines unsagbaren Schatzes zerplatzt war, oder Wills, der geglaubt hatte, ein Vermögen machen zu können.
„Nun?“, hakte er nach und hob eine Augenbraue.
„Ich kann Ihnen den Wert der Stücke nicht sagen“, begann sie. Zumindest nicht den Wert, den er erwartete.
„Warum nicht?“
Es gab keinen Ausweg. Keine Möglichkeit, die Wahrheit in schöne Worte zu kleiden. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht zu den Männern gehörte, die den Überbringer schlechter Nachrichten erschossen.
Sie atmete tief durch und sah ihn direkt an. „Die Stücke sind gefälscht.“
Gefälscht?
Will erstarrte. Unmöglich. Das konnte nicht sein. Er musste sich verhört haben. Wahrscheinlich, weil Bella ihn die ganze Zeit schon irritierte. Sie brachte ihn völlig aus dem Konzept.
Von dem Moment an, als er sie gesehen hatte, wie sie stocksteif vor ihm stand und ihn anstarrte, hatte ihr Anblick sein Blut in Wallung gebracht. Ihr dunkles, langes Haar, ihr Körper in diesem figurbetonten Kostüm, die kniehohen Stiefel – alles an ihr hatte ihn vollkommen verzaubert.
Nachdem sie sich endlich gerührt und ihm die Tür geöffnet hatte, musste er die Übelkeit verdrängen, die ihn stets überkam, sobald er hörte, wie ein Riegel hinter ihm einschnappte. Er hatte sich gezwungen, sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Und das war sie.
Seit er seinen Blick über ihre verlockenden Kurven hatte schweifen lassen, begehrte er sie. Und dieses Verlangen war noch stärker geworden, als er bemerkt hatte, wie eine feine Röte ihre Wangen überzog und für einen kurzen Moment ein Ausdruck der Lust in ihren Augen aufgeflackert war.
Als er ihre Hand nahm, hüllte ihr Duft ihn ein und raubte ihm das Gleichgewicht. Es hatte ihn unendlich viel Selbstbeherrschung gekostet, sie nicht in die Arme zu ziehen und gleich auf dem Tresen hier zu vernaschen.
Nachdem er diesen primitiven Instinkt unterdrücken konnte, überlegte er, sie zum Essen einzuladen. Die letzten Monate hatte er damit verbracht, die Vermögensverhältnisse seines Vaters zu regeln, und er sehnte sich nach ein bisschen Abwechslung und der unverbindlichen Gesellschaft einer Frau.
Daran war nichts Ungewöhnliches. Will mochte die Frauen, und sie mochten ihn. Momentan war er ungebunden, und er genoss es, heiße, kurze Affären zu haben. Alles andere war für ihn undenkbar.
Nein, das einzig Ungewöhnliche war Bellas Reaktion. Zu seinem Ärger hatte sie ihr Verlangen, das er unmissverständlich in ihrem Blick erkannt hatte, niedergekämpft und sich zurückgezogen.
Doch das war nicht nur ungewöhnlich, sondern rätselhaft. Und ausgesprochen enttäuschend, denn er konnte sich kaum noch erinnern, wann er das letzte Mal eine gegenseitige Anziehung in dieser Intensität gespürt hatte.
Natürlich ließ er sich niemals anmerken, wenn eine Frau ihm gefiel. Schon vor Jahren hatte er gelernt, sich nicht in die Karten schauen zu lassen.
Vielleicht beherrschte er sich mittlerweile sogar ein bisschen zu perfekt, überlegte er stirnrunzelnd, während er sich in dem Sessel zurücklehnte. Denn an der Art, wie Bella den Kopf neigte und die Augenbrauen hob, erkannte er eindeutig, dass sie auf ein Signal von ihm wartete.
Er fuhr sich mit der Hand übers Kinn und konzentrierte sich wieder auf die Fakten: Es ging hier nicht um eine Verführung oder eine Dinnereinladung, sondern darum, dass die Schmuckstücke, die er aus dem Safe genommen hatte, Fälschungen waren.
Wie zur Hölle konnte das sein? Der Schmuck war über Jahrzehnte angesammelt worden. Generationen von Männern seiner Familie hatten ihre Frauen mit den kostbarsten Edelsteinen verwöhnt. Und obwohl sie alle lausige Ehemänner gewesen waren, hatten sie mit Sicherheit nur die besten Stücke ausgewählt.
Er stützte sein Kinn auf. „Fälschungen?“, wiederholte er.
Bella nickte. „Die Einfassungen und das gesamte Edelmetall sind echt und original erhalten. Aber die Steine sind falsch.“
„Sind Sie sicher?“
„Ziemlich. Sehen Sie hier.“ Sie hielt ihm den Verlobungsring hin, den sein Vater seiner Mutter geschenkt hatte, und beugte sich vor.
Unwillkürlich wollte Will sich zurücklehnen, doch das hätte so ausgesehen, als sehe er in ihr eine Bedrohung, und das war absurd. Auch wenn ihre Nähe seine Haut prickeln und brennen ließ.
Er zwang sich, den Blick auf den Ring zu lenken und nicht auf die verlockenden Bewegungen ihres Mundes. Konzentriert hörte er ihr zu. „Der Glanz ist eine Spur zu matt, und das Licht wird im falschen Winkel reflektiert. Natürlich muss ich den Schmuck noch ganz genau prüfen, aber ich bin sicher, es handelt sich um Zirkonia.“
Eine seltsame Ruhe überkam ihn, als er ihre Worte hörte. Wie konnte das passieren? Soweit er wusste, hatte der Schmuck seit Jahren unangetastet im Safe gelegen. „Wann?“
„Das lässt sich nicht genau sagen. Aber die Fassungen sehen so aus, als seien sie erst vor Kurzem bearbeitet worden. Vielleicht etwa vor einem Jahr.“
Zähneknirschend lehnte er sich zurück und vergewisserte sich, dass seine Miene ausdruckslos blieb. Es ging nicht um die Schmuckstücke an sich, und auch der Wertverlust spielte nicht wirklich eine Rolle. Aber die Tatsache, dass ihn jemand übervorteilt hatte, war entscheidend. Er war der Treuhänder dieses Vermögens, und deshalb musste er herausfinden, wer ihn wann betrogen hatte und in welchem Ausmaß.
„Es tut mir leid“, sagte sie, und in ihrem Blick lag eine mitleidige Freundlichkeit, die er nun wirklich nicht brauchte.
Will widerstand dem Impuls, den gesamten Plunder einfach in den Mülleimer zu stopfen, und steckte den Schmuck stattdessen zurück in seine Manteltasche. „Ich gehe davon aus, dass Sie diesen Vorfall vertraulich behandeln.“
Bella nickte. „Natürlich.“
„Gut. In diesem Fall möchte ich Sie bitten, sich auch den Rest der Kollektion anzusehen.“
„Es gibt noch mehr?“
Ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen, und als Will die kleinen glitzernden Pünktchen auf ihrer Iris entdeckte, vergaß er für einen Moment alles andere. Sofort dachte er an die vielen Schmuckkästchen, die noch im Safe lagen, und fragte sich, wie Bellas Urteil ausfallen mochte. „Oh ja, einige mehr.“
„Wann soll ich sie mir ansehen?“
„Sofort?“