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HEUTE ABEND - UND FÜR IMMER? von KING, LUCY Erst überrascht Zoe den Fremden an der Bar mit einem sündhaft heißen Kuss. Dann fleht sie ihn an: "Spielen Sie für einen Abend die Liebe meines Lebens!" Natürlich nur, um ihre ehemaligen Mitschülerinnen beim Klassentreffen zu beeindrucken - nicht weil er sie magisch anzieht … IM BETT MIT DEM EX? von KING, LUCY Silvester ohne Mann, denkt Lily ungehalten und nimmt noch einen Schluck Champagner. Schuld daran ist ihr unvergesslicher Exmann Kit, der ihr auch nach fünf Jahren nicht aus dem Kopf geht. Doch ausgerechnet er klopft kurz vor Mitternacht an die Tür … das Feuerwerk beginnt! NOCH EINMAL DIESES FIEBER SPÜR'N von KING, LUCY Vor vielen Jahren hat Marcus Black ihr das Herz gebrochen. Dennoch will sich Celia ihrem Jugendschwarm heute hingeben - und ihn dann für immer vergessen. Doch die heiße Nacht mit dem Playboy hat ungeahnte Folgen, die ihr Leben komplett auf den Kopf stellen …
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Seitenzahl: 581
Lucy King
JULIA COLLECTION BAND 105
IMPRESSUM
JULIA COLLECTION erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
Zweite Neuauflage in der Reihe JULIA COLLECTIONBand 105 - 2017 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg
© 2013 by Lucy King Originaltitel: „The Reunion Lie“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Michaela Koch Deutsche Erstausgabe 2014 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 242014
© 2014 by Lucy King Originaltitel: „One Night with Her Ex“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Michaela Koch Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 012015
© 2014 by Lucy King Originaltitel: „The Best Man for the Job“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l. Übersetzung: Michaela Koch Deutsche Erstausgabe 2015 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg,in der Reihe JULIA, Band 082015
Abbildungen: Valua Vitaly / Shutterstock, alle Rechte vorbehalten
Veröffentlicht im ePub Format in 03/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733709358
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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In den zweiunddreißig Jahren ihres Lebens hatte Zoe Montgomery kein einziges Mal mit dem Gedanken an Selbstmord gespielt. Doch wenn sie an diesem Abend noch einmal die Frage hören sollte, ob sie einen Ehemann und Kinder hätte, und noch einmal den mitleidigen Blicken begegnen, weil sie diese Frage mit ‚Nein‘ beantwortete, dann würde sie wohl zu einer verzweifelten Maßnahme greifen. Höchstwahrscheinlich zu einer Flasche Gin.
Kümmerte es irgendjemanden, dass sie und ihre Schwester seit fünf Jahren jedes Jahr zwei Millionen Pfund Umsatz mit ihrer eigenen Testkaufagentur machten? Nein, nicht im Geringsten. Interessierte sich irgendjemand dafür, dass Zoe zu Geld gekommen war, weil sie eine winzige Eigentumswohnung in einem der aufstrebenden Stadtviertel Londons selbst renoviert hatte und daraufhin ein Angebot erhielt, das ihr die doppelte Summe des Kaufpreises einbrachte? Oder dass sie inzwischen in einer riesigen Maisonettewohnung in Hoxton lebte? Natürlich nicht. Und was war mit ihrem Doktortitel, an dem sie fünf lange, aber glückliche Jahre gearbeitet hatte? Entlockte er irgendjemandem hier eine Geste der Bewunderung? Nicht einmal annähernd.
Die ungefähr vierzig Frauen, die sich zum Klassentreffen anlässlich ihres fünfzehnjährigen Schulabschlusses in dieser Bar versammelt hatten, nahmen einzig und nur scheinbar bestürzt zur Kenntnis, dass Zoe alleinstehend und kinderlos war.
Sie biss die Zähne zusammen und tröstete sich mit einem Schluck lauwarmem Chablis, während die Frauen um sie herum in ein eifriges Gespräch über Hauspreise in den besten Wohngegenden Londons und der Toskana vertieft waren.
Warum sie jemals angenommen hatte, dass ihre Schulkameradinnen sich ändern könnten, wusste sie in diesem Augenblick nicht mehr. Bereits damals im Internat hatten die meisten von ihnen auf ein Leben an der Seite eines Aristokraten mit riesigem Anwesen und beträchtlichem Bankvermögen hingearbeitet. Den vielen doppelten Nachnamen, Titeln und Diamanten nach zu urteilen, die an diesem Abend zur Schau gestellt wurden, hatten Zoes ehemalige Mitschülerinnen jedes ihrer Ziele mit Bravour erreicht.
Zoe seufzte schwer. All das Geld, das in die Schulbildung dieser Frauen investiert worden war. All das ungenutzte geistige Potenzial. All das vergeudete Talent und Können. Es grenzte an eine Tragödie.
Ebenso wie dieser ganze Abend.
Zoe war erst eine Viertelstunde hier, doch bereits nach fünf Minuten war ihr klar gewesen, dass es so gut wie keine Chance für sie gab, heute Abend das zu tun, was sie sich seit fünfzehn Jahren gewünscht hatte.
Als die E-Mail mit der Einladung zum Klassentreffen vor einem Monat in Zoes Postkasten eingetroffen war, war ihr erster Impuls gewesen, die Nachricht zu ignorieren. Denn obwohl sie an ihrer Privatschule einen hervorragenden Unterricht genossen hatte und ihren Eltern auf ewig für die finanziellen Opfer zugunsten ihrer Ausbildung danken würde, hatte sie nie wirklich an diese Schule gepasst. Mit den meisten ihrer Mitschülerinnen hatte sie absolut keine Gemeinsamkeiten, und dank einigen der Mädchen war Zoes Leben während der sieben gemeinsamen Schuljahre die Hölle auf Erden gewesen. Und so hatte sie erst einmal beschlossen, die Einladung und ihre Klassenkameradinnen aus ihren Gedanken zu verbannen.
Nur so konnte sie sich wieder auf das konzentrieren, worin sie am besten war: auf ihre Arbeit. Sie vergrub sich in einen Berg von statistischen Analysen für einen der wichtigsten Klienten ihrer Firma. Ein paar Tage später war sie so vertieft in die Welt der Zahlen und Schlussfolgerungen, dass sie eigentlich alles andere hätte vergessen sollen. Eigentlich.
Doch zu ihrer großen Bestürzung geschah das nicht. Im Gegenteil: Die Einladung hatte für Zoe die Büchse der Pandora geöffnet. All die Angst, das hormonelle Chaos und die schmerzlichen Erinnerungen an alte Zeiten kamen plötzlich zurück und erweckten die längst vergangenen Schultage jede Nacht in Zoes Träumen zum Leben.
Egal, wie sehr sie versuchte, sich gegen ihre Panikattacken zu wehren oder sie zu unterdrücken: Sie konnte sich auf nichts mehr konzentrieren. Die Ereignisse jener schrecklichen Jahre holten sie mit erbarmungsloser Wucht ein. Und so befand sie sich unvermittelt an einem Ort, den sie lange und aus gutem Grund gemieden hatte: auf dem Pfad der Erinnerung, wo emotionale Narben zu neuen Wunden aufbrachen.
Einmal dort angekommen, konnte ihr keine auch noch so interessante statistische Analyse über das Leid hinweghelfen, das sie während ihrer Schulzeit erlitten hatte.
Das Mobbing hatte mit Kleinigkeiten begonnen. Bücher, die Zoe im Unterricht gebraucht hätte, waren auf sonderbare Weise verschwunden, Telefonnachrichten und Briefe für sie nicht weitergegeben worden, und irgendjemand hatte Gerüchte gestreut, dass sie eine Lesbe war, sodass die zwölf Mädchen, mit denen Zoe einen Schlafsaal teilte, sie in die hinterste Ecke des Raumes verbannten, ihr argwöhnische Blicke zuwarfen und über sie tuschelten.
Ein paar Wochen später jedoch hatte man ihr die abfälligen Bemerkungen über sie und ihre Familie direkt ins Gesicht gesagt und sich in aller Öffentlichkeit darüber lustig gemacht, dass Zoe und ihre Schwester auf Stipendien angewiesen waren, weder eine Stadtvilla noch einen pompösen Landsitz ihr Zuhause nannten, ihre Ferien nicht wie die Mitschülerinnen im Sommer auf Barbados und im Winter in der Schweiz verbrachten und noch nie an so ehrwürdigen Orten wie Ascot, Glyndebourne oder Henley gewesen waren.
Zuerst hatte Zoe die Zähne zusammengebissen und versucht, die Schikanen zu ignorieren. Sie hatte sich immer wieder gesagt, dass der Terror bald aufhören würde, wenn sie sich einfach auf das Lernen konzentrierte und die anderen mit ihren Leistungen beeindruckte. Dass ihre Klassenkameradinnen dann der dummen Streiche überdrüssig wären und sie in Ruhe lassen würden.
Doch nichts davon passierte. Dass Zoe die Boshaftigkeiten der anderen Mädchen tatenlos hinnahm, hatte alles nur noch schlimmer gemacht, und das Mobbing war von emotionalen Angriffen zu körperlichen übergegangen.
Während der vergangenen Wochen hatte Zoe beinahe den Eindruck, noch einmal die blauen Flecken und die Blutergüsse zu spüren, die man ihr in der Schule durch heimliches Treten und Zwicken zugefügt hatte. Und irgendwo in ihrem Kopf hörte sie noch immer das Geräusch der Schere, mit der man ihr eines Nachmittags, als sie konzentriert über ihre Bücher gebeugt war, ihren langen, glänzenden Pferdeschwanz abgeschnitten hatte.
Hauptsächlich jedoch verfolgten Zoe die Ereignisse der schrecklichen Nacht kurz vor ihrem Abitur, als sie ein einziges Mal versucht hatte, sich zu wehren. Mit dem Erfolg, dass die Mädchen sie gefesselt und ihr mit Gewalt Ouzo eingeflößt hatten. Irgendwann war Zoe vom Hausmeister gefunden worden, als sie um Mitternacht über das Schulgelände stolperte, singend – so laut und so schlecht sie konnte. Daraufhin hatte die Rektorin sie vom Unterricht suspendiert.
Ihre Schuljahre waren also für Zoe ganz sicher nicht die schönste Zeit ihres Lebens gewesen, und obwohl sie mittlerweile darüber hinweggekommen war, stand ein Abend mit einer Brigade ehemaliger Mitschülerinnen ganz unten auf der Liste ihrer liebsten Freizeitgestaltungen.
Irgendwann im Laufe der vergangenen Woche war jedoch ihre felsenfeste Überzeugung, dem Klassentreffen ohne Konsequenzen fernbleiben zu können, ins Wanken geraten. Denn je mehr sie darüber nachdachte, was ihr in der Schule zugestoßen war, desto mehr bedauerte sie die Tatsache, nichts dagegen unternommen zu haben. Auch wenn sie ihre Eltern während der Zeit im Internat nur selten gesehen hatte – irgendjemandem in der Schule hätte sie sich mit Sicherheit anvertrauen können.
Warum nur hatte sie nichts gegen die Tyrannei unternommen? Was sagte das über sie aus? Als Selbstzweifel und Scham in ihr aufstiegen und drohten, sie zu erdrücken, sah sie ein Bild ihres sechzehnjährigen Ichs vor sich, das sie inständig bat, einen Ruf wiederherzustellen, der niemals hätte geschädigt werden dürfen.
Geh dorthin und zeige es ihnen, bat die Stimme in ihrem Kopf mit immer größerer Dringlichkeit. Zeige ihnen, dass du etwas aus dir gemacht hast und dass sie deinen Glauben an dich selbst und deinen Lebensmut nicht zerstören konnten, auch wenn sie es immer wieder versucht haben. Zeige ihnen, dass sie dich nicht besiegt haben.
Zoe hatte versucht, die Stimme zu ignorieren. Sie hatte sich immer wieder eingeredet, dass sie vor langer Zeit mit dem, was in der Schule passiert war, abgeschlossen hatte. Außerdem verabscheute sie Konflikte, Small Talk und gesellschaftliches Beisammensein, und die Kombination dieser drei Martyrien würde ihr wahrscheinlich den Rest geben. Dennoch wollte die kleine Stimme in ihr nicht verstummen, und so beschloss Zoe, dass sie es ihrer verlorenen Jugend zumindest schuldig war, sich dem Wiedersehen mit ihren Klassenkameradinnen zu stellen.
Also hatte sie dem Organisationskomitee eine E-Mail geschickt und geschrieben, dass sie ihre beruflichen Termine verschieben konnte. Ein paar Tage später hatte sie sich – getrieben von Adrenalin und Kampfgeist – ein kurzes schwarzes Abendkleid und High Heels angezogen, die ihr das Selbstbewusstsein geben sollten, das ihr inmitten von Menschenmengen generell abhandenkam. Und statt ihre Freizeit wie gewöhnlich zu Hause, im Pyjama und vor dem Computer zu verbringen, befand sie sich an diesem Donnerstagabend im späten September in einem Pub in einem der schicksten Stadtviertel Londons.
Wenn sie jedoch geahnt hätte, dass die Dinge nicht annähernd so laufen würden wie geplant und dass sie ekelhaften warmen Wein trinken würde, während sie endlosen ‚Weißt du noch, früher‘- Geschichten zuhören musste, die ihr vor Augen führen sollten, dass sie von damals bis heute eine Versagerin war, dann wäre sie wohl niemals zu diesem Treffen erschienen.
Zoe trank ihr Weinglas in einem Zug leer und presste die Lippen zusammen. Sie wusste, dass sie nicht versagt hatte. Sie hatte viel mehr erreicht als die meisten Frauen ihres Alters, und sie war stolz darauf.
Was war schlimm daran, dass sie nicht verheiratet war und keine Kinder hatte? Es war ebenso egal wie die Tatsache, dass sie keinerlei Glück an der Beziehungsfront hatte. Sie hatte einen Beruf, der ihr riesigen Spaß machte, unterstützende und liebevolle Eltern und eine großartige Schwester. Und natürlich hatte sie die eine oder andere Verabredung mit Männern, doch sie brauchte ganz sicher keinen Ehegatten, um ihrem Leben einen Sinn zu geben. Und was Nachwuchs betraf, so war sie sich nicht einmal sicher, ob sie das Chaos und den Trubel, den Kinder verursachten, überhaupt haben wollte.
Nein, sie war vollkommen zufrieden mit ihrem Leben, und deshalb gab es keinen Grund für Traurigkeit. Keinen Grund, sich minderwertig oder unzulänglich zu fühlen. Keinen Grund, sich von den Äußerungen einer Gruppe engstirniger Frauen den Abend verderben zu lassen.
Und doch …
Während die Frauen um sie herum damit fortfuhren, Zoes Erfolge als bedeutungslos abzutun und sich stattdessen der intergalaktischen Leistung zuwandten, einen Ehemann und Kinder zu haben, fühlte Zoe, wie ihr Adrenalin und ihr Selbstvertrauen schwanden und dieselbe Verzweiflung zurückließen, die sie vor fünfzehn Jahren in der Schule gespürt hatte.
Was sie eigentlich heute Abend tun wollte, war, Vergeltung für das zu üben, was sie erlitten hatte. Sie wollte die Mädchen beeindrucken, die ihr das Leben zur Hölle gemacht hatten, und Bewunderung für ihre Karriere spüren. Doch nichts davon hatte geklappt. Sie hätte nur durch einen großartigen Ehemann beeindrucken können – den sie jedoch nicht annähernd vorweisen konnte.
Die geplante Vergeltung schien also ebenso wenig in Reichweite wie vor fünfzehn Jahren. Es war Zoe nicht möglich, ihren Ruf wiederherzustellen, und niemand warf ihr bewundernde oder gar neidische Blicke zu.
Zoe musste sich eingestehen, dass nicht nur ihre Mitschülerinnen die Gleichen geblieben waren. Auch sie selbst hatte sich nicht verändert! Denn trotz all ihrer Auszeichnungen und beruflichen Erfolge und der Selbstsicherheit, die sie dadurch erlangt hatte, ließ Zoe sich immer noch von der Meinung dieser überprivilegierten und verbitterten Hausfrauen beeinflussen. Sie waren noch immer in der Lage, Zoes Selbstbewusstsein zu ruinieren – allein durch ihre Mimik mit den spitzen Lippen und hochgezogenen Augenbrauen.
Dass sie nicht über die Tyrannei ihrer Schulzeit hinweggekommen war, erwies sich als niederschmetternde Entdeckung für Zoe. Sie spürte, wie sich ihre Atemwege verkrampften und ein Anflug von Panik über sie kam.
Warum war alles immer noch wie früher? Warum war es ihr immer noch wichtig, was diese Frauen dachten? Würde sie sich jemals ändern? Und gab es irgendetwas, das sie tun könnte, um endlich zurückzuschlagen?
Das Gespräch, das sich zwischenzeitlich um biologische Uhren und bedauernswerte Karrierefrauen ohne Lebenspartner drehte, wurde von Blicken in Zoes Richtung untermalt. Und Zoe fühlte noch einmal ein letztes Aufbegehren von Adrenalin in sich. Ob es am Wirrwarr fünfzehn Jahre alter Emotionen lag, an ihrer Panik oder dem Kontrollverlust, wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass ihr Herz so heftig hämmerte, dass es sich beinahe überschlug. Dass das Blut in ihren Ohren so laut rauschte, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Und dass sie sich selbst mit einer ihr vollkommen fremden Stimme sagen hörte: „Wer hat gesagt, dass ich keinen Freund habe?“
Wenn er geahnt hätte, dass sein sonst so seriöser und ruhiger Lieblingspub an diesem Abend von einer schnatternden Schar teuer gekleideter, unerträglich lauter Frauen in Beschlag genommen war, hätte Dan einen anderen Ort vorgeschlagen, um Pete zu treffen. Er war erst wenige Minuten hier, und schon war ihm übel von den Schwaden verschiedener Parfums, die durch die Luft waberten. Der Lärmpegel bereitete ihm Kopfschmerzen. Nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen netten Abend mit einem alten Freund, den er seit Monaten nicht gesehen hatte.
Da Pete ihm jedoch eine SMS geschickt hatte, in der er schrieb, dass er später käme und Dan ihn seitdem nicht mehr erreichen konnte, sah er keine andere Möglichkeit, als sich mit einem Bier zu bewaffnen, in der äußersten Ecke des Pubs an einem Tisch zu warten und zu versuchen, den Lärm und die stickige Luft zu überleben, bis Pete kam. Und dann würden sie gemeinsam die Flucht antreten.
Mit diesem Ziel vor Augen zog Dan seine Jacke aus, krempelte die Ärmel seines Hemdes hoch und bahnte sich seinen Weg an einen einsamen Fenstertisch. Er hatte den Blick so starr auf sein Ziel gerichtet und war so fest entschlossen, die Frauen und den Lärm um ihn herum zu ignorieren, dass er zu spät bemerkte, wie eine von ihnen ihn mit großen Augen ansah und lächelte. Dann stellte sie ihr Getränk auf den Tresen, löste sich aus der Menge und lief auf Dan zu.
Er konnte kaum glauben, was passierte, als sie plötzlich vor ihm stand und ihm den Weg versperrte, bevor sie ihm ein weiteres verführerisches Lächeln zuwarf, das Dan unmöglich ignorieren konnte.
Er wollte ein ‚Dürfte ich bitte weitergehen‘ murmeln und sich dann schnell an ihr vorbeidrücken. Er wollte nicht darüber nachdenken, warum sie ihn anstrahlte, als wäre er ein Held. Dan war fest entschlossen, diese attraktive Frau mit dem hellblonden Haar und den dunklen Augen keines zweiten Blickes zu würdigen.
Sie jedoch schlang im selben Moment ihre Arme um seinen Hals und schmiegte ihren Körper an seinen, um ihm dann einen Kuss zu geben, der einzig und allein für ein privates Treffen in seinem Schlafzimmer angemessen gewesen wäre.
Weiter konnte Dan nicht denken. Eine Schockwelle ergriff von seinem Körper Besitz, lähmte seinen Verstand und setzte beinahe jede seiner Nervenzellen in Flammen. Einen Augenblick lang konnte er sich nicht einmal bewegen. Doch als ihm bewusst wurde, dass er den weichen Körper einer wunderschönen Frau an seiner Brust spürte, die über seinen Nacken und durch sein Haar streichelte und dort, wo sie ihn berührte, die Verwüstungsspur eines Lauffeuers hinterließ, schienen seine Sinne Achterbahn zu fahren.
Für den Bruchteil einer Sekunde wollte er seine Arme um die schöne Fremde schlingen und sie noch fester an sich ziehen. Er wollte seinen Instinkten und dem Verlangen nachgeben, das durch seine Blutbahnen rauschte, seinen Mund öffnen und diese Frau richtig küssen, um sie noch mehr zu spüren und zu schmecken.
Während der Pub vor seinen Augen zu verschwimmen begann und Dan seine Hände beinahe automatisch um die Taille der blonden Schönheit schloss, konnte er sich kaum noch davon abhalten, seine Sehnsucht zu stillen. Plötzlich jedoch nahm er aus dem Augenwinkel etwas wahr, das das Gefühlsfeuerwerk in seinem Körper abrupt beendete. Die Hitze in seinen Adern verschwand, als hätte man ihn soeben mit einem Eimer eiskalten Wassers übergossen.
Wie unter Schock versuchte Dan zu verstehen, was hier gerade geschah. Dann starrte er ungläubig auf die junge Frau in seinen Armen. Was um alles in der Welt tat er hier? Warum hatte er nicht früher nachgedacht? Hatte er denn aus seiner letzten Beziehung, deren Details auf den Titelseiten aller englischen Boulevardblätter gelandet waren, überhaupt nichts gelernt?
Dan löste sich aus den Armen der Unbekannten und stieß sie von sich. Er konnte nicht fassen, dass er kurz davor gewesen war, in eine Falle zu tappen. Keine Frau würde sich einem Fremden an den Hals werfen, wenn nicht irgendeine Belohnung für sie heraussprang.
Er starrte auf die Blondine, die nun einen Schritt von ihm entfernt stand. Sein Magen verkrampfte sich bei dem Gedanken, dass er noch vor wenigen Sekunden die Wärme ihres hinreißenden Körpers gespürt hatte. Er musterte ihr schwarzes, tief ausgeschnittenes Minikleid und ihre Beine, die durch ein Paar sexy High Heels einfach endlos wirkten. Viel zu deutliche Bilder schossen plötzlich durch Dans Kopf. Bilder, auf denen die hübsche Blondine ihre Beine um ihn schlang, damit er sich noch ein wenig besser mit ihrem Körper vertraut machen könnte.
Doch das würde nicht passieren. Er sah ihr mit düsterem Blick ins Gesicht, fest entschlossen, sie nicht erraten zu lassen, was er sich in diesem Moment wünschte. Es war egal, wie attraktiv diese Frau war. Es war egal, wie fantastisch sich ihr Körper angefühlt hatte. Doch es war nicht egal, was sie soeben getan hatte.
„Wer zur Hölle sind Sie?“, fragte Dan grimmig. „Und was um alles in der Welt tun Sie hier?“
Nun, das ist wohl tatsächlich die Frage des Jahrhunderts. Zoe starrte auf den Mann, den sie erblickt, auserwählt und einfach geküsst hatte. Sie hatte das Gefühl, als fließe Strom durch ihren Körper, seit sie ihre Arme um seinen Hals geschlungen und ihren Mund auf seinen gedrückt hatte. Um die Wahrheit zu sagen: Sie befand sich in einer Situation, in der sie sich selbst nicht mehr wiedererkannte, und sie hatte keine Ahnung, was sie hier eigentlich tat. Und das war ziemlich beunruhigend für jemanden, der normalerweise ein Leben führte, das von Rationalität und Besonnenheit geprägt war.
Für einen Moment zog sie in Betracht, ihre mittlerweile überdimensionale Lüge auf den Alkohol zu schieben, den sie an der Bar getrunken hatte. Doch das wäre nicht fair. Sie hatte ja nur ein Glas Wein gehabt, und unter normalen Umständen vertrug sie drei, bevor sie die Wirkung des Alkohols spürte.
Nein. Die Wahrheit war, dass sie in derselben Sekunde, in der sie ihren fabelhaften erfundenen Freund erwähnte, eine abrupte Änderung im Verhalten ihrer ehemaligen Mitschülerinnen bemerkt hatte. Endlich widmeten sie Zoe ein wenig Aufmerksamkeit. Und so wurde sie von einer Sintflut aus Freude, Triumph und Erleichterung überschwemmt, die sie zu ungeahnten Taten bewegt hatte.
Natürlich wollten ihre früheren Klassenkameradinnen detaillierte Informationen über den hinreißenden, brillanten, feinfühligen Mann haben, der so unsterblich in Zoe verliebt war. Argwöhnisch stellten sie ihr eine Fangfrage nach der anderen, und Zoe war durch diese lang ersehnten Anzeichen der Bewunderung in eine Art Rauschzustand versetzt worden, in dem sie aus dem Nichts eine perfekte Lügengeschichte zauberte.
Sie dachte nicht darüber nach, dass sie sich in ihren eigenen Unwahrheiten verstricken könnte. Und dass sie dann wirklich in der Patsche sitzen würde. Sie erzählte – mit veränderten Hauptdarstellern – einfach die Geschichte der Wirbelwindromanze zwischen ihrer Schwester und deren Exmann. Zwar hatte Lilys Ehe in einer hochdramatischen Scheidung geendet. Doch der Anfang war wirklich romantisch gewesen.
Natürlich waren die Bewunderung und der Neid, die plötzlich von ihren Klassenkameradinnen ausgingen, inhaltsleer, geistlos und obendrein völlig unbegründet. Doch es fühlte sich so gut an, von diesen Frauen zum ersten Mal als ebenbürtig betrachtet zu werden. Den Balsam auf ihrem verletzten Selbstbewusstsein zu spüren. Und diese Frauen eifersüchtig zu machen. Besonders erfreulich war es, das gequälte Lächeln von Samantha Newark zu sehen. Die Haupttyrannin aus Zoes Schulzeit hatte zwar inzwischen ihren Namen in Herzogin von Shipley geändert, ihr straßenköterblondes Haar in Platinblond umfärben lassen und ihre Stehkragenblusen gegen Designerkleider eingetauscht, doch sie war noch immer dieselbe Zicke wie vor fünfzehn Jahren.
Und auch wenn es voreilig, verrückt und ziemlich armselig gewesen war, einen Freund zu erfinden, war Zoe dankbar, dass ihre Lüge ihr an diesem Abend einen Höhenflug bescherte, den ihre beruflichen Erfolge ihr verwehrt hatten.
Was also war dann geschehen? Was hatte dafür gesorgt, dass Zoe völlig den Verstand verlor? Samantha, die über sie gespottet und gesagt hatte, dass ihr Freund viel zu gut klang, um wahr zu sein? Ein trügerisches Sicherheitsgefühl? Die Tatsache, dass Zoe selbst begann, ihre erfundene Geschichte zu glauben? Oder war es einfach Wunschdenken gewesen?
Was auch dahintersteckte – es war ein Fehler. So viel stand fest. Bereits, als die Worte „Oh, da ist er ja!“ aus ihr hervorsprudelten, hatte eine kleine Stimme in ihrem Kopf Zoe inständig gebeten, aufzuhören. Das berauschende Triumphgefühl war einem Anflug von Panik und Verzweiflung gewichen, der Zoe in einen Zustand völliger Fassungslosigkeit über ihre unkontrollierbare Lüge versetzte.
Als sie ihn entdeckt hatte, wusste sie nicht einmal, ob er geeignet war. Sie hatte nicht einmal wirklich erfasst, wie er aussah, doch da er ungefähr einen Kopf größer war als all die anderen Menschen im Pub, war er schlichtweg der erste Mann, der ihr auffiel. Als sie dann sein dunkles Haar und sein schönes Gesicht bemerkte und ihr klar wurde, dass er zumindest die Eigenschaft ‚hinreißend‘ aus ihrer Erzählung in jedem Punkt erfüllte, verlor sie keine Sekunde länger Zeit und lief zu ihm.
Die Idee, diesen Mann zu küssen, war ihr erst in den Sinn gekommen, als sie direkt vor ihm stand. Denn in diesem Moment wurde Zoe zugleich heiß und kalt, und ihre Hände begannen zu zittern. Sie war sich noch für einen kurzen Augenblick der Tatsache bewusst, dass sie auf seinen Mund starrte und sich wünschte, seine Lippen auf ihren zu spüren.
Und wäre es nicht die natürlichste Sache der Welt gewesen, ihn zu küssen, wenn er tatsächlich ihr Freund gewesen wäre? Also spielte Zoe ihre Rolle, schlang ihre Arme um seinen Hals und drückte ihre Lippen auf seine.
Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie den Eindruck, dass er sie ebenfalls küssen wollte. Doch dann stieß er sie von sich. Nicht gerade ein vielversprechender Anfang. Wenn Zoe ganz ehrlich war, hatte sie allerdings nichts anderes erwartet. Sie hätte ja im umgekehrten Fall das Gleiche getan.
Trotzdem war jetzt nicht der geeignete Zeitpunkt für Einsicht und Reue. Sie hatte sich für ihn entschieden und konnte nicht einfach weiter nach einem anderen falschen Freund suchen. Und sie konnte auch nicht mehr davonlaufen.
Letztendlich war alles, was sie jetzt tun konnte, an das Gute im Menschen zu appellieren, diesem Mann ihre Zwangslage zu erklären und zu hoffen, dass er Mitleid mit ihr haben und helfen würde.
„Also?“, fragte Dan, der sich inzwischen sicher war, dass Zoe ihre Schweigeminute für das Zurechtlegen einer verschlagenen Antwort genutzt hatte.
„Mein Name ist Zoe Montgomery“, sagte sie leise und blickte zu ihm auf. Dann schenkte sie ihm ein umwerfendes Lächeln, das Dan sich nur damit erklären konnte, dass sie wahrscheinlich mit ihrem Kuss ein kleines Vermögen verdient hatte. Doch zu seiner Überraschung sah sie ihm in diesem Moment direkt in die Augen und fügte hinzu: „Aber was ich hier tue, frage ich mich selbst bereits seit einer halben Stunde.“
Dan starrte sie mit zusammengekniffenen Augen an. Das Lächeln dieser Frau war weder berechnend noch schadenfroh. Im Gegenteil. Es schien ihm direkt in die Seele zu leuchten. Oder war das nur die Auswirkung des Kusses? Zweifellos stand Dans Verstand noch immer unter Schock. Er musste sich wirklich zusammenreißen, um diesem Lächeln nicht zu verfallen. „Vielleicht könnten Sie es mir trotzdem erklären“, entgegnete er unvermittelt.
Der schroffe Tonfall seiner Aufforderung wirkte. Mit Erleichterung nahm Dan zur Kenntnis, dass Zoe Montgomerys Lächeln verschwand und ein trauriger Blick in ihre Augen trat. „Ich bin nicht sicher, ob Sie es verstehen werden.“
„Versuchen Sie es trotzdem.“
„Sie haben jedes Recht, wütend auf mich zu sein“, sagte sie mit einem resignierten Schulterzucken. „Ich hätte Sie niemals derart überfallen dürfen. Es tut mir sehr leid.“
Dan biss die Zähne zusammen und versuchte, nicht darauf zu achten, dass die Träger des schwarzen Abendkleides bei der entschuldigenden Geste über die Schultern seiner hübschen Gesprächspartnerin gerutscht waren. „Es wird Ihnen noch mehr leidtun, wenn etwas davon in irgendeiner Zeitung endet.“
Sie runzelte die Stirn. „Was?“
„Das Foto des Kusses“, fügte er tonlos hinzu und kämpfte gegen die Hitze an, die erneut durch seine Blutbahnen schoss, als er sich daran erinnerte, wie warm und weich sich diese Frau in seinen Armen angefühlt hatte. „Oder Ihre Lügengeschichte.“
Ihr Mund stand offen, und sie blickte ihn fassungslos an. „Woher wissen Sie davon? Ich habe mir das Ganze doch erst vor zwei Minuten ausgedacht.“
„Erfahrung.“
Sie zog fragend die Augenbrauen hoch. „So etwas ist Ihnen schon öfter passiert?“
„Einmal.“ Das war in Dans Augen mehr als genug. Schnell verdrängte er die düsteren Gedanken an die Enttäuschung und den Verrat, denen er im schäbigen Spiel seiner letzten Exfreundin blind erlegen war. „Ich werde dafür sorgen, dass Sie keinen Cent dafür bekommen. Meine Anwälte werden noch in der nächsten halben Stunde eine einstweilige Verfügung gegen Sie und Ihren Fotografen erheben.“
„Welchen Fotografen?“
Dan blickte sich suchend nach dem Teleobjektiv einer Kamera um, doch da keiner der Pubbesucher das geringste Interesse an ihm, Zoe Montgomery oder ihrem Kuss zeigte, war der Fotograf offensichtlich bereits geflüchtet.
Was jedoch nicht bedeutete, dass er nicht hier gewesen war.
„Ihre Unschuldsmiene passt nicht zu einer Frau, die wie ein verführerischer gefallener Engel aussieht“, sagte Dan grimmig und musterte sein Gegenüber noch einmal.
Zoe Montgomerys Augen verdunkelten sich, und ihre Wangen färbten sich rot, während sie mit geöffneten Lippen tief Luft holte. „Sie finden, dass ich wie ein verführerischer gefallener Engel aussehe?“, wiederholte sie atemlos.
Mit ihrem seidigen blonden Haar, ihren schokobraunen Augen und Kurven, die man beinahe mörderisch nennen konnte, fand Dan eigentlich, dass sie wie ein wahr gewordener Traum aussah. Zu seiner Bestürzung sah er vor seinem geistigen Auge ziemlich mitreißende Bilder der hübschen Blondine, auf denen sie in seinem Bett lag und ihn darum bat, unanständige Dinge mit ihr zu tun, während er durch ihr goldenes Haar strich, das weich auf sein Kopfkissen fiel. Es schien Dan beinahe, als hörte er sie aufkeuchen, während er sich vorstellte, wie er sie in seine Arme zog und sie sich enger und enger an ihn presste.
Die Lebendigkeit dieser Bilder machte ihn ganz schwindelig, und beinahe hätte er vergessen, wie wütend er eigentlich auf diese Frau war. Beinahe, aber nicht ganz. „Mit den Moralvorstellungen einer skrupellosen Spionin“, fügte er sarkastisch hinzu, um sich selbst vor Augen zu halten, was hier eigentlich los war.
Sie wich einen hastigen Schritt zurück. „Übertreiben Sie nicht ein bisschen? Es war nur ein kleiner Kuss.“
Ja, richtig, dachte Dan, ziemlich schockiert über die Erkenntnis, dass seine stoische Selbstkontrolle in Gegenwart dieser Frau zu schwinden begann. „Für Ihren großen Auftritt im Rampenlicht!“
„Was?“ Sie musterte ihn besorgt. „Sind Sie sicher, dass es Ihnen gut geht?“
Nein, er war sich dessen überhaupt nicht sicher. Schon seit Monaten nicht mehr. Wahrscheinlich seit Jahren. Aber so etwas geschah eben, wenn man nicht nur ein Mal, sondern zwei Mal von Frauen verraten worden war, denen man blind vertraut hatte. Es war ganz natürlich, dadurch Zynismus und Argwohn zu entwickeln, die praktisch jede Entscheidung beeinflussten, die man in Bezug auf Frauen traf.
Dan holte tief Luft und fuhr sich dann mit beiden Händen durch sein dunkles Haar. Verhielt er sich hier gerade irgendwie peinlich und melodramatisch? Hatte er diesen Kuss tatsächlich vollkommen fehlinterpretiert?
Denn zum einen sah ihn Zoe Montgomery mit einer ungewöhnlichen Mischung aus Aufrichtigkeit, Besorgnis und Verwirrung an. Jetzt, wo er darüber nachdachte, glaubte er, in ihrem Blick auch einen Anflug von Panik zu erkennen. Sie musste schon eine extrem gute Schauspielerin sein, um all das überzeugend darzustellen. Ihre Emotionen schienen echt, obwohl Dan nach allem, was ihm bereits passiert war, vielleicht nicht gerade besonders begabt darin war, die Gefühle von Frauen einzuschätzen.
Und außerdem: Wenn alles, was sie wollte, ein Foto war, auf dem sie ihn küsste, hätte sie doch ihr Ziel bereits erreicht und wäre in diesem Moment bereits auf der Suche nach einem interessierten Reporter.
Also gab es vielleicht doch einen anderen Grund für ihr Verhalten. Vielleicht war es einfach ihre Art, Männer kennenzulernen. Oder vielleicht hatte sie sich auf den ersten Blick in ihn verliebt. Oder sie war einfach verrückt.
Das Aufleuchten eines Blitzlichtes erregte Dans Aufmerksamkeit. Er sah sich suchend im Raum um, bis sein Blick auf einen Gast auf der anderen Seite des Pubs fiel, der eine Kamera hochhielt, um mehrere Bilder von den lachenden und schnatternden Frauen an der Bar zu machen.
Und in diesem Augenblick wurde Dan klar, dass niemand hier auf Fotos von ihm oder der hübschen Blondine an seiner Seite aus war, dass keiner der Gäste als Paparazzo arbeitete und dass er tatsächlich alles falsch verstanden hatte. Am liebsten wäre er im Erdboden versunken. Gott, vielleicht war er derjenige, der verrückt geworden war.
„Vergessen Sie es“, murmelte er, während er sich für einen kurzen Moment fragte, ob er wohl irgendwann in naher Zukunft professionelle Hilfe für seine Probleme mit Frauen bräuchte.
„Das kann ich nicht“, sagte sie und musste plötzlich lachen. „Wer sind Sie?“
„Dan Forrester“, antwortete er und wartete auf ein anerkennendes Nicken, ein Staunen oder Schmeicheleien, mit denen die Menschen normalerweise auf seinen Namen reagierten.
Doch nichts dergleichen passierte. Zoe Montgomery starrte Dan nur mit einem fragenden Blick in ihren wunderschönen Augen an.
„Ich möchte nicht unhöflich erscheinen“, sagte sie und musterte ihn dann verlegen. „Aber sollte mir Ihr Name irgendwie bekannt vorkommen?“
„Tut er das nicht?“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich fürchte nicht. Aber ich interessiere mich eigentlich für nichts außer meiner Arbeit, und wenn Sie nicht in irgendeiner Ausgabe von Significance erwähnt wurden, dann ist es gut möglich, dass Sie unter meinem Radar durchgerutscht sind.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Tut mir leid.“
„Significance?“
„Das ist eine Zeitschrift über Statistiken und Dateninterpretation. Mit wirklich fesselnden Beiträgen, wenn man auf diese Dinge steht. Wenn man nicht darauf steht, langweilt es einen wahrscheinlich zu Tode.“
„Und Sie stehen auf so etwas?“
Zoe Montgomery nickte. „Mein großes Laster. Ich bin Statistikerin. Und ich interpretiere, dass Sie meinen Kuss missverstanden haben.“
Als ihr Blick für einen kurzen Moment auf seinen Mund fiel, hätte Dan sie am liebsten in seine Arme geschlossen und sie noch einmal innig geküsst, um damit das Missverständnis so schnell wie möglich aufzuklären.
Er unterdrückte den Impuls und konzentrierte sich auf die Tatsachen. Vorsorglich jedoch vergrub er beide Hände tief in den Taschen seiner Jeans, damit sie keine Chance hatten, seinem Unterbewusstsein zu gehorchen. „Warum genau haben Sie mich geküsst?“
Sie blickte ihm direkt in die Augen. Dan hatte das Gefühl, dass sie zitterte, als sie erklärte: „Es war einfach nur Bestandteil meines Plans.“
„Welches Plans?“
„Des Plans, den ich vor fünf Minuten erstellt habe.“
„Sie haben das Ganze also gründlich durchdacht.“
Sie seufzte. „Ich wünschte, das hätte ich. Offen gestanden waren Sie nur eine Notlösung.“
„Was?“
Wieder traten Schatten in ihre Augen, und die Panik, die Dan bis eben nur ansatzweise zu erkennen glaubte, war jetzt unverkennbar. „Ich stecke ein bisschen in der Klemme und könnte gut Ihre Hilfe gebrauchen.“
Sogar ihre Stimme zitterte plötzlich, und ihr ganzer Körper wirkte angespannt. Dan blickte sie fragend an. Obwohl er wusste, dass es das Beste wäre, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden, schien es ihm, als wären seine Beine auf dem Boden des Pubs festgewachsen. Eine ungewöhnliche Verzweiflung ging von dieser Frau aus und zog Dan in ihren Bann.
„In was für einer Klemme?“, hörte er sich wie von weit weg fragen.
„Sehen Sie die Frauen dort drüben?“ Über Dans Schulter hinweg lächelte sie der feiernden Schar zu und winkte.
Als eine der Frauen vor Lachen aufkreischte, zuckte Dan zusammen. „Man kann sie nicht übersehen.“
„Ich weiß.“
„Sind Sie zusammen mit diesen Damen hier?“
„Es ist unser Klassentreffen.“
„Haben Sie Spaß?“ Dan selbst konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen als ein Klassentreffen. Er hatte seine Schulzeit gehasst.
Zoe zuckte zusammen. „Es ist furchtbar.“
„Weshalb sind Sie dann überhaupt gekommen?“
„Ich habe gehofft, dass es ein paar alte Wunden heilen würde.“
„Und?“
„Es klappt nicht.“
„Warum gehen Sie nicht einfach nach Hause?“
„Eine ausgezeichnete Idee.“ Zoe Montgomery seufzte und biss sich dann auf die Unterlippe. Unwillkürlich fiel Dans Blick auf ihren Mund. Wieder schossen Bilder von ihm und der jungen Frau durch seinen Kopf. Bilder, auf denen er ihre wunderschönen Lippen küsste.
„Sie denken sicher, dass das die vernünftigste Lösung wäre. Der einzig logische Ausweg. Doch mein gesunder Menschenverstand und meine Logik scheinen mich heute Abend im Stich zu lassen.“
Dan räusperte sich. Irgendwie konnte er das verstehen. Ihm ging es ja heute Abend nicht anders. „Tragisch.“
„Das ist es. So etwas ist mir noch nie passiert.“ Sie runzelte nachdenklich die Stirn. „Normalerweise küsse ich nicht einfach fremde Männer.“
„Gut zu wissen.“ Das war es wirklich. „Und was sollte das Ganze dann?“
Zoe Montgomery neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite und betrachtete Dan nachdenklich – fast so, als ob sie tief in ihrem Innersten mit sich selbst diskutieren würde, ob sie ihm noch mehr erzählen konnte. „Sind Sie jemals mit der großen Hoffnung, jemanden zu beeindrucken, zu einem Klassentreffen gegangen?“, fragte sie schließlich leise.
„Nein.“
„Nun … ich schon.“ Wieder seufzte sie. „Aber irgendwie interessiert es niemanden, was ich in meinem Berufsleben erreicht habe. All meine Klassenkameradinnen sprechen nur von Ehemännern und Kindern.“
Zu seiner großen Überraschung erweckten die Niedergeschlagenheit und Verzweiflung in Zoes Stimme aufrichtiges Mitgefühl in Dan. „Das klingt nicht gut.“
„Es ist schrecklich. Ich habe weder einen Mann noch ein Kind, und ich glaube, wenn ich heute Abend noch einziges Wort über Eliteschulen und Geigenunterricht für Babys höre, werde ich wahrscheinlich schreien.“
„Das überrascht mich nicht. Wer um alles in der Welt verlangt von Babys, dass sie Geige spielen?“
„Meine Klassenkameradinnen sind die größten Snobs aller Zeiten.“ Zoe schüttelte mutlos den Kopf.
„Warum wollen Sie sie dann beeindrucken?“
„Das ist eine lange und langweilige Geschichte“, sagte sie kaum hörbar. Dann straffte sie ihre Schultern und blickte entschlossen in Richtung der noch immer lachenden Frauen. „Die Kurzversion ist, dass ich nicht besonders beliebt in meiner Klasse war. Und dass ich mir nichts mehr wünsche, als diesen Zustand zu beenden.“
Dan merkte, wie er beinahe automatisch die Zähne zusammenbiss und seine Hände zu Fäusten ballte. So eine Geschichte war ihm nur allzu gut bekannt. Seine Schwester Celia war in der Schule ebenfalls tyrannisiert worden, und obwohl sie sich im Gegensatz zu Zoe schließlich aus diesem Zustand befreit hatte, quälte es Dan bis heute, dass er während ihrer gemeinsamen Schulzeit nie gemerkt hatte, was man seiner Schwester antat.
„Ich wollte heute Abend Vergeltung üben.“ Zoes Worte rissen Dan aus seinen Gedanken.
„Das verstehe ich. Sie dachten, es wäre ein guter Rachefeldzug, diesen Frauen zu zeigen, dass Sie etwas aus sich gemacht haben?“
„So ungefähr.“
„Wo liegt das Problem?“
Sie wurde rot, trat nervös von einem Fuß auf den anderen und holte tief Luft. „Die erwünschte Wirkung blieb aus.“ Zoe schwieg plötzlich. Dan bemerkte, wie sie zusammenzuckte.
„Und?“, hakte er vorsichtig nach.
„Und deshalb habe ich einen Freund erfunden.“
Fragend zog Dan die Augenbrauen hoch.
Zoes Wangen färbten sich dunkelrot.
„Warum?“
„Weil es der einzige Weg ist, meine Klassenkameradinnen zu beeindrucken. Ich weiß, dass so etwas armselig ist und dass ich wie die traurige Schülerin von vor fünfzehn Jahren wirke, aber … so ist es eben.“ Niedergeschlagen zuckte sie mit den Schultern.
„Hat es geklappt?“
„Bestens. Bis zu dem Punkt, wo sich die ganze Geschichte verselbständigt hat.“ Sie schüttelte den Kopf, als ob sie selbst kaum begreifen konnte, was gerade vor sich ging. „Sie haben sich verhalten wie eine Meute hungriger Hyänen. Erst fielen sie mit Hunderten von Fragen über mich her, und dann begannen sie, darüber zu diskutieren, ob ich die Liebe meines Lebens gefunden hätte.“ Sie verzog das Gesicht. „Wissen Sie, wie statistisch unwahrscheinlich es ist, irgendwann die Liebe seines Lebens zu finden?“
„Unglücklicherweise nicht.“
„Die Chance liegt bei eins zu zweihundertachtundfünfzigtausend.“
Dan lachte.
„Vielleicht haben meine Klassenkameradinnen deshalb behauptet, dass meine Geschichte zu gut klingt, um wahr zu sein. Also habe ich beschlossen, den nächstbesten mehr oder weniger annehmbaren Mann in diesem Pub darum zu bitten, mir zu helfen. Und der waren Sie. Mehr oder weniger.“
„Reizend“, kommentierte Dan trocken. Insgeheim jedoch musste er zugeben, dass er von Zoes Offenheit beeindruckt war.
Abermals zuckte sie mit den Schultern. „Es tut mir leid.“
„Zumindest sind Sie ehrlich.“ Das hatte Dan bisher nur bei wenigen Frauen erlebt.
„Wohl kaum“, entgegnete Zoe mit einem schwachen Lächeln. „Ich habe mich die letzten zehn Minuten schlimmer verhalten als Pinocchio. Die Sache ist ein wenig aus dem Ruder gelaufen. Deshalb habe ich Sie auch geküsst.“ Plötzlich zog ein Ausdruck des Entsetzens über Zoes Gesicht, und ihr Blick wanderte zu Dans linker Hand.
Dan las ihre Gedanken, noch bevor sie die Frage aussprach.
„Gott, Sie sind hoffentlich nicht verheiratet?“
„Nein.“ Sehr zum Leidwesen seiner Mutter.
„Haben Sie eine Freundin?“
„Im Moment nicht.“
„Oh, das ist gut.“
„Es ist vollkommen unwichtig.“
„Sie klingen zynisch.“
„Nur realistisch.“
Sie trat einen Schritt auf Dan zu und blickte ihn beinahe flehend an. Sie war ihm so nahe, dass er die zarten Nuancen ihres Parfums ausmachen konnte. Für einen Moment stand er ganz still und blickte Zoe an.
„Vielleicht sollten Sie eine neue Freundin haben.“
„Vielleicht sollte ich das.“
„Also?“, fragte sie leise. „Helfen Sie mir und spielen für einen Abend die Liebe meines Lebens?“
„Auf gar keinen Fall“, war die Antwort, die Dan reflexartig geben wollte. Doch irgendwie hielt Zoes hoffnungsvoller Blick ihn davon ab. Sie war keine Frau, die auf einen großen Auftritt im Rampenlicht aus war. Und die Geschichte, die sie ihm erzählt hatte, war viel zu kompliziert, um irgendetwas anderes als die Wahrheit zu sein. Ihrer seltsamen Bitte nachzukommen, war jedoch gefährlich.
Wenn nur ein Wort über diese erfundene Romanze an die Öffentlichkeit geriet, hätte das Folgen, über die Dan nicht einmal ansatzweise nachdenken wollte.
Und das nicht nur in Bezug auf die Presse.
Seit seinem dreißigsten Geburtstag hatte seine Mutter auf keine Gelegenheit verzichtet, ihm unter die Nase zu reiben, dass sie alle nicht jünger würden und dass sie folglich nur allzu gern Enkelkinder hätte, solange sie noch in der Lage war, die Zeit mit ihnen zu genießen. Dans Belastungsgrenze bezüglich dieses Themas war mittlerweile deutlich überschritten.
Wenn seine Mutter also etwas von einer neuen Romanze hören würde, wäre sein Leben mit einem Schlag unerträglich. Dan hörte Alarmglocken läuten, die ihm befahlen, auf dem schnellsten Weg zu verschwinden und Zoe alles Gute zu wünschen.
Doch die wenigen Minuten mit Zoe hatten ihn offenbar bereits um den Verstand gebracht. Als sie mit ihren braunen Augen zu ihm aufblickte, die von den dichtesten, dunkelsten Wimpern umrahmt waren, die er jemals gesehen hatte, konnte Dan nur noch daran denken, wie wunderbar sich diese Frau in seinen Armen angefühlt hatte. Jetzt wirkte sie einfach nur verzweifelt und verloren.
Dan hatte niemals zuvor diese Mischung aus Panik und inständigem Bitten im Blick einer Frau gelesen. Und das machte alle seine vernünftigen Absichten zunichte. Er verspürte plötzlich nur noch den merkwürdigen Wunsch, Zoe zu beschützen.
Vielleicht konnte er einen Weg finden, sie ohne großes Aufsehen aus ihrer Zwangslage zu befreien. Als er sah, wie sie sich immer wieder nervös auf die Unterlippe biss, traf ihn die Lösung aller Probleme dieses Abends beinahe wie ein Geistesblitz.
„In Ordnung“, sagte er und ignorierte die leise Stimme in seinem Kopf, die ihm noch immer zuflüsterte, dass er den Verstand verloren hatte, „Sie bekommen einen Kuss.“
Oh – Gott sei Dank, dachte Zoe, während sie erleichtert aufatmete.
Einen quälenden Moment lang hatte sie vor ihrem geistigen Auge bereits gesehen, wie Dan ihren absurden Vorschlag ablehnte, sie für verrückt erklärte und anschließend davonrannte. Wie es eben jeder Durchschnittsmensch tun würde. Doch er hatte offenbar eine Art Helfersyndrom. Oder er war ebenfalls verrückt.
„Habe ich nicht schon einen Kuss bekommen?“, fragte sie verwirrt.
Seine Augen leuchteten, als er erklärte: „Diesmal werde ich Sie richtig küssen. Vor den Augen Ihrer Klassenkameradinnen. Um jeden Zweifel an Ihrer Geschichte auszulöschen.“
„Ich verstehe.“ Zoe musste zugeben, dass das eine sehr gute Idee war. „Und dann?“
„Dann werde ich hier verschwinden.“
„Oh.“ Zoe blickte ihn traurig an. Dann atmete sie tief durch und versuchte, sich zu beruhigen. Was hatte sie denn erwartet? Dass er hierbleiben würde und sich noch tiefer in die verrückte Geschichte hineinziehen ließ, die sie erfunden hatte? Warum sollte er das tun? Unter den gegebenen Umständen musste sie ja wohl mehr als dankbar für seinen Vorschlag sein.
„Sie können Ihren Schulfreundinnen doch einfach sagen, dass ich auf einen Sprung vorbeigekommen bin, weil ich gerade auf dem Weg zu einem Meeting hier in der Gegend war und Sie unbedingt sehen musste.“
Das war ziemlich schlau von ihm. Und ziemlich nett. „Ich denke, das ist eine sehr gute Idee.“ Zoe wusste, dass sie ihre Glücksgötter an diesem Abend schon über Gebühr strapaziert hatte. Dans Vorschlag ermöglichte ihr, die Geschichte zu einem guten Ende zu bringen, ohne einen Nervenzusammenbruch zu erleiden.
Allerdings musste es ein ziemlich guter Kuss sein, wenn sie ihre Schulkameradinnen damit von ihrer Romanze überzeugen wollten. Zumindest wusste Zoe, dass sie selbst einiges an Engagement zeigen würde. Denn allein der Gedanke daran, Dans Lippen noch einmal auf ihren zu spüren, ließ ihr Herz schneller schlagen und ihre Knie weich werden. „Okay, gut. Aber könnten Sie bitte versuchen, Ihren Kuss richtig überzeugend aussehen zu lassen?“
Dan griff nach Zoes Hand und unterdrückte ein Lächeln, als er in Richtung der noch immer laut schnatternden Gruppe von Frauen lief. „Ich werde mein Bestes geben.“
Und es war ihm noch nie derart leicht gefallen, sein Bestes zu geben. Zoes unmittelbare, sehnsüchtige Erwiderung seines Kusses und die Art, wie sie sich mit einem leisen Seufzen an seinen Körper schmiegte, ihre Arme um seinen Hals schlang und ihre Lippen immer fester auf seine drückte, waren einfach überwältigend. Innerhalb von Sekunden vergaß Dan, dass dieser Kuss nur gespielt war. Das hier fühlte sich nicht an wie eine Theatervorführung. Sondern wie das wahre Leben, wie es aufregender kaum sein konnte.
Frauen zu küssen, war eine Sache, der Dan sich in den dreiunddreißig Jahren seines Lebens relativ häufig und erfolgreich gewidmet hatte. Doch nie hatte er einen Kuss wie diesen erlebt. Einen Kuss, der alles Denken mit sich riss und die Welt um ihn herum versinken ließ, während jede Faser seines Körpers von glühender Hitze und dem unbändigen Wunsch erfasst wurde, zusammen mit Zoe die Kontrolle zu verlieren. Es war ein Kuss, der nichts hinterließ als das brennende Verlangen nach mehr.
Woher die Intensität des Kusses oder der verzweifelte Drang kam, Zoe auf die nächste geeignete Oberfläche zu legen und in Sekundenschnelle das schwarze Abendkleid von ihrem Körper zu streifen, konnte Dan sich nicht einmal ansatzweise erklären. Lag es an einer erstaunlichen Chemie zwischen ihnen? Daran, dass sie beide an diesem Abend in ein seltsames Gefühlschaos gestürzt waren? Oder an der Tatsache, dass Dan seit der Sache mit Jasmine keiner Frau mehr genug vertraut hatte, um irgendetwas zu tun, das Küsse und Sex mit sich brachte? Oder war es eine Kombination aus all diesen Gründen? Alles, was Dan wusste, war, dass dieser Kuss niemals enden sollte.
Und er hätte alles darangesetzt, wenn er nicht plötzlich ein bewunderndes Pfeifen vernommen hätte, das ihn – gefolgt von der spitzen Bemerkung, dass sie beide sich doch besser ein Hotelzimmer nehmen sollten – auf den Boden der Tatsachen zurückholte.
Widerwillig löste er sich von Zoe, und für einen Moment starrte er sie nur an. Ihre Augen leuchteten, ihre Wangen und Lippen waren gerötet, und ihr Atem überschlug sich beinahe. Sie wirkte ebenso aufgewühlt, wie er es war. Er wünschte sich so sehr, diese Frau noch einmal zu küssen, dass er beinahe das Gefühl hatte, ihre weichen, warmen Lippen noch immer auf seinen zu spüren.
Aber es wäre nicht richtig. Sie hatten sich auf einen Kuss geeinigt, und den hatte sie bekommen. Oder er. Einen innigen, überwältigenden Kuss.
„Danke“, sagte Zoe mit heiserer Stimme. Erst dann löste sie ihre Arme von Dans Hals.
„Gern geschehen.“
Sie neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite, und ein vorsichtiges, aber unglaublich sexy Lächeln erhellte ihr Gesicht. „Ich denke, es hat funktioniert.“
„Funktioniert?“, wiederholte er fragend. Zoes Lächeln verwirrte ihn derart, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wovon sie redete.
„Wir haben sie überzeugt.“
Sie? Ach, ja. Die tyrannischen Klassenkameradinnen. Sie waren ja der Grund für den Kuss. „Ich kann mir nicht viel vorstellen, das überzeugender sein könnte.“
Zoes Blick wanderte zu Dans Lippen, und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass ihr in diesem Moment ein paar weitere überzeugende Ideen durch den Kopf schossen. Doch sie gab ihnen nicht nach, und Dan dankte Gott dafür. Denn er selbst hätte in diesem Augenblick für absolut nichts mehr garantieren können.
„Du solltest jetzt ganz schnell gehen“, flüsterte sie und blickte zu ihm auf.
„Richtig.“ Erst jetzt bemerkte Dan, dass er sie noch immer in den Armen hielt. Warum konnte er sich nicht einfach verabschieden und auf der Stelle von hier verschwinden?
„Dan?“ Zoes Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
„Ich kann nicht.“ In all seiner Verwirrung war er sich dieser einen Sache sicher.
„Dann lass uns draußen weiterreden. Oder wir gehen in einen anderen Pub oder in ein Restaurant – nur irgendwohin weit weg von hier.“
„Aber du hast hier noch etwas zu erledigen.“
„Mir fällt schon irgendetwas ein, nur …“
„Zoe!“
„Oh, Gott“, stammelte sie, als eine schrille weibliche Stimme ihren Namen rief. „Es ist zu spät.“ Zoe ließ ihren Kopf gegen Dans Brustkorb sinken. „Jetzt sitzt du mit mir in der Falle.“
Das konnte nicht gut gehen. Sie und Dan hatten doch gar nicht besprochen, was sie Samantha und Co. erzählen würden.
Obwohl ihr Selbstbewusstsein bei diesem Gedanken weit unter den Nullpunkt sank, ihre Nerven blank lagen und ihr Magen schmerzte, schaffte Zoe es irgendwie, Dan ihren Klassenkameradinnen vorzustellen.
Sie hatte das Gefühl, nicht auf einem Barhocker, sondern auf glühenden Kohlen zu sitzen, während sie darauf wartete, dass das zerbrechliche Kartenhaus, das sie gebaut hatte, auf einen Schlag in sich zusammenbrach. Wenn das geschah, konnte sie nichts mehr tun als einfach nur davonrennen und ihr Gesicht nie wieder in der Öffentlichkeit zeigen.
Doch alles lief bestens. Dan schlüpfte mit überraschender Leichtigkeit in die Rolle ihres umwerfenden Freundes und vertiefte sich mit derart beeindruckender Sachkenntnis in Gespräche über die gesellschaftlichen Großereignisse Londons und die schönsten Ferienregionen der Toskana, dass selbst Zoe beinahe vergaß, dass alles erfunden war. Das ist es doch, oder?
Ganz sicher echt war Dans überaus sympathisches Auftreten, mit dem er Zoes Klassenkameradinnen regelrecht bezauberte. Von ihm ging eine vollkommen natürliche, blendende, ja beinahe hypnotische Art von Charme aus, und er unterhielt sich mit den hochnäsigen Frauen an der Bar auf eine so mühelose und angenehme Weise, dass Zoe ihn regelrecht beneidete, während ihre Schulkameradinnen ihn hofierten, als wäre er ein Mitglied des Königshauses.
Über den Rand ihres Weinglases hinweg musterte Zoe ihren ‚neuen Freund‘ verstohlen. Es war ganz sicher kein Nachteil, dass er so umwerfend gut aussah. Sie fühlte, wie die Hitze, die von ihr Besitz ergriffen hatte, als Dan sie geküsst hatte, erneut durch ihre Blutbahnen schoss. Es war so eigenartig. Seit dem Moment, in dem Zoe Dan das erste Mal gesehen hatte, übte er eine faszinierende, regelrecht magnetische Anziehungskraft auf sie aus.
Wäre Zoe durch die Nachwirkungen seines Kusses und die schwindelerregenden Gefühle, die ihren Körper in Beschlag nahmen, nicht so vollkommen durcheinander gewesen, hätte sie an diesem seltsamen Abend einfach beobachten und lernen können. Denn während sie selbst in Bezug auf soziale Kontakte eine völlige Versagerin war, schien ‚ihre große Liebe‘ Dan Forrester ein Meister dieser Disziplin zu sein.
„Also, Dan“, hörte sie Harriet, geborene Williams, jetzt Denham-Davis, eine von Samanthas aufmerksamkeitshungrigen Mittyranninnen, plötzlich fragen. „Zoe hat uns erzählt, dass Sie wahnsinnig erfolgreich sind.“
Schnell bekämpfte Zoe den Drang, genervt mit den Augen zu rollen, konzentrierte sich wieder auf das Gespräch, aus dem sie sich – von ihrem Gefühlschaos aus der Bahn geworfen – unverzeihlicherweise ausgeklinkt hatte, und warf Dan einen Blick zu, von dem sie hoffte, dass er dem einer stolzen Freundin entsprach.
„Oh, ganz so würde ich es nicht ausdrücken“, erklärte er und schenkte Zoe ein so warmherziges Lächeln, dass ihr erneut ganz schwindelig wurde. „Sie übertreibt manchmal. Nicht wahr, Liebling?“
„Das würde ich niemals tun, Mausebär“, entgegnete sie mit ihrem strahlendsten Lächeln. Sie musste Dan hoch anrechnen, dass er nicht einmal mit der Wimper zuckte, als sie ihn mit diesem schrecklichen Kosenamen betitelte. Doch diese unsägliche Bezeichnung war das Einzige, das ihr eingefallen war, als ihre Klassenkameradinnen sie vor einer halben Stunde gefragt hatten, wie ihr Freund denn hieße.
„In welcher Branche arbeiten Sie?“, erkundigte sich Harriet.
„In der Werbebranche.“
„Oh, dann müssen Sie ziemlich kreativ sein. In welchem Unternehmen sind Sie tätig?“
„DBF Associates.“
Wow, dachte Zoe und erschrak ein wenig. Sogar sie hatte von dieser Firma gehört. DBF galt als eine der erfolgreichsten Werbeagenturen Londons. Irgendwo hatte Zoe gelesen, dass das mehrfach preisgekrönte Innovationsunternehmen nur die Besten seiner Branche beschäftigte.
„Und was genau machen Sie dort?“, fragte Harriet weiter.
„Mir gehört die Firma.“
Zoe konnte sich gerade noch davon abhalten, Dan mit offenem Mund anzustarren. Sie zweifelte keine Sekunde daran, dass seine Worte der Wahrheit entsprachen. Was sie beeindruckte, war nicht so sehr die Überraschung, dass er seine eigene erfolgreiche Firma hatte – denn das hatte sie ebenfalls –, sondern die unaufdringliche Art, wie er mit dieser Tatsache umging.
Wenn sie auch längst nicht so beeindruckt war wie Harriet und Samantha, die kleine Seufzer der Bewunderung ausstießen und dabei beinahe wie die Glöckchen einer alten Registrierkasse klangen. Zoe glaubte fast, das Aufleuchten von Sterlingzeichen in den Augen ihrer Mitschülerinnen zu sehen.
„Dann gehören Sie also zu den Ashwicke Forresters?“, hakte Harriet nach, die sich jetzt – wo sie Dans beruflichen und zugleich finanziellen Status zur Genüge geklärt hatte – mehr für die gesellschaftlichen Aspekte seines Lebens zu interessieren schien.
„So ist es“, erwiderte er.
Wer oder was die Ashwicke Forresters sein sollten, blieb Zoe ein Rätsel. Harriet jedoch blickte Dan mit leuchtenden Augen an und zitterte praktisch vor Glückseligkeit, so sehr, dass sich sogar der marineblaue samtene Haarreifen, den sie zu Ehren der guten alten Schulzeit trug, aus ihrem Haar löste. „Oh, wie aufregend. Ich habe vor ein paar Jahren Ihre Eltern kennengelernt. Auf dem Queen-Mary-Ball. Sie waren ein absolut hinreißendes Paar. Wie geht es ihnen?“
„Sie haben sich scheiden lassen“, entgegnete Dan nüchtern.
„Oh“, sagte Harriet leise. Augenblicklich wich das Funkeln aus ihren Augen, und sie rutschte verlegen auf ihrem Barhocker hin und her. „Das tut mir sehr leid.“
„Ach ja?“, gab Dan mit einem so sarkastischen Tonfall zurück, dass Zoe ihn erschrocken anblickte. Es gab also auch im Leben dieses äußerst einnehmenden Mannes Schattenseiten. Zoe verspürte einen seltsamen Stich in ihrer Seele. Offensichtlich war die Scheidung seiner Eltern ein heikles Thema für ihn. Wahrscheinlich sogar die Ehe im Allgemeinen. Zoe war sich ziemlich sicher, dass es nur sehr wenige gut aussehende, erfolgreiche Männer über dreißig gab, die nicht verheiratet waren und keine überdimensionalen Probleme mit Beziehungen und Emotionen hatten. Vielleicht wäre genau jetzt der richtige Zeitpunkt, um Dan aus ihrem einsturzgefährdeten Kartenhaus zu befreien. Sie wollte ihm nicht auch noch antun, dass ihre ehemaligen Mitschülerinnen ihn auf seine Hochzeit mit Zoe ansprechen würden. Denn die baldige Verlobung mit ihrem wunderbaren Freund war Teil der Geschichte, die sie den Damen an der Bar erzählt hatte.
Der verletzte Klang seiner Stimme hatte sogar Harriet und Samantha für einen Augenblick die Sprache verschlagen. Doch die ehemaligen Schulsprecherinnen von Saint Catherine gehörten nicht zu den Frauen, die um irgendwelche Worte verlegen waren. Samantha war die Erste, die von ihrem Rededrang überwältigt wurde. „Oh, jetzt erkenne ich Sie erst“, rief sie mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen aus, das erneut einen Anflug von Panik in Zoe aufsteigen ließ. „Sie sind der Dan Forrester, nicht wahr?“
Zum zweiten Mal innerhalb weniger Minuten waren die redseligen Damen des Saint Catherine College merkwürdig still. Dan musste sich der düsteren Erkenntnis stellen, dass genau jetzt der richtige Moment gekommen war, um sich von dieser Bühne zu verabschieden. Samanthas Worte hatten ihn wie ein Schlag ins Gesicht getroffen. Was hatte ihn bloß zu der leichtfertigen Annahme geführt, dass ihn hier niemand erkennen würde? Nur ein naiver Idiot ging von so etwas aus. Zur Strafe musste er jetzt miterleben, wie die Frauen um ihn herum die Ohren spitzten, fast so, als würden sie kleine Antennen ausfahren, um weitere Informationen abzuhören. Es war so gut wie sicher, dass sein kleiner Auftritt als Zoes große Liebe Schlagzeilen machen würde.
Und so saß er – wie Zoe so treffend vorausgesagt hatte – richtig in der Falle. Wenn er blieb, würde er zweifellos ein noch tieferes Loch graben, doch wenn er einfach weggehen würde, könnte die Geschichte eine vollkommen unkontrollierbare Wendung nehmen.
Was also sollte er tun?
Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte Dan und versuchte, die Konsequenzen seiner beiden Optionen abzuwägen. Doch seine Entscheidung war schnell gefallen. Wenn er den Pub jetzt verließ, wäre ihm jeglicher Einfluss auf den weiteren Verlauf der Geschichte genommen. Wenn er blieb, behielt er ein wenig Kontrolle in seinen eigenen Händen.
Außerdem hatte er sich die Falle, in der er saß, ja selbst gebaut. Zoe hatte ihn nicht gezwungen zu bleiben, er hatte es selbst gewollt. Tatsächlich war er absolut versessen darauf gewesen und hatte sowohl ihre Warnungen als auch die seines eigenen Verstandes in den Wind geschlagen. Wenn er also auch nur noch einen Funken von Integrität besaß, dann musste er diese Sache irgendwie durchziehen.
Vielleicht könnte der Abend auf irgendeine verrückte Weise sogar positiv enden. Oder lustig. Schließlich arbeitete er in der Werbebranche, und der gesellschaftliche Wahnsinn bestimmte einen Großteil seines Firmenalltags.
Er konnte diese Schmierenkomödie weiterspielen. Auf Zoe eingehen, die Damen beobachten und das tun, was die Gesellschaft von ihm erwartete. Der Handlungsrahmen war gesetzt, und er musste nur noch in seiner Rolle glänzen. Wie alles andere in seinem Leben würde er auch das mit hundertprozentigem Engagement tun.
Wohl wissend, dass jede der Damen ihn während der letzten Minute beobachtet hatte, straffte Dan seine Schultern, blickte Samantha direkt in die Augen und antwortete: „Ich denke, der bin ich.“
„Sein Ruf eilt ihm voraus“, ergänzte Zoe stolz und mit nicht unbedingt angebrachter Begeisterung. Bei diesen Worten berührte sie sanft seinen Arm, eine Geste, von der er annahm, dass sie ihn beruhigen sollte. Dass jedoch dabei ihre linke Brust seinen Bizeps streifte, brachte ihn nur noch mehr durcheinander.
„Dessen kannst du dir sicher sein“, murmelte Samantha. Das schadenfrohe Aufleuchten ihrer Augen und die Bissigkeit in ihrer Stimme führten Dan in diesem Moment alle Gründe vor Augen, aus denen er keiner Frau mehr vertrauen wollte. „Zoe, wie lange seid ihr noch mal zusammen?“, erkundigte sie sich scharfsinnig.
„Sechs Monate“, antwortete Zoe verträumt und streichelte noch einmal so zärtlich über Dans rechten Arm, dass es ihm schwerfiel, sich auf den Wortwechsel zu konzentrieren. Er legte den Arm um Zoes Taille und ließ seine Hand auf ihrer Hüfte ruhen. „Sechs lange, glückliche Monate.“
Trotz der Hitze, die erneut durch seine Adern tobte, als er Zoes Körper so nah an seinem spürte, hatte Dan in diesem Augenblick das Gefühl, zu Eis zu erstarren. Sechs Monate? Das war – real oder nicht – der Schlüssel zum Verderben.
„Aber waren Sie vor sechs Monaten nicht noch mit Jasmine Thomas zusammen, Dan?“, flötetete Samantha. Dan fühlte, wie Zoe neben ihm zusammenzuckte. Ob es an der Erkenntnis lag, dass ihre ‚große Liebe‘ sie offensichtlich hintergangen hatte, an Jasmines Berühmtheit oder der Tatsache, dass Zoe auf dieses Szenario vermutlich nicht vorbereitet war, konnte er unglücklicherweise nicht erraten.
„Das stimmt“, gab er ohne weitere Umschweife zu.
„Wer ist Jasmine Thomas?“, fragte Zoe.
„Eine Schauspielerin“, informierte Harriet sie bereitwillig.
Zoe zog fragend ihre linke Augenbraue hoch und lieferte damit die perfekte Darstellung einer entrüsteten Freundin. Anklagend blickte sie zu Dan auf und sagte vorwurfsvoll: „Du hast mir nie etwas von ihr erzählt.“
„Es ist nichts, worauf ich besonders stolz bin“, antwortete Dan. Und das entsprach absolut der Wahrheit. Er fragte sich, ob die Selbstvorwürfe und der Schmerz, den er jedes Mal spürte, wenn er auf Jasmine angesprochen wurde, jemals enden würden.
Samantha hingegen hätte in diesem Moment nicht zufriedener wirken können. Das anhaltend triumphierende Leuchten in ihren Augen bewies, dass sie vollkommen in ihrem Element war. „Sie hat brisante Details der Beziehung zu Ihnen an die Presse verkauft, nicht wahr?“
„Auch das stimmt.“
„Gott, wie schrecklich“, entfuhr es Zoe. Mitgefühl und Sympathie spiegelten sich auf ihrem hübschen Gesicht und in ihren wunderschönen Augen wider, als sie fragte: „Wie konnte sie das nur tun?“
„Ich habe mich von ihr getrennt.“ Ungefähr eine Minute, nachdem Jasmine mit ihrer geblümten Reisetasche bei ihm hatte einziehen wollen. Dann war sie aus seinem Leben verschwunden. Nicht jedoch, ohne ihn vor der gesamten Welt als Beziehungsphobiker zu denunzieren.
„Also war es die Rache einer verschmähten Liebhaberin?“
„Davon gehe ich aus.“
Zoe rümpfte die Nase. „Was für ein Klischee.“
Es war nicht nur ein Klischee, dachte Dan traurig. Es war ein nicht enden wollender Schmerz, von dem er offen gestanden mehr als genug hatte. Diese Geschichte wollte er vergessen, seit sie geschehen war. Doch irgendwie schien ihm das nicht vergönnt.
„Hast du das nicht gewusst, Zoe?“, fragte Samantha schnippisch und musterte sie.
„Ach, na ja, wir sind mit unserer eigenen Liebesgeschichte genug beschäftigt, nicht wahr, Mausebär?“, entgegnete Zoe leise, bevor sie ihre Hand Dans Rücken hinabgleiten ließ und ihn schwärmerisch anblickte.
„Das sind wir.“ Dan fühlte einen Schauer durch Zoes Körper rieseln, als er ihr einen leichten Kuss auf die Wange drückte.
„Seltsam, dass man noch nichts von eurer Beziehung gehört hat“, kommentierte Harriet.
„Das überrascht Sie?“, entgegnete Dan schnell.
„Die anderen Frauen in Ihrem Leben haben Sie nie geheim gehalten“, fiel Samantha ihm ins Wort.
Zoe blickte ihn fragend an. „Andere Frauen?“
„Sie haben mir nichts bedeutet“, erklärte Dan.
„Warst du noch mit Jasmine zusammen, als wir uns beim Skifahren in den italienischen Alpen kennengelernt haben?“ Sie blickte ihn hilfesuchend an.
„Natürlich nicht“, erwiderte er mit einem Lächeln. „Ich hatte mich gut zwei Wochen vorher von Jasmine getrennt. Und als ich dich in deinem hautengen schwarzen Skianzug sah, war es einfach um mich geschehen.“
Zoe starrte ihn mit offenem Mund an. „Mein hautenger schwarzer Skianzug? Ich dachte, ich hätte dich mit meiner Glanzleistung auf der schwarzen Piste beeindruckt. So wie du mich mit deinen Abfahrten auf der Buckelpiste.“
„Nein“, entgegnete Dan unbeirrt. „Es war vor allem dein Skianzug.“
„Also war mein Aussehen der Grund, warum du mich an jenem Abend in den Club eingeladen hast?“, fragte Zoe und fügte damit Dans Geschichte nahtlos mit ihrer zusammen.
„Auf jeden Fall.“