Ein Manny fürs Leben - Amy Lane - E-Book
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Ein Manny fürs Leben E-Book

Amy Lane

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Beschreibung

Sammy hat alle Hände voll zu tun: sein Studium meistern, sich um seine Geschwister kümmern und seine beiden Onkel Channing und Tino stolz machen. Leider bleibt er selbst dabei oft auf der Strecke. Zum Glück erscheint da Cooper auf der Bildfläche, der nach einem Arbeitsunfall auf der Suche nach einem Job ist, um seine jüngere Pflegeschwester zu ernähren. Sammys Familie nimmt ihn sofort mit offenen Armen auf und stellt ihn als Manny ein, während er sich von seinen Verletzungen erholt. Sammy kann die Hilfe gut gebrauchen und findet in Cooper einen echten Freund. Und die beiden Männer hätten das Potenzial, so viel mehr füreinander zu sein, doch ist zwischen Sammys ehrgeizigen Plänen, gesundheitlichen Problemen und familiären Verpflichtungen überhaupt Platz für Liebe? Band 49 der BELOVED-Romantikreihe. Buch ist in sich abgeschlossen.

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Seitenzahl: 312

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Deutsche Erstausgabe (ePub) Mai 2021

Für die Originalausgabe:

© 2018 by Amy Lane

Titel der amerikanischen Originalausgabe:

»Stand by Your Manny«

Originalverlag:

Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

© 2021 by Cursed Verlag, Inh. Julia Schwenk

beloved ist ein Imprint des Cursed Verlags

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,

des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung

durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit

Genehmigung des Verlages.

Bildrechte Umschlagillustration

vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock

Satz & Layout: Cursed Verlag

Covergestaltung: Hannelore Nistor

Druckerei: CPI Deutschland

Lektorat: Katherina Ushachov

ISBN-13: 978-3-95823-885-5

Besuchen Sie uns im Internet:

www.cursed-verlag.de

Aus dem Englischen von Ella Schaefer

Liebe Lesende,

vielen Dank, dass ihr dieses eBook gekauft habt! Damit unterstützt ihr vor allem die*den Autor*in des Buches und zeigt eure Wertschätzung gegenüber ihrer*seiner Arbeit. Außerdem schafft ihr dadurch die Grundlage für viele weitere Romane der*des Autor*in und aus unserem Verlag, mit denen wir euch auch in Zukunft erfreuen möchten.

Vielen Dank!

Euer Cursed-Team

Klappentext:

Sammy hat alle Hände voll zu tun: sein Studium meistern, sich um seine Geschwister kümmern und seine beiden Onkel Channing und Tino stolz machen. Leider bleibt er selbst dabei oft auf der Strecke. Zum Glück erscheint da Cooper auf der Bildfläche, der nach einem Arbeitsunfall auf der Suche nach einem Job ist, um seine jüngere Pflegeschwester zu ernähren. Sammys Familie nimmt ihn sofort mit offenen Armen auf und stellt ihn als Manny ein, während er sich von seinen Verletzungen erholt. Sammy kann die Hilfe gut gebrauchen und findet in Cooper einen echten Freund. Und die beiden Männer hätten das Potenzial, so viel mehr füreinander zu sein, doch ist zwischen Sammys ehrgeizigen Plänen, gesundheitlichen Problemen und familiären Verpflichtungen überhaupt Platz für Liebe?

Widmung

Für meine Familie, die sowohl wundervoll als auch ein Haufen Idioten sein kann. Für meine Kinder, besonders meine älteren Kinder, die mir immer noch die Haare vom Kopf fressen. Für Mary, die meinte: »Ja, ich weiß, nur ein schlechtes Blutkörperchen trennt dich von Freunde bis in den Tod. Das wird schon.«

Fallen

Cooper Hoskins arbeitete gerne auf dem Bau. Er liebte es nicht, aber die Bezahlung war gut, die Arbeitszeiten regelmäßig und man hatte eine Kranken- und Zahnversicherung. Alles, was ein heranwachsender Junge brauchte – oder ein heranwachsendes Mädchen, wenn man darüber nachdachte.

Und es war besonders vorteilhaft, für Brandon Grayson zu arbeiten. Brandon war jung, ackerte sich durchs College und er versuchte, durch schiere Willenskraft, Großes zu erreichen.

Er war außerdem offen schwul, offen verliebt in seinen festen Freund und beschützte offen alle, die er für Außenseiter hielt.

Cooper musste zugeben, dass das während seiner ersten beiden Jahre bei der Sowers Construction Company auf ihn zutraf. Er war gerade erst achtzehn gewesen, frisch aus dem System der Pflegeobhut, als er dort angefangen hatte, und hungrig. Magen-in-den-Kniekehlen-hungrig. Brandon hatte diesen Hunger gesehen. Brandon hatte diesen Hunger gesehen – und ihn gestillt. Hatte ihm kleine Rasenmähjobs bis zu seinem ersten Gehaltsscheck besorgt, hatte ihn bei jeder Gelegenheit zum Mittagessen eingeladen und ihn mit so vielen Informationen wie möglich gefüttert, um ihn bei Sowers Construction unentbehrlich zu machen und ihm damit wenigstens ein bisschen Sicherheit im Job zu verschaffen.

Der Vorteil dieses ganzen Wissens war, dass Cooper wirklich alles darüber wusste, wie man ein Haus oder ein gewerbliches Gebäude mit den Geräten baute, die Sowers regelmäßig einsetzte. Der Nachteil war, auch zu wissen, wann er am Arsch war.

»Gottverdammt!«, rief Brandon gestresst von unten. »Cooper, komm da runter!«

Cooper machte den Fehler, von der Höhe des Hubsteigers runterzuschauen, und er versuchte, sich nicht vor Panik in ein wimmerndes Würstchen in einer Ecke der Arbeitsbühne zu verwandeln. »Klar, Boss!«, rief er zurück und wandte seine Konzentration wieder der Klimaanlageneinheit zu, die instabil auf dem Dach gelagert worden war.

Sowers Construction war nicht für diesen Mist verantwortlich.

Ein Pärchen hatte den Freund eines Cousins oder den Cousin eines Schwagers und dessen Heizungs- und Belüftungs-Start-up gebeten, ihre Anlage zu ersetzen. Drei Tage später war die Anlage immer noch gefährlich am Rand des Dachs platziert gewesen und das Pärchen – Wally Sowers' Nichte, wenn Cooper das richtig verstanden hatte – war unter Tränen zu ihrem Onkel gekommen und hatte ihn um Hilfe angefleht.

»Was ist denn das Problem da oben?«, verlangte Brandon zu wissen. Tja, das hätte ein schneller Job am Morgen werden sollen, aber Cooper hatte schon den Hubsteiger und den überdimensionalen Lift geordert, wobei der Lift bis jetzt noch nicht aufgetaucht war. Cooper konnte verstehen, dass er aufgebracht war. Und von den Bergen her war ein Sturm im Anmarsch. Cooper befand sich auf dem Hubsteiger und versuchte, das Einbettmaterial bei der Anlage – welches nicht aufs Haus gehörte – zu sichern. Es war eigentlich dazu gemacht, an der Seite des Hauses angebracht zu werden und an die Leitungen anzuschließen, die schon installiert worden waren. Der Plan war, dass der Lift kommen und das verdammte Ding darunter rausziehen und es auf den Transportwagen stellen sollte, der unten wartete.

Doch die Verpackung der verfluchten Anlage fiel auseinander und nach all der Arbeit wäre es Coop lieber, sie würde nicht nach unten fallen und als ziemlich teure Abraumhalde enden.

»Das Problem ist, dass die Kartonage sich auflöst und von der Palette rutscht. Nichts, was etwas Gaffertape und Muskelkraft nicht –«

In diesem Augenblick erwischte ein starker Windstoß den Hubsteiger volle Breitseite und schob ihn seitwärts, während Cooper die Arme um den Karton schlang, um das Gaffertape anzubringen. Brandon hätte das erledigen können – Brandon war über 1,82 m groß und wahrscheinlich 90 Kilo pure Muskeln. Aber Cooper war kaum 1,74 m und mager noch dazu. Er hatte Probleme, seine Arme um die Box zu kriegen.

Und der Wind erledigte in etwa zehn Minuten das, was die Schwerkraft in zwei Tagen nicht geschafft hatte – nämlich, die verdammte Box ohne Hilfe zu bewegen. Die Anlage schlitterte mit einigen Dachziegeln hinunter zum Rand und Cooper – im Versuch der Schadensbegrenzung – ging ihr aus dem Weg, um nicht von ihr mit nach unten gerissen zu werden. Ein weiterer Windstoß schob die Arbeitsbühne gegen den Rand des Hauses, was die Klimaanlage dazu nutzte, um aus dem Karton zu rutschen und in die Arbeitsbühne des Hubsteigers zu krachen.

Cooper schrie, als seine Schulter von der Metallvorrichtung getroffen wurde, und brüllte dann »Pass auf!«, als die Anlage zu Boden stürzte. Er sah schwarz und wollte nicht einmal auf die Schwellung seiner Schulter schauen. Was er nicht sah, war, dass die Anlage einen Teil der Arbeitsbühne abgerissen hatte. Er sank gegen das, was eine sichere Wand aus Metall und Fiberglas hätte sein sollen und die Luft vor ihm gab nach.

Er hatte nicht einmal Zeit zu schreien, bevor er aus dem Steiger fiel.

***

Er wachte im Krankenhaus auf und schaute sich benebelt um. Sein gesamter Körper schmerzte und sein Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Watte ausgestopft.

»Was zur Hölle…«

»Ja«, sagte Brandon direkt neben seinem Bett. »Das war nicht sehr schlau.«

»Welcher Teil?« Cooper konnte sich ums Verrecken nicht daran erinnern, was er gemacht hatte.

»Na ja, zum einen, dass du das alleine machen wolltest. Du hättest Verstärkung rufen sollen, um die Anlage zu stabilisieren, als du angekommen bist. Warum hast du das nicht gemacht?«

Cooper schloss die Augen und grunzte. Er sah alles vor sich: die Klimaanlage, der Hubsteiger – der große Fall. »Bin ich gefallen?«

Brandon packte das Seitenteil von Coopers Krankenhausbett und Cooper beobachtete mit losgelöster Faszination, wie seine Knöchel weiß wurden. »Ob du gefallen bist? Ob du gefallen bist?«

»Ich schätze, das heißt Ja.« Er konnte seine Schulter nicht bewegen, seine Rippen schienen bandagiert zu sein und seine Hüfte fühlte sich nicht toll an und…

»Ein Lift war unterwegs!«, fauchte Brandon mit belegter Stimme.

Cooper blickte zu ihm hoch in Brandons grüne, an den Rändern gerötete Augen. »Ich weiß«, sagte er ruhig. »Ich habe ihn gerufen. Aber der Hubsteiger war näher…«

»Du hättest warten sollen.« Brandons Ärger schien an Biss zu verlieren und er sank resigniert auf den Stuhl beim Krankenbett, wobei er mit den Händen durch sein rotbraunes Haar fuhr.

»Wally sagte, es sei ein Eilauftrag. Ich wollte nicht zur –«

»Last fallen?«, fragte Brandon sarkastisch. Da stand ein Mann neben ihm. Cooper kniff die Augen zusammen in dem Versuch, den Fremden zu fokussieren.

»Ja«, murmelte Coop. »Wenn man eine Last ist, schießen sie dich ab.« Machte seine Arbeitsstelle so was? Er konnte sich nicht erinnern.

»Tja, jetzt bist du verletzt!«, rief Brandon aus und neben ihm sagte eine Stimme trocken: »Brandon, beruhig dich einfach. Er hat es nicht gemacht, um deine Gefühle zu verletzen, okay?«

Cooper hörte Brandons tiefes Einatmen und versuchte sehr, sich zu konzentrieren. »Wurde noch jemand verletzt?«

»Nein«, grummelte Brandon. »Nur der Idiot im Hubsteiger.«

»Er war in der Nähe«, verteidigte Cooper sich wieder. Aus irgendeinem Grund war das wichtig, während er versuchte, sich trotz der Schmerzmittel an seine Argumentation zu erinnern. »Und der Lift war unterwegs. Ich hab versucht…«

»Das Ding zu sichern, bevor es runterfällt«, murmelte Brandon, und sein Ärger verflüchtigte sich vollständig. »Ich sage nichts gegen deine Logik, Coop. Ich bin aufgebracht, weil du verletzt bist, und die Arbeitnehmerversicherung zahlt nur einen bestimmten Anteil. Ich weiß, dass du das Geld brauchst.«

Cooper dachte benommen an seine kleine Wohnung, das todgeweihte Auto, das er sich kaum leisten konnte, und Felicity – oh, Mist! »Wie spät ist es?«, fragte er. »Brandon, ich muss jemanden anrufen…«

»Hier, ich hab es.« Nicht Brandon. Coopers Augen fokussierten schließlich und sahen einen irrsinnig heißen Typen mit einer Augenklappe und einem stechenden Blick wie Snake Plissken, der ihm das Handy in die Hand drückte.

»Wer bist du?«, fragte er benommen.

»Taylor Cochran«, sagte der Kerl nickend. »Freut mich, dich kennenzulernen. Brandon hat mir schon viel von dir erzählt.«

Coopers Verlegenheit breitete sich zuerst in seinen Zehen aus und stieg in seinem Körper auf, wobei sie mit Nachdruck in seiner verletzten Schulter pochte. »Du bist Brandons fester Freund?«, fragte er und fühlte sich dumm.

Taylors offene Miene verschloss sich, was Cooper nicht zulassen wollte. »Überrascht?«

»Du bist echt heiß«, nuschelte Cooper. »Er hat gesagt, du seist heiß, aber… du bist wirklich heiß!«

»Und, oh mein Gott, du bist schwul«, sagte Brandon vorwurfsvoll.

»Du doch auch!«, verteidigte Cooper sich. Dann fiel es ihm ein. Brandon hatte es nicht gewusst. Keiner wusste es. Oh Gott. Wie konnte er nur…?

»Ich weiß, dass ich es bin, aber du hast nie was gesagt. Kein einziges Mal. Cooper, es gab jemanden, mit dem du hättest reden können und du hast nie mit mir gesprochen! Ich dachte, wir wären Freunde!«

Cooper schloss die Augen. Genau wie bei der Sache mit dem Hubsteiger und warum es damals eine gute Idee gewesen zu sein schien, versuchte Cooper sich an seine Gründe zu erinnern, weshalb er sich nicht seinem Vorgesetzten anvertraut hatte, der der einzige Mensch war, der ihm eine Chance gegeben hatte, seit er aus dem Pflegeobhutsystem ausgeschieden war und versuchte, sich in der Erwachsenenwelt durchzuschlagen.

Oh. Oh, richtig. Felicity.

»Viele Geheimnisse«, murmelte er, als seine Schulter wieder zu pochen begann. »Ich muss nach Hause…«

Taylor tauchte wieder in seinem Sichtfeld auf und nahm ihm das Handy ab. »Was ist zu Hause?«, fragte er ruhig und schoss einen harten Blick in Richtung Brandon ab. »Wir haben eine große, fette Katze, die zu viel frisst und dann überall Fellballen hinwürgt. Hast du auch so eine?«

»Felicity isst nicht zu viel«, sagte Cooper und schloss dann die Augen. »Scheiße. Keiner soll von Felicity wissen.«

»Du bist schwul, aber du hast ein Mädchen im Schrank?«, fragte Brandon unsicher.

»Sie ist nicht in meinem Schrank. Sie ist auf meiner Couch!« Nun ja, das Wohnzimmer war ihr Zimmer. Er hatte die Müllsäcke beseitigt und als Erstes eine Kommode für sie gekauft. Aber Zeug. So viel Zeug. Gelesene Bücher, Haarklammern, Klamotten, aus denen sie fast rausgewachsen war. Es war schwer, ein Mädchen auf der Couch zu verstecken.

»Du bist einundzwanzig Jahre alt, Coop – was machst du mit einem Mädchen auf deiner Couch?«

Cooper starrte Brandon unglücklich an. »Sie ist mir aus der Pflegefamilie gefolgt«, flüsterte er. »Du darfst es niemandem sagen. Sie würden sie zwingen zurückzugehen.«

Brandon schloss die Augen, als müsste er Cooper gleich schlechte Nachrichten mitteilen, aber Taylor ergriff das Wort. »Wir werden es keiner Menschenseele erzählen. Aber schreib ihr eine Nachricht. Ich und Brand werden sie holen gehen. Es gibt Leute, bei denen sie bleiben kann, bis du wieder auf den Beinen bist.«

»Taylor!«

Taylor richtete einen steten Blick auf jenen Mann, von dem sogar Cooper sehen konnte, dass Taylor verrückt nach ihm war. »Der Junge hat Verantwortung. Wir werden dafür sorgen, dass er ihr nachkommen kann.«

Brandon zuckte resigniert dreinsehend mit den Schultern. »Okay. Er hat recht. Du magst mir vorher nicht damit vertraut haben, aber du musst mir jetzt trauen. Du kommst hier frühestens in einer Woche raus. Wenn du dich um jemanden kümmern musst, musst du uns helfen lassen.«

Cooper schloss fest die Augen. »Sie ist elf«, sagte er und fühlte sich, als würde er sie verraten. »Wahrscheinlich muss sie erst mit mir reden. Mich sehen. Sie… sie ist nicht so gut im Vertrauen.«

Brandon nickte und zog sein eigenes Handy hervor. »Okay. Ich werde ein Foto von dir und Taylor machen. Dann eins von mir und dir.« Er machte beide Fotos und schickte sie Coop. Coop spürte, wie sein Handy vibrierte. »Jetzt schickst du sie ihr und sagst ihr, dass wir sie nach der Schule in deiner Wohnung treffen, okay?«

Cooper fummelte mit seinem Handy herum und spürte, wie sich Tränen in seine Augenwinkel schlichen. »Sie braucht Kleidung«, gestand er. »Wir wollten shoppen gehen. Aber sie ist ein Mädchen. Ich kenne mich mit Mädchen nicht aus.« Er schnitt eine Grimasse. »Irgendwann wird sie weiblichen Rat brauchen.« Der Schauder durchfuhr ihn, bevor er sich selbst ermahnen konnte, es einfach runterzuschlucken und damit klarzukommen. »Mann, das ist verdammt beängstigend.«

»Ich kann mit dem Mädchenkram umgehen«, sagte Taylor trocken. »Meine beste Freundin hat fünf…«

»Sechs«, grummelte Brandon.

»Oh, lieber Gott. Ja, sie bekommt das sechste Kind.«

Brandon grunzte. »Sie ist mit meinem Cousin verheiratet. Ich hab ihm gesagt, wir nennen es Doppelpack, wenn es geboren wird, weil es das Ergebnis zweier versagender Verhütungsmittel ist.«

Coopers Gehirn verabschiedete sich offiziell. »Bitte sag mir, dass ich diese Leute niemals kennenlernen werde?«

»Träum weiter«, murrte Brandon. »Denn ein Teil ihrer Familie wird dir und Felicity helfen…«

Cooper zwang seinen Körper, sich zu bewegen. »Ich stehe auf.«

Taylor legte eine ziemlich große Hand in die Mitte von Coopers Brust. »Cooper? Ich weiß, wir haben uns gerade erst kennengelernt. Aber die Lage ist so: Ich mag dich – echt. Aber es ist mir verdammt egal, ob du mich magst. Also sage ich dir jetzt die harte Wahrheit. Du hast dir fast das Gehirn zermatscht, Junge. Du wärst verdammt noch mal fast gestorben. Und als jemand, der mit dir im gleichen Club ist, sage ich dir, dass Aufstehen in der kommenden Woche nicht nur nicht in deinem Interesse ist, sondern auch nicht im Interesse von allen, denen was an dir liegt. Nämlich Felicity – um die wir uns kümmern werden. Und Brandon, den ich mehr liebe als das Leben. Mein Junge ist aufgebracht. Er dreht durch. Wenn du noch ein Mal versuchst, dieses Bett zu verlassen, könnte er weinen. Das darf ich nicht zulassen. Verstehst du?«

Cooper starrte zu ihm hinauf, nicht sicher, ob das, was er dabei fühlte, Anziehung, Verärgerung oder Heldenverehrung war. »Er ist heiß«, murmelte er Brandon zu, »aber irgendwie ein Arsch.«

Taylor lachte und tätschelte ihm sanft die Wange. »Jetzt hast du's verstanden. Also, hast du mit deiner kleinen Schwester mal über Brandon geredet?«

»Felicity? Ja, aber wir sind nicht – du weißt schon – blutsverwandt…«

Taylor zuckte die Schultern. »Nebensächlich. Sie hat zumindest schon mal seinen Namen gehört. Gut. Ich werde ihn hinschicken und du und ich werden hier sitzen und dir auf Schmerzmittel zuhören. Ich kenne das nur von der anderen Seite und ich muss dir sagen, dass ich es verdammt genieße, das von dieser Seite des Betts aus mitzuerleben. Haben wir uns verstanden?«

Cooper gähnte. »Klar.« Er hatte nicht wirklich eine andere Wahl. »Mach Felicity keine Angst. Sie ist… wir, äh, mögen keine Autorität.«

»Das überrascht mich so sehr. Vielleicht bekomme ich vor Überraschung einen Herzinfarkt und muss sterben.« Taylor. Arsch. Aber Cooper lachte trotzdem ein bisschen.

»Du könntest jederzeit irgendwo runterfallen«, sagte Brandon säuerlich. »Von einem Haus und mit dem Kopf auf eine schwer beschädigte Klimaanlage zum Beispiel.«

Taylor rieb sein gesundes Auge mit seiner Handfläche. »Baby…«, sagte er mit schmerzerfüllter Stimme.

»Dafür werde ich mich sicher nicht entschuldigen.« Brandon stand auf und Cooper entging nicht der unverhohlene Besitzanspruch, den sein Arm um Taylors Taille oder die Leichtigkeit seines Kusses auf die Schulter zeigte. »Ich hole Felicity. Du bleibst hier sitzen und sorgst dafür, dass Cooper weiß, dass jemand sich um ihn schert, okay?«

Taylor zuckte die Schultern, doch er lehnte sich in den Kuss. »Wie auch immer. Ich bin der Manny. Ein Job, den man niemals loswird.«

Dann warf Brandon einen strengen Blick aufs Krankenbett. »Du hast meine Erlaubnis zu atmen. Iss, wenn der Doktor dir das sagt. Geh dich erleichtern, wenn du noch nicht an irgendwas angeschlossen bist, das das für dich erledigt. Aber nicht weggehen. Auch kein Versuch. Ich schreibe dir später, damit du weißt, wo Felicity gelandet ist.« Er drückte Coopers Unterarm – ungefähr das einzige Körperteil an ihm, das nicht verletzt, gebrochen oder kaputt war – und ging.

Taylor drehte sich um und zog seinen Stuhl etwas näher ans Bett. »Also«, sagte er im Plauderton, »wie gut wirken die Schmerzmittel?«

Cooper versuchte darüber nachzudenken und schlief dabei fast ein. »Fantastisch«, gab er zu.

»Ausgezeichnet. Dann musst du mir jetzt deine Lebensgeschichte erzählen.«

»Oh, Mann!« So viel dumme, traurige Scheiße in der Lebensgeschichte von Cooper Hoskins. »Können wir uns vielleicht auf das Leben von jemand anderem konzentrieren?«

»Nö«, sagte Taylor und schaute ungerührt von seinem Handy auf. »Heute alles über Cooper Hoskins. Es ist dein ganz besonderer Ich stehe unter Drogen und bin bekloppt und diese Leute sollten wissen, wer ich bin, damit sie mir helfen können-Tag. Schieß los.«

»Bin niemand Besonderes«, nuschelte Cooper. »Dad hat sich getrennt, Mom kam nicht damit klar. Bin mit sechs in Pflege gekommen.« Er seufzte, als er versuchte, sich nicht daran zu erinnern, wie er auf seine Mutter gehofft hatte. Ihre zerstreute, gestresste Art zu lieben, war immer noch besser als gar keine Liebe.

»Das ist ja faszinierend«, sagte Taylor mit vor Sarkasmus triefender Stimme. »Und jetzt erzähl mir was Richtiges.«

Cooper seufzte. »Weißt du, wenn man aus dem Pflegesystem ausscheidet, hat man oft nichts, wo man hinkann, oder?«

»Ja«, sagte Taylor jetzt vollkommen ohne Sarkasmus. »Das wusste ich.«

»Also, ich wusste, dass es kommen würde, und ich… ich wollte einfach einen Job. Ich wollte etwas Kontrolle. Ich sah ein paar Typen, die etwas bauten, in der Nähe des Hauses meiner Pflegefamilie, dachte mir, dass ich nicht die tollsten Noten der Welt habe, aber das sah aus, als könnte ich es nicht vermasseln.«

Taylor begegnete seinem Blick und nickte. »Das ist richtig, Kleiner. Und schlau. Red weiter. Ich sitze auf glühenden Kohlen.«

Es musste das Morphium sein. Oder der Schmerz hinter dem Morphium. Oder die Oh danke, Jesus, ich bekomme endlich die Möglichkeit, mir alles von der Seele zu reden-Erleichterung.

Denn Coopers gesamte Lebensgeschichte sprudelte ohne großes Zutun von Taylor aus ihm hervor, verlangsamte sich aber zu einem Rinnsal, noch bevor er überhaupt zu Felicity kam, und wie es dazu gekommen war, dass seit zwei Jahren ein Mädchen auf seiner Couch wohnte. Er hörte nur auf, weil er kurz vorm Einschlafen war, und dann streckte Taylor die Hand aus und tätschelte Coopers Handrücken.

»Is' schon gut, Spooky Cooper«, sagte Taylor freundlich und benutzte dabei den Spitznamen, den die Jungs auf dem Bau Cooper gegeben hatten. »Du schläfst jetzt und wenn du aufwachst, wird jemand hier sein.«

Cooper runzelte die Stirn. »Woher kennst du den Namen?«

»Brandon macht sich viele Sorgen um dich. Schätze, er hatte recht damit.«

»Bin okay.« Er war so kurz vorm Einschlafen. »Aber is' nett, nich' allein zu sein.«

»Wir werden versuchen sicherzustellen, dass das nicht mehr passiert«, sagte Taylor leise. »Also mach dir keine Sorgen. Du wirst eine ganze Weile nicht mehr alleine sein.«

»Immer.« Das war etwas Wahres. »Immer allein.«

Eine von Arbeit raue Hand auf seiner Stirn – das kam unerwartet. »Nicht mehr.«

Er konnte nicht mehr widersprechen. Mund wollte nicht funktionieren. Er würde sich selbst mit diesem schönen Traum trösten.

Spielen

Als Sammy aufgewachsen war, war sein Klavierlehrer, Anson Charles, ein wichtiger Bestandteil seines Lebens gewesen. Jetzt, da er Musik studierte und sich währenddessen selbst Auftritte und Jobs beschaffen musste, versuchte er, in seinem Zeitplan Platz für Ansons Musikstunden zu lassen; größtenteils, damit er sie mit Letty und Keenan teilen und sie sich ebenfalls in die Musik verlieben konnten.

Letty saß mit der Zunge zwischen den Zähnen da und klimperte eine zarte Version von Heart and Soul, während Keenan im Ledersessel in der Ecke lümmelte und ungeduldig darauf wartete, dass er drankam.

Jedes Mal, wenn Letty einen falschen Ton spielte, wand Keenan sich wie ein Fisch, die Grimassen des Schmerzes beinahe hörbar – obwohl er bisher die strenge Keine Kritik-Regel des Unterrichts noch nicht verletzt hatte.

Sammy und Anson warfen sich lange, leidende Blicke über Lettys Kopf hinweg zu, während sie sich daran machte zu spielen, und dann biss Sammy in den sauren Apfel und sah Keenan scharf an.

»Was?«, formte Keenan mit den Lippen und Sammy starrte ihn nur an. »Na schön!« Abermals machte das flinke Mundwerk die Worte, aber kein Geräusch kam heraus.

Lettys musikalisches Massaker näherte sich seinem Ende und Sammy kehrte ihrem Bruder abweisend eine Schulter zu, damit er ihre Anstrengung beklatschen konnte. Und es war eine Anstrengung gewesen – das arme Baby hatte das Lied die ganze letzte Woche zu Tode geübt. Sie hatte es nicht verdient, dass ihr Bruder es in der Luft zerfetzte.

»Gut gemacht, Letty!«, jauchzte Sammy, als die letzte zittrige Note verklang. »Du hast dich so angestrengt!« Lettys kleines pausbackiges Gesicht strahlte zu ihm herauf und ihr sich auflösender Pferdeschwanz wippte.

»Danke, Sammy«, sagte sie grinsend. »Ich will mal so gut wie du sein!«

»Dann mach so weiter, Prinzessin«, sagte Sammy ihr, »und du wirst es schaffen.«

Keenans gedämpftes Jaulen kam nicht einmal bei ihr an, aber Anson bemerkte es.

»Nein, nein, junger Mann«, sagte Anson im perfekten Lehrertonfall, »Sammy hat recht. Dein Papa, Tino, konnte überhaupt nicht spielen, als er nur etwas älter als Sammy jetzt war. Aber seitdem hat er geübt und geübt und jetzt ist er sehr gut.«

Wenn Tino anwesend wäre, hätte er Sammy zugezwinkert und geflüstert, dass »gut nicht talentiert« bedeutet, und Sammy hätte zurückgezwinkert. Sammys Onkel Tino hatte in seinen frühen Zwanzigern Klavierstunden begeistert angenommen, hatte aber immer sehr offen über den Unterschied zwischen seiner harten Arbeit und Sammys natürlicher Gabe gesprochen. Tatsächlich war Tino derjenige gewesen, der sich bei seinem Ehemann, Sammys Onkel Channing, dafür eingesetzt hatte, dass Sammy seine Musikerziehung als richtige Karriere verfolgen sollte.

Sammy hoffte wirklich auf etwas von Tinos Fürsprache an diesem bestimmten Abend, um genau zu sein.

Aber zuerst…

»Okay, Keenan«, schmeichelte Sammy. »Ich weiß, dass du dir ganz doll Mühe gibst, es deiner Schwester beim Klavierspielen nicht zu schwer zu machen, weil sie sechs Jahre alt ist, aber jetzt bist du damit dran, uns zu zeigen, was ein Neunjähriger so kann.«

Keenan sah etwas beschämt aus, als er sich aus dem dick gepolsterten Sessel erhob. »Das war wirklich hübsch, Letty«, murmelte er geziert. »Aber jetzt bin ich dran.«

Letty lächelte ihn vollkommen unschuldig an. »Danke, Keenan. Es ist so lieb von dir, das zu sagen. Hier, lass mich meine Noten wegräumen. Du hast dir auch viel Mühe gegeben.« Letty räumte quietschfidel die Noten für ihren Bruder weg und huschte zum Zuhörersessel, auf dem Keenan gerade einen hysterischen Anfall gehabt hatte.

Sammy und Anson durchbohrten Keenan beide mit einem bedeutungsvollen Blick.

Keenans hochgezogene Schultern und seine schamvolle Miene ergaben das Bild totaler Reue, weshalb Sammy es für den Moment unter den Tisch fallen ließ.

»Jetzt da du hier bist, was hast du eingeübt?«

Keenan zog seine Notenblätter hervor und lächelte, wobei er sich vor Aufregung auf die Unterlippe biss. »Led Zeppelins Kashmir«, sagte er stolz.

Sammy widerstand dem Drang, sich die Hand gegen die Stirn zu schlagen.

Keenan war gescheit – und selbst sehr talentiert am Klavier. Aber Junge, dieses Kind konnte angeben wie sonst was.

Und Kashmir war ein achtminütiges Lied, was echt beschissen war, denn nur dieses eine Mal wollte Sammy der Erste an der Tür sein, wenn Tino und Channing nach Hause kamen.

»Kee, ich muss vielleicht gehen und mit deinen Dads reden, bevor du fertig sein wirst«, entschuldigte Sammy sich, aber Anson unterbrach ihn mit dem gleichen Blick, mit dem er gerade Keenan bedacht hatte.

»Wenn es um den Job geht, kann es warten, bis das Stück deines kleinen Bruders vorbei ist«, sagte er in genau demselben Tonfall, den er benutzt hatte, um Sammy zu schelten, als dieser jünger gewesen war. Selbstverständlich verdiente Sammy es jetzt genauso sehr wie damals – er war das sehr verhätschelte Einzelkind einer alleinerziehenden Mutter gewesen, als diese bei einem Autounfall gestorben war, und sein Onkel Channing hatte Sammy umgehend zu seiner Priorität gemacht. Als Tino und Channing kurz darauf zusammengekommen waren, hatte auch Tino Sammy zu seiner Priorität gemacht.

Sammy konnte auf eine lange Geschichte als Mittelpunkt von jedermanns Universum zurückblicken.

Er war fast zwölf gewesen, als seine Onkel Keenan adoptiert hatten, und er hatte sich selbst vorgenommen, dass das neue Baby die gleichen Vorteile als das Zentrum des Universums haben würde, wie Sammy sie erfahren hatte. Als Letty dazugekommen war, hatte er viel für Keenans Training zum besten großen Bruder getan. So peinlich es auch war, musste Sammy mit einundzwanzig immer noch an die gleichen Lektionen erinnert werden.

»Es tut mir leid«, sagte Sammy errötend. »Natürlich. Fang an zu spielen, Kee. Ich bleibe hier.«

Gott, Kashmir war ein verdammt langes Lied.

Zum Ende hin öffnete und schloss sich die Haustür. Ein großer Mann mit einem Hauch von Silber in seinem blonden Haar und ein weiterer, mittlerer Größe und mit immer noch schwarzen Locken betraten das Musikzimmer. Beide waren makellos gekleidet – Channing, der Größere, war, seit Sammy sich erinnern konnte, eine unerbittliche Fashionista, und Tino war sein williger Jünger geworden, als sie eine Beziehung miteinander begonnen hatten.

Für Sammy hatten die beiden etwas von Bruce Wayne und Dick Grayson – die CEO-Superhelden von Nordkalifornien.

Oder sie waren eben Onkel Channing und Tino – die Männer, die ihn wie einen Sohn aufgezogen und geliebt hatten.

Keenan endete mit großer Geste und grinste dann zu Channing und Tino hoch, die Vollendung zeichnete sich deutlich in jedem hellbraunen Grübchen ab. »Hat's euch gefallen?«, fragte er aufgeregt. »Habt ihr's gehört?«

Channing lachte. »Du sollst doch warten, bis wir klatschen! Oh mein Gott, Kind, du bist schamlos!«

Keenan eilte für eine Umarmung zu ihm und Tino schaute nach Letty, die sehr versuchte, das Zittern ihrer Unterlippe zu unterbinden.

»Ach, Letty-Baby«, sagte Tino sanft, als er neben dem gepolsterten Sessel in die Hocke ging. »Wir sind etwas zu spät gekommen. Möchtest du uns dein Stück noch mal spielen?«

»Ja, Daddy!«, quietschte sie und warf die Arme um seinen Hals. »Darf ich? Darf ich, bitte?« Sie flehte Channing mit ihren Augen an. »Daddy, bitte?«

»Natürlich.« Channing breitete die Arme aus. »Aber ich hätte wirklich gern eine Umarmung, bevor du anfängst.«

»Kann ich auch noch ein paar mehr haben?« Keenan war gerade alt genug, um vielleicht zu stolz für Umarmungen zu sein – aber noch jung genug, um bestätigt bekommen zu wollen, dass er genauso sehr geliebt wurde wie seine Schwester.

»Geben wir ihm noch Extra-Umarmungen?«, fragte Channing Tino mit einem Funkeln in den Augen.

»Ich denke schon. Du magst zu alt dafür sein, aber ich nicht!«

Keenan stürzte sich auf sie, umarmte sie beide und die Familienbegrüßung wurde eröffnet. Sammy warf Anson einen leicht schuldigen Blick zu, um zu sehen, ob ihn das Warten störte, aber der ältere Mann betrachtete Sammys Onkel mit ungenierter Sentimentalität.

»Mein Ehemann und ich haben über Adoption nachgedacht«, sagte Anson leise. »Aber damals hat man das noch nicht wirklich gemacht. Deine Familie jetzt so zu sehen, macht mich wirklich glücklich.«

Sammys Mund klappte auf und seine Brust schmerzte. Das hier nicht zu haben? Seinen Bruder und seine Schwester? Seine Onkel? Der Gedanke, diesen Anker, diesen Hafen der Liebe, nicht in seinem Leben zu haben, schmerzte Sammy körperlich. Er konnte sich nicht vorstellen, keine Familie zu haben – oder nicht vorzuhaben, sie zu vergrößern.

»Ich bin jeden Tag dankbar«, sagte er. Und es war gut, dass er genau jetzt zu diesem Schluss gekommen war, denn das würde ihm so viel mehr Geduld für das Gespräch mit seinen Onkeln später verleihen.

***

»Du wirst wohin gehen?«, fragte Channing – nach Lettys zweiter Vorführung und nachdem Anson zum Abendessen geblieben war und sich danach verabschiedet hatte. Letty und Keenan waren oben, badeten und machten sich bettfertig und Sammy hatte seinen ganzen Mut zusammengekratzt und seine Frage gestellt.

»Na ja, ich werde Teil eines Nachmittagsschulprogramms, bei dem ich Mittelschüler in der Cafeteria in Musik unterrichte.« Das war Teil des Plans. »Aber wisst ihr, als ich zum Gespräch mit dem Lehrer, der für die Aufsicht des Nachmittagsprogramms zuständig ist, ging, fuhr ich an einem, äh, Etablissement« – Spelunke – »vorbei, das ein offenes Vorspielen hatte. Also hätte ich zwei Jobs dieses Semester, einen nach dem Unterricht in…«

»Del Paso Heights«, sagte Channing ausdruckslos. Man konnte ihm aber auch gar nichts vormachen.

»Und den anderen freitags in, äh…«

»Del Paso Heights«, ergänzte Tino, ein Grinsen auf dem Gesicht, das andeutete, dass auch er es Sammy nicht abnahm.

»Es ist nicht so schlimm, wie alle sagen«, sagte Sammy den beiden. Er glaubte das.

Channing lachte. »Nein – nein, ist es nicht. Das glaube ich dir, Sammy. Die Gegend wird in den Nachrichten anders dargestellt, weil sie divers ist. Das weiß ich. Und ich finde, es ist eine wundervolle Idee, dass du im Nachmittagsschulprogramm Klavier unterrichtest. Ich könnte mir keinen besseren Teilzeitjob für dich wünschen. Das ist nicht das Problem.«

»Ich kann es schaffen!« Sammy lächelte strahlend und hoffte… hoffte…

»Du kannst in einer Spelunke in einer anerkanntermaßen nicht so tollen Gegend bis in die frühen Morgenstunden spielen, obwohl du kaum einundzwanzig bist und zu Nasenbluten und zu Schwächeanfällen neigst? Nie im Leben.«

»Argh!« Er wollte genau den Teil – wollte ihn so sehr! »Das mit dem Nasenbluten ist ein Schlag unter die Gürtellinie«, murmelte er.

»Du hast wirklich gedacht, du könntest uns die Spelunke in der bescheidenen Gegend einfach unterjubeln, ohne dass wir es merken?«, fragte Tino entzückt. »Echt jetzt? Als ob wir beide einfach ohne funktionierendes Großhirn da reingehen und dein Schicksal den vier Winden überlassen würden? Hier, Channing, nehmen wir unseren geliebten Neffen und werfen ihn den Wölfen vor! Sie beißen schon nicht so doll!«

»Na klar, Tino – es ist ja nicht so, als ob er wie zwölf aussähe und sich seiner Umgebung so unbewusst ist, dass ich mal gesehen habe, wie er beinahe an einem Zebrastreifen getötet worden wäre…«

»Das war nur ein Mal!«, protestierte Sammy und verzog das Gesicht.

»Es war vor deiner eigenen verdammten Schule, Sammy!« Channing warf seine Hände in der klassischen Vater-Frustrationsgeste in die Luft. »Ich liebe dich! Es wäre mir lieber, wenn du nicht eines Nachts die Arbeit verlässt und in eine Messerstecherei gerätst, weil du so in Gedanken bist, dass du vergisst, dass draußen betrunkene Arschlöcher mit Messern sind.«

Sammy seufzte. »Aber es wäre eine Gelegenheit, aufzutreten«, sagte er traurig. »Professionell! Um vor einem Publikum zu spielen und besser zu werden!«

»Hast du dich bei dem Restaurant beworben, von dem ich dir erzählt habe?«, fragte Channing geduldig.

»Ja. Ich rufe morgen zurück.«

»Gut. Der Job auf der Sommertour?«

»Beworben und ich spiele in ein paar Wochen vor«, sagte er prompt. Darauf freute er sich tatsächlich und er wusste, dass Channing ziemlich viel dafür getan hatte, damit die Schule dieses Programm überhaupt hatte.

Channing stieß den Atem so aus, als würde ihn diese Antwort besänftigen. »Okay, das höre ich gerne. Und die Hochschulstipendien?«

»Die sind alle vergeben.«

Tino und Channing tauschten einen Blick. »Weil…?«, fragte Tino, um zu einer bestimmten Antwort zu führen.

»Weil ich mich nicht beworben habe, weil sie alle außerhalb des Staates sind und ich nicht weggehen wollte«, murmelte Sammy.

Tino und Channing zogen Grimassen. »Oje.« Tino seufzte.

»Yup«, echote Channing.

»Da kann ich dir nicht widersprechen, Kleiner.« Tino breitete die Arme aus und Sammy rannte in sie hinein, genau wie Keenan es vorher gemacht hatte. »Wir haben dich gerne hier«, gestand Tino und hielt ihn so fest, wie nur ein Vater es konnte. »Wir sind noch nicht bereit, dich gehen zu lassen. Aber es wäre uns lieber, du gehst, kommst uns besuchen und bist in Sicherheit, als…«

»Als in einer Messerstecherei getötet zu werden, weil du das Messer nicht hast kommen sehen«, vollendete Channing den Satz, als er kam, um sich seinen Teil der Umarmung abzuholen.

»Ich werde mich nächstes Jahr bewerben«, versprach Sammy versöhnlich.

»Nur, wenn du das willst. Und wenn deine Gesundheit mitmacht«, fügte Channing streng hinzu, aber Sammy ignorierte ihn.

»Und diesen Frühling begnüge ich mich mit der Mittelschule.«

»Das ist eine sehr gute Idee«, sagte Channing und drückte zur Unterstreichung seiner Worte noch etwas fester zu.

Sammy wich zurück und verzog das Gesicht. »Ich sollte Dodgy anrufen und ihm sagen, dass ich es nicht machen kann.«

Die Enttäuschung über den verlorenen Job war es beinah wert, ihr ungläubiges und alarmiertes Blinzeln zu sehen.

»Dodgy?«, fragte Tino, als würde er Letty dabei zuhören, wie sie ihm die tollste Geschichte erzählte.

»Das wäre dein Boss gewesen?«, vergewisserte sich Channing. »Dodgy? Du hättest echt für einen Kerl namens…«

»Dodgy!«, spottete Sammy. »Yup. Ich hätte für Dodgy gearbeitet. Habt ihr sonst noch Fragen?«

»Ja.« Channing verschränkte seine Arme mit sichtbarer Freude. »Mein letzter Kenntnisstand war, dass du dieses Semester für Lettys und Keenans außerschulische Aktivitäten verantwortlich wärst. Weißt du noch?«

»Oh Gott«, murmelte Sammy mit errötendem Gesicht. Das hatte er ganz vergessen.

»Ganz genau, Freundchen«, fuhr Channing so unerbittlich fort, wie es nur ein erstklassiger Verhandlungsführer konnte. »Kunstunterricht, Tanzstunden, der ganze Scheiß? Diese Unterrichtsnummer klingt, als würde sie zur Hochzeit der Lauf dir mit den Kindern die Hacken ab-Zeit stattfinden. Hast du irgendwelche Vorschläge, wer das dann machen wird?«

»Oh Mann.« Er hatte dieses Semester zwölf Einheiten, alle davon morgens. Er war mit dem Unterricht um elf Uhr fertig. Er hatte Channing und Tino gesagt, dass er sich um einige der Kinderverpflichtungen kümmern könnte – weil er diese Verpflichtungen mochte, verdammt. »Ja. Mist.« Seine Schultern sackten nach unten. »Verdammt.«

»Channing, ich glaube, dieser Job ist eine gute Sache«, sagte Tino sanft. Er biss in Gedanken auf seine Lippe und Sammy wurde daran erinnert, wie viel jünger Tino als Sammys Onkel Channing war. Tino war nur etwas älter als Sammy gewesen, als er an die Tür geklopft, die Dinnerboxen seiner Schwester ausgeliefert und zugelassen hatte, dass er in Sammys und Channings Leben reingezogen worden war.

Tino war ein einfühlsamer Verbündeter.

»Das tue ich auch«, murmelte Channing sich den Nacken reibend. »Denkst du, Lance oder Gwennie könnten es übernehmen?«

Tino schnitt eine Grimasse. »Lance macht dieses Jahr seinen Abschluss – er hat achtzehn Veranstaltungen, inklusive seines Praktikums. Ich glaube, das wird nichts.«

»Ehrlich? Gott, er ist schnell groß geworden. Was ist mit Gwennie?«

»Gwennie geht dieses Semester nach Europa«, warf Sammy ein. Arthur, Tinos Kumpel aus dem College, hatte seinen Abschluss gemacht, aber weiter als Lagerarbeiter für einen Stoffhandel gearbeitet. Sein kleiner Bruder und seine kleine Schwester waren auf der anderen Seite offensichtlich dabei, etwas Großes erreichen zu wollen. Sammy war als Teenager in Gwennie verknallt gewesen und hatte beobachtet, wie sie von einer molligen Teenagerin zu einer atemberaubenden Erwachsenen geworden war, was ihn mächtig beeindruckt hatte. Aber Gwennie war ein Jahr älter als Sammy und irgendwo in diesem einen Jahr Unterschied hatte sie seine Liga verlassen und ein Kunststipendium in Italien angenommen.

»Oh mein Gott!«, murrte Channing. »Wer hat diesen Kindern erlaubt, erwachsen zu werden? Was zur Hölle? Alle sind gefeuert!«

Tino griff nach seiner Hand und küsste seine Schläfe. »Ja, Baby. Sie haben alle das Channing Lowell Unternehmen des Lebens verlassen, indem sie erwachsen geworden sind und sich Jobs gesucht haben. Alle gefeuert. So ist das.«

»Halt die Klappe«, grummelte Channing. »Ich meine ja nur – deine Schwester Elena wird heiraten und zieht nach Bay Area. Carrie hat ihren Abschluss gemacht und wir mussten ein neues Hausmädchen einstellen. Taylor wird seinen Abschluss bekommen und er passt nicht mehr auf Jacobs und Nicas Kinder auf. Wann sind aus diesen ganzen Kindern in unserem Haus Erwachsene geworden und wie verhindern wir, dass das bei Letty und Keenan passiert? Das gefällt mir ganz und gar nicht!«

Tino küsste seine Wange. »Ich bin immer noch jung und scharf. Zählt das irgendwie?«

Channing unterbrach sein Schmollen lang genug, um kurz zu lächeln. »Ja, klar. Aber es hilft uns nicht dabei, jemanden zu finden, der die Kinder rumchauffiert.«

»Sehen wir den Tatsachen ins Gesicht.« Tino lehnte sein Kinn auf Channings Schulter. »Wir müssen vielleicht eine…«

Ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn.

»Ich mach das«, meldete Sammy sich freiwillig, größtenteils, damit er Channing nicht so traurig sehen musste. Er wusste, dass es allen Erwachsenen irgendwann so erging – das war nun mal so. Deshalb riefen Erwachsene auch immer, wie groß die Kinder geworden waren. Die Leute maßen ihr eigenes Leben an den Gesichtern der Kinder um sie herum – es war unausweichlich, wie die Zeit.