Ein neues Licht auf das Evangelium - Omraam Mikhaël Aïvanhov - E-Book

Ein neues Licht auf das Evangelium E-Book

Omraam Mikhaël Aïvanhov

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Beschreibung

Schon beim ersten Blick in die Evangelien fällt die erzählerische Form auf. Wenn auch manche Phasen aus dem Leben Jesu Im Schatten bleiben, berichten doch die Evangelien zuweilen über Details aus seinem Alltagsleben; und seine Lehre selbst wird oft in Form von Gleichnissen wiedergegeben. Die Auslegungsmethode des Meisters Omraam Mikhaël Aïvanhov ruft erhebliches Interesse hervor, denn diese kurzen Geschichten, die sich auf konkreter oder symbolischer Ebene abspielen, werden als psychologische Gegebenheiten betrachtet: Die zehn Jungfrauen, die zur Hochzeit des Bräutigams eingeladen sind - der wohlhabende Besitzer, der von seinem Verwalter Rechenschaft verlangt - der Herr, der hinausgeht, um Arbeiter für sein Weinberg zu dingen - die Jünger, die der Sturm dermaßen erschreckt, dass sie den auf dem Schiff schlafenden Jesus wecken müssen - die Frage, um die Steuern, die dem Kaiser zukommen sollen. All diese Berichte werden von ihren darstellerischen Elementen befreit, also von all dem was rein äußerlich und von begrenzter Tragweite ist. So erscheinen sie als beständige Realitäten unseres inneren Lebens, in dessen Tiefe sich die entgegensetzten Kräfte der geistigen und materiellen Sphären bekämpfen und wieder versöhnen.

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Über den Autor

Omraam Mikhaël Aïvanhov war ein großer spiritueller Meister, ein lebendiges Vorbild, ein »Überbringer des Lichts« und ein warmherziger, humorvoller Lehrer, der durch sein selbstloses, zugängliches und brüderliches Verhalten überzeugte.

Er strebte an, alle Menschen bei ihrer persönlichen Entwicklung zu begleiten – so wie ein Bergführer seine Kameraden sicher bis auf den höchsten Gipfel führt.

Das Gedankengut, das Omraam Mikhaël Aïvanhov verbreitet hat, bietet zahlreiche Methoden und einen klaren, begehbaren Weg zu größerer Vollkommenheit und mehr Lebensglück.

In wohltuend einfacher Sprache erklärt er alle wichtigen Zusammenhänge des Lebens und ist gerade bei den Fragen unserer heutigen Zeit wegweisend. Ob es um die Bewältigung des Alltags geht, um das Thema der Liebe und Sexualität oder um tiefgründige philosophische Themen – stets sind seine Antworten überraschend klar und hilfreich.

Kurzbeschreibung

Die Evangelien haben eine erzählerische Form. Manche Phasen aus dem Leben Jesu bleiben im Verborgenen, und doch erzählen die Evangelien über Einzelheiten aus seinem Alltagsleben. Selbst seine Lehre wird oft in Gleichnissen dargestellt.

Die Auslegungs-Methode von Omraam Mikhaël Aïvanhov ist interessant und aufschlussreich, weil er diese kurzen Geschichten aus psychologischer Sicht betrachtet: Die zehn Jungfrauen, die zur Hochzeit des Bräutigams geladen sind; der wohlhabende Besitzer, der von seinem Verwalter Rechenschaft verlangt; der Herr, der hinausgeht, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen; die Jünger auf dem Schiff, die der Sturm so erschreckt, dass sie den schlafenden Jesus wecken müssen; die Frage nach den Steuern, die dem Kaiser zukommen sollen... All diese Berichte beschreiben beständige Realitäten unseres inneren Lebens, in dessen Tiefe sich die gegensätzlichen Kräfte der geistigen und materiellen Sphären bekämpfen und wieder versöhnen.

Inhaltsverzeichnis

Über den Autor

Kurzbeschreibung

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1: »Man füllt nicht jungen Wein in alte Schläuche«

Kapitel 2: »Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder«

Kapitel 3: Der ungerechte Verwalter

Kapitel 4: »Sammelt euch Schätze...«

Kapitel 5: »Gehet ein durch die enge Pforte«

Kapitel 6: »Wer auf dem Dach ist...«

Kapitel 7: Der Sturm, der sich gelegt hat

Kapitel 8: »Die Letzten werden die Ersten sein«

Kapitel 9: Das Gleichnis von den fünf törichten und von den fünf klugen Jungfrauen

Kapitel 10: »Das ist das ewige Leben, dass sie Dich erkennen, der Du allein wahrer Gott bist!«

Vom selben Autor – Reihe Gesamtwerke

Vom selben Autor – Reihe Izvor

Vom selben Autor – Reihe Broschüren

Copyright

Da Omraam Mikhaël Aïvanhov seine Lehre ausschließlich mündlich überlieferte, wurden seine Bücher aus stenographischen Mitschriften, Tonband- und Videoaufnahmen seiner frei gehaltenen Vorträge erstellt.

Kapitel 1: »Man füllt nicht jungen Wein in alte Schläuche«

»Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von neuem Tuch; denn der Lappen reißt doch wieder vom Kleid, und der Riss wird ärger. Man füllt auch nicht jungen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißen die Schläuche und der Wein wird verschüttet, und die Schläuche kommen um; sondern man füllt jungen Wein in neue Schläuche, so werden sie miteinander erhalten.«

Matthäus 9: 16-17

Diese Stelle, auf die so oft hingedeutet wird, ist sicherlich nicht neu für euch. Ich denke, sie enthält Wahrheiten, von denen ihr noch gar nichts ahnt, die ihr aber doch kennen solltet. Alte und neue Schläuche, junger Wein... Was ist mit diesen Worten gemeint? Heutzutage wird der Wein in Fässer gefüllt. Früher dagegen benützte man Schläuche, die aus sackförmig zusammengenähten Tierhäuten hergestellt waren. Und den jungen Wein konnte man nicht in alten, verbrauchten Schläuchen aufbewahren, weil darin Gärung entstand und Gase frei wurden. Diese Schläuche wären sonst geplatzt und der Wein herausgelaufen. Man füllte also den jungen Wein in neue, haltbarere Schläuche, die dem starken Druck standhalten konnten.

Was bedeutet dieser Gärungsprozess vom wissenschaftlichen Standpunkt aus gesehen? Gärung ist nichts anderes als die natürliche Zersetzung von organischer Materie. Es gibt unterschiedliche Gärungsarten. Die Alchimisten haben einige davon erforscht und daraus die ihnen notwendigen Elemente zur Herstellung des Steines der Weisen gewonnen. Im Menschen können ebenfalls Gärungen entstehen, nicht nur in seinen physischen Organen, sondern auch in seinem Herzen, in seinem Kopf, mit anderen Worten, in seinen Gefühlen und Gedanken. »Junger Wein wird in neue Schläuche gefüllt, so werden Wein und Schläuche miteinander erhalten«, sagte Jesus. Damit zog Er eine Parallele zwischen dem jungen Wein und Seiner Lehre. Denn er wusste, dass diese Lehre in starke, widerstandsfähige Menschen »gegossen« werden musste, die in der Lage waren, die Veränderungen auszuhalten, die solch eine Lehre zwangsläufig bewirken würde.

Denn so wie der Wein ist eine esoterische Lehre nicht etwas Totes. Ganz im Gegenteil, sie lebt, und dieses Leben zieht alle möglichen bedeutsamen Folgen nach sich. Der Schlauch versinnbildlicht den Menschen; in diesem Schlauch findet man – wenn man das so sagen kann – noch eine Menge anderer Schläuche wie den Kopf, die Lunge, den Magen usw. Herz, Intellekt und Seele stellen ebenfalls Schläuche dar, und passt man nicht auf, was man dort hineinlässt oder sind die Schläuche in vernachlässigtem Zustand, dann kommt es zu bedauerlichen Folgen.

Manche beklagen sich bei mir und sagen: »Vorher ging es mir viel besser! Ich konnte trinken und essen was ich wollte, allerlei Dummheiten begehen, mich amüsieren... und ich fühlte mich wohl dabei. Aber seitdem ich versuche, der Lehre der Universellen Weißen Bruderschaft zu folgen, ist es mir unbehaglich geworden, als finge in mir etwas zu gären an. Diese Lehre bekommt mir wirklich nicht.« Sie begreifen nicht, was in ihrem Inneren vorgeht, und anstatt sich normal weiter zu entfalten, jammern sie, sind entmutigt und schrecken zurück. Was bedeutet das? Dass sie alte Schläuche sind, in die jungen Wein zu füllen noch verfrüht ist!

Beobachtet euch selbst und beobachtet die anderen, und ihr werdet Folgendes feststellen: Schließen sich die Menschen einer Lehre an – so göttlich sie auch sein mag –, dann verstricken sie sich nach einem oder nach sechs Monaten oder vielleicht nach einem Jahr (das hängt von der jeweiligen Person ab) in die ärgsten Widersprüche. Sie werden reizbar oder depressiv, und statt durch ihre Arbeit das Positive in ihrem Wesen zu verstärken, fördern sie sogar nur das Negative, weil jeder neue Gedanke, jedes neue Gefühl Gärungen im Inneren hervorruft.

Vielleicht schließt ihr aus dem Gehörten, es sei gefährlich, sich unserer Lehre zu öffnen, obwohl sie wahrhaftig rein und göttlich ist. Nein, es droht keine Gefahr. Doch eines müsst ihr vor allem wissen: Man muss zunächst eine solide Form in sich vorbereiten, die fähig ist, eine neue Philosophie, eine neue Idee, eine neue Lehre in sich aufzunehmen und sie zu ertragen. Man kann sich keine neue Philosophie zu eigen machen, wenn man sich nicht zuvor mit ihr in Einklang gebracht hat, wenn man nicht Magen, Kopf und Lunge samt dem ganzen Organismus gestärkt und darauf vorbereitet hat, der Spannung standzuhalten, welche die neuen Ströme bewirken, die man da aufnimmt. Glaubt nicht, es sei leicht, die Ströme von Liebe und Licht zu ertragen, im Gegenteil. Die Menschen scheinen viel mehr auf Leid, Kummer und Enttäuschung vorbereitet zu sein als auf Freude, Inspiration und erhabene Strömungen. Man könnte sogar glauben, sie hätten eine Vorliebe für verwickelte Situationen. Und wenn ihnen einmal eine hohe, lichtvolle Eingebung zuteil wird, scheint es, als fänden sie nicht eher Ruhe, bis sie sich wieder davon befreit haben. Warum nur? Göttliche Eingebung ist doch etwas so Seltenes und Kostbares!

Wenn die Menschen nur wüssten, welch positive Veränderungen eine göttliche Idee nach sich ziehen kann, sowohl auf physiologischer als auch auf chemischer und psychologischer Ebene! Und eben diese Chance weisen sie zurück! Wo werden sie später weiteren Möglichkeiten zur Veränderung begegnen? Diese Einstellung werden sie eines Tages bereuen und sagen: »Es ist wahr, wie oft habe ich das Licht weggejagt, einfach, weil ich mich vor dem Geist in mir fürchtete!« Mir ist oft aufgefallen, dass man vor der Hölle und den Teufeln, vor Leid und Chaos, vor allem Niederen, keine Angst empfindet. Aber vor dem Geist und erhabenen Bewusstseinszuständen fürchtet man sich sehr! Einerseits nicht ganz zu Unrecht, denn im tiefsten Winkel seines Wesens spürt man genau, dass man noch kein »neuer Schlauch« ist. Man hat noch das Bedürfnis, das niedere Leben zu leben, und instinktiv fürchtet man sich davor, dem neuen Leben und der Erweiterung des Bewusstseins noch nicht gewachsen zu sein. Wer sich vor dem Geist fürchtet, weiß nicht recht, warum. Er spürt aber instinktiv, dass es hier tatsächlich etwas zu fürchten gibt, nämlich alte Gewohnheiten aufgeben zu müssen. In Wirklichkeit gibt es nichts Schöneres, als die himmlischen Strömungen in sich wahrnehmen zu können: Dieses Licht, diese Kraft, diese Freude, die uns Tag für Tag zuströmen; die Liebe, die alle Seelen in jedem Augenblick durchflutet. Wenn wir aber diese Strömungen aufhalten durch unsere Schwächen, unsere negativen Gedanken und Gefühle, so bedeutet das, dass unsere Schläuche noch nicht dazu bereit sind, den jungen Wein aufzunehmen. Es sind alte Schläuche; wir müssen sie ersetzen.

Die Zellen unseres Körpers werden beständig erneuert, abgenutzte und krankhafte täglich durch gesunde ersetzt. Dieser Erneuerungsprozess erstreckt sich über einen Zeitraum von sieben Jahren. Alle sieben Jahre also sind die Moleküle und Atome unseres Körpers durch andere ersetzt. Ihr werdet sagen: »Dann ist unser ganzes Wesen also schon erneuert!« Nein, eben nicht! Selbst wenn unsere Zellen im Laufe dieser sieben Jahre ersetzt worden sind, muss man doch wissen, dass jede Zelle ein Gedächtnis besitzt – oder wenn ihr so wollt – bestimmte Gewohnheiten; diese überliefert sie ihren Nachfolgerinnen in Form von ätherischen Einprägungen, auf denen Gedanken, Gefühle und Energien sich wie auf tief eingravierten Rillen bewegen. Daraus lässt sich erklären, warum die neuen Teilchen, welche die alten ersetzen, deren Gedächtnis mit übernehmen. Obgleich sieben Jahre verflossen sind, befinden sich die Zellen in den gleichen, oft sogar noch niedereren Zuständen.

Wie alt seid ihr? Wie viele Perioden von sieben Jahren habt ihr schon erlebt? Und trotzdem bleibt ihr denselben Gewohnheiten treu, ihr bewahrt dieselbe Art und Weise zu denken und macht immer wieder dieselben Dummheiten. Die Tatsache, dass eure Zellen sich in sieben Jahren erneuert haben, genügt nicht, um euer ganzes Wesen von Grund auf zu regenerieren. Euer Körper hat sich zwar gewandelt, jedoch die Neigungen und Gewohnheiten bleiben dieselben, denn die neuen Teilchen stehen unter dem Einfluss der alten Einprägungen oder sagen wir des alten Gedächtnisses.

Um sich wirklich zu verwandeln, muss man das Gedächtnis der Zellen verändern. In dem Maße wie die neuen Zellen die alten ersetzen, muss man ihnen auch neue Gedanken und neue Gefühle aufprägen. Ja, wenn man bewusst lebt, kann man sozusagen die alten Schläuche erneuern, indem man sie nach und nach mit dem jungen Wein einer geistigen Lehre füllt. Lebt man jedoch im selben Chaos und denselben gefährlichen Gewohnheiten weiter, dann entstehen unvermeidlich Gärungen in den Schläuchen. Deshalb sollen wir gleichzeitig die geistige Lehre aufnehmen und das Gedächtnis der Zellen verändern, indem wir daran arbeiten, neue Elemente in uns einzuführen, aber auch indem wir auf die Reinheit von Nahrung, Getränken und Luft achten und auf die Reinheit von all dem Sichtbaren und Unsichtbaren, das wir in uns einlassen. Erst dann sind wir fähig, ohne Furcht eine neue Philosophie und neue geistige Strömungen in uns aufzunehmen.

Eben haben wir über die Schläuche gesprochen. Jetzt noch ein paar Worte über den Wein. Ihr trinkt fast alle Wein. Wenn man wenig trinkt, kann es nicht schaden. Manche sagen sogar, er gebe ihnen geistige Anregungen. Ihr wisst aber auch, dass es gepanschte Weine gibt, die man besser nicht trinkt, denn sie sind mit allerlei schädlichen Zutaten zubereitet, die ich hier nicht aufzählen möchte. Was ich euch aber sagen wollte, ist Folgendes: Im geistigen Bereich entsteht dasselbe Phänomen wie im materiellen Bereich. Es gibt Lehren und philosophische Systeme, die gepanschtem Wein gleichen. Sie bestehen aus vielen verschiedenartigen Elementen, die überhaupt nichts Lebendiges oder Substantielles mehr beinhalten. Trinkt man von diesem Wein, so fühlt man sich verwirrt, irgendwie verstört, sogar krank. Wein sollte man nicht irgendwo kaufen. Das Geheimnis besteht darin, sich den Wein selbst herzustellen, das heißt also, über seine Gedanken, seine Gefühle und seine Handlungen selbst zu bestimmen. Ihr werdet sagen: »Sie füllen ja auch gerade Wein in unsere Schläuche. Ist dieser Wein vielleicht auch gepanscht?« Denkt was ihr wollt! Ich rate euch nur, einen Weinstock in eurer Seele anzubauen, ihn zu pflegen, seine Trauben zu lesen, ihn zu keltern und den Saft daraus zu trinken. Vom guten Wein, den man selbst zubereitet hat, darf man so viel trinken, wie man will – selbst bis zur Trunkenheit.

Jungen Wein in neue Schläuche füllen, bedeutet die Vereinigung von Geist und Materie verwirklichen. Unter dem Wort »Materie« ist nicht nur die Materie der physischen Ebene gemeint, sondern auch die aus dem psychischen Bereich, das heißt Gedanken und Gefühle. Es genügt nicht, dass ihr eine Lehre in euren Kopf stopft, euch täglich mit neuen Gedanken ernährt, ohne dabei gleichzeitig euer physisches und psychisches Wesen durch eine reinere Lebensführung gänzlich zu erneuern. Beschränkt ihr euch ausschließlich darauf, nur zu lernen, dann werden die aufgeblähten Schläuche bald platzen, denn ihre Form und die Energien, die in sie hineinfließen, stimmen nicht mehr überein. Wenn ihr keine Atem- oder Gymnastikübungen macht, auf Beten und Meditieren verzichtet, euch nicht nach den Regeln der neuen Lehre ernährt und danach lebt, dann entstehen alle möglichen Anomalien in euch. Wenn die Gärung beginnt, fühlt man sich so verwirrt und reizbar, dass man überall aneckt. Ich habe sogar Männer gesehen, die nach Aufnahme des geistigen Lebens, Frau und Kindern gegenüber übermäßig nervös waren. Eine geistige Lehre darf solche Auswirkungen nicht hervorrufen. Der Grund dieser Gärung besteht darin, dass die Schläuche zu alt und verbraucht waren!

Ich spüre, was einige unter euch denken: »Also gut! Wir haben verstanden, dass es eine wunderbare Lehre gibt. Wir müssen weiterkommen. Wir haben etwas Bestimmtes zu tun, das ist uns klar; wir wissen aber nicht, wie wir es anstellen sollen. Geben Sie uns Methoden, denn diese fehlen uns.« Was ihr da sagt, ist zugleich richtig und falsch. Ich habe euch schon viele Methoden gezeigt. Aber ihr schätzt sie anscheinend nicht so sehr, weil sie euch unbedeutend erscheinen.1 Ihr wartet immer darauf, dass ich euch sensationelle Methoden offenbare, die euch auf der Stelle verwandeln. Das ist schade, aber solche Methoden gibt es nicht.

Ihr werdet niemals einen wahren Eingeweihten finden, der euch Rezepte geben könnte, die euch mit einem Schlag weise, stark und frei machen. In jedem Menschen kann die Wandlung erst durch tägliche, stetige Arbeit eintreten. Wenn euch jemand sagt: »Nehmt jene Zauberformel, wendet diese Talismane oder jenes magische Verfahren an und ihr werdet sofort gerettet«, sind das Lügen von einem Geschöpf, das ein Interesse daran hat, euch zu täuschen. Ein wahrer Meister hingegen wird zu euch sagen: »Meine Kinder, alles ist möglich, aber erst, wenn ihr euch darum bemüht. Nur dann werdet ihr von dem, was ihr erworben habt, so tief durchdrungen sein, dass es euch niemand mehr wegnehmen kann.« Alles, was man im Schnellverfahren oder durch magische Vorgehensweisen erlangt, ist nicht von Dauer. Was man sein eigen glaubte, geht kurz darauf verloren; alles was auf diese Weise erworben wurde, kam nicht von innen heraus durch eigenes Bemühen.

Es gibt Meister, die fähig wären, auf der Stelle in euch alle möglichen Tugenden zu entwickeln; doch sie tun es nicht, denn diese Tugenden würden nicht von Dauer sein. Liebe, Erkenntnis und Kraft können nicht von außen kommen, so wie man Wein in eine Flasche gießt. Es ist unsere Aufgabe, Tag um Tag an der Verwandlung unserer Schläuche zu arbeiten. Leider finden geistige Schulen, die solche Anstrengungen verlangen, wenig Anklang. Diejenigen aber, die den höchsten Segen versprechen, ohne dass man den kleinen Finger rührt, ziehen eine Menge Leute an. Darin liegt die Ursache, warum sich so wenige Schüler einer wirklich wahren Lehre anschließen.

Der Himmel ist gerade dabei, starke Strömungen, dem jungen Weine gleich, auf die Erde hinunterzusenden. Und die Schläuche, die nicht bereit sind, den Wein der Erneuerung zu ertragen, werden umkommen, denn die unsichtbare Welt will alle Schläuche – alte wie neue – füllen. Das deutet darauf hin, dass die Zeit der Offenbarung der alten Mysterien herannaht. Die Menschheit besteht aus alten und neuen Schläuchen. Ob sie aber neu oder verbraucht sind, spielt keine Rolle. Wenn der Wein herbeigebracht wird, wird nicht dieser oder jener ausgesucht. Sie werden alle gefüllt. Die neuen werden erhalten bleiben, die alten platzen eben!

Bemüht euch also jeden Tag, eure alten Schläuche zu erneuern. Anders gesagt: Arbeitet an euch selbst, an all euren Zellen und Organen und bereitet euch vor, den jungen Wein in Empfang zu nehmen, d. h. die machtvollen und segensreichen Ströme, mit denen die unsichtbare Welt bald die ganze Erde überfluten wird.

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Anmerkung

1 Siehe Band 13 der Reihe Gesamtwerke »Die neue Erde – Anleitungen, Übungen, Sprüche, Gebete« und Band 227 der Reihe Izvor »Goldene Regeln für den Alltag«.

Kapitel 2: »Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder«

I

»Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an. Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasset die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn ihnen gehört das Reich Gottes. Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen. Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.«

Markus 10: 13-16

»Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist der Größte im Himmelreich? Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.«

Matthäus 18: 1-3

Während ich vorlas, habt ihr euch sicher gewundert, warum ich gerade diese Stellen ausgewählt habe. Seit zweitausend Jahren haben die Prediger wiederholt, man solle wie die Kinder werden. Leider ist niemand daraus schlauer geworden. »Lasset die Kinder zu mir kommen, denn ihnen gehört das Reich Gottes. Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen.« Wenn ich euch diese wenigen Zeilen im Licht der Esoterik erkläre, werdet ihr sehen, was für ein tiefgründiger Gehalt in ihnen verborgen liegt.

Ruft man sich die Kindheit vor Augen, so kann man nicht umhin, auch an das Alter zu denken, denn beide sind miteinander verbunden. Kinder fühlen sich von alten Menschen angezogen; und umgekehrt haben Greise Kinder sehr gern. Das Leben gleicht einem Kreis, dessen Anfang die Kindheit und dessen Ende das Greisenalter ist. Die beiden äußersten Punkte berühren sich. Steht man aber einem Kind oder einem Alten gegenüber, so empfindet man dennoch nicht dasselbe. Das Kind möchte man gleich umarmen, streicheln, auf dem Arm tragen oder es auf den Knien hüpfen lassen... den Greis jedoch nicht. Warum? Ihr werdet antworten, das sei deshalb, weil das Kind leichter ist. Nein, das ist nicht der einzige Grund.