Ein Rätsel namens Liebe - Lotte R. Wöss - E-Book
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Lotte R. Wöss

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Beschreibung

Elf Jahre, drei Monate und zwanzig Tage!

Michaels große Liebe Ulla verschwand in der Nacht vor genau elf Jahren, drei Monaten und zwanzig Tagen spurlos. Damals war sie erst neunzehn Jahre alt.

Von einem Privatdetektiv erfährt Michael, dass sie unter falschem Namen in einem psychiatrischen Sanatorium auf Sylt lebt und sich scheinbar an nichts mehr erinnert. Er ergreift die Chance und bricht auf, um seine Ulla wiederzusehen. Auch nach all diesen Jahren hat er nie aufgehört, sie zu lieben. Ihr Verschwinden hat eine Leere in ihm hinterlassen, die keine andere Frau zu füllen vermochte.

Eben erst angekommen, entdeckt er am Strand eine Frau. Michael traut seinen Augen kaum! Dort steht seine geliebte Ulla, als wäre nie etwas geschehen. Voller Freude geht er zu ihr, doch als er sie anspricht, erkennt sie ihn nicht.
Noch rätselhafter ist, dass es so scheint, als wüsste Ullas Bruder Oliver seit Jahren über ihren Zustand Bescheid. Michael versteht die Welt nicht mehr. Warum hat Oliver nie etwas gesagt? Michael beschließt, zu handeln. Er muss herausfinden, was in jener Nacht, in der Ulla verschwand, geschehen und wie sie in dem Sanatorium gelandet ist. Niemals wird er aufgeben. Nicht, bevor er die Wahrheit kennt!

Ein Rätsel namens Liebe ist der dritte Teil der Einfach-Liebe-Reihe. Alle Bände sind in sich abgeschlossen und durch wiederkehrende Figuren miteinander verbunden. Sie können unabhängig voneinander gelesen werden.

Der Roman ist eine Neuauflage und erschien ursprünglich unter dem Titel Zwei Seelen für immer.

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1. Gefunden
2. Die Nebelwand
3. Der Plan
4. Stammtisch
5. Der neue Job
6. Erste Begegnung
7. Ein fremder Mann?
8. Der erste Schritt
9. Eine neue Dimension
10. Brüderliche Ratschläge
11. Erste Berührung
12. Der Chefarzt
13. Ein Blick hinter den Nebel
14. Ein Fortschritt?
15. Mosaiksteinchen
16. Oliver
17. Weihnachtsmarkt im Norden
18. Der Schritt zurück
19. Verzweiflung
20. Ungewissheit
21. Abschied
22. Die Familie
23. Familien-Silvester
24. Ahnungslos
25. Ein neuer Patient
26. Ohnmacht
27. Die Vergangenheit kehrt zurück
28. Brüder
29. Bedrängnis
30. Schreckliche Wahrheit
31. Zusammenbruch
32. Der Mann im Hintergrund
33. Olivers Version
34. Eine blutige Nase
35. Ein neuer Weg
36. Heimkehr
37. Der Panzer
38. Der dritte Mann
39. Aufgewärmt schmeckt nicht immer
40. Ein Pfarrer mit Herz
41. Der vierte Mann
42. Eine Brücke bricht
43. Aus
44. Die Schwägerin
45. Ein wichtiges Gespräch
46. Das endgültige Ende?
47. Osterhase
48. Neubeginn
Danksagung
Weitere Veröffentlichungen

LOTTE R. WÖSS

Ein Rätsel namens Liebe

Über das Buch:

 

Elf Jahre, drei Monate und zwanzig Tage.

 

Michaels große Liebe Ulla verschwand in der Nacht vor genau elf Jahren, drei Monaten und zwanzig Tagen spurlos. Damals war sie erst neunzehn Jahre alt.

 

Von einem Privatdetektiv erfährt Michael, dass sie unter falschem Namen in einem psychiatrischen Sanatorium auf Sylt lebt und sich scheinbar an nichts mehr erinnert. Er ergreift die Chance und bricht auf, um seine Ulla wiederzusehen. Auch nach all diesen Jahren hat er nie aufgehört, sie zu lieben. Ihr Verschwinden hat eine Leere in ihm hinterlassen, die keine andere Frau zu füllen vermochte.

 

Eben erst angekommen, entdeckt er am Strand eine Frau. Michael traut seinen Augen kaum! Dort steht seine geliebte Ulla, als wäre nie etwas geschehen. Voller Freude geht er zu ihr, doch als er sie anspricht, erkennt sie ihn nicht.

Noch rätselhafter ist, dass es so scheint, als wüsste Ullas Bruder Oliver seit Jahren über ihren Zustand Bescheid. Michael versteht die Welt nicht mehr. Warum hat Oliver nie etwas gesagt? Michael beschließt, zu handeln. Er muss herausfinden, was in jener Nacht, in der Ulla verschwand, geschehen und wie sie in dem Sanatorium gelandet ist. Niemals wird er aufgeben. Nicht, bevor er die Wahrheit kennt!

 

Ein Rätsel namens Liebe ist der dritte Teil der Einfach-Liebe-Reihe. Alle Bände sind in sich abgeschlossen und durch wiederkehrende Figuren miteinander verbunden. Sie können unabhängig voneinander gelesen werden.

 

Der Roman ist eine Neuauflage und erschien ursprünglich unter dem Titel »Zwei Seelen für immer«.

Über die Autorin:

 

 

 

Lotte R. Wöss, geboren 1959 in Graz, absolvierte nach der Matura die Ausbildung zur Diplom-Krankenschwester.

Schon als Kind schrieb und dichtete sie, es folgten Artikel und Gedichte für kleine Zeitungen, doch erst im reiferen Alter fand sie zurück zu ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, und veröffentlichte ihren Debütroman »Schmetterlinge im Himmel« als Selfpublisherin. Mittlerweile hat sie zahlreiche Liebesromane, Krimis und auch Kurzgeschichten veröffentlicht, sowohl als Selfpublisherin als auch in Verlagen.

Ihr bevorzugtes Genre bleiben aber Liebesgeschichten mit Tiefgang. Die Entwicklung, die ein Mensch machen kann, die Möglichkeit, an sich selbst zu arbeiten und einen Reifeprozess durchzumachen – das ist für Wöss Thema Nummer eins.

 

 

 

Lotte R. Wöss

 

Ein Rätsel namens Liebe

 

Einfach Liebe

Band 3

 

 

 

 

Liebesroman

 

 

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

 

Juni © 2022 Empire-Verlag

Empire-Verlag OG, Lofer 416, 5090 Lofer

 

Lektorat: Michael Lohmann

https://www.worttaten.de/

Korrektorat: Jasmin Schulte

www.zeilenstark.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.

 

Cover: Chris Gilcher

http://buchcoverdesign.de/

Illustrationen: Adobe Stock ID 308986832, Adobe Stock ID 52006106, Adobe Stock ID 313477651, Adobe Stock ID 109231581, Adobe Stock ID 330191240, Adobe Stock ID 74737687, Adobe Stock ID 252377206 und freepik.com

 

 

Für Rainer

 

Dass Du in meinem Leben bist, ist wunderbar!

Dass Du das, was ich tue, wertschätzt, ist fantastisch.

Aber dass Du immer fühlst, was ich brauche, ist einzigartig.

1. Gefunden

 

Aus dieser Entfernung konnte er die beiden Frauen lediglich als Silhouetten am Strand wahrnehmen. Michael hatte nur Augen für die vordere. Ein Hochgefühl durchströmte ihn.

Sie musste es sein.

Elf Jahre und einhundertzwölf Tage.

Oder elf Jahre, drei Monate und zwanzig Tage waren vergangen, dennoch war es wie gestern.

Ulla. Sie war neunzehn Jahre alt gewesen, überschäumend fröhlich, immer in Bewegung und verliebt. In ihn.

Beim Näherkommen erkannte er, dass eine der Frauen einen Eimer trug. Sie suchte den Boden ab, oft bückte sie sich und hob etwas auf. Die zweite Person hinter ihr entpuppte sich als ein junges Mädchen. Das interessierte sich weniger für Muscheln und Steine als vielmehr für ihr Handy, in das sie tippte und starrte. Dermaßen beschäftigt lief sie der Frau hinterher. Deren helles, langes Haar wehte im Wind. Ungeduldig strich sie eine Strähne mit dem Ellbogen zurück.

Sie war es.

Michael blinzelte gegen die Abendsonne. In einem seiner besten Ermenegildo Zegna-Anzügen mit sündhaft teuren, englischen Lederschuhen war er für den Strand komplett falsch gekleidet. Aber er hatte es nach dem Meeting in Hamburg extrem eilig gehabt, hierherzukommen. Zwei seiner Brüder waren zu Hochzeitsreisen aufgebrochen, daher war der Zeitpunkt seines Urlaubs unpassend gewählt. Doch seine beiden anderen Brüder hatten ihn ziehen lassen. Sie wussten, es war unmöglich, Michael zurückzuhalten. Dennoch hatten sowohl Konstantin als auch Reggie einen Erfolg der Aktion ›Michael sucht auf Sylt‹ bezweifelt.

Von Andreas, seinem Privatdetektiv, hatte Michael bereits Ende August die Information erhalten, dass Ulla hier unter falschem Namen lebte. Am liebsten wäre er sofort aufgebrochen, aber zuerst wurde der achtundsechzigste Geburtstag seiner Mutter am 3. September gefeiert, und genau eine Woche später fand die Hochzeit seines Bruders Jos mit Dani statt.

Er hatte elf Jahre, drei Monate und zwanzig Tage gewartet. Was waren da schon zwei Wochen mehr?

Er rätselte, warum Ullas Bruder Oliver ihm nichts erzählt hatte. Offenbar wohnte Ulla bereits seit viereinhalb Jahren in diesem Heim. Ein wunderschönes Haus, vom Strand aus nicht zu sehen, aber direkt hinter den Dünen. Es bot eigene Fitnessräume, ein Schwimmbad und einen Reitstall. Dennoch blieb es das, was es war: eine psychiatrische Pflegeanstalt für chronisch Kranke.

Michael fröstelte plötzlich, obwohl die Temperaturen für Herbst ungewöhnlich warm waren. Zahlreiche Surfer waren unterwegs, Jogger liefen am Meer entlang und ein paar Jugendliche spielten Volleyball. Zuerst hatte Michael gehofft, dass Ulla hier angestellt sei. Laut Andreas war sie jedoch Patientin. Weshalb? Was war mit ihr geschehen?

Michael hatte sich auf seine Intuition verlassen und war einfach hergeflogen. Er war weder mit Ulla verheiratet gewesen noch verlobt. Vermutlich war das der Grund, warum ihm die Polizei nicht mitgeteilt hatte, dass Ulla wiederaufgetaucht war. Oliver hingegen hatte ihm versprochen, sich zu melden, sobald er etwas von seiner Schwester erführe. Vor drei Jahren war er zur Beerdigung von Ullas Mutter gegangen. Oliver hatte den Eindruck erweckt, dass er sich freute, ihn zu sehen. Weswegen hatte er Ulla nicht erwähnt?

War es überhaupt Ulla?

Michael bezweifelte keine Sekunde, dass die junge Frau seine ehemalige Freundin war. In seinem Herzen, im tiefsten Inneren, hatte er nie an ihren Tod glauben können. Die Flamme in ihm war niemals erloschen. Keine Frau hatte den Platz füllen können, den sie hinterlassen hatte.

Zügig ging er auf die zarte Gestalt zu. Er selbst brauchte keinen Beweis. Die anderen waren es, die es zu überzeugen galt. Mit jedem Schritt wuchs seine Sicherheit, sein Herz pochte dermaßen gegen seine Rippen, dass er schon glaubte, sie müssten splittern.

Am liebsten hätte er ihr zugerufen, wäre gerannt und hätte sie in seine Arme gerissen.

Aber das durfte er auf keinen Fall. Nicht bevor er wusste, was mit ihr passiert war und warum sie sich hier unter falschem Namen versteckt hielt.

Nur noch wenige Meter trennten ihn von der Frau. Ihr hellblondes Haar leuchtete in der Sonne. Michael war es, als spürte er die seidige Beschaffenheit auf den Fingerspitzen. Die zart gebaute Frau betrachtete gerade ihre Ausbeute im Eimer und schob mit den Fingern ein paar Muscheln nach. Dann war er angekommen, direkt vor ihr.

Sein Blick fiel sofort auf ihren nackten linken Unterarm und ein Schluchzen entfuhr sich seiner Kehle.

Der Beweis: Sie war es!

»Ulla!« Er brachte ihren Namen kaum hervor. Er wollte gleichzeitig lachen und weinen. Sie sah ihn an und einen winzigen, schrecklichen Augenblick dachte er, sie wäre blind. Ihre wasserblauen Augen blickten durch ihn hindurch. Unzweifelhaft war sie älter geworden, fraulicher.

»Ulla!« Michael klang eindringlicher. »Kennst du mich nicht mehr? Ich bin es, Michael!«

Sie schien aus weiter Ferne zurückzukommen. Doch plötzlich entstellte nackte Panik ihre bildhübschen Gesichtszüge. Mit einem schrillen Aufschrei ließ sie den Eimer fallen und rannte die Dünen hinauf. Michael starrte ihr entsetzt nach.

»Wer sind Sie?«, mischte sich nun die Begleitperson ein. »Es muss eine Verwechslung sein. Sie heißt nicht Ulla.«

Natürlich! Sie lebte hier unter anderem Namen.

Noch ein Rätsel.

Michael löste widerwillig den Blick von der davoneilenden Frau und wandte sich dem Mädchen zu. »Wie wird sie genannt? Und warum läuft sie davon?«

»Es tut mir leid, aber ich darf darüber keine Auskunft geben. Ich muss ihr nach.« Damit ließ sie ihn stehen und eilte ebenfalls durch den Sand.

Ulla hatte ihn nicht erkannt.

Was war mit ihr geschehen? Was war soeben passiert?

Er zog sein Handy aus der Tasche. Konstantin, sein Bruder, meldete sich sofort.

»Sie ist es. Ich habe ihre Narbe am Unterarm gesehen. Als Dreijährige ist sie mit dem Kinderrad gestürzt und sie musste genäht werden. Die Wunde war charakteristisch gezackt und hatte eine typische, spitz zulaufende Form.«

»Wahnsinn.« Sekundenlang blieb es still. Die Nachricht hatte Konstantin buchstäblich sprachlos gemacht.

»Was hast du nun vor?«

»Ich muss wissen, was passiert ist. Sie weiß offenbar nicht, wer ich bin, Konstantin. Sie ist davongerannt! Das gibt es nicht. Klar, ich sehe älter aus, aber ...«

»Du hast keine Ahnung, was mit ihr geschehen ist. Michael, sie lebt in einer psychiatrischen Anstalt, das wusstest du doch vorher. Das heißt, sie hat ein Problem. Und möglicherweise ist es sogar unheilbar.«

»Denkst du, ich habe sie so lange gesucht, um jetzt aufzugeben?«

»Willst du ihr Leben auf den Kopf stellen?«

»Wenn ich zur Auffassung komme, dass sie glücklich ist, lasse ich sie in Ruhe.«

Gelogen. Verschwinden war für Michael keine Option. Nicht bevor er Antworten hatte.

Irgendwie hatte er das Gefühl, in ein Wespennest gestochen zu haben. Die Tatsache, dass Oliver ihm nichts gesagt hatte, war unfassbar.

Er sank in den feuchten Sand und kümmerte sich nicht darum, dass seine Anzughose nass wurde. Auch die handgearbeiteten Schuhe konnte er in den Abfall werfen. Es war ihm egal. Materielle Dinge, sie waren alle ersetzbar. Wenn er eines in den vergangenen Jahren gelernt hatte, dann dies: Nichts, das man kaufen konnte, besaß einen wirklichen Wert.

Die Dämmerung legte sich wie ein Schatten über die Landschaft.

Michael blieb sitzen.

Ulla. Er wusste nun, wo sie war. Es hatte keine Eile. Sie erkannte ihn nicht, aber das musste nicht so bleiben. Er brauchte nur Geduld. Doch das war kaum ein Problem. Jetzt, da er sie aufgespürt hatte, spielte Zeit keine Rolle mehr.

Er schloss die Augen und sah sie vor sich: Ein selbstbewusstes Mädchen, das Bäume ausreißen konnte. Sie war nie dick gewesen, hatte eine sportlich schlanke Figur gehabt. Obwohl sie nun durchaus frauliche Formen aufwies, erschien sie ihm durchscheinend dünn.

Was war mit ihr passiert? So viele Fragen und nicht eine Antwort. Dennoch spürte er Frieden in sich. Er hatte recht gehabt, nie aufgegeben. Nicht einmal ihre Eltern hatten an ihr Überleben geglaubt. Aber er hätte ihren Tod gespürt, das wusste er tief in sich.

Über elf Jahre hatte er in einer Blase gelebt. Eine Lethargie, die er nun abschüttelte wie einen Mantel, der zu schwer geworden war.

Zunächst brauchte er einen Plan. Bestimmt durfte er nicht ohne Weiteres zu Ulla. Sie war vor ihm davongerannt. War das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?

Michael war immer schon ein gewiefter Verhandlungsstratege gewesen. Nicht umsonst war er der Sales Director in dem Familienunternehmen ›Heim-Backwaren‹. Unzählige Geschäfte hatte er in den vergangenen Jahren im Auftrag der Firma abgewickelt. Schon sein Vater hatte sein Talent erkannt und ihn zielführend eingesetzt.

Im Grunde genommen hatten die zahlreichen Geschäftsreisen ihm geholfen, über die Leere in seinem Privatleben hinwegzukommen. Sicherlich hatte es manchmal eine Frau in seinem Leben gegeben. Aber seine Affären waren kurz und die jeweiligen Damen ebenso wenig an einer echten Beziehung interessiert gewesen wie er.

Sein Herz hatte er vor langer Zeit verschenkt. In seiner Brust verblieben war lediglich ein schlagender Stein, den keine Frau jemals wieder zum Schmelzen gebracht hatte.

Michael hatte sich nie mehr richtig lebendig gefühlt.

Bis heute.

2. Die Nebelwand

 

Simone hatte schon lange nicht mehr diese Angst verspürt. Wer war der Fremde gewesen? Warum hatte seine Stimme ein Kribbeln im gesamten Körper verursacht? Einen Blitz, mitten durch den Kopf? Sollten die Erinnerungen doch zurückkommen? Nach so vielen Jahren?

Sie fühlte sich beschützt im hellen Gebäude der ›Prinzhorn-Klinik‹ am Rande von Keitum auf Sylt. Man behandelte sie nett, freundlich und höflich. Aber etwas fehlte.

Herzlichkeit.

Sie hatte seit über einem Jahr keine Einzeltherapiesitzung mehr gehabt. Mit Entsetzen erinnerte sie sich an die zahlreichen Panikattacken, die sie während und nach diesen Behandlungen überfallen hatten. Stundenlang war sie das Gefühl der Bedrohung nicht losgeworden. Und diese furchtbare Atemnot, die in Erstickungsanfällen geendet hatte. In ihrer Einbildung lag sie in einem engen, dunklen Raum, jeglicher Bewegungsfreiheit beraubt.

Und dann die kreischenden Schreie! Man hatte ihr versichert, dass sie aus ihrer eigenen Kehle kamen und tatsächlich war ihr Hals nach dem Erwachen stets wund.

Die Ärzte hatten schließlich entschieden, dass es besser sei, nicht mehr in ihren Erinnerungen zu rühren. Vermutlich war es gut, wenn ihr dieses Wissen verschlossen bliebe. Wann immer sie versuchte, sich an die Zeit vor ihrem Aufenthalt auf Sylt zu erinnern, stand sie vor einer schneeweißen Nebelwand. Weich und doch undurchdringlich. Dennoch war jetzt im Nebel ein Gesicht aufgetaucht.

Ein dunkelblonder Mann mit Lachfältchen um die Augen. Mit untrüglichem Gespür wusste sie, dass dieser Mann meist fröhlich gewesen war. Woher?

Er hatte sie ›Ulla‹ genannt. Der Name klang fremd. Sie hieß Simone, obwohl sie auch mit diesem Namen nichts verband. Aber mittlerweile war sie ihn gewöhnt, denn man nannte sie schon so, seit sie hier lebte.

Michael. Das klang schön. Warum war sie fortgelaufen?

»Alles in Ordnung, Simone?« Sie drehte sich um. Hinter ihr stand Anja. Das Mädchen absolvierte Sozialstunden in der Klinik. Simone war sich bewusst, dass man sie nicht allein zum Strand lassen wollte. Sie hatte meist Begleitung, überallhin. Obwohl sie auch hin und wieder weglief. Aber sie war noch nicht geheilt von den Panikattacken.

»Es geht mir gut. Wer war der Mann?«

»Er hat dich verwechselt. Vergiss ihn.«

Schade eigentlich. Irgendwie tat es Simone leid, dass sie weggerannt war. Sie hatte nicht viel Abwechslung hier. Die meisten Insassen der Anstalt waren wesentlich älter als sie, die wenigen jüngeren Patienten blieben oft nur ein paar Wochen oder Monate. Simones Tage liefen rhythmisch gleich ab: Spaziergänge, Basteln von Bilderrahmen und Dosen, Malen, Kostüme nähen für die Kinder der kleinen Schule, Gartenarbeit, Mithilfe in der Küche und Sportliches wie Joggen oder Schwimmen.

Sie erreichten das Gebäude, wo Schwester Hilde sie erwartete.

»Schon wieder zurück, Simone?«

»Wir haben einen Mann getroffen, der mich ›Ulla‹ nannte. Glaubst du, das ist mein richtiger Name?«

»Er hat dich verwechselt, Simone«, wiederholte Anja.

»Willst du noch eine Runde schwimmen, bevor es Abendessen gibt?«, fragte Hilde.

Simone hätte sich lieber noch über den geheimnisvollen Mann unterhalten. Aber wozu? Bestimmt sah sie ihn nie wieder.

»Gute Idee.« Beim Schwimmen im klinikeigenen Hallenbad erholte sich ihr Gehirn immer. Weil sie einfach an nichts dachte, wenn der Kopf unter Wasser war.

»Ich geh dann, tschüss, Simone!«

»Tschüss, Anja, und danke.« Simone sah dem Mädchen nach, das zur Busstation hinüberging. Schließlich drehte sie sich zu Hilde um. »Ich habe das Gefühl, der Mann gehört zu meiner Vergangenheit.«

»Das wird sich aufklären.« Hilde zeigte sich diplomatisch. Sie war Zeugin der letzten Anfälle von Simone gewesen und war eigentlich froh, dass man die Therapien abgebrochen hatte. Selbst ihr Bruder hatte darauf bestanden, dass man nicht länger im Kopf der jungen Frau herumwühlte. Möglicherweise kamen ihre Erinnerungen nie zurück. Aber ein ewiges Leben hier in dieser Anstalt? Mochte sie auch noch so luxuriös sein, es blieb ein Heim für psychisch Kranke.

Simone eilte in ihr geräumiges Zimmer im ersten Stock. Der Ausblick war wunderschön, zuerst die Dünen und weit hinten das Meer. Sie liebte das Rauschen.

Rasch zog sie sich um und ging hinüber in die Schwimmhalle. Dort zog bereits Oskar seine Bahnen. Er erholte sich von einem Burn-out und durfte nächste Woche nach Hause. Simone verband nichts mit dem Begriff ›zu Hause‹. Momentan war sie hier daheim und sie konnte sich nicht vorstellen, woanders zu sein.

Sie setzte ihre Schwimmbrille auf, glitt ins Wasser und schwamm gleichmäßig neben Oskar. Dabei wurde ihr Kopf komplett frei. Sie quälte sich nicht damit, in die dunklen Teile ihres Gehirns vorzudringen, um ihm Geheimnisse zu entlocken, die im Verborgenen bleiben wollten.

Sie hoffte immer noch, dass sie eines Tages plötzlich wieder alles wusste. Doch wollte sie das überhaupt? Meist begrüßte sie es, dass eine Nebelwand sie von ihren Erinnerungen trennte.

Es war normal für sie.

Dennoch, heute, als der fremde Mann sie mit diesem Namen ansprach, hatte eine unbekannte Saite in ihr vibriert. Jenes Körnchen Willen, das dafür sorgte, dass sie nicht zur Ruhe kam. Sie bereute, dass sie davongelaufen war. Möglicherweise hätte er ihr etwas erzählen können. Vielleicht sah sie ihn doch wieder?

Gewiss nicht. Er hielt sie wahrscheinlich für bescheuert, weil sie weggerannt war, als wäre er ein Monster.

Simone kletterte aus dem Wasser und war noch in Gedanken, bis sie bemerkte, dass Oskar mir ihr sprach.

»Na, Mädchen? Wie sieht es bei dir aus? Darfst du auch bald heim?«

»Keine Ahnung.« Sie wollte nirgendwo anders hin.

»Ich muss wieder zurück in die Tretmühle.«

Oskar rubbelte sich trocken. »Aber ich habe was gelernt. Ich werde kürzertreten. Meine Kinder haben die Firma prima im Griff. Der Zusammenbruch hat mir gezeigt, dass ich mein Leben korrigieren muss.«

»Du hast eine Firma?« Simone schlang ihr Handtuch um sich und trat zu ihm. »Was denn für eine?«

»Holzverarbeitung, im Schwarzwald. Was ist mit dir? Ich meine, du lebst hier unter Kranken. Das kann auf Dauer keinen Spaß machen.«

»Leider weiß ich nicht, ob ich jemals einen Beruf erlernt habe.«

»Du bist geschickt im Basteln. Vielleicht ist das ein Anhaltspunkt?«

»Das ist nur ein Hobby.«

Er wiegte bedenklich den Kopf. »Wie ist es mit Zahlen? Buchhaltung? Oder Verkäuferin?«

Simone zuckte die Achseln. Das brachte nichts, man hatte schon diverse Tests mit ihr gemacht. Es wurde festgestellt, dass sie einiges an Allgemeinwissen hatte, aber keine speziellen Fertigkeiten beherrschte.

Sie war auf jeden Fall unfähig, den schützenden Kokon der psychiatrischen Anstalt zu verlassen.

3. Der Plan

 

In dem Jahr, seit Andreas Fischer für Michael arbeitete, waren sie sich nähergekommen. Nun saßen sie in einer kleinen Bar in Keitum und überlegten angestrengt, wie Michael am besten an Ulla herankäme.

»Sie erhält keine Besuche. Vom Hausmädchen habe ich erfahren, dass jegliche Aufregung von ihr ferngehalten werden muss. Einzige Kontaktperson ist ihr Bruder.« Andreas nippte an seinem Martini.

»Oliver, ich weiß. Ihre Eltern sind tot.« Ullas Vater hatte nur ein Jahr nach ihrem Verschwinden einen Herzinfarkt gehabt. Ihre Mutter hingegen war erst vor drei Jahren in dem Bewusstsein gestorben, dass ihre Tochter nie mehr aufgetaucht ist. Dabei lebt sie seit viereinhalb Jahren in diesem Heim.

»Wie konnte ihr Bruder ihr Auftauchen vor seiner Mutter geheim halten?« Michael verstand es nicht. Er war damals beinahe mit ihm befreundet gewesen, auch wenn sie sich im Laufe der Jahre voneinander entfernt hatten.

»Bist du dir sicher, dass es sich bei dieser Frau um Ulla Reinhardt handelt? Absolut kein Irrtum möglich?«

»Ja, die Narbe ist einzigartig.« Michael rieb über seine Stirn. Irgendwie hatte er es noch nicht richtig verarbeiten können: Ulla lebte!

Nur war er ein Fremder für sie.

Die Fäden liefen bei Oliver zusammen. Er war nach Ullas Verschwinden damals ebenfalls komplett fertig gewesen. Der Gedanke, dass Oliver damit etwas zu tun gehabt hätte – absurd. Abgesehen davon hatte er ein wasserdichtes Alibi. Und das war ausgerechnet Michael selbst. In dieser Nacht hatte Oliver auf Michaels Couch übernachtet. Daher war Olivers Schweigen umso unverständlicher für ihn.

»Vielleicht sollte ich mit Oliver sprechen?«

»Da rate ich von ab.« Andreas beugte sich vor. »Solange wir nicht wissen, weshalb er dir Ullas Auftauchen vorenthalten hat, darfst du ihm nicht verraten, dass du Ulla gefunden hast. Außerdem könnte er dir den Zugang zu seiner Schwester verwehren. Aus gesundheitlichen Gründen. Du warst nicht verlobt mit ihr und schon gar nicht verheiratet, bist kein Verwandter – deine Chance, sie besuchen zu dürfen, ist minimal.«

»Was schlägst du vor?« Michael hoffte, dass Andreas eine Lösung aus dem Ärmel schütteln könnte. Und das tat er tatsächlich.

»Es ist ein Job als Stellvertretender Verwaltungsdirektor ausgeschrieben. Du wärst im Gebäude und kämst an sie heran.«

»Ich soll meinen Job wechseln?«

»Es ist die einzige Möglichkeit. Nebenbei bemerkt hast du die Qualifikation dafür.«

Michael überlegte nur kurz.

»Dann brauche ich einen Grund, warum ich bei ›Heim-Backwaren‹ aufhöre.«

»Lass dir etwas einfallen. Entweder ein guter, alter Streit innerhalb der Familie oder dir wird das Reisen zu viel oder du hattest ein Burn-out.«

»Nein, danke zu Letzterem. Schließlich will ich nicht als Patient in der Klinik landen.«

»Ich denke, die erste Variante ist am besten. Deine Brüder spielen sicherlich mit.«

Die Idee war nicht schlecht. Mit seiner Ausbildung hatte er gute Chancen, den Job zu erhalten. ›Heim-Backwaren‹ musste eben ein wenig ohne ihn auskommen.

Niemand war unersetzlich.

Vermutlich brauchte es eine Zeit, ehe er Ulla näherkommen konnte. Aber spielten ein paar Wochen eine Rolle, wenn er elfeinhalb Jahre lang gewartet hatte?

Andreas hatte im Vorfeld bereits einiges herausfinden können.

»Sie lebt seit viereinhalb Jahren hier, von Anfang an unter dem Namen Simone Dumont.«

»Ein französischer Name?«

Andreas zog seinen Notizblock heraus. »Sie wurde am 1. Mai 2012 von ihrem Bruder gebracht. Er berichtete, sie hätte einen Autounfall auf Korsika gehabt, bei dem ihr Ehemann gestorben sei.«

Ulla war verheiratet gewesen? Konnte das stimmen?

»Ehemann?«

»Er hieß Jean-Claude Dumont und war zum Zeitpunkt seines Todes achtunddreißig Jahre alt. Mehr ist über ihn nicht in den Akten. Simone hatte schwere Kopfverletzungen, die im Krankenhaus in Ajaccio behandelt wurden. Zurückgeblieben ist die Amnesie. Am Anfang hatte sie Probleme in geschlossenen Räumen. Sie hatte Panikattacken, schlug um sich und schrie, wann immer man versuchte, sie in ein Zimmer zu bringen. Sie akzeptierte lediglich den Speisesaal sowie den großen Aufenthaltsraum. Zu Beginn schlief sie dort auf einem Sofa ein. Es dauerte einige Wochen, bis sie in ihr jetziges Zimmer umzog. Im Laufe der Monate wurden ihre Panikanfälle geringer und sie begann zu reden. Doch ihre Erinnerung blieb aus.«

»Ajaccio? Hat sie dort gelebt?«

»Vielleicht haben sie auch nur auf Korsika Urlaub gemacht? Die Insel ist ein sehr beliebtes Erholungsgebiet, leider ein wenig heruntergekommen durch die zahlreichen Protestaktionen und Verwüstungen der Separatisten dort. Soll ich herausfinden, wo sie gewohnt haben?«

»Ja.« Michael entschloss sich spontan, Andreas auch weiterhin zu engagieren. Offenbar waren mit dem Auffinden von Ulla keineswegs sämtliche Rätsel gelöst.

»Ich möchte, dass du weiter dranbleibst, während ich mich hier um Ulla bemühe.«

»Natürlich.«

4. Stammtisch

 

Sie waren nur zu dritt am allmonatlichen Brüder-Stammtisch. Ihre Verwandtschaft war nicht zu leugnen, obwohl sie vom Charakter Unterschiede aufwiesen. Konstantin, der stets Besonnene, agierte als Jurist von ›Heim-Backwaren‹. Neben ihm saß Reggie, der Chef der Entwicklungsabteilung und Gaumen der Firma, dessen untrügliches Gespür für Produkte maßgeblich zum Erfolg beitrug. Und schließlich Michael, der als Sales Director für den Vertrieb zuständig war. Er war in den letzten Jahren mehr auf Reisen als daheim gewesen. Aber es war kein Problem, das zu ändern. Er hatte Ulla wiedergefunden und er plante, sich den Platz an ihrer Seite wieder zu erkämpfen. Die Bombe explodierte, doch blieben beide Brüder skeptisch.

»Kannst du nicht warten, bis Klaus und Jos zurückkommen?« Konstantins Miene drückte Missbilligung aus.

Klaus, der älteste Bruder, holte mit seiner Frau Nora die missglückte Hochzeitsreise in den USA nach. Sie hatten bereits im Mai geheiratet; aufgrund eines Streites waren ihre Reisepläne jedoch damals geplatzt. Jos, der Jüngste im Bunde, hatte vor einer Woche geheiratet. Er und seine Frau Dani hatten für ihre Flitterwochen ein einsames Ferienhaus in der Toskana gemietet und ihren eineinhalbjährigen Sohn Noah mitgenommen. Da Noah Autist war, blieb ihnen nur diese Option.

»Ich kann keinen Tag länger warten. Elf Jahre und vier Monate sind genug.«

Konstantin und Reggie wechselten einen Blick. Niemand hatte gedacht, dass Ulla tatsächlich noch am Leben wäre. War es gut, dass Michael sie aufgespürt hatte? Sie war nicht mehr dieselbe, das war offensichtlich.

»Was ist, wenn du von ihr etwas erwartest, was sie dir nicht geben kann? Sie ist psychisch krank, Michael.«

»Ich bin mir nicht sicher, ob krank der richtige Ausdruck ist. Sie hat ihr Gedächtnis verloren. Warum und wann? Das möchte ich aufklären. Was ist ihr passiert? Was geschah vor diesem Unfall? Weshalb lässt ihr Bruder sie unter falschem Namen leben?«

»Du denkst, er hat etwas mit ihrem damaligen Verschwinden zu tun?«

»Der Rückschluss wäre naheliegend, doch er war damals die ganze Nacht mit mir zusammen. Nur sein jetziges Verhalten ist sonderbar. Aber es liegt mir fern, ihn vorzuverurteilen. Allerdings ist er als Bruder und Angehöriger in der Lage, mir den Kontakt zu Ulla zu untersagen. Ich habe keinerlei Besuchsrechte. Daher werde ich undercover bleiben.«

»Wie im Krimi!« Reggie hob sein Bierglas.

»Na ja, ganz undercover kann man es nicht nennen!« Konstantin war korrekt wie immer. »Schließlich agierst du unter deinem eigenen Namen und für den Job, für den du dich bewirbst, bist du absolut überqualifiziert.«

»Was machst du, solltest du ihn nicht bekommen?« Reggie blieb ebenfalls pragmatisch. ›Überqualifiziert‹ hieß noch lange nicht, dass Michael genommen wurde.

»Dann werde ich meine Konkurrenten leider beseitigen müssen.«

»Aber bitte mit Intelligenz und nicht so wie die Mörder im Fernsehen, die alle erwischt werden.«

Sie lachten und nippten an ihrem Bier. Doch schnell wurden sie wieder ernst. Konstantin zog mit dem Daumen einen Strich auf das eisgekühlte Glas.

»Wie lange wirst du es versuchen, Michael? Was, wenn Ulla sich niemals erinnert? Wochen, Jahre?«

»Darüber zerbreche ich mir noch nicht den Kopf. Es kommt, wie es kommt.«

»Wie willst du es denn anstellen? Vielleicht kommst du von der Verwaltung aus überhaupt nicht mit den Patienten in Berührung?«

»Ich denke, ich kann mich frei im Haus bewegen. Mir ist bewusst, dass ich außerordentlich viel Geduld brauchen werde. Möglicherweise vergehen Wochen, ehe ich die Chance habe, mit ihr zu reden. Ich meine, ein richtiges Gespräch zu führen. Die erste Begegnung war nicht gerade vielversprechend. Ich war überwältigt und sie ist davongerannt. Diesmal muss ich es diplomatischer angehen. Langsam.«

»Liebst du sie noch?« Es war Reggie, der die Frage stellte, doch beide sahen ihn dermaßen gespannt an, dass Michael lächeln musste.

»Liebe? Ich weiß es nicht. Das ist wie ein Gummiband, das mich zu ihr zieht. Nichts ist mehr so wichtig für mich, als die Rätsel um sie zu entwirren.«

Konstantin räusperte sich. »Was, wenn sie einen guten Grund hat, sich nicht zu erinnern? Möglicherweise ist ihr etwas Unschönes zugestoßen und ihr Körper reagiert mit Vergessen als eine Art Schutzfunktion.«

»Das weiß ich.« Michael drehte das Glas zwischen seinen Händen. »Gerade deswegen muss ich zu ihr. Tief in mir spüre ich, dass ihr Schreckliches passiert ist, und dass sie mit dem Wiedererhalt ihrer Erinnerung vermutlich noch mal durch diese Hölle gehen muss. Aber ich werde da sein und sie auffangen. Und danach werden gewisse Leute büßen.«

Konstantin legte seine Hand auf Michaels Oberarm. »Wenn es so weit ist, werde ich dir helfen. Vorher ebenfalls. Jederzeit. Hol dir dein Mädchen zurück.«

»Auf mich kannst du natürlich auch zählen!« Reggie prostete ihm zu. »Und ich wette, Klaus und Jos denken genauso.«

Michael spürte einen Kloß im Hals. Und Wärme im Bauch. Er erinnerte sich an seinen Besuch bei seiner Mutter am Vortag. Sie hatte ebenfalls sofort ihre Bereitschaft zur Unterstützung erklärt.

 

»Es ist wirklich Ulla?«

»Ja.«

»Es ist ein Wunder.« Die Gräfin-Witwe schüttelte den Kopf. »Ich weiß, dass du immer daran festgehalten hast, sie wäre am Leben, aber das jetzt? Es ist wunderbar.«

»Es hat nur viel zu lange gedauert.« Michael fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. »Ich habe keine Ahnung, was mit ihr geschehen ist. Leider habe ich erst vor einem Jahr einen Privatdetektiv beauftragt.«

»Warum solltest du denken, dass ihr Bruder ein falsches Spiel mit dir treibt? Weshalb tut er das? Er hat es nicht nur dir, sondern auch seiner Mutter verschwiegen.«

»Da habe ich wirklich keine Ahnung. Ulla und er haben sich immer gut verstanden.« Michael spürte Wut in sich aufsteigen. »Der Gedanke, was sie höchstwahrscheinlich hat durchmachen müssen, macht mich krank, und dass offenbar ihr eigener Bruder eine zweifelhafte Rolle spielt. Daher kann ich nicht offen zu ihm gehen, wenn ich das Rätsel lösen will. Es ist wichtig, Mama, dass niemand weiß, wo ich bin. Vermutlich lässt es sich nicht geheim halten, dass ich vorläufig nicht für ›Heim-Backwaren‹ arbeite. Sage allen, ich brauche eine Auszeit. Das ist nicht einmal gelogen, denn wie ich diese Zeit verbringe, bleibt schließlich mir überlassen.«

Gräfin Sofia umarmte ihn spontan. »Ich wünsche dir, dass du findest, was du suchst.«

 

Dieses Gespräch schwirrte ihm nun ebenso im Kopf herum wie die anteilnehmenden Blicke seiner Brüder. Demut stieg in ihm hoch, er senkte den Kopf und starrte auf den Schaum in seinem Bierglas.

Er war nicht allein.

Selbst all die Jahre nach Ullas Verschwinden war seine Familie da gewesen. Tröstend. Aufmunternd. Verständnisvoll.

Aber Ulla hatte niemanden.

Einsam und hilflos, gefangen in einem Nebel ohne Erinnerung. Es wurde Zeit, dass er sich wieder dorthin begab, wo er sein sollte. An ihre Seite.

»Du willst also inkognito bleiben, was deine Vergangenheit mit Ulla betrifft?«

»Ja. Vielleicht werde ich irgendwann einen Arzt einweihen, aber ich muss erst sehen, wem ich vertrauen kann. Womöglich hat es einen bestimmten Grund, dass Ulla so weit weg von Bayern in dieser Anstalt leben muss.«

»Du denkst, die Ärzte und Oliver arbeiten Hand in Hand und sorgen dafür, dass Ulla ewig unwissend bleibt?« Reggie hatte eigentlich Spaß gemacht, doch Michael blickte ihn todernst an.

»Vielleicht sehe ich wirklich zu viele Krimis, aber mein Gefühl sagt mir, dass es da etwas gibt, das ich herausfinden muss.«

»Hast du dir auch überlegt ...« Konstantin brach kurz ab und trank einen Schluck.

Seine Brüder warteten ungeduldig, doch er wusste plötzlich nicht mehr, ob er seinen Satz vollenden sollte.

»Was? Sprich es aus.«

»Es könnte sein, dass dir nicht gefallen wird, was herauskommt. Dass Ulla einen anderen geliebt hat, ihren Ehemann zum Beispiel.«

Michael schwieg. In der Tat, damit hatte er sich beschäftigt. Ulla war heute Frau Dumont. Hatte sie diesen Mann geheiratet, weil sie sich nicht mehr an ihn hatte erinnern können?

Oder hatte sie es gewollt? Hatte sie diesen Franzosen wirklich geliebt? War der Gedächtnisverlust erst nach dem Unfall aufgetreten oder vorher? Es waren viele Fragen offen. Aber er hatte keine Wahl. Wenn er in sich hineinhorchte, war da dieses vertraute Ziehen. Und es schob ihn in Richtung Ulla, eindeutig.

Sein Weg war vorgegeben.

5. Der neue Job

 

»Warum wollen Sie sich ausgerechnet hier in der Einöde von Sylt niederlassen?« Der Verwaltungsdirektor Franz Baumüller war ein älterer Herr mit Schnauzbart. Bis zu diesem Zeitpunkt war das Gespräch gut verlaufen. Michaels Ausbildung qualifizierte ihn in hohem Maße, Michaels Geschichte über den angeblichen Familienstreit zweifelte Baumüller nicht an. Familienzwistigkeiten kamen schließlich immer wieder vor. Aber Herrn Baumüller schien etwas anderes zu beschäftigen.

»Ein junger Mann wie Sie begräbt sich meist nicht an Land! Auf einer Insel! Ich habe nichts davon, wenn ich Sie einarbeite und Sie stellen fest, dass der Job doch nichts für Sie ist. Ich habe keine Lust, in kurzer Zeit erneut eine geeignete Person zu suchen.«

Ah, daher wehte der Wind. Was sollte er darauf antworten? Sollte sein Projekt Ulla erfolgreich verlaufen, beabsichtigte er gewiss nicht länger als nötig dazubleiben. Sein Platz war in der Familienfirma. Aber in diesem Punkt musste er unehrlich sein, sonst bekäme er den Job nicht. Er beschloss, sich so nah wie möglich an die Wahrheit zu halten.

»Ich brauche eine Auszeit. Außerdem leide ich unter Asthma, daher tut mir das Klima an der Nordsee gut. Kein Mensch kennt seine Zukunft, doch ich verspreche Ihnen, dass ich nicht zu denen gehöre, die alles stehen und liegen lassen.«

»Nun denn, dann haben Sie den Job.«

Michael atmete erleichtert auf. Es wäre schwierig geworden, hätte man ihn abgewiesen. Nun konnte er weiter planen.

»Darf ich Sie fragen, wie das Haus aufgebaut ist? Ich meine, welche Patienten leben hier? Gibt es eine Zusammenarbeit mit den Ärzten?«

»Selbstverständlich. Ich werde Ihnen alles erklären und Sie herumführen. Am besten trinken wir zusammen eine Tasse Kaffee.«

In der Cafeteria setzten sie sich an einen Fenstertisch. Es waren einige Patienten mit Besuchern da.

»Es ist ein Sanatorium. Wir haben eine Abteilung für chronisch Kranke und eine für Kurzzeitpatienten. In Letztere werden hauptsächlich Menschen mit Burn-out eingeliefert, die sich ein paar Wochen, manchmal Monate erholen. Sie können in neunzig Prozent der Fälle geheilt entlassen werden und fast alle kehren zur Arbeit zurück. Unser Chefarzt ist Doktor Paul Weingarten, er ist ein Glücksgriff.«

»Und die chronischen Patienten?«

»Das ist nicht pauschal zu beantworten. Zumindest sind keine Schwerkranken hier, nichtsdestotrotz sind leider die meisten psychischen Krankheiten unheilbar. Wir haben leichte Formen von Schizophrenie, außerdem geistig Zurückgebliebene, denen es niemals möglich sein wird, ein selbstständiges Leben zu führen. Wir versuchen, sie so gut es geht, zu beschäftigen. Manche helfen in der Küche oder im Garten mit. Wir nennen sie auch Dauerkundschaft und kennen sie alle mit Namen.«

»Am Strand habe ich eine blonde Frau getroffen. Ich muss zugeben, dass ich sie mit einer Bekannten verwechselt habe. Als ich sie mit dem falschen Namen ansprach, rannte sie davon.«

»Sie meinen bestimmt Simone. Ein tragischer Fall. Am Anfang hatte Doktor Weingarten noch die berechtigte Hoffnung, dass sich ihr Zustand bessern könnte. Leider hat es sich nicht bewahrheitet. Sie lebt schon ein paar Jahre bei uns und kann sich an nichts erinnern, was vorher passiert ist. Ihr Bruder hat sie hergebracht und war ausgesprochen besorgt. Er finanziert ihren Aufenthalt, aber sie erkennt nicht einmal ihn.«

»Furchtbar.«

Das war es tatsächlich. Zum ersten Mal bekam Michael Angst, ob sich Ullas Zustand möglicherweise nie mehr änderte.

»Was genau ist denn mit ihr passiert?«

»Es tut mir leid, das entzieht sich meiner Kenntnis. Die Ärzte unterliegen selbstverständlich der Schweigepflicht. Unsere Aufgabe ist der organisatorische Ablauf dieses Sanatoriums.«

»Aber wir dürfen mit den Patienten sprechen?« Bei einem Verbot wäre es schwierig, an Ulla heranzukommen.

Sein zukünftiger Chef lachte.

»Selbstverständlich. Das hier ist doch kein Gefängnis. Aggressive oder gefährliche Patienten werden nicht aufgenommen.«

Offenbar interessierte sich der Direktor nicht wirklich für die Patienten und deren Schicksale. Vielleicht gelang es Michael, sich mit einem der Ärzte anzufreunden. Hilfe war immer willkommen.

In seinem gesamten Freundes- und Bekanntenkreis gab es keinen Psychologen oder Psychiater, den er um Rat fragen könnte. Sollte er sich Ulla zu erkennen geben? War es sinnvoll, ihr die mitgebrachten alten Fotoalben zu zeigen oder ihr gemeinsam Erlebtes zu erzählen?

Er hatte keine Ahnung, nur die Gewissheit, dass er sich auf sein Gefühl verlassen wollte. Musste.

Er konzentrierte sich nun wieder auf Direktor Baumüller, der ihm seine Aufgaben schilderte, die für Michael überschaubar schienen. Normalerweise wäre es kein Job, der ihn interessierte. Aber es hätte schlimmer kommen können. Wäre im Verwaltungstrakt nichts frei geworden, hätte er womöglich als Gärtnergehilfe oder in der Küche anfangen müssen. Von beidem hatte er keine Ahnung. Am Schluss sprachen sie über Privates.

»Meiner Frau ist es manchmal zu einsam hier. Momentan besucht sie ihre Schwester in Berlin. Sie ist mit meiner Tochter zusammen geflogen, heute Morgen.«

»Das kann ich verstehen. Obwohl es eine traumhafte Gegend ist.«

»Sie waren nie verheiratet?«

»Nein. Vielleicht irgendwann.«

»Natürlich. Sie sind ja noch jung.«

Michael erhielt eine Einzimmerwohnung im Personaltrakt. Sie war klein, aber für seine Zwecke ausreichend. Viel größer war seine Zweizimmerwohnung in Bernried auch nicht. Schließlich plante er, nicht ewig hierzubleiben.

Der Gedanke seiner Mutter, sich ein Zeitlimit zu setzen, erschien ihm nicht so schlecht. Ein Jahr. Wenn er in einem Jahr noch keinerlei Erfolg ...

Nein, unterbrach er sich selbst. Ein Jahr, zehn Jahre ... Aufgeben war keine Option. Er musste zu Ulla durchdringen. Mochte sie sich momentan Simone nennen, sie blieb seine Ulla.

Daran durfte er niemals zweifeln!

6. Erste Begegnung

 

Ende September reiste Michael endgültig an, am 1. Oktober begann er in der ›Prinzhorn-Klinik‹. In der ersten Woche machte sich Michael mit seiner Arbeit und Umgebung vertraut. An seinem Schreibtisch fühlte er sich bald zu Hause. Die Ansprüche, die an ihn gestellt wurden, waren leicht zu erfüllen. Nebenbei erhielt er ab und zu Anrufe von seinem Vertreter bei ›Heim-Backwaren‹. Ganz unersetzlich schien er doch nicht zu sein, dennoch spürte er, dass Jürgen Brandt so gut es ging für ihn einsprang.

Die ›Prinzhorn-Klinik‹ hatte ihren Namen nach dem Psychiater Hans Prinzhorn erhalten, der sich speziell mit Malereien von Geisteskranken beschäftigt hatte. Im Trakt der chronisch Kranken befanden sich Patienten mit verschiedensten Schizophrenien in leichten Formen. Im Akutbereich lagen, wie ihm Direktor Baumüller schon erzählt hatte, Patienten mit Depressionen. Malerei, allerlei Handfertigkeiten und diverse Sportangebote bildeten die Grundlage der Behandlung. Dann gab es noch eine kleine Krankenstation, auf der die Patienten behandelt wurden, wenn sie beispielsweise eine fiebrige Erkältung hatten und intensivere Betreuung brauchten.

Michael wurde dem Chefarzt Doktor Weingarten vorgestellt, einem attraktiven Mann Mitte vierzig. Zug um Zug lernte er die Mitglieder des Personals kennen, vom Reinigungsdienst bis zur Krankenschwester. Im großen Speisesaal gab es keine Abgrenzung zwischen Personal und Patienten, wenn auch einige Patienten unter dezenter Aufsicht standen.

Michael beobachtete Ulla aus der Ferne, sie kannte jeden und nahm ihre Mahlzeiten mit verschiedenen Leuten ein. Alle schienen sie zu mögen. Michael überlegte, wie er ihr am besten näherkommen könnte.

Nach acht Tagen hatte er immer noch keine Lösung gefunden. Michael telefonierte oft mit seiner Mutter und seinen Brüdern. Das gab ihm Kraft.

»Die größte Schwierigkeit besteht darin, ein unverfängliches Gespräch mit ihr anzufangen. Ich will auf keinen Fall, dass sie wieder davonläuft.« Michael hielt das Handy an sein Ohr und blickte aus dem Fenster. Der Blick auf das Meer war ungewohnt faszinierend für ihn, auch wenn es leicht regnete.

»Eigentlich kannst du nicht viel kaputtmachen.« Reggies Stimme im fernen Bernried klang aufmunternd. »Sieh es einmal so: Sie lebt seit viereinhalb Jahren in dieser Anstalt. Sie erinnert sich an nichts. Es ist bestimmt nicht ihr Wunsch, in diesem Zustand zu bleiben.«

»Momentan scheint sie zufrieden. Ich habe das Gefühl, dass ich womöglich schlafende Hunde wecke. Was ist, wenn sie ihre Amnesie überwindet und danach verzweifelt ist?«

»Mit deiner Hilfe ist sie möglicherweise besser gerüstet, das Erlebte zu verarbeiten. Ohne Gedächtnis zu leben, muss für sie auch schlimm sein.«

»Ich fürchte mich vor dem ersten Kontakt. Wenn es schiefgeht, komme ich überhaupt nicht mehr an sie heran.«

»Mach dir nicht zu viele Gedanken, sei einfach du selbst. Rede mit ihr. Stochere nicht gleich in ihrer Vergangenheit herum. Sei ein Freund. Nach der Aufwärmphase kannst du immer noch erzählen, dass du sie von früher kennst.«

»Ja.« Michael legte seine Stirn an die kühle Fensterscheibe. »Vielleicht sollte ich vorher mit dem Arzt sprechen.«

»Nein! Auf keinen Fall!« Reggies Schnaufen brachte Michael zum Schmunzeln. »Was ist, wenn er es dir untersagt? Dann hast du nichts gewonnen, aber alles verloren. Möglicherweise benachrichtigt er Oliver und der verbietet dir das Umgangsrecht. Ihr Bruder spielt ohnehin eine dubiose Rolle in der Geschichte. Das weißt du selbst, sonst hättest du ihn längst angerufen.«

»Ja, trotzdem begreife ich es nicht. Ullas Mutter ist vor drei Jahren gestorben, zu diesem Zeitpunkt lebte Ulla bereits hier. Ich habe ihre Mutter kurz vor ihrem Tod besucht, sie sah zwar elend aus, war aber geistig komplett auf der Höhe. Sie wusste nicht, dass Oliver Ulla gefunden hatte. Sie meinte noch, sie freue sich darauf, Mann und Tochter im Himmel zu treffen. Also ging sie davon aus, dass Ulla tot sei.«

»Das bestätigt nur, dass du diesem Bruder nichts von deinem Aufenthalt auf Sylt erzählen darfst.«

»Mir ist völlig rätselhaft, warum er sich so verhält. Aber du hast natürlich recht, ich werde einfach nur versuchen, mit ihr zu sprechen. Das andere ergibt sich von selbst.«

»Du brauchst Durchhaltevermögen und Fingerspitzengefühl.«

»Verdammt, Reggie, ich warte seit mehr als elf Jahren. Wenn ich daran denke, was wir alles versäumt haben, dann könnte ich Wände hinaufrasen. Was ist mit ihr passiert und weshalb lebt sie seit viereinhalb Jahren hier? Warum weiß ich nichts davon?« Aus dem Hörer kam keine Antwort. Vermutlich, weil es keine gab.

Schließlich räusperte sich Reggie. »Bestimmt ergibt sich eine Gelegenheit, bei der du sie ansprechen kannst.«

»Ja.«

Michael beendete das Gespräch und beschloss, den schönen Tag noch für einen Rundgang zu nutzen. Möglicherweise traf er wieder auf Ulla. Beim Gedanken daran spürte er sein Herz heftig klopfen. Er hatte so große Angst, nicht nahe genug an sie heranzukommen. Was war, wenn sie nie mit ihm sprechen wollte? Als er nach zwei Stunden zum Haus zurückkehrte, erkannte er Ulla schon von Weitem. Sie spielte mit einer Gruppe Volleyball. Er setzte sich auf eine Bank am Rand und beobachtete Ullas schlanke Gestalt, die elastisch dem Ball folgte. Auch damals war sie eine ausgezeichnete Sportlerin gewesen; sie war sogar Mitglied der Schulmannschaft. Offenbar hatte sie diese Fertigkeiten nicht verlernt.

Freilich war dieses Spiel keineswegs mit einem sportlichen Wettkampf einer Schülerliga zu vergleichen, jedoch waren alle mit Feuereifer bei der Sache.

---ENDE DER LESEPROBE---